Archiv für den Monat: Februar 2017

Wer sind wir, und wenn ja, wieviele?

Die Frau Bundeskanzlerin hat geruht, grundsätzliches von sich zu geben. Für ihren Geschmack wird wohl zu viel darüber geredet, wer eigentlich zu uns gehört, und wer nicht. Sie scheint besonders zu stören, daß viele Deutsche die Leute, die von Frau Merkel eingeladen und willkommen geheißen worden sind, einfach nicht zum deutschen Volk zählen wollen. Darum hat sie ganz in der Tradition ihres Vorgängers Schröder einen Basta-Spruch losgelassen. Und der lautet: „Das Volk ist jeder, der in diesem Land lebt.“ Jeder, der in diesem Land lebt? Anerkannte, abgelehnte und geduldete Asylbewerber, Leute mit und ohne Papiere, die sich als Kriegsflüchtling ausgeben, oder es vielleicht auch sind. Legal, illegal,sch…egal, lautete früher einmal ein Sponti-Spruch. Kommt alles nicht so genau, irgendwie sind wir doch alle Menschen.

Doch halt, so einfach ist es doch nicht. 2007 hat ein populärer Philosoph eine Betrachtung unter dem Titel „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ veröffentlicht. Dieser Titel kam mir spontan in den Sinn, als ich diese Sottise unserer Kanzlerin gelesen habe. Wer sind wir, und wenn ja, wie viele? Die Antwort darauf gibt wenig überraschend das Grundgesetz. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG bestimmt, daß das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland Träger und Subjekt der Staatsgewalt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 31.10.1990 festgestellt, das Staatsvolk, von dem die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausgeht, werde nach dem Grundgesetz von den Deutschen, also den deutschen Staatsangehörigen und den ihnen nach Art. 116 Abs. 1 GG gleichgestellten Personen gebildet. Die letztgenannte Bestimmung hat heute keine Bedeutung mehr, denn sie betraf Flüchtlinge und Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit, die in den Grenzen des Deutschen Reiches vom 31.12.1937 Aufnahme gefunden hatten. Maßgeblich ist also die Staatsangehörigkeit. Bekanntlich wird man deutscher Staatsangehöriger durch Geburt. Wer von deutschen Eltern abstammt, ist automatisch Deutscher. Dieses Staatsangehörigkeitsprinzip des ius sanguinis, wie die Juristen sagen, wird teilweise durchbrochen durch die Regelung, daß auch Kinder ausländischer Eltern, die auf deutschem Boden geboren werden, die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen (ius soli),vorausgesetzt, ein Elternteil lebt seit mindestens acht Jahren berechtigt in Deutschland. Ferner können Ausländer unter bestimmten Bedingungen, vor allem nach mindestens achtjähriger Aufenthaltszeit und dem Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse, auf Antrag die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten.

Es besteht also durchaus ein rechtlicher Unterschied zwischen dem deutschen Volk und der Bevölkerung, die sich auf seinem Staatsgebiet aufhält. Es gibt eine Bevölkerung dieses Landes. Diese besteht aus Angehörigen des deutschen Volkes und aus Menschen, die sich dauerhaft auf dem deutschen Staatsgebiet aufhalten. Frau Merkel ist keine Juristin. Sie ist Physikerin. Vielleicht erläutert ihr jemand einmal diese Unterschiede. An Juristen mangelt es ja weder im Kanzleramt, noch in ihrer Fraktion. Zu dieser Erläuterung gehört natürlich die Belehrung darüber, daß die demokratischen Mitwirkungsrechte und damit zum Beispiel die grundsätzliche Entscheidung für oder gegen Zuwanderung, und auch die Art und Weise der Ausgestaltung von Zuwanderung, Sache des Volkes und nicht der Bevölkerung sind. Wer das anders sieht, verwirklicht den Titel des bekanntesten Buches von Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab. Der Amtseid der Kanzlerin stünde dem jedoch entgegen. Gemäß Art. 56 des Grundgesetzes lautet er bekanntlich: „Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So war mir Gott helfe.“ Sie hat ihr Amt also im Interesse des deutschen Volkes auszuüben, nicht im Interesse einer irgendwie hier lebenden Bevölkerung. Sie hat das Grundgesetz zu wahren und zu verteidigen. Und dieses und nicht etwa die Kanzlerin legt eben fest, wer das deutsche Volk ist. Daß man darauf hinweisen muß, kann wohl nur in Deutschland passieren.

