Gehört der Islam zu Deutschland?

In den deutschen Medien, gedruckt wie gesendet, von den Redaktionen der Außenpolitik, der Innenpolitik, der Lokalpolitik und den Feuilletons verantwortet, wogt eine Debatte unter der Überschrift: „Gehört der Islam zu Deutschland?“ Seit der frühere Bundespräsident Christian Wulff den törichten Satz geprägt hat, der Islam gehöre zu Deutschland, den gleichwohl das gesamte politische Spitzenpersonal von Merkel bis Roth aufgegriffen hat, werden wir tagtäglich mit 1000 Argumenten pro und gefühlt vielleicht zehn contra dieser These traktiert. Was aber ist der Maßstab, an dem dieser Satz gemessen werden muß?

Ernst Moritz Arndt schrieb 1813 vor Ausbruch der Befreiungskriege das berühmte Gedicht: „Was ist des Deutschen Vaterland?“ In vielen Strophen versucht der Dichter das deutsche Vaterland geographisch, aber auch anhand eines von ihm ausgemachten kollektiven Charakters der Deutschen zu definieren. Im Zusammenhang mit diesem Thema mag die achte Strophe des Gedichts programmatisch erscheinen: „Das ist des Deutschen Vaterland, wo Eide schwört der Druck der Hand, wo Treue hell vom Auge blitzt, und Liebe warm im Herzen sitzt. Das soll es sein. Das soll es sein. Das wack’rer Deutscher, nenne dein.“ Man mag dies mit dem an Sachlichkeit, Nüchternheit und Unterdrückung der Emotionen geschulten Wesen des Deutschen von heute für romantischen Schwulst halten. Im Kern beschreibt der Dichter damit aber Werte, die man unabhängig von dem zu ihrer Beschreibung verwendeten Vokabular doch für erstrebenswerte Eigenschaften hält.

Nun ist das freilich nicht alles. Um Persönlichkeiten, vor allem kollektive Persönlichkeitsmerkmale beschreiben zu wollen, wird man sicherlich sehr weit ausholen müssen. Der in Deutschland sehr in Mode gekommene Philosoph Richard David Precht hat das vor Jahren mit dem reißerischen Titel: „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ in der flapsigen Wortwahl, die für unsere Zeit so typisch ist, umschrieben. Wer sind wir eigentlich? Michael Klonovsky hat jüngst mit der Aufzählung einiger kultureller Ikonen zu definieren versucht, wer zu uns gehört und damit sein Landsmann ist. In der Tat ist des Deutschen geistiges und kulturelles Vaterland geschaffen worden von Geistern wie Platon und Aristoteles, Thomas von Aquin und Martin Luther, Thomas Hobbes und Immanuel Kant, Johann Wolfgang von Goethe und Dante Alighieri, William Shakespeare und Thomas Mann, Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Robert Schumann, Tilman Riemenschneider und Albrecht Dürer, Peter Paul Rubens und Raffaello Sanzio da Urbino, allgemein bekannt als Raffael, Paul Klee und Claude Monet, die meist unbekannten Baumeister der gotischen Dome, Balthasar Neumann und die Gebrüder Asam. Schon diese höchst unvollständige Aufzählung, die man sicherlich durch viele Namen aus dem deutschen Sprachraum wie auch den nördlich, östlich, südlich und westlich angrenzenden Kulturräumen ergänzen muß – muß man nicht auch zum Beispiel Ibsen, Tschaikowsky, Cicero und Berlioz hinzuzählen? – zeigt den unendlichen Reichtum unserer deutschen, in ihr historisch und geographisch europäisches Umfeld eingebetteten Kultur. Untrennbar in unserem kollektiven Gedächtnis verhaftet sind Staatenlenker wie Augustus, Karl der Große, Otto der Große, Friedrich der Große, Bismarck oder Konrad Adenauer. Ja, all das ist des Deutschen Vaterland und noch viel mehr.

Gehört der Islam dazu?

