Geht’s noch?

Der Sonntags-Stammtisch des Bayerischen Fernsehens ist eine Talkshow ganz eigener Art. Einer der wenigen Journalisten, denen man ein großes Maß von Klugheit und Unabhängigkeit attestieren darf, Helmut Markwort, moderiert an nahezu jedem Sonntagvormittag des Jahres ein Gespräch mit zwei Stammgästen und zwei geladenen Gästen aus Politik, Medien, Kultur oder Wirtschaft. Im allgemeinen wird dort ausgewogen, aber durchaus auch pointiert diskutiert, was sich in der vergangenen Woche ereignet hat. Es gibt aber auch Ausreißer. Einen solchen konnte man am letzten Sonntag erleben. Ein bayerischer Bänkelsänger, dessen Name hier nichts zur Sache tut, und den man sich auch nicht unbedingt merken muß, meinte als seinen sogenannten Ärger der Woche anführen zu müssen, daß die frühere Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach MdB vor einigen Tagen auf Twitter ein Bild gepostet hat, das ein kleines blondes Mädchen im Kreis von Menschen offensichtlich vom indischen Subkontinent zeigt, übertitelt mit „Deutschland 2030“ und der Unterzeile: „Woher kommst du denn?“ Darüber hat sich jener Zeitgenosse offenbar derartig gemopst, daß er glaubte erklären zu müssen: „Es ist unmöglich, daß die Frau immer noch im Deutschen Bundestag sitzt und vor allem später mal Pensionsansprüche stellt, die aus der Tasche der deutschen Steuerzahler bezahlt werden müssen.“ Was ist denn das für ein Demokrat? Seine Vorstellungen von Meinungsfreiheit bezieht er offenbar von Erdogan oder Putin. Das ohne wirklich entschiedenen Widerspruch am Tisch. Lediglich der Moderator selbst warf dazu die Frage auf, wie man jemanden eine Pension wegnehmen könne, wenn er seine Meinung äußert.

Es spielt im übrigen auch keine Rolle, ob Frau Steinbach das satirisch gemeint hat oder nicht. Wenn es Satire war, dann ist mit Kurt Tucholsky zu fragen: „Was darf Satire?“ Und mit ihm zu antworten: „Alles!“ Wenn es keine Satire ist und auch nicht so gemeint war, dann ist es eben ein sehr drastischer Hinweis auf die in Gang gekommene Veränderung der ethnischen Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung. Wenn man in Deutschland nämlich ethnische Ghettos nach Art der französischen Banlieus zulassen sollte, wie wir sie leider teilweise in Berlin oder Duisburg schon haben, dann könnten sich in gut 20 Jahren dort derartige Szenen durchaus abspielen. Gerade eine Politikerin hat durchaus das Recht, vielleicht sogar die Pflicht, anstehende Probleme auch in plakativer, drastischer Form darzustellen.

Wenn man den Bereich der Satire betrachtet, etwa die diversen Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitschrift ebenso wie in dem französischen Satiremagazin Charlie Hebdo, und sich daran erinnert, wie die deutschen Intellektuellen, die Künstler zumal, auch angesichts der geschmackloseren Exemplare jener Karikaturen eisern das Banner der Kunstfreiheit hochgehalten haben, dann fragt man sich schon, ob nicht bei dem eingangs genannten bayerischen Bänkelsänger und all denen, die auf Frau Steinbach wegen dieses tweets eingeschlagen haben, einige Hirnwindungen eingefroren sind. Den Problemen der Zuwanderung darf man sich jedenfalls in dem Teil der deutschen Gesellschaft, der vor den Fernsehkameras agiert, ausschließlich mit Merkel-freundlichen Kommentaren zuwenden, und wenn man das nicht tut, jedenfalls mit heiligem Ernst und der Beteuerung, auf der Suche nach noch humaneren Lösungen zu sein.

Glücklicherweise können wir vor den Bildschirmen wenigstens in Abständen von unserem Wahlrecht Gebrauch machen. Es scheint so, daß ein Teil der Bürger dies gerade in einer Weise tut, die den Leuten vor den Kameras ganz und gar nicht gefällt. Und das ist Demokratie.

Ein Gedanke zu „Geht’s noch?

  1. Peter

    Noch mehr als die Äußerungen dieses „Bänkelsängers“ – der den ehrenwerten Beruf eines Schaufensterdekorateurs erlernte – ärgert mich, dass dieser Herr meinem aufgeklärten Stamm der Oberpfälzer angehört.

    Aber Spass beiseite:
    Erika Steinbach hat m.E. mit ihrem tweet nicht ganz unrecht, wenn sie die Migrationspolitik unserer Kanzlerin mit dem damit einhergehenden und befürchteten Identitäts- und Kulturverlust kritisiert.

    Gestützt wird ihre Befürchtung von objektiv nicht unklugen Menschen:
    So empfahl Bertolt Brecht – rechter Gesinnung unverdächtig – dem damaligen SED Vorsitzenden Walter Ulbricht, der den Arbeiteraufstand 1953 brutal niederschlagen ließ, er möge sich ein „…neues Volk wählen…“

    Ebenso besorgte sich kürzlich Dietrich Murswiek (ordentlicher Professor für Staats- und Verwaltungsrecht sowie deutsches und internationales Umweltrecht an der Universität Freiburg, zudem Kommentator des GG) über diese Migrationspolitik, wenn er ausführt:
    „Sie (die Migrationspolitik. Anm.d.V.) darf nicht die Überwindung des Nationalstaats durch eine multikulturelle Gesellschaft oder gar einen Vielvölkerstaat anstreben. Die Entstehung ethnisch-religiöser und sprachlicher Parallelgesellschaften darf weder geplant noch in Kauf genommen werden.“
    Es gelte generell zu vermeiden, dass sich das Volk durch Zuwanderung verändere.
    Und weiter: „Die Regierung darf nicht die Identität des Volkes, dem sie ihre Legitimation verdankt, strukturell verändern…“

    Also möchte man dem „Bänkelsänger“ zurufen: Schuster bleib bei deinen Leisten!

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