Popuschulzismus

Die SPD hat einen neuen Hoffnungsträger. Den Spesenritter Martin Schulz aus Brüssel. Der Mann weiß, woran es in Deutschland fehlt. Es geht eben nicht gerecht zu. Unter anderem muß endlich gleiche Bezahlung für Männlein und Weiblein erreicht werden. Das sei nämlich in Deutschland nicht der Fall. Nun kommt man eigentlich auch mit nur bescheidenen Geistesgaben und kurzem Nachdenken darauf, daß dies so nicht richtig sein kann. Überall da, wo der Staat auf die Entlohnung von Arbeitnehmern überhaupt Einfluß nehmen kann, sind ungleiche Löhne von Verfassungs wegen (Art. 3 GG) gar nicht möglich. Im öffentlichen Dienst ist das besonders augenfällig. Die Gehalts- und Lohngruppen sehen für männliche und weibliche Beschäftigte nicht einen Cent Unterschied vor. Aber auch die Tarifverträge, nach denen die weit überwiegende Zahl der Arbeitnehmer in der Wirtschaft entlohnt wird, sind exakt genauso strukturiert. Ein Tarifvertrag indessen, der tatsächlich unterschiedliche Löhne für Männer und Frauen vorsehen würde, hätte vor keinem Arbeitsgericht dieser Republik bestand. Das würde auch im außertariflichen Bereich gelten, falls es dort so gehandhabt würde. Was allerdings gelebte Wirklichkeit ist, ist die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen in den jeweiligen Lohn- und Gehaltsgruppen. Das liegt allerdings im wesentlichen daran, daß Frauen eben Kinder bekommen und deswegen entsprechende Auszeiten im Erwerbsberuf nehmen (müssen). In der Zwischenzeit können ihre männlichen Kollegen natürlich beruflich aufsteigen und in höheren Lohn- und Gehaltsgruppen ankommen. Das wird im übrigen dadurch ausgeglichen, daß sie ja nun auch ihren Ehefrauen, die zu Hause auf die Geburt ihrer Kinder warten und sie anschließend eine Weile alleine groß ziehen, unterhaltspflichtig sind. Unter dem Strich haben beide Eltern, weil sie nun einmal Kinder haben, weniger als etwa die sogenannten Singles oder Dinks (double income no Kids). Wenn Herr Schulz das alles ändern will, dann muß er sich halt an den lieben Gott wenden. Vielleicht läßt er dann künftig auf Wunsch von Herrn Schulz und der SPD Männer und Frauen paritätisch schwanger werden und Kinder gebären. Herr Schulz gefällt sich im übrigen darin, anderen Leuten Populismus vorzuwerfen. Ich rege an, bei ihm künftig von Popuschulzismus zu sprechen.

Männer und Frauen sind gleichberechtigt

Im Land von Kraft und Freunden offenbar nicht. Dort hat man mit rot-grüner Mehrheit ein Gesetz erlassen und umgesetzt, wonach Frauen bei im Wesentlichen gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern sind, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Von einer im wesentlichen gleichen Qualifikation ist nach § 19 Abs. 6 Satz 3 des Landesbeamtengesetzes von Nordrhein-Westfalen bereits dann auszugehen, wenn die aktuelle dienstliche Beurteilung der Frau und des Mannes ein gleichwertiges Gesamturteil aufweist. Der Feminismus blüht in Nordrhein-Westfalen also nicht nur dort, wo er gehegt und gepflegt wird,nämlich in der Kölner Emma-Redaktion unter Alice Schwarzer. Nein, er wird auch von der herrschenden rot-grünen Mehrheit in diesem an Problemen reichen, an Geldmitteln jedoch armen Lande den Bürgern sogar in Gesetzesform aufs Auge gedrückt.

Nun haben sich erwartungsgemäß eine Reihe von männlichen Beamten dieses wohl nur an Einwohnern größten Bundeslandes gegen solchen Unfug auf dem Rechtsweg zur Wehr gesetzt. Schon aus einem im Auftrage der FDP-Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtages erholten Gutachten des Juristen Prof. Dr. Janbernd Oebbeke war ersichtlich, daß dieses Gesetz scheitern müsse, denn nach Auffassung dieses Sachverständigen hat ein Bundesland für ein solches Gesetz nicht einmal die verfassungsmäßige Rechtssetzungskompetenz. Die Verwaltungsgerichte im Lande von Kraft und Freunden hatten bereits in mehreren Verfahren, die von männlichen Beamten gegen die Bevorzugung einer weiblichen Mitbewerberin angestrengt worden waren, einschlägigen Anträgen auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung stattgegeben, wonach dem Land der Vollzug der beabsichtigten Beförderung einer Mitbewerberin untersagt wurde. Nun hat das Oberverwaltungsgericht des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 21.02.2017 entschieden, daß die einschlägige Vorschrift im Landesbeamtengesetz gegen den verfassungsmäßig festgeschriebenen Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG) verstößt. Auswahlentscheidungen dürften nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Hierzu gehöre der Aspekt der Frauenförderung nicht. Wiesen die dienstlichen Beurteilungen dasselbe Gesamturteil aus, müssten zunächst die Inhalte der aktuellen Beurteilungen und bei dann noch gegebenem Qualifikationsgleichstand ältere dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden.

