Der Spezialdemokrat

Es ist Freitag der 8. Juli 2022. Der Stadtrat von Erlangen begeht sein jährliches Sommerfest. Dr. Florian Janik, seit 2014 Oberbürgermeister, hat zu diesem geselligen Abend geladen, in dessen Rahmen auch die langjährige Bürgermeisterin der Stadt verabschiedet und gewürdigt wird. Im Schmuck der Amtskette tritt der OB ans Rednerpult und hebt zur Laudatio an, die zunächst ganz im Rahmen des erwarteten bleibt und die Leistungen der ausscheidenden Kommunalpoltikerin aufzählt, verbunden mit großem Lob und persönlichen Worten. Doch dann verknüpft der OB dieses Lob mit der Parteipolitik und preist den Einsatz der Geehrten für Demokratie, für Menschenwürde, und ihren Einsatz dafür. Wörtlich: „Daß man die Feinde der Demokratie nicht ignorieren darf, sondern, daß wenn die Feinde der Demokratie und ob sie NPD heißen ob sie Dritter Weg heißen ob sie als die AfD heißen, wie auch immer sie heißen mögen, daß man diesen Feinden der Demokratie niemals das Feld überlassen darf, daß man den Mut haben muß, sich gegen sie zu stellen, daß man den Mut haben muß ihnen immer wieder deutlich zu machen, daß das wofür sie eintreten nicht nur irgendeine politische Meinung ist, daß ihre politische Meinung darauf abzielt alle anderen politischen Meinungen und alle die andere politische Meinung am Ende mundtot zu machen.“ (Original aus Redemitschrift)

Die Sache geht zu Gericht

Abgesehen davon, daß derartige Beschimpfungen des politischen Gegners in einer offiziellen Laudatio nichts zu suchen haben, und daß die gelöste Stimmung eines Sommerfestes ohnehin derart scharfe Rhetorik nicht verträgt, ist die Rechtslage in Deutschland glasklar. Es gilt das Gebot der strikten Trennung von Staatsamt und Parteifunktion. Mag der Politiker als Repräsentant seiner Partei noch so rüde über den politischen Gegner herziehen dürfen, in seiner Funktion als Amtsträger darf er das nicht. Das ist auch allgemein bekannt, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in drei (!) bekannten Urteilen vor diesem Auftritt des Erlanger OB klipp und klar diese Rechtslage bestätigt und die Bundesminister Wanka mit Urteil vom 27.2.2018 und Seehofer mit Urteil vom 9.6.2020 dazu verurteilt, es künftig zu unterlassen, in amtlicher Eigenschaft den politischen Gegner schlecht zu machen. Es handelte sich, angesichts der derzeitigen politischen Großwetterlage wenig überraschend, jeweils um den politischen Gegner AfD. Der Erlanger OB hält es offenbar auch für den Ausdruck seiner besonders demokratischen Haltung, die Stadträte der AfD während der Sitzungen grundsätzlich nur mit bürgerlichem Namen anzusprechen, die übrigen Stadträte jedoch mit „Frau Kollegin“ bzw. „Herr Kollege“. Das ist nicht demokratisch, das ist schlicht flegelhaft. Auch hatten in den Jahren zuvor eine Reihe von Verwaltungsgerichten jeweils Kommunalpolitikern untersagt, in amtlicher Eigenschaft über ihren politischen Gegner AfD herzuziehen. Und mit Aufsehen erregendem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.6.2022, also gerade einmal rund drei Wochen vor dieser Veranstaltung der Stadt Erlangen, wurde der seinerzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel gleiches ins Stammbuch geschrieben, nachdem sie anlässlich einer Auslandsreise als Bundeskanzlerin den Landtag von Thüringen dazu aufgefordert hatte, die soeben erfolgte Wahl eines FDP-Politikers zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD rückgängig zu machen.

Rechtsblind und stur

Mit anderen Worten, Janik wusste was er tat, und er tat es trotzdem. Der Vorgang ist schon für sich genommen skandalös genug. Doch dabei ließ dieser hoffnungsvolle Nachwuchspolitiker (Jahrgang 1980) der SPD es nicht bewenden. Die örtliche AfD forderte ihn im Anschluss an die Veranstaltung auf, derartiges künftig zu unterlassen, und insoweit auch eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dazu konnte sich der Herr Oberbürgermeister nicht verstehen, sodaß der örtliche Kreisverband die Stadt Erlangen vor dem zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach verklagte. Das Gericht solle der Stadt per Urteil untersagen, durch ihren Oberbürgermeister im Rahmen offizieller Veranstaltungen bezüglich des Klägers (AfD-Kreisverband) im Rahmen offizieller Veranstaltungen zu erklären: „Die Feinde der Demokratie, ob sie NPD heißen, ob sie Dritter Weg heißen oder ob sie AfD heißen“. Obwohl die Rechtslage keinen Zweifel daran zuließ, daß die Klage Erfolg haben würde, ließ der OB seine Stadtverwaltung gegen den Unterlassungsanspruch argumentieren und Klageabweisung beantragen. Naturgemäß erging dann am 23.3.2023 ein Urteil entsprechend dem Klageantrag. Offenbar waren die städtischen Juristen nach Lektüre des Urteils der Auffassung, ein Rechtsmittel werde kaum erfolgreich sein können, weswegen dann auch das Urteil rechtskräftig wurde.

Soweit, so gut, mag man denken. Weit gefehlt.

Wem das Recht gleichgültig ist…

Am 10.1.2024 berichtete die Tagesschau in sensationeller Aufmachung über ein sogenanntes Geheimtreffen „rechter“ Kreise, das am 23. November des Vorjahres in Potsdam stattgefunden habe. Es seien dabei Pläne zur millionenfachen Vertreibung von Migranten mit und ohne deutschen Pass geschmiedet worden, um einmal diese Räuberpistole in wenige Worte zu fassen. Bekanntlich führte das in den Wochen danach zu massenhaften Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen der Republik, die sich ganz eindeutig vor allem gegen die AfD richteten. Dies unbeschadet dessen, daß sehr bald schon die Urheber dieser Sensationsgeschichte zurückruderten und erklärten, von massenhaften Vertreibungen sei eigentlich nicht die Rede gewesen. Doch da lief die absichtsvoll in Gang gesetzte Empörungsmaschinerie schon auf vollen Touren. Der Erlanger OB musste sich da natürlich in seiner Stadt an die Spitze der Proteste setzen. Auf seiner amtlichen Homepage rief er zu einer für Freitag, den 19.1.2024 geplanten Kundgebung auf und „motivierte“ die Bürger seiner Stadt dazu mit den Worten: „Die Enthüllungen des Rechercheteams von Correctiv sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, daß die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDU-nahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmern die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschen Pass. Mut macht in diesen Zeiten, daß Tausende Menschen in Deutschland aufstehen und auf großen Kundgebungen für Rechtsstaat, Demokratie und Freiheit eintreten. Auch in Erlangen ist eine solche Kundgebung geplant. Sie findet am Freitag, dem 19. Januar ab 16:00 Uhr auf dem Hugenottenplatz statt. Erlangen ist offen aus Tradition und wir erleben die Vielfalt unserer Stadtgesellschaft jeden Tag als Bereicherung. Zeigen wir das auch!“

Erregte Politiker treffen auf kühle Juristen

Nun ist abgesehen von dem erschreckend niedrigen politischen Niveau dieser Aussage vor allem bemerkenswert, daß hier jemand vorgibt, für den Rechtsstaat einzutreten, der auf denselben offensichtlich pfeift. Nicht nur, daß dem Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt von Amts wegen klar sein muß, daß er Amt und Parteipolitik streng voneinander zu trennen hat, sondern auch der Umstand, daß gerade ihm als Oberbürgermeister von Erlangen mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23.3.2023 weniger als ein Jahr zuvor persönlich klargemacht worden war, daß er so etwas nicht darf, macht an sich sprachlos. Es bleibt nur die Feststellung, daß dieser Spezialdemokrat für sich in Anspruch nimmt, an Recht und Gesetz nicht gebunden zu sein.

Der Erlanger Kreisverband der AfD mahnte also die Stadt Erlangen dieserhalb ab und forderte sie mit Anwaltsschreiben vom 26.1.2024 zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, also der Erklärung, künftiges nicht wiederholen zu wollen, bei Meidung einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung. Dem kam die Stadt Erlangen, man muß schon sagen, erwartungsgemäß nicht nach. Deswegen beantragte der Anwalt des Kreisverbandes am 1.2.2024 beim Verwaltungsgericht in Ansbach, der Stadt Erlangen bei Meidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zu untersagen, durch ihren Oberbürgermeister öffentlich erklären zu lassen: „Die Enthüllungen des Rechercheteams von Correctiv sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, daß die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDU-nahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmern die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschen Pass.“ Der Oberbürgermeister wies seine Verwaltung erwartungsgemäß an, dem entgegenzutreten, was mit Schriftsatz vom 5.2.2023 auch geschah. Indessen konnte sie damit das Gericht nicht überzeugen. Mit Beschluss vom 6.2.2024 verurteilte es die Stadt Erlangen antragsgemäß.

Als „wahrer“ Demokrat pfeift man auf die Gerichte – Haltung ist Alles!

Indessen war die inkriminierte Äußerung des OB auch nach Zustellung dieser Entscheidung noch wochenlang auf seiner offiziellen Homepage unverändert für jedermann lesbar. Der Kreisverband der AfD ließ deswegen mit Schriftsatz seines Anwalts vom 16. Februar 2024 beim Verwaltungsgericht beantragen, wegen dieses Verstoßes gegen den Beschluss des Gerichts vom 6.2.2024 ein Ordnungsgeld festzusetzen. Dem trat die Stadt Erlangen mit dem merkwürdigen Argument entgegen, man sei ja nicht zur Löschung, sondern nur zur Unterlassung dieser Aussage verurteilt worden. Erstaunlicherweise fand sie mit diesem Argument beim Verwaltungsgericht Gehör, das den Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes zurückwies. Dagegen war natürlich Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzulegen, was der Anwalt des Kreisverbandes mit Schriftsatz vom 22.2.2024 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der obersten Gerichte in Deutschland auch tat. Mit Beschluss vom 18.3.2024 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach gegen die Stadt Erlangen ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 € fest. Denn im vorliegenden Falle handele es sich ja bei dem streitgegenständlichen Post auf der Homepage des OB der Stadt Erlangen um eine Dauerhandlung. Wer zur Unterlassung einer Dauerhandlung verpflichtet ist, kann diese Verpflichtung natürlich nur dadurch erfüllen, daß er dafür sorgt, daß sie niemanden mehr zur Kenntnis gelangt. Eine zu unterlassende Äußerungen im Internet kann also nur durch löschen eines solchen Posts ungeschehen gemacht werden.

Für die Erlanger Steuerzahler sind die beschriebenen Eskapaden ihres Oberbürgermeisters nicht ganz billig. Nicht nur das Ordnungsgeld in Höhe von immerhin 1.000 €, sondern auch die Verfahrenskosten schlagen zu Buche. Auch wenn es sich dabei nicht um gewaltige Beträge handelt, so wäre das Geld doch etwa in der Möbilierung von städtischen Spielplätzen oder in der Beschaffung von Schulbüchern weitaus besser angelegt. Vor allem aber muß man konstatieren, daß sich jener famose Kommunalpolitiker offenbar herausnimmt, mit Recht und Gesetz „nach Gutsherrenart“ umzugehen. Ein Spezialdemokrat eben. Wer in Deutschland gefährdet eigentlich den demokratischen Rechtsstaat?

Buchempfehlung

Es ist zwar eine abgegriffene Phrase, Bücher als unbedingt lesenswert zu empfehlen. Mir fällt indessen im vorliegenden Fall nichts Besseres ein. Die größte intellektuelle Umweltverschmutzung unserer Zeit ist der Wokismus. Schon darin, daß die allermeisten Leute gar nicht wissen, was dieser Begriff bedeuten soll, liegt bereits sein Wesen als Theorie des Absurden. Der Begriff stammt ja aus dem englischen. Woke heißt eben erwacht. Als erwacht fühlen sich die tonangebenden linken Intellektuellen in Universitäten, Verlagen und politischen Zirkeln. Das Gegenteil sind dann eben alle anderen, die gerade nicht erkennen, was auf dieser Welt wichtig ist, und wie sie daher zu gestalten ist.