Natürlich, jedenfalls wenn man natürlich denkt, kann die Antwort auf diese Frage nur lauten: Nein! Doch dieses Nein, das aus den Tiefen des Gefühls so rasch aufsteigt wie ein Projektil den Lauf verläßt, dieses Nein muß auch rational begründet werden. Diese Begründung fällt leicht, sie liegt auf der Hand. Unsere Kultur und Wesensart, wie ich sie einige Sätze weiter oben mit sehr groben Strichen skizziert habe, ist eben gegründet in einer humanistischen, rational argumentierenden Denkweise, die auch durch die über viele, viele Jahrhunderte die Gesellschaft ebenfalls prägende christliche Religion in ihrem Kern nicht angegriffen, sondern jedenfalls in der hier seit langem herrschenden Auslegung bekräftigt wird. Das Zusammenleben der Menschen wird bei uns seit Jahrhunderten nach den Maßstäben der Aufklärung gestaltet. Die Religion hat darin ihren Platz gefunden dergestalt, daß ihr die Sorge um das Seelenheil der Menschen und nicht die Reglementierung ihres Alltagslebens obliegt. Der Islam, gleichgültig, ob in seinen fundamentalistischen oder auch in seinen eher moderaten Auslegungen, ist dazu der Gegenentwurf. Im Kern begründet er die Heilserwartung seiner Gläubigen in der Befolgung von religiösen Geboten, die das Leben auf Erden streng reglementieren. Das geht bis zu den Vorschriften über die Bekleidung und erlaubte oder nicht erlaubte Nahrungs- und Genußmittel. Es setzt sich fort im Bilderverbot im sakralen Raum und kulminiert in dem Vorrang religiöser Gesetze vor staatlichen Ordnungen. Sein Frauenbild verstößt gegen alle Verfassungen im außerislamischen Teil der Welt, insbesondere gegen das deutsche Grundgesetz. Dem gegenüber kennen wir die strikte Trennung von Staat und Religion, und zwar von Anfang an (O-Ton Jesus Christus: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und gebt Gott, was Gottes ist.“) Zwar meinen in diesen Tagen die führenden christlichen Geistlichen sich in die Politik einmischen zu können, und dabei auch noch der ungebremsten Zuwanderung und der Umarmung der Muslime das Wort reden zu müssen. Das sollte jedoch ebenso eine Episode bleiben wie die Anmaßung des Primates des Papstes über den Kaiser und die Inquisition.

Die Erfahrungen, die wir in den letzten 40 Jahren mit der Zuwanderung aus dem islamischen Kulturkreis, sei sie auf Einladung erfolgt (Stichwort: Gastarbeiter!), sei sie unkontrolliert und gesetzlos erfolgt (Stichworte: Asyl, Flüchtlinge), sind negativ. Für den vorurteilslosen Betrachter der Szene ergibt sich das Bild der Entstehung von Fremdkörpern in einer vormals homogenen Gesellschaft. Einwanderer aus islamischen Ländern sind zu nahezu 100 % nicht in unsere Kultur integriert. Sie sprechen vielfach noch in der dritten und vierten Generation unsere Sprache entweder gar nicht oder nur schlecht. Unsere Kultur interessiert sie nicht im mindesten. Vielmehr empfangen sie in ihren Rundfunk- und Fernsehgeräten nahezu ausschließlich die Sender aus ihren Herkunftsländern. Freundschaften oder gar Eheschließungen mit deutschen, jedenfalls solchen, die nicht nur einen deutschen Paß ihr eigen nennen, kommen so gut wie gar nicht vor. So gut wie nie tritt jemand aus diesem Kulturkreis zum Christentum über. Allenfalls in den Reihen der Agnostiker, also der religiös völlig indifferenten Menschen, findet man vereinzelt auch jemand mit arabischen oder türkischen Vorfahren. Vielmehr ist die Lebenswirklichkeit die, daß die im Vergleich zu unserer Kultur ungleich bestimmenderen Familienoberhäupter – gibt es so etwas bei uns überhaupt noch? – ihren Familienangehörigen Eheschließungen und nicht selten auch den freundschaftlichen Umgang mit sogenannten Herkunftsdeutschen, seien sie Christen oder Juden, aber auch mit in Deutschland lebenden und bestens integrierten Asiaten untersagen. Bezeichnend ist die Bezeichnung als „Ungläubige“, und nicht etwa „Andersgläubige“ für Angehörige anderer Religionen als des Islam.