Recht verstanden, tut diese Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auch tüchtigen Frauen im öffentlichen Dienst keinerlei Tort an. Denn es ist durchaus möglich, ja sogar geboten, bei der dienstlichen Beurteilung einer Beamtin zu berücksichtigen, ob und in welcher Weise sie sowohl ihren dienstlichen Obliegenheiten nachkommt, als das auch mit ihren familiären Verpflichtungen unter den sprichwörtlichen Hut bringt. Denn es ist nicht nur eine menschlich anerkennenswerte Leistung, sondern durchaus auch für einen Arbeitgeber interessant, wenn eine Mitarbeiterin beides vorbildlich leistet. Wer auf beiden Feldern gute Ergebnisse erzielt, eignet sich gerade für Führungsaufgaben. Wer allerdings als „Single“, lesbisch oder nicht, eine solche Herausforderung nicht zu meistern hat, hebt sich eben nicht aus der Masse der Bewerber (m/w) heraus, auch wenn sie damit dem „modernen“ Menschenbild rot-grüner Genderideologie entspricht. Was hingegen Feministinnen wollen, und ihnen nahestehende Politiker zum Gesetz machen, ist die Bevorzugung von Frauen wegen ihres Geschlechts. Genau das verbietet Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, wo es ja heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Jedenfalls die Richter des OVG Münster wissen das noch.

Darauf muß man erst mal kommen!

Ungeachtet dessen, daß es in dieser Szene durchaus höchst gefährliche Narren gibt, denen man dann wenigstens ihre legalen Waffen wegnehmen muß, ohne damit verhindern zu können, daß sie illegal aufrüsten, sorgen die sogenannten Reichsbürger immer wieder für skurrile Situationen. Man hat sich ja schon daran gewöhnt, daß sie staatliche Zahlungsaufforderungen aller Art ignorieren, und vor allem die Vollstreckungsgerichte mit einer Unzahl von völlig unsinnigen Rechtsbehelfen belästigen. Sie meinen ja, in einem Land zu leben, dessen Behörden ihnen nichts zu sagen haben, weil sie Bürger eines anderen Landes seien, nämlich des Deutschen Reiches. An der Theorie vom Fortbestand des Deutschen Reiches ist allerdings nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich richtig, daß es am 8. Mai 1945 nicht untergegangen ist. Weder hat die deutsche Reichsregierung kapituliert – kapituliert hat nur die Wehrmacht –, noch gingen selbst die Alliierten von der sogenannten debellatio aus, also dem völligen Aufhören jeglicher Staatlichkeit des besiegten Landes. Zwar hatte es keine Regierung mehr, nachdem diese zehn Tage nach Kriegsende verhaftet worden war. Die Behörden auf unterer Ebene indessen arbeiteten, ja sogar die Gerichte. Die Alliierten beauftragten sie sogar, Verbrechen der Nazis strafrechtlich zu verfolgen, was sie auch in großem Umfang taten. Dies parallel zu den von den Alliierten selbst durchgeführten Prozessen, wie etwa denen von Nürnberg. Das Deutsche Reich existierte auf einer kleineren Fläche fort, nachdem ihm große Gebiete gewissermaßen amputiert worden waren. Eine demokratisch zustande gekommene verfassungsgebende Versammlung gab ihm dann 1949 auch eine neue Verfassung, sodaß in der Tat die Bundesrepublik Deutschland nicht etwa bloßer Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, sondern mit ihm identisch. So kann man die Rechtslage kurz zusammenfassen.

Das ist eigentlich so simpel und so völlig klar, und vor allem unter Juristen völlig unumstritten, daß eine solche Szene wie die Reichsbürger erst gar nicht entstehen dürfte. Es handelt sich demgemäß auch regelmäßig um Leute ohne irgendeine juristische Ausbildung, insbesondere nicht zum Volljuristen. Solche Leute können natürlich auch krause Gedanken in ihren Gehirnen wälzen und ihren Wahn in einer Scheinwelt ausleben, einschließlich Wappen, Fahne und Regierung. Im allgemeinen ist das skurril und wird vom Rest der Welt mit achselzuckendem Lächeln abgetan. Nur manchmal, wie leider vor nicht langer Zeit im fränkischen Georgensgmünd, muß dann auch einmal ein Polizeibeamter sterben, weil einer dieser – wohl nicht im medizinischen Sinne, aber tatsächlich – Gestörten geschossen hat.

Ein ganz besonders bizarrer Fall aus der Szene wurde vor kurzem vor dem Sozialgericht Bremen verhandelt. Einer dieser Reichsbürger, der allerdings erstaunlicherweise vor Gericht erklärte, keiner zu sein, hatte gegenüber dem Versorgungsamt Bremen geltend gemacht, das deutsche Reich bestehe fort, Deutschland sei besetztes Gebiet, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Pseudostaat, ein Verwaltungskonstrukt, und er selbst sei Kriegsgefangener. Als Kriegsgefangener habe er aber nach der Haager Landkriegsordnung Anspruch darauf, so behandelt zu werden wie die Soldaten der Besatzungsarmee. Damit war die Bundeswehr gemeint. Somit habe er Anspruch auf Sold mindestens wie ein einfacher Soldat, also nach seiner Berechnung auf 1.955,27 € monatlich. (Da lag er nicht ganz richtig. Galt nämlich gem. Art. 23 HLKO nur für Offiziere, und das nur bis zum Inkrafttreten des III. Genfer Übereinkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 12.08.1949. Aber als Reichsbürger ist man da schon mal großzügig.) Das Versorgungsamt lehnte natürlich ab, sodaß die Sache vor dem Sozialgericht landete. Das wurde dann für den wackeren Reichsbürger teuer. Das Sozialgericht erklärte sich für unzuständig und wies die Klage mit dem Bemerken ab, es sei nur der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Man sei eben nicht zuständig. Weil die Klage derartig mutwillig war, wurde der Kläger auch in die Verfahrenskosten verurteilt. Das machte beim angenommenen Streitwert von 11.731,63 € allein für die Gerichtskosten schon mal schlappe 801,00 € aus. Ob sich die Behörde anwaltlich hat vertreten lassen, oder gar der Kläger auch, ist hier nicht bekannt. Dann wäre es um ein mehrfaches teurer geworden.