Alexander Wendt hat sich nun intensiv und ausgiebig mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und dazu ein Buch mit dem Titel „Verachtung nach unten“ vorgelegt, dessen Untertitel „Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir sie verteidigen können“ recht gut seinen Inhalt zusammengefasst. Es geht eben um abstruse Theorien wie die, daß Weiße nicht nur kein Recht haben, über andere Rassen überhaupt nur zu sprechen, ja nicht einmal bei persönlicher Integrität etwa Schwarzen Gerechtigkeit widerfahren lassen können, weil sie eben als Weiße von einem gewissermaßen genetischen Rassismus geprägt sind, und zwar unabänderlich (White supremacy). Zu den bizarren Auswüchsen dieser Ideologie gehört es, daß etwa ein weißer Facharbeiter grundsätzlich zu den Unterdrückern gehört, eine Staatssekretärin mit arabisch-muslimischem Hintergrund jedoch immer zu den Unterdrückten. Wendt weist auch auf die vielen Widersprüchlichkeiten dieser woken Ideologie hin wie etwa der, daß Lehren des Islam wie die Minderwertigkeit der Frau gegenüber dem Mann und die Verworfenheit der Juden als Rasse zu akzeptieren sind, weil sie eben in einer Kultur zu Hause sind, die der abendländischen, „weißen“ Kultur entgegengesetzt ist. Ausgerechnet diejenigen, denen bei uns schon der Feminismus nicht ausreicht, weil er die Existenz von nur zwei biologischen Geschlechtern, biologischen Geschlechtern überhaupt, voraussetzt, ausgerechnet die propagieren eine Art Höherwertigkeit des Islam. Das sind nur zwei Beispiele der vielen Absurditäten dieser derzeit dominierenden Lehre in den Geisteswissenschaften, die von Politik und Medien verbreitet wird.

Der Autor analysiert auch mit faszinierender Präzision das Personal dieser Ideologie. Nahezu zu 100 % stammen deren Verfechter aus dem Bildungsbürgertum und finanzstarken Kreisen. Wir kennen ja in Deutschland den familiären Hintergrund der Protagonistinnen von Fridays for Future, bei denen es sich um junge Damen aus Milliardärs- und Multimillionärsfamilien handelt. Vor allem arbeitet Wendt heraus, mit welcher Arroganz diese Priesterkaste der Erleuchteten dem zahlenmäßig weit überwiegenden Teil der Menschheit gegenübertritt. Man blickt aus den teuren Stadtwohnungen und luxuriösen Villen voller Verachtung auf die Leute herab, die buchstäblich im Schweiße ihres Angesichts ihren Lebensunterhalt erarbeiten müssen, und allein schon deswegen nicht einmal die Zeit haben, sich mit politischen und gesellschaftlichen Theorien überhaupt nur zu befassen. Geradezu ikonisch ist in diesem Zusammenhang das berühmte Wort der seinerzeitigen amerikanischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vom basket of deplorables, ziemlich genau übersetzt also vom „Korb der Erbärmlichen“.

Dabei bleibt der Autor aber nicht stehen. Er bietet einen außerordentlich lehrreichen Blick auf die Entwicklung der europäischen Geistesgeschichte, insbesondere Demokratiegeschichte. Dem Leser wird somit ermöglicht, nachzuvollziehen, was eigentlich den Wert der persönlichen Freiheit ausmacht, wie sehr sie die Grundlage der Demokratie ist, und warum sich diese Gesellschaftsordnung so fundamental von allen anderen in der Geschichte und auf dieser Erde unterscheidet.

Schließlich zeigt Wendt auch den Weg dazu auf, diese Irrlehre zu überwinden, wobei er schon Anhaltspunkte dafür aufzeigen kann, daß diese dabei ist, an ihren eigenen Widersprüchen zu zerbrechen, was allerdings leider nur sehr langsam vonstatten geht. Wer das Buch gelesen hat, hat jedenfalls das Rüstzeug, zum einen selbst zu erkennen, wo und wann einem diese verderbliche Ideologie entgegentritt, und zum anderen mit schlagenden Argumenten diesem Unfug entgegenzutreten. Ich halte es geradezu für eine Bürgerpflicht, jedenfalls für diejenigen, die das intellektuelle Rüstzeug dafür mitbringen, dieses Buch zu lesen und sich mit seinen Argumenten der Bekämpfung des Wahnsinns zu widmen.

Alexander Wendt, Verachtung nach unten, Lau Verlag 2024, ISBN 978-3-95768-259-8

Die Gedankenpolizei

Heinrich Hoffmann von Fallersleben ist nicht nur der Schöpfer des Textes unserer Nationalhymne, des Deutschlandliedes, sondern hat auch das alte Volkslied „Die Gedanken sind frei“ in seine endgültige Fassung gebracht. Ich stelle die erste Strophe meinen nachfolgenden Überlegungen voran.

Musiknoten zum Lied - Die Gedanken sind frei

Es ist leider an der Zeit, dieser Melodie einen neuen Text zu unterlegen. Unsere wackere Kämpferin gegen den wieder auferstandenen Nationalsozialismus, als die sie sich offenbar unter dem Beifall des woken, linksgrünen Publikums sieht, die unvergleichliche Nancy Faeser, arbeitet offensichtlich an dem dringend notwendigen Staatssicherheitsgesetz. In der albernen Diktion der typischen Ampelgesetze wird es wohl „Gutes Denken Förderungsgesetz“ heißen. Sein Vorläufer ist der soeben vorgestellte 13-Punkte-Plan unter der Überschrift „Rechtsextremismus entschlossen bekämpfen – Instrumente der wehrhaften Demokratie nutzen“. Durchweg in Orwell’schem Neusprech gehalten, wird skizziert, was künftig Art. 5 des Grundgesetzes ersetzen soll.

Es geht natürlich ausschließlich gegen „Rechts“, Faesers Freunde von der Antifa, die ja schon gerne mal sogenannten Rechten, aber auch schon mal Unbeteiligten mit dem Hammer die Knie- oder Fußgelenke zertrümmern, sind natürlich ebensowenig gemeint, wie IS-Anhänger, Salafisten oder sonstige Islamisten, ob gewalttätig oder „nur“ wortradikal. Einige Beispiele:

So sollen beispielsweise die zuständigen Ordnungsbehörden Maßnahmen vor Ort ergreifen – etwa in Form gaststättenrechtlicher oder sonstiger gewerberechtlicher Maßnahmen oder durch das ordnungsrechtliche Einschreiten gegen rechtsextremistische Veranstaltungen. Nun ist Rechtsextremismus kein gesetzlicher Tatbestand, sondern wird von den Verfassungsschutzbehörden mit dem Segen der zuständigen Politiker jeweils definiert. Ein Verein, eine Partei oder einfach ein Stammtisch kann dann jedenfalls aus dem öffentlichen Leben verbannt werden, denn auf diesem Wege können Gaststätten oder auch Vermieter von Veranstaltungshallen angehalten werden, diese Leute auszuschließen, selbstverständlich bei entsprechender Strafdrohung.

Die kapitalbezogenen Strukturen und Zusammenhänge des rechtsextremistischen Spektrums werden durch das Bundesamt für Verfassungsschutz systematisch analysiert. Dies umfasst unter anderem Unternehmensstrukturen oder Finanzierungsnetzwerke, um so Trends, Muster und Vorgehensweisen herausarbeiten zu können. In vorauseilendem Gehorsam hat das ja vor kurzem eine mittelfränkische Sparkasse vorexerziert und einem Kunden mit der Kontosperrung gedroht, der eine Spende an eine politische Partei überwiesen hatte. Geplant ist auch, die angeblich zu hohe Hürde des Verhetzungs -und Gewaltsbezugs für Aktivitäten des Verfassungsschutzes in § 8a des Bundesverfassungsschutzgesetzes durch einen auf das Gefährdungspotenzial abstellenden Ansatz zu ersetzen. D.h. nichts anderes, als daß anstelle des bisher erforderlichen Nachweises verfassungsfeindlicher Bestrebungen nun die bloße Annahme einer Gefährdung in dieser Richtung ausreichen soll, mit geheimdienstlichen Mitteln gegen Vereinigungen und Personen vorzugehen, und dies dann auch öffentlich zu machen, also diese Leute an den Pranger zu stellen. Ebenfalls soll ein erleichterter Zugriff auf Bankdaten und ein noch einzurichtendes Immobilientransaktionsregister ermöglicht werden. Das ist natürlich die Vorstufe zu Enteignungen und Vermögenseinzug.

Der wackeren Verteidigerin der Verfassung ist es natürlich auch ein Dorn im Auge, daß sogenannte Rechtsextremisten ein- und ausreisen können wie sie wollen. Das soll künftig verhindert werden.

Ein besonderes Steckenpferd der Ministerin und ihrer Gesinnungsgenossen ist der sogenannte Hass (kein gesetzlicher Straftatbestand!) im Netz, allerdings nur wenn er „rechtsextrem“ ist. Daß in dieser Szene bis hinein ins öffentlich-rechtliche Rundfunkwesen dergleichen sehr beliebt ist, hat ja jüngst der Karl Eduard von Schnitzler des ZDF namens Jan Böhmermann vorgeführt, der nichts weniger gefordert hat, als das Keulen von Rechtsextremisten, die er natürlich Nazis nennt. Bemerkenswert ist nicht nur der unbedingte Vernichtungswille, sondern auch der Sprachgebrauch. Bisher versteht man unter Keulen die Tötung von Tierbeständen, die von einer Seuche befallen sind. Das ist für den auch bei Faeser sehr beliebten Herrn Böhmermann wohl die richtige Methode des Umganges mit Leuten, die anderer politischer Meinung sind, für ihn und seine Freunde indessen Nazis. Faeser will deswegen schon so genannte inkriminierte Inhalte, offensichtlich unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, löschen lassen. Zur Erinnerung: Art. 5 zieht die Grenzen der Meinungsfreiheit beim Gesetzesverstoß, vor allem beim Verstoß gegen Strafgesetze.

Besonders wichtig ist der Polizeiministerin die Säuberung des öffentlichen Dienstes, im Orwell’schen Neusprech Entfernung von Verfassungsfeinden aus dem öffentlichen Dienst. Es heißt in ihrem Programm: „Um eine deutliche Beschleunigung der Verfahren zu erreichen, werden künftig alle Disziplinarmaßnahmen, einschließlich der statusrechtlichen Entfernungen und andere statusrelevante Disziplinarmaßnahmen, durch Disziplinarverfügung ausgesprochen. Das langwierige Disziplinarklageverfahren, mit dem der Dienstherr statusrelevante disziplinarische Maßnahmen vor Gericht beantragen musste, entfällt.“ Im Klartext: unbotmäßige Staatsdiener fliegen durch einfachen Brief der vorgesetzten Dienststelle raus. Sie können dann ja klagen. Das dauert Jahre. Zwischenzeitlich kann man ja vom Bürgergeld leben, oder sich beim Aldi an die Kasse setzen.

Um künftig einen bewaffneten Umsturz in der Art der Rollatorrevolution des Prinzen Reuß zu verhindern, muß natürlich auch das Waffenrecht geändert werden. So soll künftig schon die Mitgliedschaft in einer Organisation, die vom Verfassungsschutz als „bloßer“ Verdachtsfall geführt wird, bereits zuverlässigkeitsschädlich sein und damit zum Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis führen. Damit die potentiellen rechten Putschisten auch keine vertieften Fertigkeiten im Umgang mit gefährlichen Waffen erwerben können, soll die Nutzung von Schießplätzen eingeschränkt werden, sodaß erlaubnisfreies Schießen für jedermann nur noch mit bestimmten Waffen gestattet werden soll. Ich gehe mal davon aus, daß das mit dem Luftgewehr künftig wohl noch möglich sein wird, mehr aber nicht.

