Pappnasen

Nicht daß der Karneval, der rheinische zumal, gänzlich unpolitisch wäre. Im Gegenteil. Aus den uralten Fastnachtsbräuchen des Volkes entwickelte sich vor allem in Mainz im 19. Jahrhundert ein Karneval, der neben dem geselligen Vergnügen auch das Aufbegehren gegen die Obrigkeit in humorvoller Form zelebrierte. Die Büttenreden nahmen seither stets auch die große und kleine Politik aufs Korn, ohne dabei die völlig unpolitische Alltagskomik zu vernachlässigen. Diese Darbietungen der Merkwürdigkeiten und Tücken des täglichen Lebens erfreuen sich auch zu Recht der größten Beliebtheit. Ihre Protagonisten wie der unvergleichliche Michl Müller füllen auch außerhalb des Faschings große Veranstaltungssäle. Inzwischen sind aber auch die politischen Büttenreden ein fester Bestandteil der großen Faschingsveranstaltungen auch in Bayern geworden. Die bayerischen Bundes- und Landespolitiker kommen nicht umhin, den Elferräten in Veitshöchheim und anderswo ihre Referenz zu erweisen. Ja, die Nichterwähnung in den Büttenreden wird als ebenso schmachvolle Zuschreibung der Bedeutungslosigkeit empfunden, wie dies beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg der Fall ist.

Hatten die klassischen Büttenreden im rheinischen Karneval früher durchaus noch Eleganz und Witz, so scheint das heute nicht mehr so zu sein. Statt mit gutmütigem Spott Politiker durch den sprichwörtlichen Kakao zu ziehen und gelegentlich auch schon einmal mit spitzen Bemerkungen Mißstände zu kommentieren, wird nunmehr mit dem Dreschflegel auf mißliebige Politiker eingeschlagen. Und das ausschließlich auf eine einzige politische Partei und völlig spaßfrei. So durfte anläßlich der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ in Aachen ein vollfetter Possenreißer, der ernsthaften Kabarettisten wie etwa Bruno Jonas oder Django Asül das Wasser nicht reichen kann, einen Abfallkübel diffamierender Vokabeln über der Partei Alternative für Deutschland ausleeren. Die im Saal versammelte Mattscheibenbevölkerung aus Politikern, darstellenden Künstlern aller Art und dazugehörigen Claqueuren zollte diesem Möchtegernkabarettisten auch pflichtschuldigst Beifall. Es ist ja so, daß hier ein beachtlicher Gruppenzwang herrscht. Die politisch-mediale Klasse hat nun einmal jene Partei zum Gottseibeiuns erklärt. Das wird so lange wiederholt, bis die Leute es auch glauben. Zweck der Übung ist natürlich, daß man sich mit Sachargumenten nicht mehr aufhalten muß. Das will man vor allem deswegen nicht, weil dabei die Bevölkerung vor der Mattscheibe möglicherweise feststellen würde, daß diese Partei zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik ganz ähnliche Positionen vertritt, wie etwa die CSU und die Regierungen diverser europäischer Staaten aller Himmelsrichtungen. Von verfassungsfeindlich, rechtsradikal und ähnlichen Eigenschaften kann ohnehin nicht die Rede sein.

Nicht daß früher alles besser gewesen wäre. Lustiger war es allemal. Man wurde nicht so penetrant und gouvernantenhaft belehrt. Pflichtlachen war noch nicht angesagt.

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