Der Reichsbürger wird jetzt reichlich Gelegenheit haben, weitere Kosten zu produzieren. Wenn er sich gegen die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten wehrt, kann er ja reichlich unbegründete Rechtsmittel einlegen. Wenn er dem Hinweis des Sozialgerichts folgt, und nun vor dem Verwaltungsgericht klagt, wird es weiter hübsch teuer. Die Frage ist eigentlich nur, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt eine ärztliche Untersuchung des Mannes auf seine Prozeßfähigkeit angeordnet werden muß. Das wird er dann erst gar nicht verstehen. Aber vielleicht trifft er dann später in einer gut gesicherten Anstalt einige Mitglieder der Reichsregierung wieder.

Der Pfosten

Es ist offenbar noch nicht genug über den Möchtegern-Führer einer fundamental-oppositionellen „Bewegungspartei“ geschrieben worden. Den Hinterzimmer-Volkstribunen und Westentaschen-Hitler aus Thüringen. Wer ernsthaft behauptet, eine politische Partei müsse den Umgang mit dem tausendjährigen Reich unseligen Angedenkens in unserer Zeit zum Wahlkampfthema machen, und wer sich dazu eines Sprachgebrauchs und einer Rhetorik bedient, die fatal an eben jenen Halbgebildeten aus Braunau erinnert, dem ist nicht mehr zu helfen. Noch weniger zu helfen ist denen, die ihm nachlaufen wie die Kinder von Hameln dem Rattenfänger im Märchen. In die Reihe der Pfosten stellen sich die Mitglieder seiner Partei, die ihm auch noch den Rücken stärken und gegen seinen umgehenden Ausschluß stimmen. Wer verhindern will, daß in Deutschland eine unverbrauchte politische Kraft Einfluß auf die politischen Entscheidungen auch auf Bundesebene gewinnt, der muß sich hinter Höcke und seinen sog. Flügel aus der Mottenkiste der Politik des 20. Jahrhunderts stellen. Wer allerdings Pfosten, auch Vollpfosten, nur an seinem Gartenzaun brauchen kann, der muß dafür sorgen, daß dieser politische Geisterfahrer so schnell wie möglich aus dem Verkehr gezogen wird.

Demokratie und Menschenrechte – exklusiv

Die Väter und Mütter unseres Grundgesetzes haben mit Bedacht als erste und bedeutendste Festlegung den Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ an den Anfang des Verfassungstextes gesetzt. Art. 1 unserer Verfassung, die mit diesem Satz beginnt, ist auch mit verfassungsändernder Mehrheit nicht zu ändern oder gar abzuschaffen, ebenso wie das Demokratieprinzip, in welchem die essentialia einer demokratischen Staatsordnung festgeschrieben sind. Alle Gewalt geht vom Volke aus, die Staatsgewalt ist zwischen gesetzgebenden Parlamenten, Regierungen und Gerichten aufgeteilt. Aus dem Demokratieprinzip ergibt sich natürlich mit zwingender Logik, daß sich einerseits Minderheiten den Mehrheiten fügen müssen, andererseits aber Mehrheiten es hinnehmen müssen, durch das Ergebnis demokratischer Wahlen zur Minderheit zu werden.

Auf diese Dinge hinzuweisen, mag auf den ersten Blick als öde Steißpaukerei erscheinen. Mancher Leser wird zu Recht denken: „Habe ich solche Belehrungen überhaupt nötig?“ Nein, werte Leserschaft, unter Ihnen vermute ich keinen, der solcher Nachhilfe bedarf. Indessen bedürfen dieser Nachhilfe ganz offensichtlich eine Reihe von Leuten, die sich öffentlich als Verteidiger der Demokratie aufspielen, bei Lichte besehen jedoch die Demokratie gerade gegen sie verteidigt werden muß. Deswegen ist der Titel dieses Beitrages auch so gewählt. Exclusiv heißt nun einmal auf deutsch wörtlich „ausschließlich, nur einem bestimmten Personenkreis zugänglich“, wie uns der Duden lehrt.