Diese kleine Auswahl soll genügen. Wir werden dann in einem anderen Land leben, jedenfalls nicht mehr in einem freien Land. Und wir werden dann, jedenfalls wenn wir sicher sind, daß kein Fremder in der Nähe ist, singen:

Die Gedanken Polizei

sie wird uns verraten.

Sie kommet vorbei

wie nächtliche Schatten.

Kein Tyrann kann sie missen,

kein Bürger begrüßen.

Es faesert herbei

die Gedanken Polizei.

Klarheit

Die Diskussionen um Waffenlieferungen an die Ukraine, aktuell um das Waffensystem Taurus, sind teils verworren, teils unterkomplex und bisweilen intellektuell defizitär.

Die entscheidende Grundlage

Grundlegend ist zunächst einmal die Rechtslage. Alles, was im Zusammenhang mit der Unterstützung der einen oder anderen Kriegspartei zu erwägen ist, muß sich in erster Linie an der Rechtslage orientieren. Erst danach kann überhaupt über politische Argumente nachgedacht werden.

Es sollte allgemein unstrittig sein, daß der Angriff Russlands auf die Ukraine vor zwei Jahren ein glatter Bruch des Völkerrechts, vor allem auch bestehender Verträge zwischen den beiden Staaten, aber auch internationaler Abkommen war. Ich habe das in meinem Buch Tatort Ukraine, erschienen im Oktober 2022, kurz und übersichtlich dargestellt. Es ist damit aber auch unzweifelhaft, daß die Ukraine sich gegen einen unrechtmäßigen Angriff verteidigen darf. So ist das in Art. 51 der UN-Charta eindeutig geregelt. Waffenlieferungen an Kriegsparteien sind völkerrechtlich erst einmal neutral zu werten. Sie machen den Lieferanten nach überwiegender Auffassung im Völkerrecht nicht zur Kriegspartei. Als historisches Beispiel mag die Schweiz dienen. Sie hat im Zweiten Weltkrieg sowohl das Deutsche Reich als auch die Alliierten mit Waffen beliefert. Ihr Status als neutraler Staat wurde deswegen von keiner der Kriegsparteien in Zweifel gezogen.

Dürfen unbeteiligte Staaten Waffen an Kriegsparteien liefern?

Damit beantwortet sich schon fast von selbst die Frage, welche Waffen geliefert werden dürfen. Waffen an sich haben keine rechtliche Qualität. Rechtliche Qualität hat ihr Einsatz. Insbesondere ist es gleichgültig, auf welche Entfernung sie wirken können. Die Debatte um den Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von rund 500 km ist aus militärischer Sicht auch grotesk. Zweifellos kann die Ukraine mit diesem Waffensystem Ziele tief im russischen Staatsgebiet bekämpfen. Das kann sie allerdings auch mit Artilleriesystemen, die zum Beispiel Reichweiten um die 80 km haben, von der Luftwaffe ganz zu schweigen. Wenn sie in Grenznähe disloziert sind, wirken sie also auch in das Staatsgebiet des Feindes. Es kommt alleine darauf an, ob militärische Ziele oder zivile Ziele bekämpft werden. Letzteres würde gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen, ersteres wäre eine nicht nur legitime, sondern völkerrechtlich auch legale Kriegshandlung. Im übrigen sollte es für klar denkende Menschen auf der Hand liegen, daß die Ukraine mit dem gleichen Recht wie Russland militärische Ziele im jeweils anderen Land bekämpfen darf. Kriegsverbrechen hingegen ist immer die Bekämpfung ziviler Ziele.

Politik

Bemerkenswert ist die heutige Abstimmung im Deutschen Bundestag. Mehrheitlich haben die Abgeordneten beschlossen, an die Ukraine weitreichende Waffensysteme zu liefern. Die Lieferung des weitreichenden Waffensystems Taurus indessen lehnte die Mehrheit der Abgeordneten ab. Politische Entscheidungen sind eben häufig unlogisch und widersprüchlich, Politik eben.

Krieg und Frieden

Eine ganz andere Frage ist, ob die Kriegsparteien nicht endlich zu Friedensverhandlungen kommen sollten. Das ist aber deren Sache, worin wir uns nicht einzumischen haben. Natürlich können wir einen guten Rat geben. Völlig verfehlt indessen sind Vorstellungen, wonach es zum Frieden führen würde, wenn man die Waffenlieferungen an die Ukraine einstellt, und sie so nicht mehr imstande ist, wenigstens den status quo zu verteidigen. Vielmehr ermöglicht nur die Unterstützung der Ukraine mit Waffenlieferungen die Aufnahme von Friedensverhandlungen.

Es liegt im übrigen nahe, daß die Ukraine kein Staat ist, der unseren Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaat genügt. Daß sie ebenso wie Russland zu den korruptesten Ländern der Welt gehört, ist eine Binsenweisheit. Inwieweit die derzeitige Regierung von ihrer Bevölkerung getragen wird, inwieweit allgemeiner Konsens mit der Regierungspolitik herrscht, und inwieweit auch ihre Armee in Kriegsverbrechen involviert ist, wissen wir nicht genau. Gerade zu letzterem gibt es noch keine justizförmigen, vor allem unabhängige Untersuchungen, von förmlichen Gerichtsverfahren ganz zu schweigen. Somit muß man sich mit derartigen Bewertungen zurückhalten. Das ändert aber alles nichts daran, daß völkerrechtlich die Lage ist, wie sie ist. Für Juristen ist das keine Frage. Auch der Dieb kann Opfer eines Diebstahls sein. Beethoven läßt im Fidelio den Pizzaro singen: „Nun ist es mir geworden, den Mörder selbst zu morden!“ Schon damals bestand daran kein Zweifel. Das Recht schützt jeden.

McCarthy hat übernommen

Das politische Klima in Deutschland entwickelt sich zunehmend weg von der freiheitlichen Gesellschaft. Bezeichnend ist unter anderem die Wortwahl in Politik und Medien, aber auch seitens der Verfassungsschutzbehörden. So wirft man politisch missliebigen Personen und Vereinigungen häufig vor, „die Grenzen des Sagbaren“ verschieben zu wollen. Daran schließen sich dann konkrete Vorwürfe an, die eine verfassungsfeindliche Grundeinstellung der Betroffenen dokumentieren, oder zumindest einen entsprechenden Verdacht begründen sollen. Dieser Sprachgebrauch ist verräterisch. Denn wer so denkt, hält es für richtig und rechtens, daß man nicht alles sagen darf, sondern bestimmte Meinungen nicht nur politisch unerwünscht sind – was ja wohl immer nur einen Teil des politischen Spektrums betreffen kann, denn der jeweils andere Teil wird das genau umgekehrt sehen –, sondern auch von Rechts wegen nicht geäußert werden dürfen.

Die zentrale Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Demokratie

Dazu muß man in aller Kürze darauf hinweisen, daß unsere Verfassung in Art. 5 GG die Meinungsfreiheit schützt. Es handelt sich dabei um das für den Bestand jeder Demokratie unverzichtbare Bürgerrecht. In seinem berühmten Lüth-Urteil vom 15.1.1958 hat das Bundesverfassungsgericht dazu ausgeführt: „Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l‘ homme nach Art. 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freeedom“ (Cardozo).“ Damit formuliert das Bundesverfassungsgericht den überragenden Stellenwert dieses Grundrechts. Es benutzt in diesem Urteil übrigens zum ersten und einzigen Male das Stilmittel, tragende Gründe seiner Entscheidung auch in anderen Sprachen zu formulieren. Das muß natürlich bei der Auslegung der allgemeinen Gesetze stets so durchschlagen, daß im Zweifel der Freiheit der Vorrang vor allen anderen Belangen gebührt. Ihre Grenzen findet sie nur in den allgemeinen Gesetzen, also dem Strafgesetzbuch, aber auch an den Persönlichkeitsrechten anderer Menschen. Die Verleumdung mag eine Meinungsäußerung sein, sie ist aber gerade aus diesem Grunde nicht zulässig. Politische Meinungen indessen sind nach unserer Verfassung ebenso frei wie etwa Meinungen zu künstlerischen Darbietungen oder der Qualität von Wein. Innerhalb der so von der Verfassung definierten Meinungsfreiheit gibt es eben keine „Grenzen des Sagbaren“. So dient schon der Vorwurf, die Grenzen des Sagbaren verschieben zu wollen, genau genommen der Einschüchterung.

Der neurotische „Kampf gegen Rechts“

Das politische Meinungsklima in Deutschland indessen treibt in die entgegengesetzte Richtung. Die Mehrheitsmeinung erhebt nicht nur den Anspruch, jeweils sachlich zutreffend zu sein, sie maßt sich auch an, abweichende Meinungen als nicht nur sachlich unzutreffend, sondern moralisch verwerflich und staatsgefährdend zu bewerten. Dabei schreckt man auch vor offensichtlichen Verleumdungen nicht zurück, wenn sie nur geeignet erscheinen, die Furcht der Bevölkerung vor Krieg und Tod, Bürgerkrieg und Diktatur und was der diffusen Ängste noch mehr sein mögen, zu fördern. Wir erleben dies gerade im Zusammenhang mit den angeblichen Enthüllungen über eine sogenannte Geheimkonferenz finsterer rechtsextremer Figuren, auf deren Tagesordnung nicht weniger als die millionenfache Deportation von Menschen mit der angeblich falschen Hautfarbe oder Abstammung, und zwar auch mit deutscher Staatsbürgerschaft, gestanden haben soll. Nichts von dem allen ist wahr, wie das auch schon in der Vergangenheit mehrfach der Fall gewesen ist. Erinnert sei an die Fälle der komplett erlogenen Ertränkung eines sechsjährigen Kindes mit Migrationshintergrund durch Neonazis im Freibad von Sebnitz im Sommer 2000, des angeblich rassistischen Mordanschlages auf Ermyas Mulugeta im April 2006, die angebliche Hetzjagd von Mügeln im August 2007, die verleumderische Verfälschung des Textes der Ansprache des Politikers Martin Hohmann vom 3. Oktober 2003, die angebliche Hetzjagd von Chemnitz vom August 2018, den nicht stattgefundenen, jedoch journalistisch gehypten Sturm auf den Reichstag am 29.8.2020 und die Falschmeldung über angebliche Bedrohungen von Angestellten anderer Fraktionen durch Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion 2019. Sie alle hatten eins gemeinsam: Sie waren komplett erfunden, erschienen jedoch nützlich im sogenannten Kampf gegen Rechts zu sein, ebenso wie der maßlos aufgebauschte angebliche Reichsbürgerputsch um die verwirrten Zeitgenossen um den merkwürdigen Heinrich XIII. Prinz Reuß. Gleichwohl schaffen es Politiker und Journalisten, nahezu täglich zig-tausende von Bürgern auf die Straße zu treiben, um dort gegen die Wiederkehr Hitlers und seiner Spießgesellen, selbstverständlich in Gestalt der verhassten AfD und anderer angeblicher Umstürzler zu demonstrieren. Die apokalyptischen Reiter der Verleumdung – Furcht, Unwissenheit, Fanatismus und Verunglimpfung, treiben die Massen vor sich her.

Der Verfassungsschutz als Gedankenpolizei

Eine tragende Rolle in diesem bösen Spiel hat das Bundesamt für Verfassungsschutz übernommen, das man seit geraumer Zeit besser Bundesamt für Verdachtschöpfung nennen sollte. Es hat sich ganz offen als Instrument der Politik gezeigt, als sein Präsident unverblümt erklärte, seine Behörde könne es nicht alleine leisten, die Umfragewerte der AfD zu reduzieren. Es hat auch seine gesetzlichen Aufgaben eigenmächtig erweitert, indem es die sogenannte „Delegitimierung des Staates“ seiner Aufgabenbeschreibung in § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes hinzugefügt hat. Das Gesetz selbst weist ihm jedoch nur die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen zu, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, sowie weiter sicherheitsgefährdende, geheimdienstliche und sonstige Bestrebungen, vor allem durch Anwendung von Gewalt, und auch Bestrebungen die gegen den Gedanken der Völkerverständigung und das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Von einer „Delegitimierung des Staates“ kann keine Rede sein, auch die ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane ist etwas völlig anderes als die angebliche Delegitimierung. Nachdem die ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Verfassungsorganen bereits im Gesetz steht, und der Angriff gegen die Verfassungsordnung überhaupt ebenso wie gegen die Sicherheit des Staates, kann der neue Begriff nur Aktivitäten und Meinungsäußerungen unterhalb dieser Schwelle betreffen. Sie sind jedoch von dem tragenden Freiheitsrecht des Art. 5 GG geschützt.

