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Ursula die Entschlossene

Nun hat die Bundesministerin der Verteidigung entschieden, das Sturmgewehr G 36 endgültig auszumustern. Ja, so stellt sich das Volk seine Führer vor. Entschlossen, unbeirrbar, entscheidungsfreudig. Erst recht gilt das natürlich für die „Inhaberin der Befehls-und Kommandogewalt“, wie die militärische Funktionsbezeichnung ihres Amtes lautet. Wer den Oberbefehl über unsere Streitkräfte führt, muß dem Bild des allgewaltigen Feldherren in der Schlacht entsprechen. Wie in Deutschland heute nicht anders zu erwarten, reihen sich auch die deutschen Medien in die Schlachtordnung ein. Anders kann der natürlich einheitliche Sprachgebrauch – wir sind doch beim Militär! – nicht interpretiert werden, wonach es sich bei dem G 36 um ein „Pannengewehr“ handelt.

Nun fällt es jedoch auf, daß an dem seit 20 Jahren in der Bundeswehr geführten G 36 aus der Truppe keinerlei Kritik zu hören war. Im Gegenteil. Offiziere, Unteroffiziere und einfache Soldaten haben gefragt und ungefragt erklärt, mit dieser Waffe sehr zufrieden zu sein. Weder im Kriegseinsatz noch im Ausbildungs- und Übungsbetrieb sind Probleme aufgetreten, wenn man von den Kleinigkeiten absieht, die bei jedem Gebrauchsgegenstand, ob Waffe, Fahrzeug oder Bekleidung immer wieder auftreten, ohne daß dem eine grundsätzliche Systemschwäche oder gar Untauglichkeit zu Grunde läge. Vielmehr hört man allenthalben nicht nur von Soldaten der Bundeswehr, sondern auch von Soldaten anderer Armeen, bei dem G 36 handele es sich um eine vorzügliche Waffe. Bei den weiß Gott kampferfahrenen Peschmerga gilt es als Auszeichnung, diese Waffe führen zu dürfen. Für sie ist die berühmte Kalaschnikow allenfalls der Lada unter den Sturmgewehren, das G 36 hingegen der Porsche.

Natürlich wird man auch das beste Sturmgewehr zuschanden schießen können, wenn man es weit über die Anforderungen hinaus beansprucht, für die es konstruiert, und für die es in eine Armee eingeführt worden ist. So soll das G 36 bei hohen Temperaturen und Dauerfeuer irgendwann seine Zielgenauigkeit einbüßen. Nun weiß jeder Soldat, daß man selbst ein Maschinengewehr, das für Dauerfeuer konstruiert ist, mit ununterbrochenem Dauerfeuer ruinieren kann. Ein Sturmgewehr hingegen ist für Einzelfeuer und kurze Feuerstöße konstruiert, was selbst dem Laien schon mit Blick auf sein Magazin mit lediglich 20-30 Patronen klar sein dürfte. Dem Maschinengewehr hingegen wird die Munition über Gurte in großen Mengen zugeführt. Ein Sturmgewehr ist auch kein Scharfschützengewehr, mit dem man über mehrere hundert Meter noch einen Bierdeckel trifft. Der Mangel des G 36 besteht aber offenbar darin, daß es kein „Scharfschützen-Maschinengewehr“ ist. Natürlich haftet dann auch dem Kampfpanzer Leopard II der Mangel an, daß man damit auf der Autobahn keinen Porsche überholen kann und er überdies nicht einmal schwimmfähig ist.

Natürlich kann sich die Ministerin auf Gutachten stützen. Juristen wissen allerdings, daß dies nicht selten fragile Stützen sind. Wer sich alleine darauf stützt, kann leicht hinfallen. Auch Gutachter sollen bisweilen nach dem Motto handeln: „Wes Brot ich eß‘, des Lied ich sing“. Einer in Juristenkreisen gern kolportierten Geschichte zufolge soll ein Sachverständiger, mit dem Wunsch der Gutachtenserstattung konfrontiert, dem künftigen Auftraggeber grundsätzlich erst einmal zwei Fragen gestellt haben. Wenn die erste Frage richtig beantwortet worden war, wurde die zweite Frage überhaupt erst gestellt. Die erste Frage lautete: „Was darf es denn kosten?“ Wenn diese Frage „richtig“ beantwortet worden war, folgte die zweite. Diese lautete: „Was soll denn herauskommen?“ Daß ein Auftraggeber von der Bedeutung eines Verteidigungsministeriums einen Gutachter zu motivieren versteht, liegt wohl auf der Hand. Sich unter diesen Umständen alleine auf Gutachten oder gar auf Untersuchungen der eigenen Mitarbeiter zu stützen, ist wenig überzeugend, zumal wenn inzwischen hunderttausende von Soldaten im In- und Ausland völlig andere Erfahrungen mit diesem Sturmgewehr gemacht haben.

Natürlich muß man, ganz nebenbei bemerkt, auch zwei Aspekte auseinanderhalten. Der eine ist die Frage, ob das G 36 den Anforderungen entspricht, die seinerzeit im Lastenheft formuliert worden sind. Der erste Anschein spricht natürlich dafür, denn sonst hätte man es nicht beschafft. Der andere ist natürlich die Frage, ob das Sturmgewehr auch heute noch den Anforderungen des Gefechts entspricht. Nachdem man bisher von niemand gehört hat, dies sei nicht der Fall, darf man gespannt sein, wann der erste Offizier pflichtschuldigst meldet, das G 36 habe sich im Gefecht als ungeeignet erwiesen. Ein Schuft, wer ihm dann unterstellt, an sein berufliches Fortkommen gedacht zu haben.

Natürlich muß man auch sehen, daß jeder technische Gegenstand, selbstverständlich auch eine Waffe, verbessert werden kann. Auch hier der alte Satz: „Das Bessere ist des Guten Feind.“ Es wäre ja merkwürdig, wenn nicht irgendwann auch bessere Sturmgewehre als das G 36 gebaut werden könnten. Möglicherweise ist das heute schon der Fall. Dann wird man natürlich das gute G 36 ausmustern und das bessere Nachfolgemodell einführen. Man hat dann aber kein „Pannengewehr“ ausgemustert, sondern ist lediglich mit der Zeit gegangen. Das wäre dann aber keine Entscheidung, mit der eine Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt auf dem Feldherrenhügel Führungskraft gezeigt und sich für höhere Aufgaben empfohlen hat.