Spitzenpolitiker werden in diesen Tagen nicht müde, vor der Verrohung der Sitten in der öffentlichen Debatte, insbesondere in der Anonymität des Internets, zu warnen. Der gewählte Bundespräsident meinte ebenso wie der Präsident des Bundestages anlässlich der Bundesversammlung am 12. Februar dieses Jahres einschlägige Warnungen gewissermaßen ex cathedra aussprechen zu müssen. Doch müssen wir leider feststellen, daß gerade auch aus diesen Kreisen Töne klingen, die ganz und gar nicht dazu angetan sind, den respektvollen Umgang miteinander zu fördern. Wenn der nun gewählte Bundespräsident noch als Außenminister den gewählten Präsidenten eines anderen Landes als Hassprediger bezeichnet, dann disqualifiziert er sich nicht nur als erster Diplomat seines Landes, sondern trägt dazu bei, daß der sachliche politische Diskurs durch Pöbeleien ersetzt wird. Und dann darf man sich nicht wundern, wenn ein offenbar mit aller Macht nach oben drängender Nachwuchsjournalist während der Bundesversammlung twittert: „So, ich hoffe Olivia Jones boxt Frauke Petry jetzt auf der Empfangsparty um“, und ein durch ein mehr als eigenartiges Verständnis von Satire, nämlich die Formulierung von zügellosen Beleidigungen anstelle von witziger Kritik, aufgefallener Medienschaffender namens Böhmermann Kritik daran mit den Worten kommentiert: „Wir dürfen uns nicht von Schwangerenaugen erpressen lassen“, dann ist der Tiefpunkt politischer Kultur, menschlichen Anstandes und sogar medialer Pöbelei erreicht oder gar unterschritten. Wer öffentlich die Hoffnung äußert, eine ersichtlich schwangere Politikerin möge körperlich attackiert werden, der hat entweder von Menschenwürde noch nie etwas gehört, oder sie ist ihm völlig egal, wenn es um Menschen mit einer politischen Anschauung geht, die ihm nicht paßt. Wer sich freuen würde, wenn im Rahmen der Bundesversammlung, die nun einmal nach allgemeinem Verständnis gewissermaßen das Hochamt der parlamentarischen Demokratie darstellt, jemand niedergeschlagen  würde, der hat nicht nur keinen Anstand und keine Kinderstube, der hat auch nicht den mindesten Respekt vor den demokratischen Institutionen dieses Landes. Ausgerechnet Leute, die für sich in Anspruch nehmen, sich In Humanität und demokratischer Gesinnung von niemanden übertreffen zu lassen, treten die Menschenwürde und die demokratischen Institutionen mit Füßen, sobald es um Menschen geht, deren politische Einstellung ihnen nicht paßt. Der noch größere Skandal besteht allerdings darin, daß solche Figuren wie dieser Böhmermann  und dieser Huber ihre menschenverachtenden Pöbeleien munter durch die Gegend twittern können, ohne daß sie von den maßgeblichen Politikern und Chefredakteuren dieses Landes in die Schranken gewiesen werden. Es scheint darauf anzukommen, wer etwas tut, und sei es etwas ganz sicher Unrechtes. Man stelle sich einmal vor, ein Journalist aus dem nationalkonservativen Spektrum, vielleicht Thorsten Hinz oder Michael Klonovsky hätte gleiches oder ähnliches in Richtung einer schwangeren Politikerin aus den im Deutschen Bundestag derzeit vertretenen Parteien  öffentlich geäußert. Abgesehen davon, daß dies wirklich nur eine Fiktion ist, und zum Beispiel die beiden genannten Herren wohl nicht einmal unter stärkstem Alkohol- oder Drogeneinfluß zu einer solchen Entgleisung fähig wären, der Aufschrei in den Medien wäre in größtmöglicher Lautstärke umgehend zu hören gewesen. Die Staatsanwaltschaften unseres Landes hätten eine Flut von einschlägigen Strafanzeigen abzuarbeiten.

In diesem Klima können auch unbeanstandet Hotels und Gasthöfe mit Boykottdrohungen, Androhung von physischen Angriffen oder einer Flut von Schmähanrufen traktiert werden, nur weil sie einer demokratischen Partei, die sich zu unserer Verfassung programmatisch bekennt, und die deswegen natürlich auch nicht Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist, Veranstaltungsräume vermieten. In diesem Klima ist es möglich, daß die Lehrer eines Gymnasiums eine Schulveranstaltung im Saal eines Gasthofes absagen, weil dort zuvor eine Veranstaltung eben dieser Partei stattgefunden hat. Man ist versucht, diesen famosen Pädagogen Nachhilfeunterricht über die Grundlagen unserer Demokratie zu erteilen, selbstverständlich mit anschließender benoteter Leistungskontrolle. Schließlich sollten die Eltern dieser Schüler wissen, welchen pädagogischen Geisterfahrern ihre Kinder ausgeliefert sind.

In diesen Tagen hat offensichtlich der Wahlkampf begonnen. Der Wortbestandteil Kampf scheint hier in seiner unheilvollsten Bedeutung Wirklichkeit zu werden. Wir werden uns also darauf gefaßt machen müssen, daß Anstand, Höflichkeit, Sachlichkeit und die Achtung vor dem Menschen, gleichgültig welcher politischen Auffassung er ist, bis zum 27. September 2017 keinen Platz mehr in der öffentlichen Debatte haben werden. Man wird sich also am 27. September 2017 wohl auch zwischen Demokraten und Demokratieabschaffern entscheiden müssen.

Da fing sie an zu weinen….

Unfassbares ist geschehen. Unsere braven, sympathischen Tennismädchen stehen in Trump-Country auf einem Centre-Court. Es ist eine internationale Veranstaltung. Mit Flaggen, Hymnen und allem drum und dran. Stolz und Freude in den jungen Gesichtern. Und da hebt der Sänger mit der deutschen Nationalhymne an. Oh Schreck! „Deutschland, Deutschland über alles!“ schallt es über den Platz. Die jungen Damen sind geschockt, eine Spielerin beginnt zu weinen.