Diese Selbstermächtigung des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist als Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unseres Landes zu werten. Die Verfassung muß vor diesem Verfassungsschutz geschützt werden. Nicht mehr der Schutz der bürgerlichen Freiheiten vor einem autoritären oder gar diktatorischen System, das sie abschaffen will, steht auf der Agenda des Amtes, sondern man arbeitet daran, den Geist der Freiheit einzusperren.

Nur hilflos oder schon erbärmlich?

Exemplarisch zeigt sich dies nun daran, daß man nun den Vorgänger des heutigen Präsidenten, Herrn Dr. Hans-Georg Maaßen, als Beobachtungsobjekt führt. Nicht nur die Absurdität dieses Sachverhalts als solche, vielmehr die nun öffentlich gemachten Gründe hierfür verdienen eine nähere Betrachtung. Nachdem dies bekannt geworden war, ließ Herr Dr. Maaßen mit Schreiben vom 18.8.2023 über seine Anwälte das Amt auffordern, Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu erteilen. Dem hat das Amt nun mit Bescheid vom 16.1.2024 entsprochen und auf 20 Seiten dargelegt, welche Daten es aus welchem Grunde über die Person Dr. Hans-Georg Maaßen gespeichert hat. Dieses Dokument ist so bemerkenswert, daß Herr Dr. Maaßen seiner Veröffentlichung zugestimmt hat. Die Lektüre dieses Schreibens gestattet tatsächlich einen Blick in die Gedankenwelt dieser Behörde, die wiederum maßgeblich von der Regierungspolitik bestimmt wird.

Hier werden Denkweisen und Methoden sichtbar, die an die geistigen Grundlagen und Arbeitsmethoden von diktatorischen Systemen erinnern, wie wir sie in unserem Lande leider schon hatten, und wie wir sie heute in Ländern wie Russland und China sehen. Doch auch demokratische Gesellschaften sind vor solchen Entwicklungen nicht sicher. Ein Beispiel aus der neueren Geschichte ist die McCarthy-Ära in den USA. Den meisten Menschen in Deutschland wird der Begriff nichts mehr sagen. Es handelte sich kurz gesagt um eine Kampagne in den USA der frühen fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, wohl eingebettet in eine hysterische Furcht vor dem Kommunismus. Dem politischen Schwindler Joseph McCarthy war es gelungen, bis zum Senator aufzusteigen und sich die Furcht seiner Landsleute vor dem Erstarken des Kommunismus im gerade begonnenen Kalten Krieg zu Nutze zu machen. Ein Klima, in dem die absurdesten Verdächtigungen gegen Künstler, Intellektuelle, Politiker, aber auch Neid und Missgunst fröhliche Urständ feierten. Abweichende Meinungen konnten sehr schnell als Beleg für kommunistische Verschwörungen angesehen und bewertet werden. Natürlich musste diese kollektive Psychose scheitern, und brach dann auch nach wenigen Jahren zusammen.

Aufschlussreich ist also, was der Verfassungsschutz so alles über seinen früheren Präsidenten gespeichert hat. Verdachtbegründend sind demnach schon Veröffentlichungen Dritter über Maaßen. Besonders verdächtig ist es, wenn Leute etwas über ihn schreiben, die ihrerseits vom Verfassungsschutz der Reichsbürgerbewegung zugerechnet werden, verdächtig ist es aber auch, wenn der Jurist Dr. Maaßen sich über Verhältnismäßigkeit oder Unverhältnismäßigkeit von polizeilichen Maßnahmen äußert. Natürlich darf auch die Verschwörungstheorie unserer Verfassungsschützer nicht fehlen, wonach schon die Wortwahl einer verdächtigen Person den Verdacht des Antisemitismus begründen kann oder gar muß. Dabei greift man zu dem semantischen Taschenspielertrick, dem betreffenden Verfasser zu unterstellen, er meine gar nicht, was die von ihm benutzte Vokabel bedeutet, sondern benutze sie gewissermaßen als Geheimzeichen, wie das in der Ganovensprache, auch Rotwelsch genannt, der Fall ist. Dort gibt es ja nicht nur Vokabeln, die man sonst weder in der Umgangs- noch der Hochsprache findet, sondern auch Vokabeln, die nur für Eingeweihte vertändlich sind, zum Beispiel „Kachny“ (Huhn) oder „schinageln“ (arbeiten). Oder solche, die für Eingeweihte eine andere Bedeutung haben, als für uns. So meinen sie betteln, wenn sie fechten sagen, und Hunger, wenn sie Bock sagen. Die Verschwörungstheoretiker vom Bundesamt für Verdachtschöpfung sprechen dann von „Codes“ und „Chiffren“. Der Begriff des Globalismus, der nun einmal ganz wertneutral für die Bedeutung der weltweiten Wirtschaftsbeziehungen und die Macht der weltumspannenden Konzerne steht, soll dann belegen, daß der Verfasser in Wirklichkeit damit ein antisemitisches Stereotyp bedient, und in der Nachfolge Hitlers von einer jüdischen Weltherrschaft fabuliert. Die Heimtücke dieser Methode besteht natürlich darin, daß bereits die Unterstellung, sich einer Geheimsprache zu bedienen, denknotwendig voraussetzt, daß der Betreffende zu eben den Kreisen gehört, die man als verfassungsfeindlich und/oder kriminell einstuft. Das ist so grotesk und absurd, daß man darüber nachzudenken beginnt, ob die Urheber solcher Verschwörungstheorien nicht doch einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung bedürfen.

Aber auch die übliche parteipolitische Kritik, auch Polemik, ist für den Verfassungsschutz offenbar Anlass genug, derartiges zu speichern. Offenbar sieht man sich aufgerufen, insbesondere die Partei Bündnis 90/die Grünen zu schützen, weswegen man Aussagen des Delinquenten dazu speichert. Verdächtig sind dann Äußerungen in Interviews mit Publikationen wie der Züricher Weltwoche, der Neuen Zürcher Zeitung, der Welt, Cato oder auch im Spiegel. Für eine seriöse Informationsquelle hält man aber offenbar die Publikation der linksradikalen Amadeu Antonio Stiftung namens Belltower. Nun gut, diese sogenannte Nichtregierungsorganisation ist ja inzwischen faktisch eine zivilrechtlich verfasste Verfassungsschutzbehörde. Dem Fass schlägt den Boden aus der Hinweis auf das Schreiben eines unbekannten Verfassers von 23.5.2017 an Maaßen als seinerzeitigen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das nach Meinung der Verfasser dieser Recherche in einem für „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ typischen Sprachgebrauch abgefasst sein soll, dicht gefolgt von dem Hinweis auf eine Zusammenstellung von Presseartikeln vom 12.3.2018, zu denen auch ein Bericht des Spiegel vom 10.3.2018 gehören soll. Gewissermaßen zur Entschuldigung beruft sich dann das Autorenkollektiv auf die automatisierte Suche nach Belegen für verfassungsschutzrelevante Nennungen des Namens Maaßen. Die Krone des Ganzen ist allerdings die Erwähnung der E-Mail einer Person an die Bundesministerin des Innern und für Heimat vom 9. Dezember 2022, in welcher der Versender im Zusammenhang mit der „Razzia in der Reichsbürgerszene“ Funktionsträger im öffentlichen Dienst verdächtigt, rechtsextremistische, cyberfaschistische und scientologische Ideologien auszuleben. Wohlgemerkt, es handelt sich bei all diesen „Fundstücken“ nicht etwa um Äußerungen des Beobachtungsobjekts Dr. Maaßen. Es genügt offenbar, wenn eine Suchmaschine Verknüpfungen zwischen Texten dieser Art und dem verfassungsfeindlicher Umtriebe verdächtigten Dr. Hans-Georg Maaßen herstellt. Willkommen in Absurdistan!

…denn sie wissen nicht, was sie tun

Deutschland erlebt eine Demonstrationswelle, wie es sie in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben hat. Allenthalben folgen zigtausende, nein, hunderttausende dem Aufruf von Politik und Medien, „gegen rechts“ auf die Straße zu gehen. Es sei höchste Zeit, gegen die Verfassungsfeinde Gesicht zu zeigen, die Verfassungsfeinde von rechts natürlich. Islamisten, die schwerste Straftaten begehen und Linksextremisten, die es ihnen gleich tun und schon einmal politischen Gegnern mit dem Hammer die Gelenke zertrümmern, spielen in diesem Zusammenhang offenbar keine Rolle.

Wer oder was treibt die Leute auf die Straße?

Seit Veröffentlichung der Recherche des linksradikalen „Redaktionsnetzwerks“ correctiv, das keineswegs eine Redaktion im herkömmlichen Sinne ist, sondern eine mit viel Geld von dubiosen Stiftungen, aber auch aus Steuermitteln geförderte NGO, über ein angebliches Geheimtreffen in Potsdam berichtet haben, an dem auch drei AfD-Politiker aus der dritten Reihe teilgenommen haben, fegt ein Sturm der Entrüstung durch die Medien. Politiker vom Bundespräsidenten angefangen überschlagen sich geradezu in Warnungen vor dem heraufdämmernden Nationalsozialismus in Gestalt der AfD. Wer die Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einschaltet oder zur Tageszeitung greift, wird täglich mit schrillen Warnungen vor diesen gefährlichen Feinden von Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechten geradezu überschüttet. Was es mit diesem angeblichen Geheimtreffen auf sich hat, habe ich ja schon beschrieben. Zwischenzeitlich kann man beispielsweise ein Interview mit einem der Teilnehmer dieses Gesprächsabends, Herrn Rechtsanwalt Dr. Ulrich Vosgerau mit der Zürcher Weltwoche auf YouTube zur Kenntnis nehmen. Nach Sachlage ist auch zu erwarten, daß diese dreiste Lügengeschichte jener Kampagnejournalisten vor Gericht platzen wird wie die sprichwörtliche Seifenblase.

Warum ist es so leicht, die Leute aufzuhetzen?

Ein unverzichtbares Mittel der Wirtschaftswerbung ebenso wie der politischen Propaganda ist die ständige Wiederholung einprägsamer Begriffe. Das wissen wir seit den Forschungen amerikanischer Soziologen vor 100 Jahren. Wir müssen leider auch davon ausgehen, daß die meisten Leute keine tiefergehenden Kenntnisse der politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge haben, noch weniger über Hintergründe wissen und auch im allgemeinen keine längeren Texte zu irgend einem Sachthema, geschweige denn Texte im Umfange eines Buches lesen. Ich bin mir sehr sicher, daß von den Leuten die den Aufrufen zur Demo gegen Rechts hunderttausendfach Folge geleistet haben und auch noch leisten werden allenfalls 1 bis 2 Prozent etwa das Parteiprogramm der AfD gelesen haben, geschweige denn Aufsätze oder gar Bücher der Protagonisten des rechten Spektrums wie etwa das in diesem Zusammenhang erwähnte Buch des österreichischen rechten Aktivisten Martin Sellner zur sogenannten Rehmigration, oder etwa das vor Jahren erschienene Interview-Buch des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke. Ihre Meinung bilden sich die Leute vielmehr ausschließlich auf der Grundlage von Fernsehsendungen oder Artikeln in der Tageszeitung, allerdings bitte möglichst kurzer Artikel. Dagegen ist zunächst einmal nichts zu sagen, denn die allermeisten Leute müssen ihre Zeit in erster Linie Familie und Beruf widmen, und die knapp bemessene Freizeit wollen sie dann nicht auch mit dem Bohren harter Bretter aufbrauchen, jener harten Bretter, womit der große Politologe Max Weber seinerzeit den mühsamen Weg zur Erkenntnis der Wahrheit beschrieben hat. Das ist aber nun mal die Chance der Hetzer und Verführer, die das kognitive Vakuum des Publikums dann eben mit Fälschungen und politischem Müll anfüllen. Frei nach dem Motto: wer wenig weiß, muß viel glauben; wer nichts weiß, muß alles glauben.