Gehört der Islam zu Deutschland?

Die Frage zu stellen, heißt sie auch in der Antwort zu verneinen. Dagegen kann auch nicht mit dem Anspruch, dies als ernsthaften Beitrag zur Diskussion zu werten, mit dem Hinweis auf einen etwa staatlich erteilten oder mindestens überwachten Islamunterricht in den Schulen argumentiert werden. Das wird nicht funktionieren, wie bereits die Anfänge zeigen. Auf unseren Universitäten ausgebildete Islamwissenschaftler werden von den traditionellen islamischen Kreisen schlicht nicht akzeptiert. Man muß kein Prophet sein um die sichere Vorhersage zu machen, daß etwa an deutschen Universitäten unter der Aufsicht der Kultusministerien ausgebildete islamische Theologen in Koranschulen keine Anstellung finden werden, und in staatlichen Schulen vor nahezu leeren Klassenzimmern stehen werden. Denn sie vertreten ja nicht den Islam, dessen Lehren arabisch- bzw. türkischstämmige Eltern ihren Kindern vermitteln wollen. Diese Diskussion erinnert fatal an das Gerede vom sogenannten Euro-Kommunismus der siebziger- und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Das hat sich ja nun Gott sei Dank mit dem Zusammenbruch des Kommunismus seinerzeit erledigt.

Man braucht eigentlich nicht sehr viel über uns selbst zu wissen, um zu diesen Ergebnissen zu kommen. Warum in Deutschland, aber auch im übrigen Europa, ausgerechnet diejenigen, die sich selbst für gebildet und kulturell hochstehend halten, der aggressiven Ideologie des Islam so nachgiebig, ja geradezu einladend gegenüberstehen, ist schwer zu begreifen. Eine Erklärung mag in dem seit Jahrzehnten gerade in diesen Kreisen gepflegten Schuldgefühl gegenüber der sogenannten dritten und vierten Welt begründet sein. Doch selbst wenn unsere Vorfahren sich gerade in den heute muslimischen Ländern nicht immer vorbildlich benommen haben, so wollen wir doch eins nicht übersehen: Die Kreuzfahrer mögen sich allerhand Grausamkeiten geleistet haben. Doch wollen wir nicht vergessen, daß das Christentum im vorderen Orient nicht nur seine Wiege hatte, sondern dort jahrhundertelang gesellschaftlich und kulturell eingewurzelt war, bevor die muslimischen Eroberer es mit Feuer und Schwert blutig ausgerottet und seine Reste unterdrückt haben. Wenn man schon auf die Geschichte Bezug nimmt, dann bitteschön von Anfang an. Und letztendlich kommt es doch auf das Ergebnis an. Wollen wir wirklich hier in Deutschland künftig nach muslimischen Vorstellungen leben? Wollen wir wirklich in der Kantine kein Schweineschnitzel mehr bekommen, weil einige Muslime in der Firma beschäftigt sind? Wollen wir wirklich, daß die jungen Mädchen ihre leichte Sommerkleidung nicht mehr tragen dürfen, weil das muslimische junge Männer nervös machen kann, und ihre Geistlichen zu religiösen Verwünschungen motiviert? Wollen wir wirklich mehr und mehr optische Umweltverschmutzung in Gestalt von Frauen in häßlichen Klamotten auf unseren Straßen und Plätzen sehen müssen? Die Bayern sagen gerne: „Mia san mia.“ Dabei soll es auch bleiben. Nicht nur in Bayern.

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