Ja, es muß wohl für junge Deutsche, denen in der Schule recht wenig über ihr Land beigebracht worden ist, außer, daß es eine recht üble jüngere Vergangenheit hat, schockierend sein, nun eine Darbietung zu hören, die sie, ihrer schulischen und medialen Sozialisation entsprechend, nur den finstersten Zeiten der Geschichte ihres Landes zuordnen können. Die jungen Damen will ich daher gar nicht schelten. Zum wiederholten Male allerdings ist der Hinweis angebracht, daß der Geschichtsunterricht in unseren Schulen ebenso wie die Darstellung der Geschichte unseres Landes in den Medien, leider auch durch maßgebliche Politiker, in der Regel falsch, unvollständig und vor allem unangemessen ist. Das Lied der Deutschen, wie es sein Textdichter Hoffmann von Fallersleben genannt hat, atmet in seinem ursprünglichen Text die Sehnsucht der Deutschen, endlich in einem vereinten Vaterland leben zu dürfen, wie das anderen Nationen auch vergönnt war. Auch andere Nationen hatten zu jener Zeit damit begonnen, Teilung und Zerstrittenheit zu überwinden. Hier sind zum Beispiel Polen und Italien zu nennen, deren Bemühen um nationale Einigung im 19. Jahrhundert heute in Deutschland allgemein bewundert wird. Mit den Bemühungen unserer Vorfahren selbst um die Einigung ihrer Nation in einem Staat ist es da schon schlechter bestellt. Wenn es halbwegs gut geht, wird darüber mit der bekannten Überheblichkeit unserer Volkspädagogen berichtet, wenn es noch schlechter geht, wird geschichtsklitternd behauptet, hier sei der Grundstein für Nationalismus und Militarismus gelegt worden, der schnurstracks zur Machtergreifung der Nazis und dem militärischen „Überfall“ auf die Nachbarländer geführt habe.

Da nehmen solche Bilder nicht Wunder, wie die eingangs geschilderte Szene. Und da nimmt es nicht Wunder, daß deutsche Polizeibeamte Leute verhaften wollen, weil sie die erste Strophe der Nationalhymne gesungen haben. Sie wissen ja nicht, daß nach wie vor die deutsche Nationalhymne aus den drei Strophen besteht, die Hoffmann von Fallersleben seinerzeit geschrieben hat. Sie wissen auch nicht, daß Theodor Heuss als erster Bundespräsident das Lied der Deutschen zur Nationalhymne erklärt hat, und dabei verfügt hat, bei offiziellen Anlässen solle nur die dritte Strophe gesungen werden. Für jeden, der der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist bedeutet das auch, daß privat die gesamte Hymne gesungen werden darf. Es ist schon erstaunlich, daß man auf solche Banalitäten überhaupt hinweisen muß.

Daß dem amerikanischen Sänger, dem man das Notenblatt mit Text der ersten Strophe des Deutschland-Liedes hingelegt hat, da nichts auffallen konnte, liegt ja wohl auf der Hand. Außerhalb unseres Landes mit seiner neurotischen Beziehung zur eigenen Geschichte kann man sich wohl nirgends vorstellen, daß zwei Drittel einer Nationalhymne verpönt sein sollen. Den jungen Damen unseres Tennisteams indessen ist zu wünschen, daß ein wohlmeinender Mensch sie endlich einmal über die deutsche Geschichte im allgemeinen und ihre Nationalhymne im speziellen ordentlich aufklärt. Vielleicht kann Ihnen jemand diesen Blog auf ihr iPad senden.

Worum es geht

Wer mit wachen Sinnen die politische Debatte der letzten Jahre verfolgt, dem kann nicht entgangen sein, daß wir uns mitten in einem Kulturkampf befinden. Der Antagonismus zwischen den saturierten Alt-68ern, die heute entweder selbst das maßgebliche Führungspersonal in Politik und Medien stellen, oder schon mit Wohlgefallen auf die in ihrem Geiste erzogenen Nachfolger blicken, und den von ihnen als Rechtspopulisten diffamierten Kritikern ihrer Denkweise und Politik prägt die Debatte unserer Tage. Ebenso wie die APO der frühen sechziger Jahre, die in der Kulturrevolution von 1968 kulminierte, stellen die Vordenker „rechter“ Parteien in Europa – möglicherweise auch die spin doctors des neuen amerikanischen Präsidenten – überkommene gesellschaftliche Grundüberzeugungen in Frage. Ebenso wie seinerzeit linke Vordenker das herrschende Gesellschaftsbild und das Demokratieverständnis ihrer Generation in Frage gestellt haben, tun dies heute mit anderen Vorzeichen unabhängige Publizisten und unkonventionelle Politiker.