Die Strategie der Rechtschaffenen:

Wenn der politische Gegner erst einmal zum Volksfeind gestempelt worden ist, dann gelten ihm gegenüber natürlich keine Anstandsregeln, politischen Sitten und nicht einmal mehr Rechtsregeln. Wir leben dann ja nicht mehr in normalen Zeiten, sondern es gilt den Umsturz zu verhindern, wozu natürlich jedes Mittel recht ist. Schließlich ist es höchste Zeit. Wer Ohren hat zu hören, der hört doch bereits den Marschtritt der SA-Kolonnen zu den Klängen des Horst-Wessel-Liedes. Da wird es geradezu zur Pflicht, „gegen rechts“ auf die Straße zu gehen. Dabei spielt es natürlich keine Rolle, daß rechte Politik innerhalb des Verfassungsbogens durchaus ihren Platz hat, und für Verfassungsfeinde letztlich die Gerichte zuständig sind, denn nur sie können rechtsverbindlich feststellen, auf wen diese Zuschreibung tatsächlich zutrifft, und nur sie können entscheiden, welche Konsequenzen der Rechtsstaat dann daraus ziehen muß. Die bloße Einordnung durch die Verfassungsschutzbehörden indessen ist nicht rechtsverbindlich. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor Jahrzehnten entschieden, daß die behördliche Einstufung als verfassungsfeindlich niemanden von Rechts wegen entgegengehalten werden darf. Denn das ist nach unserer Rechtsordnung den Gerichten vorbehalten. Im übrigen fällt auch auf, mit welcher Inbrunst sich etwa der Präsident des Bundesamtes für den Verfassungsschutz als treuer Knappe der Politik im Kampf gegen die AfD präsentiert und mit bedauerndem Unterton erklärt, seine Behörde könne es ja nicht alleine bewerkstelligen, daß die Umfragewerte dieser Partei zurückgehen. Somit wird der Kampf gegen rechts, in Wahrheit der Kampf gegen die ungeliebte politische Konkurrenz mit allen propagandistischen und juristischen Mitteln geführt, nur nicht in der sachlichen Debatte, denn dann könnten sich die Leute ja ihre eigene Meinung ganz ohne den erhobenen Zeigefinger der Gouvernanten aus Politik und Medien bilden.

Die juristischen Folterwerkzeuge:

Nicht ganz zufällig wird nun neben den ebenso allfälligen wie aus juristischer Sicht völlig unsinnigen Rufen nach einem Verbot der Satanistenpartei durch das Bundesverfassungsgericht der Ruf nach einem Verbot der Parteienfinanzierung zugunsten der AfD laut und lauter. Hat doch das Bundesverfassungsgericht nun die lange erwartete Entscheidung gegen die nunmehr in „Heimat“ umbenannte NPD getroffen. Schon im Urteil von 2017 wurde zwar das Verbot dieser Partei nicht ausgesprochen, allerdings ihre Verfassungsfeindlichkeit festgestellt und das Verbot letztlich nur deswegen nicht ausgesprochen, weil von dieser Kleinstpartei keine ernsthafte Gefahr mehr ausgeht. Indessen wies das Gericht darauf hin, daß ein gesetzlicher Ausschluss einer solchen verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Finanzierung durchaus möglich sei. Das ist nun Wasser auf die Mühlen der wackeren vermeintlichen Verteidiger des demokratischen Rechtsstaats. Denn die Grundsätze dieser Entscheidung seien doch nun auf die AfD anzuwenden. Wenn schon die Verfassungsjuristen Bedenken gegen ein Verbotsverfahren hätten, dann könne doch wenigstens die Finanzierung aus Steuergeldern eingestellt werden. Nun trügt diese Hoffnung. Kenner der Materie wissen, daß weder das Parteiprogramm noch die Aussagen der führenden Politiker jener Partei auch nur in die Nähe dessen kommen, was hinsichtlich der NPD/Heimat vom Bundesverfassungsgericht festgestellt worden ist. Indessen geben manche Äußerungen von Politikern dieser Partei Anlass, näher hinzuschauen.

Das politische Glatteis

Man darf nicht übersehen, daß ja nun einmal inzwischen auch Entscheidungen von Verwaltungsgerichten vorliegen, die eine Einstufung von Landesverbänden der AfD als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes oder gar dessen Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ – was auch immer das sei- für rechtens erklärt haben. In diesen Fällen haben die Verwaltungsgerichte zwar die Parteiprogramme und offiziellen Stellungnahmen von führenden Politikern für unbedenklich erachtet. Sie haben aber angesichts einer von den Verfassungsschutzbehörden dokumentierten Vielzahl von Äußerungen nachrangiger Parteimitglieder geurteilt, nicht Programme und offizielle Stellungnahmen, sondern die Vielzahl von Äußerungen in der Breite der Partei rechtfertigten die Annahme, daß hier der Wesenskern der Partei liege und demzufolge Parteiprogramm und Vorstandsbeschlüsse nicht maßgeblich seien. Ob das durch die Instanzen und für die gesamte Partei Geltung haben kann, insbesondere in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, ist zwar sehr zweifelhaft, liest man etwa den Tatbestand des sogenannten NPD-Urteils vom Januar 2017, der von nicht nur unappetitlichen, sondern in der Tat verfassungsfeindlichen Parolen nur so strotzt. Indessen dürfte es nicht nur juristisch gefährlich sein, sondern auch Wähler abschrecken, wenn die Parteiführung es duldet, daß Mandatsträger wie einfache Mitglieder unsägliche Parolen über den Stammtisch rülpsen oder über die Straße brüllen. Es ist auch dringend geboten, gegen derartiges Verhalten von Mitgliedern disziplinarisch vorzugehen, also Parteiausschlussverfahren konsequent durchzuführen. Leider geschieht dies nicht überall, im bayerischen Landesverband der AfD überhaupt nicht. So hat ja bekanntlich der Bundesvorstand der Partei den bayerischen Landesverband aufgefordert, den Abgeordneten Halemba aus der Partei auszuschließen, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Volksverhetzung und der Verbreitung nationalsozialistischer Symbole ermittelt, und dem nachgewiesen worden ist, daß er die Versammlung seines Kreisverbandes zur Aufstellung von Listenkandidaten für den Landtag in der Weise manipuliert hat, daß er ihm gewogene Mitglieder dazu veranlasst hat, zum Schein einen Wohnsitz anzumelden, den sie niemals hatten, der aber auf dem Gebiet seines Stimmkreises liegt. Nach Sachlage droht auch hier eine Verurteilung, nämlich wegen mittelbarer Falschbeurkundung. Der bayerische Landesvorstand indessen ist dem nicht gefolgt. Es liegt nahe, daß man hier innerhalb der dort dominierenden Strömung, die dem Thüringer Landesvorsitzenden Höcke verbunden ist, den Parteifreund schont. Angesichts der Zusammensetzung dieses Landesvorstandes wie auch des Fraktionsvorstandes im bayerischen Landtag ist das nicht weiter verwunderlich. Der politische Pöbel ist dort doch reichlich vertreten. Der Bundesvorstand der Partei muß sich wohl Gedanken darüber machen, ob er nicht gemäß § 8 der Bundessatzung die Amtsenthebung des Landesvorstandes oder gar die Aufhebung des Landesverbandes Bayern verfügt. Denn damit könnte man Bestrebungen des politischen Gegners, mittels Gerichtsbeschluss die Finanzierung der Partei zu unterbinden, den sprichwörtlichen Wind aus den Segeln nehmen. Abgesehen davon wäre dies ein positives Signal an die bürgerlichen Wähler im politischen Spektrum rechts der Mitte. Unterbleibt das, so kann dies als negatives Signal in diese Richtung gewertet werden.

Korrektur zu Correktiv

Die Aufregung ist groß. Wie ein Paukenschlag wirkte die Meldung der öffentlich-rechtlichen Medien, aber auch nachfolgend der Tagespresse, von einem Geheimtreffen rechtsextremer Strippenzieher in einem Hotel nahe Berlin. Eine dubiose Gruppe finanzstarker Unterstützer der rechtsextremen Szene und natürlich auch der AfD, habe eine Art Konferenz zum Thema „Migration“ veranstaltet, das zum einen der Einwerbung von Spenden und zum anderen der Erarbeitung von Strategien dienen sollte, auf welche Weise man effektiv den Bevölkerungsanteil von Migranten in Deutschland nachhaltig senken könne. Dafür stehe der Begriff der „Remigration“. Dahinter stecke der rassistische Denkansatz, daß Menschen aus Afrika und dem Orient einfach nicht zu Deutschland gehörten, vielmehr der steigende Anteil dieser Menschen an der Bevölkerung unseres Landes letztendlich zum Verschwinden der Deutschen führen müsse. Deswegen könne man sich nicht darauf beschränken, lediglich ausreiseflüchtige Asylbewerber konsequent abzuschieben, sondern müsse auch möglichst viele legal hier lebende Flüchtlinge und Asylanten auch mitunter robusten Maßnahmen zur Ausreise bewegen, und zwar unabhängig davon, ob sie nun deutsche Staatsbürger sind oder nicht. „Deutschland den Deutschen“, so klingt es durch. Als Hauptreferenten zu diesem Thema habe man den Kopf der sogenannten Identitären Bewegung, den Österreicher Martin Sellner, eingeladen. Indessen seien aber auch hochrangige Vertreter der AfD gekommen, aber auch andere Personen aus dem als rechtsextrem beschriebenen Spektrum, darunter zwei Mitglieder der Werte Union und der Verfassungsrechtler Rechtsanwalt Dr. jur.habil. Ulrich Vosgerau.

Die Verschwörung der AfD zu Potsdam

Der Bericht auf der Internetseite des selbsternannten Recherche Netzwerks Correktiv und die darauf aufbauende Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien und der Tagespresse muten an wie ein Kolportageroman mit den Elementen einer reißerischen Kriminalstory. Andeutungen, Vermutungen und Unterstellungen werden geschickt mit bekannten Fakten vermengt und daraus ein journalistisches Bubenstück generiert und auf die Bühne gebracht. Die Verfasser konnten natürlich sicher sein, daß die dem „K(r)ampf gegen rechts“ verpflichteten Medien ebenso begierig zugreifen würden, wie die Politiker von CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne/Linke, und auch ihr gehorsamer Diener und Chef des Bundesoberverdachtsschöpfungsamtes namens Haltungszwang oder wie der auch immer heißt. In dieser Erwartung wurden sie nicht enttäuscht. Sie hatten einen Scoop gelandet, wie das im Mediensprech so heißt und träumen vermutlich bereits vom Pulitzerpreis, denn ihre Leistung als investigative Journalisten steht doch wohl auf der gleichen Stufe wie die Aufdeckung des Watergate-Skandals durch die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein von der Washington Post im Jahre 1972. Claas Relotius dürfte vor Neid erblassen. Vielleicht ist er aber bereits inoffizieller Mitarbeiter von Correktiv.

Wer ist eigentlich Correctiv?