Peter Kuntze analysiert diesen Vorgang zutreffend, wenn er schreibt: „Was sich seit längerem vornehmlich in Deutschland abspielt, ist der Beginn eines Paradigmenwechsels, die Infragestellung des nach der achtundsechziger-Revolution mit elitär-arroganter Volkspädagogik und politischer Korrektheit durchgesetzten Weltbildes. Daß jetzt der Begriff „Demokratie“ ständig mit dem Adjektiv „liberal“ verbunden wird, zeigt, worum es geht: die durch Masseneinwanderung, Hofieren selbst skurrilster Minoritäten sowie Umdefinition von Ehe und Familie auf Kosten und zu Lasten der arbeitenden Mehrheit grundlegend veränderte Gesellschaft soll als nicht hintergehbare Realität festgeschrieben werden. Zugleich wird diese Fragmentierung, die der sophistischen Logik folgt, es sei normal, anders zu sein, unter Beschwörung von „Weltoffenheit“ und „Toleranz“als alternativloses Konzept der Moderne dargestellt. Letztlich, so der utopische Traum, sollen alle Nationalstaaten als Finalisierung der Geschichte in einer grenzen- und klassenlosen Weltgesellschaft aufgehen.

Damit beschreibt er präzise das Weltbild, ja die Ersatzreligion unserer herrschenden Eliten in Politik, Publizistik und Geisteswissenschaften. Jedermann weiß, daß innerhalb dieses juste milieu keine abweichenden Meinungen geduldet werden. Wir sind zwar zivilisatorisch weiter als in den Jahrhunderten der Inquisition und müssen nicht mehr mit ansehen, wie die Ketzer öffentlich verbrannt werden. Doch jeder weiß, daß er seine wirtschaftliche wie auch soziale Existenz aufs Spiel setzt, wenn er auch nur eines der Axiome des linksliberalen Weltbildes in Frage stellt. Steffen Heitmann, Martin Hohmann, Birgit Kelle, Thilo Sarrazin und Eva Herman seien hier nur beispielhaft genannt. Doch langsam, ganz langsam scheint sich die Welt zu verändern. Das Misstrauen der Bürger gegen Politik und Medien wächst unaufhaltsam. Der offene Rechtsbruch Merkels im Zuge der Flüchtlingskrise 2015, die zynisch-arrogante Verachtung der Leitmedien für die Kritiker der Merkel’schen Politik, die kalte Enteignung von Sparern und Beziehern kapitalgedeckter Renten durch die EZB zugunsten südeuropäischer Korruptionsrepubliken: von allen Seiten sieht sich der hart arbeitende Bürger bedroht und betrogen. Der zugegebenermaßen pauschale Kampfbegriff der Lügenpresse ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondern ist nur als die wütende Reaktion auf irgendwie als unlauter empfundenes Verhalten von Politik und Medien zu verstehen. Mitspielen mag dabei auch das Gefühl der eigenen Ohnmacht gegenüber „denen da oben“, gespeist auch aus der Erkenntnis, bei weitem nicht zu wissen, was da wirklich vorgeht. Aber gerade dieses „irgendwie“ ist ja typisch für den Beginn von Veränderungen. „Irgendwie“ gehört ja auch zu den sprachlichen Leitfossilien der sechziger/siebziger Jahre in Deutschland. Aus dem Gefühl, irgendwie laufe da was falsch, wird mit der Zeit die Erarbeitung von Kenntnissen und Wissen. Und aus dem Irgendwie wird dann die präzise Analyse der Wirklichkeit, die Reflexion des Sinnvollen und Wünschenswerten und schließlich der Paradigmenwechsel. Die alten Werte sind dann nicht mehr die Werte der Alten. Der Fortschritt ist nicht mehr der Marsch ins Ungewisse, sondern der Weg zu den zeitlosen Gewissheiten.

Die Revolution ist beendet.

Die Selbstgerechten

Die unsägliche Debatte in Deutschland um die alliierten Luftangriffe auf deutsche Städte in den letzten beiden Kriegsjahren (1943-1945) ist in diesem Jahr etwas leiser. Schließlich haben wir keinen „runden“ Jahrestag. Die Tonlage indessen bleibt gleich. So hat anläßlich des bevorstehenden 71. Jahrestages der verheerenden Bombardierung von Dresden am 14.02.1945 der dortige Oberbürgermeister erklärt, Dresden „dürfe nicht in einem Opfermythos dastehen“. Denn, so wörtlich: „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet.“

Der Mensch, der diese Sätze in die Welt gesetzt hat, ein 45 Jahre alter Politiker namens Dirk Hilbert von der FDP, steht für eine Generation von deutschen Politikern, Publizisten und Historikern, die ihren Vorfahren gegenüber mit Arroganz und Unduldsamkeit auftreten, selbstverständlich mit der Attitüde dessen, der alles besser weiß, selbstverständlich das richtige tut und natürlich, hätte er damals bereits gelebt, den Nazis mutig die Stirn geboten hätte, ach was, diese Bande von Ignoranten Psychopathen locker in die Tonne getreten hätte. Mit einer solchen Persönlichkeitsstruktur, anmaßend, arrogant und ausgrenzend, hat man in jener Zeit glänzende Karrieren hingelegt, etwa in SS und SD. Solchen Leuten gegenüber ist grundsätzlich ein tiefes Misstrauen angebracht.

Den Satz: „Dresden war keine unschuldige Stadt, das wurde wissenschaftlich ausgewertet“, muß man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Alleine schon die darin vorausgesetzte Kollektivhaftung einer Stadt für die Untaten ihrer Unterdrücker ist von einer intellektuellen Armut, gleichzeitig aber auch dümmlichen Arroganz, die einem schon den Atem verschlagen kann. Selbst wenn in Dresden wie sonstwo die Nazis geherrscht haben und sich scheußlicher Verbrechen schuldig gemacht haben, was hat das mit der beherrschten und unterdrückten Mehrzahl der Bürger zu tun? Sind diese Nazis, dazu noch offen mit dem Programm ihrer späteren Unterarten, auch nur von einer Mehrheit der Dresdner 1932 gewählt worden? Ja, 1932, denn nach dem 30. Januar 1933 gab es keine freien Wahlen mehr. Waren die 25.000 Menschen, die nach amtlicher Zählung einer handverlesenen Historikerkommission in dieser Nacht von Bomben zerfetzt, von Trümmern erschlagen und im Feuersturm verbrannt sind, schuldig? Falls es einige tausend mehr gewesen sein sollten, was nach seriösen Quellen durchaus gut möglich ist, waren die auch schuldig?

Waren nicht auch in Dresden wie auch sonstwo viele, sehr viele Menschen auf der Seite der vom Regime verfolgten, zum Beispiel der Juden? Man lese die Aufzeichnungen des Dresdner Germanistikprofessors Victor Klemperer und anderer Zeitzeugen. Von einer „schuldigen“ Stadt kann keine Rede sein.

Und muß man nicht heute feststellen, daß diese alliierten Bombardierungen nach allgemeiner Auffassung im Kriegsvölkerrecht als Kriegsverbrechen betrachtet werden? Man lese etwa das gut recherchierte und juristisch überzeugende Buch von Björn Schumacher, Die Zerstörung deutscher Städte im Luftkrieg, oder den von Lothar Fritze und Thomas Widera herausgegebenen Sammelband über den alliierten Bombenkrieg, herausgegeben vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. Schon der zynische Codename für die erste große Städtebombardierung, nämlich Hamburg vom 24.07. bis 03.08.1943 – Operation Gomorrha – zeugt von der Geisteshaltung, die hinter dem Konzept des sogenannten Morale Bombing stand. Es ging einfach ganz offensichtlich darum, Kultur und Herz des deutschen Volkes nachhaltig zu zerstören, indem man ihm die sichtbaren Zeugnisse seiner Geschichte nehmen wollte. Die Zerstörung der Nürnberger Altstadt am 02.01.1945, selbstverständlich militärisch völlig unsinnig, wie auch als besonders plakatives Beispiel, des Städtchens Pforzheim am 23.02.1945, als unter den alliierten Bomben 98 % der Stadt verbrannten und mehr als ein Fünftel der Einwohner getötet wurden. oder man lese das erschütternden Buch von Jörg Friedrich: Der Brand.

Nein, es geht überhaupt nicht darum, ob eine Stadt schuldig war im Sinne dieser selbstgerechten, großsprecherischen und von politischer Korrektheit triefenden Nachgeborenen. Nein, es geht darum, diesen Leuten ihr moralisches Versagen deutlich vor Augen zu führen. Ihnen, denen ein gütiges Schicksal es erspart hat, in jener Zeit aufwachsen zu müssen, ohne Furcht vor der allgegenwärtigen geheimen Staatspolizei, ohne Furcht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes wegen politischer Unzuverlässigkeit, ohne Furcht davor, mit leeren Händen vor seinen hungrigen Kindern zu stehen, weil man seine hochmögende Moral über seine banalen täglichen Pflichten Frau und Kindern gegenüber gestellt hat. Und wer nicht glauben will, unter welchem Druck die Deutschen ab 1933 gestanden haben, der lese vielleicht einmal die Akten des Prozesses gegen die SA-Männer, die in der Nacht des 30. Januar 1933 die „Machtergreifung“ auf ihre Weise gefeiert haben. Wie sie die Büros ihrer politischen Gegner und missliebiger Journalisten in Nürnberg gestürmt und verwüstet haben, die angetroffenen Politiker und Redakteure halb totgeschlagen und dann ins KZ nach Dachau verfrachtet haben. Und wer glaubt, das habe sich damals nicht in Windeseile herumgesprochen, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Was unsere hochmögenden arroganten Besserwisser mit makelloser Universitäts- und Berufskarriere heute den Deutschen jener Zeit vorwerfen, tun sie gerade selbst. Sie verweigern sich der Wirklichkeit, weil nicht sein kann was nicht sein darf. Urgroßvater war halt ein Nazi. Dem haben die Alliierten zurecht die Bomben aufs Haupt geworfen.

Natürlich ist die Erinnerung an dieses große Kriegsverbrechen der Briten und Amerikaner auch nicht in anderer Weise zu instrumentalisieren. Irgendwelche Menschenketten oder Gedenkmärsche, seien sie links- oder rechtsdrehend, sind unangebracht. Angebracht ist allein die Trauer um die Opfer und die Suche nach der historischen Wahrheit. Letztere scheint allerdings offiziell nicht sonderlich erwünscht.