Wer die Welt mit sensationellen Enthüllungen beglückt, muß sich gefallen lassen, daß man erst einmal überprüft, wer da auf dem Marktplatz der Medien so laut schreit. Das Unternehmen Correktiv wurde im Juni 2014 gegründet und stellt sich in seiner Eigenwerbung als gemeinwohlorientiertes Medienhaus dar, das die Demokratie stärkt. Tatsächlich handelt es sich um eine der vielen sogenannten NGOs, die von Stiftungsgeldern und staatlichen Zuwendungen am Leben gehalten werden und zwei Funktionen erfüllen. Zum einen treiben sie die linke Agenda voran, indem sie einschlägige Themen journalistisch und propagandistisch bearbeiten, zum anderen ermöglichen sie die Alimentierung ihrer durchweg linksradikalen Angestellten und Mitarbeiter durch die ihr gewogene und von ihnen unterstützte politische Kaste, die kraft ihrer Staatsämter Zugriff auf Steuergelder hat. Zu den Geldgebern gehören neben verschiedenen Einrichtungen des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen diverse Stiftungen, darunter die Rudolf Augstein Stiftung, die Brost Stiftung, deren Vorstand von dem seinerzeitigen Vertrauten des damaligen SPD-Vorsitzenden und Bundeskanzlers Bodo Hombach präsidiert wird, und, wenig überraschend, die Open Society Foundation des Milliardärs George Soros, deren Tätigkeitsschwerpunkt unter anderem die Förderung der Migration ist.

Was heißt Remigration und was ist das überhaupt?

Wörtlich übersetzt heißt Remigration Rückwanderung, also das Gegenteil von Einwanderung. Damit ist zunächst einmal nichts darüber gesagt, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen das stattfindet. Wer einmal eingewandert ist, und nach geraumer Zeit aus welchen Gründen auch immer in seine Heimat zurückkehrt – zurückwandert –, auf dessen Verhalten trifft der Begriff ebenso zu wie auf eine staatlich organisierte Rückführung von Ein- oder Zuwanderern. Der Begriff selbst ist also erst einmal neutral. Es gibt im rechtsextremen Spektrum, das streng vom politisch rechten Lager insgesamt zu unterscheiden ist, durchaus Überlegungen dahingehend, durch eine staatlich erzwungene Rückwanderung zu einer ethnisch/rassisch homogenen Bevölkerung zurückzukehren, so es diese überhaupt je gegeben haben sollte. Der sogenannten Identitären Bewegung wird genau das unterstellt, und nicht wenige ihrer Verlautbarungen gehen in diese Richtung. Indessen kann man unter diesen Begriff durchaus auch die Rückführung von solchen Menschen subsumieren, die sich illegal hier aufhalten, etwa, weil ihr Asylantrag rechtskräftig abgewiesen worden und ihre Ausreise ebenso rechtsbeständig verfügt worden ist.

Die Rechtslage

Jedenfalls juristisch kann kein Streit darüber bestehen, daß von Behörden und Gerichten rechtskräftig zur Ausreise bestimmte und verurteilte Personen auch gegen ihren Willen außer Landes geschafft werden können. Das geschieht ja auch laufend, wenn auch leider in viel zu geringem Umfang. In viel zu geringem Umfang deswegen, weil ich es für eine nicht hinnehmbare Schwächung des Rechtsstaates halte, wenn Recht und Ordnung nicht durchgesetzt werden. und auch deswegen, weil diese Menschen uns Steuerzahler unglaublich viel Geld kosten. Gerade eben hat der Wirtschaftssachverständige Professor Raffelhüschen die Kosten der Migration für unser Land auf 5,8 Billionen € (!) beziffert. Auch politisch ist dieses Thema virulent. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen ist auch der Auffassung, daß insoweit das Gesetz in weitaus größerem Maße durchgesetzt werden müsste, als dies derzeit geschieht. Soweit gefordert wird, auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund müssten das Land verlassen, weil sie sich nicht einfügen bzw. weil sie jedenfalls aus der Sicht von rechtsextremen Zeitgenossen ethnisch und rassisch nicht hierher gehören, verstößt eine solche Forderung eindeutig gegen Art. 16 Abs. 1, Art. 3 GG und letztendlich gegen die Menschenwürdegarantie gemäß Art. 1 GG. Diese Verfassungsgrundsätze können bekanntlich nicht einmal mit verfassungsändernder parlamentarischer Mehrheit abgeschafft oder in ihrem Wesenskern beeinträchtigt werden. Alle Forderungen dieser Art sind deswegen niemals erfüllbar. Wer sie gleichwohl propagiert, muß sich fragen lassen, was er denn geraucht hat. Und deswegen sind solche Forderungen auch nicht ernsthaft als gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung geichtet einzustufen. Von solch abseitigen Spinnern kann keine wirkliche Gefahr für die Verfassungsordnung ausgehen. Allerdings ermöglicht gerade Art. 16 des Grundgesetzes für den Sonderfall, daß der Betroffene durch den Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft nicht staatenlos wird, ihren Entzug. Also könnte durchaus ein Mensch mit deutscher und afghanischer Staatsangehörigkeit zunächst die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren und dann auch ausgewiesen werden, weil er etwa schwere Straftaten begangen hat. In dieser Richtung gibt es durchaus auch aktuell politische Initiativen, etwa aus den Reihen der CDU. Wir halten also fest, daß Remigration im Wortsinne in gewissen Fällen durchaus eine Option darstellt, natürlich im aufgezeigten Rahmen des Grundgesetzes. Also kann man seriös nur solche Akteure verurteilen, die unter Remigration verstehen, daß alle Nichtdeutschen das Land verlassen müssen, ob sie nun deutsche Staatsbürger sind oder nicht.

Was streben die Verschwörer an?

Correktiv weiß natürlich, daß es hier um eine Verschwörung finsterer rechter Gesellen geht, die den deutschen Volkskörper von fremdem Blut reinigen wollen, weswegen in ihrem Reportageknüller auch der Hinweis nicht fehlen darf, daß der Tagungsort nicht weit vom Schauplatz der berüchtigten Wannseekonferenz im Jahre 1942 entfernt liegt. Damit hat man dann ganz im Sinne des inoffiziellen Auftraggebers den parlamentarischen Arm des Rechtsextremismus in den Augen der Öffentlichkeit erfolgreich gehitlert. Denn gefühlt beendet nahezu jeder Redner der sogenannten Altparteien seinen Debattenbeitrag mit der klassischen Wendung: ceterum censeo alternativam pro Germania esse delendam. Indessen hört man aus den Kreisen der Teilnehmer dieser Veranstaltung, nicht einmal Herr Sellner habe definitiv gefordert, unterschiedslos Migranten mit und ohne deutsche Staatsangehörigkeit außer Landes zu schaffen. Er selbst stellt das ebenfalls in Abrede. Die AfD ließ durch ihre Vorsitzende erklären, derartige Vorstellungen habe ihre Partei nicht. Im Gegenteil. In ihrem Programm sei ja nachzulesen, daß alle deutschen Staatsbürger gleich zu behandeln seien. Indessen behauptet Correktiv in verschwörungstheoretischer Argumentation, die AfD verstecke hinter diesen Programmsätzen ihre wahren Absichten. Der Wolf hat eben Kreide gefressen.Es ist auch zweifelhaft, ob der von Correktiv in das Tagungshotel eingeschleuste Journalist tatsächlich Protokoll geführt und die Wortbeiträge der Teilnehmer wenigstens in ihrem Kern aufgezeichnet hat.

Der Sidekick

Unter den Teilnehmern der Veranstaltung war auch, wie erwähnt, der Rechtsanwalt und Verfassungsrechtslehrer Dr. Ulrich Vosgerau. Der Mann ist in der linken Politikerblase außerordentlich unbeliebt, zum einen, weil er ein klassisch konservativer Jurist ist, und zum anderen, weil er derzeit die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung vor dem Bundesverfassungsgericht anwaltlich vertritt. Es geht dort ja bekanntlich darum, daß die Mehrheit des Deutschen Bundestages zum wiederholten Male dieser Stiftung die Fördergelder verweigert hat, die ihr nicht nur nach meiner Rechtsauffassung zweifellos zustehen. Hier geht also buchstäblich Macht vor Recht. Damit ist Herr Kollege Vosgerau in den Augen der politisch korrekten Gesellschaft eben weniger ein Rechtsanwalt, als ein rechter Anwalt. Konsequent wirft Korrektiv ihm vor, in seinem Tagungsbeitrag verfassungsfeindliche Positionen vertreten zu haben. Sein Thema war das Wahlrecht in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Vosgerau hat bei dieser Gelegenheit die Briefwahl problematisiert. Damit stellt er sich nicht gegen die Verfassung, sondern liegt auf einer Linie mit dem Bundesverfassungsgericht, das unter Hinweis auf Art. 38 GG die Frage aufwirft, ob mit zunehmender Quote von Briefwählern nicht der Grundsatz der geheimen Wahl verletzt wird, wie er durch die klassische Urnenwahl gewährleistet ist. Im übrigen sei er von einem seiner Mandanten auf diese Veranstaltung aufmerksam gemacht worden, und es stehe ihm doch frei, mit jedem zu sprechen. Nun, das scheint in Deutschland nicht so zu sein. Wer mit dem Gottseibeiuns spricht, riecht künftig nach Schwefel.

Das Strafgesetzbuch gilt auch für investigative Journalisten

Correktiv berichtet nicht ohne Stolz über seine Ermittlungen, wobei der Begriff der Ermittlungen hier diese Tätigkeit durchaus in die Nähe der staatsanwaltschaftlichen Tätigkeit führen soll. Als quasi-staatlicher Akteur bekämpft man hier die politische Kriminalität, wo die Staatsanwaltschaften leider noch versagen. Den Damen und Herren privaten Kriminalbeamten sei indessen gesagt, daß das Strafgesetzbuch auch für sie gilt. Soweit, was allerdings auf der Hand liegt, Richtmikrofone zum Einsatz gekommen sind, liegt hier eine Straftat nach § 201 Abs. 2 Nr. 1 und 2 StGB vor. Auch der Straftatbestand des § 201a StGB, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, dürfte hier erfüllt worden seien. Zu prüfen wird auch sein, ob § 206 StGB, Verletzung des Post-oder Fernmeldegeheimnisses erfüllt ist, denn es ist ja die Rede von „zugespielten Schreiben“.

Herr Staatsanwalt, übernehmen Sie!

Unsere tägliche Lüge gebe uns

könnten wir blasphemisch formulieren, wenn wir die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen einschalten und zum Frühstück die Tageszeitung aufschlagen. Meistens ist ein gewisser Rechercheaufwand notwendig, um festzustellen, daß man gerade wieder einmal belogen worden ist. Inzwischen scheint es unseren Politikern und ihren journalistischen Steigbügelhaltern jedoch gleichgültig zu sein, ob man ihnen nur mit Mühe auf die Schliche kommen kann, oder ob sie beim nächsten Mausklick am PC bereits ertappt werden.

Der jüngste Fall:

Am 4. Januar bestieg Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck eine Fähre, um von seinem Urlaubsdomizil auf der Hallig Hooge aufs Festland zum Anleger in Schlüttsiel zu fahren. Das war den derzeit protestierenden Bauern bekannt geworden. Etwa 100 von ihnen fuhren mit ihren Treckern und Landmaschinen zum Anleger, um den Minister dort in Empfang zu nehmen und mit ihm zu sprechen. Der Vorgang ist glücklicherweise vollständig per Video dokumentiert worden. Es war auch Polizei anwesend, rund 30 Beamte. Die Polizei stellte sich vor den Anleger und es kam zu Gesprächen zwischen den Demonstranten und der Polizei. Dem Ansinnen, mit dem Minister auf der Fähre sprechen zu wollen, war der Einsatzleiter offenbar durchaus zugeneigt, erklärte jedoch den Demonstranten, daß aus Sicherheitsgründen vielleicht zwei oder drei Personen auf die Fähre kommen dürften, um mit dem Minister zu sprechen. Das war den Bauern offenbar nicht genug, sondern sie wollten halt alle den Minister sehen, weswegen die Sache dann scheiterte. Vor allem erbrachte die Anfrage des polizeilichen Einsatzleiters bei der Fährenbesatzung, daß auch von Seiten des Ministers keine Bereitschaft bestand, hier und heute mit des Demonstranten zu sprechen. Die Fähre legte dann wieder ab, wobei in der Tat dann einige Bauern auf den Anleger drängten, und von den Polizeibeamten aufgehalten wurden. Gewalttätig wurde offensichtlich niemand. Vielmehr hat man bei betrachten des Videos den Eindruck, daß sowohl die Demonstranten als auch die Polizei keinerlei Aggressivität zeigten, sondern freundlich miteinander umgingen.

Die Version der Medien

In den Nachrichten und den Tageszeitungen wurde das allerdings ganz anders dargestellt. Es war von Nötigung und Landfriedensbruch die Rede, unisono erklärten Politik und Medien, hier sei die Grenze zur Strafbarkeit überschritten worden, und die Diskussionskultur in Deutschland zeichne sich inzwischen durch Gewalttätigkeit aus. Natürlich muß nach Sachlage angesichts der Berichte die Staatsanwaltschaft erst einmal ein Ermittlungsverfahren einleiten, wenn behauptet wird, daß Straftaten begangen worden seien. Angesichts des im Internet von jedermann einzusehenden Videos dürften die Ermittlungen jedoch bald eingestellt werden.

Bemerkenswert ist natürlich, daß hier die Medien offenbar den Wünschen der Politik entsprechen, Demonstrationen gegen ihre Entscheidungen als gewalttätig, ungesetzlich und demokratieschädlich darzustellen. In keinem Medienbeitrag oder Presseartikel war zu lesen, daß das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG auch spontane Versammlungen ohne vorherige Anmeldung ermöglicht. Natürlich müssen alle Demonstrationen friedlich und gewaltfrei verlaufen. Das aber war hier offensichtlich der Fall. Nur freie Medien im Internet wie der Kanal des ehemaligen Bildchefs Julian Reichelt geben dem interessierten Bürger die Chance, sich selbst ein Bild von dem Vorgang zu machen. Wer indessen alleine auf die öffentlich-rechtlichen Medien und linientreuen Zeitungen angewiesen ist, muß davon ausgehen, daß hier in strafbarer Weise die Bewegungsfreiheit eines Mitgliedes der Bundesregierung eingeschränkt worden ist.

Vigilia pretium libertatis

Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit, diese Erkenntnis Thomas Jeffersons, die zum Wahlspruch der NATO geworden ist, gilt in dieser Zeit auch und gerade innenpolitisch. Leider ist die Berichterstattung rund um den Vorgang vom 4. Januar 2024 im Schleswig-Holsteinischen Schlüttsiel wohl keine Ausnahme. Daß die gewissermaßen amtlichen Medien selektiv berichten, und durchaus schon einmal faustdicke Lügen nicht zur Entschuldigung des betreffenden Presseorgans führen, sondern der Autor auch noch mit Preisen überhäuft wird, wenn es nur in die politisch erwünschten Narrative paßt, wissen wir seit der Affäre Spiegel/Relotius ja nun einmal zu gut. Um so wichtiger ist es, sich selbst ein Bild zu machen. Dem Titel dieses Blogs „sapere aude“ (wage es zu denken) wäre also inzwischen hinzuzufügen: dubitando ad veritatem pervenimus (durch Zweifeln gelangen wir zur Wahrheit).

Nachtrag:

Am 12.01.2024 meldet der NDR, es habe keine Erstürmung der Fähre, auch nicht den Versuch dazu gegeben. Das muß man nicht kommentieren.

Warum das Grundgesetz unsere Verfassung ist

Zu den nicht totzukriegenden populären Irrtümern gehört jedenfalls in sich besonders patriotisch gebärdenen Kreisen die Überzeugung, das Grundgesetz sei keine Verfassung, demgemäß hätten wir auch keine, und folglich existiere die Bundesrepublik Deutschland als Staat überhaupt nicht, vielmehr bestehe von Rechts wegen das Deutsche Reich von 1871, wahlweise auch von 1919, weiter fort. Wer sich zu den sogenannten Reichsbürgern zählt, erkennt in der Konsequenz dieser Auffassung die staatliche Ordnung unseres Landes nicht an, hält dann auch das Ganze für eine im Prvatrecht angesiedelte GmbH und dergleichen mehr. Wohl nur nolens volens zahlt er dann trotzdem Steuern, hält die Regeln der Straßenverkehrsordnung ein und nimmt die Dienste von Ämtern in Anspruch.

Wir wollen also einmal prüfen, was es mit diesen Theorien eigentlich auf sich hat und einen Blick in die Verfassungsgeschichte werfen.

Vorbemerkung

Unter den Verfechtern dieser Überzeugung finden sich keine Juristen. Das ist zunächst einmal erstaunlich. Indessen gibt es wohl keine andere akademische Disziplin, nicht einmal außerakademische Fachgebiete, wo Hinz und Kunz meinen, es besser zu wissen, als die studierten und praktizierenden Juristen. Zwar käme niemand auf den Gedanken, einen anderen Menschen am Herzen zu operieren, ohne zuvor Medizin studiert und Facharzt für Chirurgie geworden zu sein, es käme auch niemand auf den Gedanken, eine Autobahnbrücke zu konstruieren, ohne zuvor ein Ingenieurstudium absolviert und vertiefte Kenntnisse der Statik erlangt zu haben. Auch würde niemand etwa einen Steuerberater mit der Entwicklung eines Arzneimittels betrauen, zumindest das auf diesem Wege entstandener Arzneimittel tunlichst nicht einnehmen. Der Gedanke, daß ein juristischer Laie ein Rechtsproblem lösen kann, oder sogar die Königsdisziplin der Jurisprudenz, das Verfassungsrecht, beherrscht, sollte damit eigentlich hinreichend ad absurdum geführt worden sein. Indessen zeigt mir als Rechtsanwalt das praktische Leben oft genug, daß juristische Laien glauben, die Rechtslage selbst einschätzen zu können. Und die Existenz kruder Theorien über die Existenz oder Nichtexistenz der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Verfassung zeigt schlagend, daß offenbar jedermann, der des Lesens und Schreibens mächtig ist, meint, mit Rechtstexten umgehen zu können. Dabei sollte doch klar sein, daß das wörtliche Verständnis von Texten über das Verständnis der inhaltlichen Bedeutung nichts aussagen muß. Wer etwa einen medizinischen Befund trotz der vielfach verwendeten lateinischen Fachausdrücke zu entziffern vermag, hat damit noch lange nicht verstanden, was der Verfasser damit festgestellt hat. Nur ein Gesetzestext oder gar ein Verfassungsgerichtsurteil scheint indessen ohne die Hilfe von Fachleuten für juristische Laien sonnenklar zu sein.

Wer also wirklich wissen will, was es mit dem Grundgesetz und der Bundesrepublik Deutschland auf sich hat, der kann sich nun kundig machen und weiterlesen. Wer indessen sich in seiner Fantasiewelt des Deutschen Reiches ganz eigener Art wohlig eingerichtet hat, der mag dort bleiben.

Die Paulskirchenverfassung vom 28.3.1848

Als Mutter aller nachfolgenden deutschen Verfassungen gilt die sogenannte Paulskirchenverfassung. Sie wurde von der Frankfurter Nationalversammlung beschlossen. Es handelte sich dabei um gewählte Abgeordnete aus den Einzelstaaten des damaligen Deutschen Bundes. Dieser war auf dem Wiener Kongress nach der Niederlage Napoleons und Befreiung der unterworfenen Staaten entstanden. Rechtliche Grundlage war die sogenannte Bundesakte vom 8.6.1815. Sie war nicht etwa von einer Nationalversammlung beschlossen worden, sondern es handelte sich um einen völkerrechtlichen Vertrag der deutschen Einzelstaaten mit Billigung der übrigen europäischen Länder. Die starken Bestrebungen im gesamten deutschen Sprachraum, endlich zu einer nationalen Einigung und damit einem Staat aller Deutschen zu kommen, waren begleitet von dem ebenso starken Streben nach einem demokratischen Staatswesen, mindestens aber einer Zurückdrängung der Monarchie, weswegen es ja dann auch zur konstitutionellen Monarchie kam. Zwar war die Verfassung von 1848 populär und auch in den kleineren Staaten akzeptiert, die großen Bundesstaaten wie Preußen und Österreich wollten davon aber nichts wissen. Somit blieb die Paulskirchenverfassung ein achtbarer Versuch, wurde jedoch nicht zur Verfassung eines deutschen Staates, den es ja auch noch gar nicht gab. Ihre Grundzüge indessen finden sich in den nachfolgenden Verfassungen bis in unser Grundgesetz hinein.

Die Verfassung des deutschen Kaiserreichs

Nach dem Sieg über Frankreich im Krieg von 1870/71, den man auch als den letzten der Einigungskriege bezeichnen kann, proklamierten die versammelten Fürsten des Deutschen Bundes mit Ausnahme von Österreich den König von Preußen am 18.1.1871 zum deutschen Kaiser. Damit war die deutsche Einigung vollendet, wenn auch nur mit der sogenannten kleindeutschen Lösung unter Ausschluss Österreichs. Was noch fehlte, war eine Verfassung für den neuen Staat. Zunächst wurde am 3.3.1871 die erste gesamtdeutsche Wahl zum Reichstag durchgeführt. Am 14.4.1871 verabschiedete der Reichstag dann eine Verfassung, die in weiten Bereichen auf der Paulskirchenverfassung aufbaute. Indessen fehlte ein Grundrechtsteil, wie er noch in der preußischen Verfassung von 1850 enthalten war. Zweifellos muß man diese Verfassung als demokratisch zustandegekommen ansehen, auch wenn sie inhaltlich weitgehend von den staatsrechtlichen Vorstellungen Bismarcks geprägt war. Denn der Reichstag war, jedenfalls nach damaligen Vorstellungen, durch allgemeine und freie Wahlen zustande gekommen. Zwar konnten Frauen noch nicht wählen, und in Preußen galt sogar noch das Dreiklassenwahlrecht mit unterschiedlicher Gewichtung je nach Einkommen und Vermögen. Im internationalen Vergleich, auch mit als Mutterländern der Demokratie angesehenen Staaten wie Frankreich, Großbritannien und den USA, kann man darin keine wesentlichen demokratischen Defizite sehen, vielmehr entsprach das damals noch dem Zeitgeist. Großbritannien führte das Wahlrecht für Frauen erst 1918 ein, die USA 1920 und Frankreich erst 1944. Schwarze, oder wie das heute politisch korrekt heißt, People of Colour, können in den USA erst seit 1965 wählen. Und auch die in unseren Augen je nach Geschmack skurril oder diskriminierend anmutende Leseprüfung für schwarze Wähler entfiel erst 1964.

Die Weimarer Verfassung

Nachdem die deutschen Fürsten einschließlich des Kaisers 1919 abgedankt hatten – heute würde man sagen, zurückgetreten waren -, gab es die in der Verfassung festgeschriebene konstitutionelle Monarchie nicht mehr. Schon deswegen war es an der Zeit, eine neue Verfassung zu beschließen, denn die Staatsorganisation von 1871 existierte ja nicht mehr. Am 19.1. / 2.2.1919 kam es zur Wahl einer Nationalversammlung, die auch ausdrücklich als verfassunggebende Versammlung konzipiert war. Sie trat am 6.2.1919 in Weimar zusammen. In ihren Beratungen spielte natürlich auch die Paulskirchenverfassung ebenso eine Rolle, wie der damalige Stand der verfassungsrechtlichen Lehre in den juristischen Fakultäten. Staatsrechtlich wurde ein republikanischer Staatsaufbau gewählt, hinzu trat ein Grundrechtskatalog. Der Verfassungstext wurde von den hierzu berufenen Vertretern der verfassunggebenden Versammlung am 11.8.1919 unterzeichnet. Die nach ihrem Entstehungsort Weimarer Verfassung genannte Verfassung des Deutschen Reiches gilt heute unter Verfassungsrechtlern als durchaus respektables Werk und hat auch mit dem heute geltenden Grundgesetz sehr viele Gemeinsamkeiten. Sie blieb bis zum Zusammenbruch der staatlichen Ordnung Deutschlands am 8.5.1945 in Kraft, wenngleich sie faktisch bereits am 28.2.1933 mit der sogenannten Reichstagsbrandverordnung auf Wunsch, besser Befehl, Hitlers durch den Reichspräsidenten von Hindenburg außer Kraft gesetzt worden war.

Das Grundgesetz

Der 8.5.1945 führte mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht nicht nur das Ende der Kampfhandlungen herbei, sondern die staatliche Ordnung war nicht mehr existent. Es existierte keine Reichsregierung mehr, und auch die nachgeordneten Staatsgewalten waren entweder weggefallen oder ohne Legitimation. Zwar arbeiteten tatsächlich die Verwaltungsbehörden auf unterer Ebene weiter. Die Staatsgewalt war jedoch völkerrechtlich gemäß Art. 42 der Haager Landkriegsordnung auf die Besatzungsmächte übergegangen (occupatio bellica). Art. 43 HLKO bestimmt für diesen Fall: „Nachdem die gesetzmäßige Gewalt tatsächlich in die Hände des Besetzenden übergegangen ist, hat dieser alle von ihm abhängenden Vorkehrungen zu treffen, um nach Möglichkeit die öffentliche Ordnung und das öffentliche Leben wiederherzustellen und aufrecht zu erhalten, und zwar, soweit kein zwingendes Hindernis besteht, unter Beachtung der Landesgesetze.“ Somit war nicht nur eine ordnungsgemäße staatliche Verwaltung und Rechtsprechung zu gewährleisten, was ja auch tatsächlich geschah, unbeschadet dessen, daß durch die Kontrollratsgesetze der Alliierten als nationalsozialistisch kontaminiert erkannte Gesetze außer Kraft gesetzt worden waren. Es war auch die öffentliche Ordnung in Gestalt der Staatsorganisation wiederherzustellen. Grundlage jeder modernen Staatsorganisation ist eine Verfassung. Der einfachste Weg dazu wäre natürlich gewesen, es bei der rechtlich nach wie vor existenten Weimarer Verfassung zu belassen. Indessen hielten es die Alliierten für geboten, eine neue Verfassung beschließen zu lassen, natürlich unter ihrer Aufsicht und unter Beachtung ihrer Vorstellungen von einem demokratischen und gewissermaßen von Geburt an gegen das nationalsozialistische Virus immunen Deutschland. Die weitreichenden Rechte des Reichspräsidenten verdächtigten sie als Einfallstor für Diktatoren, obgleich doch die Stellung des Präsidenten in den USA noch stärker ist, als die des deutschen Reichspräsidenten jemals war, sieht man von den sogenannten Notverordnungen ab, die man jedoch aus der Verfassung hätte streichen können.

Nachdem die deutschen Länder politisch, teilweise in neuen Grenzen, wiederhergestellt waren und über demokratisch gewählte Parlamente verfügten, wurde aus insgesamt 65 Abgeordneten der Länderparlamente ein Parlamentarischer Rat genannter Verfassungssausschuss gegründet. Er konstituierte sich am 1.9.1948 in Bonn. Seine Beratungen bauten auf dem Verfassungskonvent von Herrenchiemsee auf, der von den Ministerpräsidenten der Länder einberufen worden war. Er tagte vom 10. bis 23.8.1948 und leistete in dieser kurzen Zeit die Vorarbeit für den späteren Verfassungstext. Ihm gehörten natürlich die maßgeblichen deutschen Verfassungsjuristen jener Zeit an. Der Parlamentarische Rat hatte einen ausdrücklich vorläufigen Charakter, wie auch die zu beschließende Verfassung selbst. Das beruhte auf der allgemeinen Überzeugung in Deutschland, daß wegen der inzwischen bereits faktisch eingetretenen Teilung infolge der Abspaltung des sowjetisch besetzten Teils Deutschlands nur in den Besatzungszonen der Westalliierten ein demokratisches Staatswesen errichtet werden konnte. Die Wiedervereinigung indessen war fest ins Auge gefasst und wurde auch in der neuen Verfassung festgeschrieben. Um diesen provisorischen Charakter des Unternehmens auch sprachlich zu kennzeichnen, sprach man nicht von einer Verfassunggebenden Versammlung, sondern von einem Parlamentarischen Rat, und nannte die Verfassung auch nicht so, sondern Grundgesetz. Es trat bekanntlich am 23.5.1949 in Kraft. Auch wenn die Staatsgewalt damals noch gemäß Art. 43 HLKO in den Händen der Alliierten lag, gab sich das deutsche Volk in den Besatzungsgebieten der Westalliierten durch gewählte Volksvertreter eine Verfassung im materiellen Sinne. Ihre Rechtsgültigkeit kann nicht infrage gestellt werden. Zwar ist es allgemeine Auffassung, daß die Befugnis zur Erstellung einer Verfassung in einer Demokratie nur beim Volk liegen kann. Indessen ist nirgendwo geregelt, in welcher Form diese Befugnis ausgeübt wird. In einer repräsentativen Massendemokratie kann das nur eine gewählte Vertreterversammlung sein; über die Art und Weise der Wahl und Auswahl gibt es einfach keine allgemein verbindlichen Regelungen. Sicher ist nur, daß nicht in jedem Falle eigens eine verfassunggebende Versammlung gewählt werden muß, wie schon die Befugnis des Bundestages und Bundesrates zur Änderung der Verfassung zeigt. Der pouvoir constituant kann demgemäß durchaus eine Abordnung gewählter Parlamentarier sein.

Leute ohne juristische Kenntnisse vertreten vielfach die Meinung, wir hätten schon deswegen keine Verfassung, weil doch Art. 146 des Grundgesetzes lautete bis 1990:

Dieses Grundgesetz verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.

Eine solche Verfassung gebe es bis heute nicht. Das ist natürlich Unsinn. Im Einigungsvertrag vom 31.8.1990, der am 20.9.1990 von Bundestag und Volkskammer der DDR angenommen worden ist, wurde die Wiedervereinigung Deutschlands nicht auf der Grundlage einer neu beschlossenen Verfassung verwirklicht, sondern man wählte bewusst den Weg über Art. 23 GG, der den Beitritt deutscher Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes regelte. Das hatte den rechtlichen Vorteil der Kontinuität der bestehenden Verfassung und damit auch, worauf wir noch kommen werden, der Identität der nun größer gewordenen Bundesrepublik Deutschland mit dem Deutschen Reich, das von Rechts wegen am 8.5.1945 eben nicht untergegangen ist. Das ist jedenfalls einhellige Auffassung der Juristen, die dann auch bereits am 31.7.1973 vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Grundlagenvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR festgehalten worden ist. Denn, so das Gericht:

„Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, daß das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte, noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält. Das Deutsche Reich existiert fort, besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe, selbst nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt ‚verankert‘. Verantwortung für ‚Deutschland als Ganzes‘ tragen – auch – die vier Mächte. Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat Deutsches Reich, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“, sodaß insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. Die Bundesrepublik umfasst also, was ihr Staatsgebiet und ihr Staatsvolk angeht, nicht das ganze Deutschland, unbeschadet dessen, daß sie ein einheitliches Staatsvolk des Völkerrechtssubjekts „Deutschland“ (Deutsches Reich), zu dem die eigene Bevölkerung als untrennbarer Teil gehört, und ein einheitliches Staatsgebiet „Deutschland“ (Deutsches Reich), zu dem ihr eigenes Staatsgebiet als ebenfalls nicht abtrennbarer Teil gehört, anerkennt. Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des Grundgesetzes“, fühlt sich aber auch verantwortlich für das gesamte Deutschland (vgl. Präambel des Grundgesetzes). Derzeit besteht die Bundesrepublik aus den in Art. 23 GG genannten Ländern, einschließlich Berlin; der Status des Landes Berlin der Bundesrepublik Deutschland ist nur gemindert und belastet durch den sogenannten Vorbehalt der Gouverneure der Westmächte. Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden.“ (Die jeweils vom Gericht zitierten Belegstellen habe ich der leichteren Lesbarkeit wegen weggelassen.)

Soweit die maßgeblichen Passagen in diesem Urteil zum hier behandelten Thema. Anzumerken ist, daß hier bereits die rechtliche Gestaltung der Wiedervereinigung 1990 über Art. 23 GG vorgezeichnet worden ist.

Folgerichtig beschloss der Deutsche Bundestag mit verfassungsändernder Mehrheit die Neufassung des Art. 146 GG, der nunmehr lautet:

„Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volk in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Zum einen ist damit festgehalten, daß das Grundgesetz von 1949 weiterhin gilt, nur auf dem inzwischen größer gewordenen Staatsgebiet. Zum anderen wird damit die an sich banale Tatsache deklaratorisch festgehalten, daß dieses Grundgesetz wie jedes andere Gesetz und auch jeder andere Verfassung, durch eine nachfolgende neue Verfassung aufgehoben und ersetzt werden kann. Dies folgt aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz lex posterior derogat legi priori, für Nichtlateiner: das spätere Gesetz setzt das voraufgegangene Gesetz außer Kraft. Dieser Grundsatz gilt seit Alters her auf allen Rechtsgebieten einschließlich des Staats- und Völkerrechts. Jedenfalls unter Juristen gibt es darüber keinen Streit.

Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz ist auch, daß durch ständige Beachtung von Verträgen, Rechtsvorschriften und Institutionen Gewohnheitsrecht entsteht und verfestigt wird. Die Staatsordnung des Grundgesetzes ist seit 1949 in unzähligen Wahlen vom Volk immer wieder bestätigt worden. Denn wenn auf der Grundlage der damals beschlossenen Verfassung namens Grundgesetz immer wieder Parlamente gewählt, von Ihnen erlassene Gesetze befolgt und die Urteile der von dieser Verfassung geschaffenen Gerichte beachtet werden, dann kann man durchaus von einer opinio communis, also einer allgemeinen Überzeugung ausgehen, daß dieser Staat in dieser Form existiert. Diese Verfassung stellt sich seit 1949 immer wieder dem Plebiszit. Selbst wenn man der abwegigen Auffassung wäre, die Verfassung von 1949 sei nicht rechtmäßig zustande gekommen, dann müsste man unter Anwendung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, daß auch vollmachtloses Handeln durch Genehmigung legitimiert wird, eben diese Genehmigung durch das Volk über Jahrzehnte hinweg feststellen.

Namen sind Schall und Rauch

Selbst ernannte Verfassungsjuristen mit Reichsbürgerqualität verweisen gern triumphierend darauf, daß wir ja nur ein Grundgesetz und keine Verfassung haben. Dieses Argument ist, zurückhaltend ausgedrückt, unbehelflich. Zur rechtlichen Qualität als Staatswesen gehören nach allgemeiner Anschauung die drei Elemente Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt. Ob ein solcher Staat eine Verfassung hat oder nicht, ob sie Verfassung heißt oder nicht, ist völkerrechtlich ohne jeden Belang. Die nach allgemeiner Auffassung älteste Demokratie der Welt, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland, besitzt ebenso wenig eine geschriebene Verfassung wie etwa Israel und Neuseeland. Die Verfassung Dänemarks heißt Grundgesetz, Schweden hat eine Verfassungsgrundlage, die wörtlich übersetzt „Regierungsform“ heißt. Die griechische Verfassung heißt Syntagma, was so viel wie „Zusammenordnung“ bedeutet, im altgriechischen auch ein Wort für Heerbann oder Kontingent. Auch wenn inzwischen der provisorische Charakter des Staates Bundesrepublik Deutschland und seiner Grundgesetz genannten Verfassung weggefallen sind, und deswegen auch, seinem materiellen Gehalt entsprechend, die Bezeichnung Grundgesetz ohne weiteres durch das Wort Verfassung ersetzt werden könnte, es würde sich nichts ändern. Die Wiedervereinigung der nach den kriegsbedingten und völkerrechtlich festgeschriebenen Gebietsverlusten verbliebenen deutschen Länder und der Wegfall der alliierten Vorbehalte im 2 + 4 Vertrag haben das Deutsche Reich von den Kriegsfolgen mit Ausnahme der Gebietsverluste befreit. Sein neuer Name Bundesrepublik Deutschland spiegelt nicht nur seine staatsrechtliche Organisation wieder, sondern entspricht auch eher seiner verminderten politischen und geographischen Größe, als der doch mächtig daher kommende Name Deutsches Reich.