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Zwischen Inquisition und Rechtsstaat

Seit dem Frühjahr 2017 wird die öffentliche Wahrnehmung  der Bundeswehr durch Meldungen über rechtsextreme Umtriebe, sexuelle Übergriffe und andere unappetitliche Details bestimmt. Die Verteidigungsministerin nimmt das alles zum Anlaß, die Truppe unter Generalverdacht zu stellen und öffentlichkeitswirksam als Großinquisitorin zu agieren. Indessen mußte sie sich schon mehrfach anschließend von den zuständigen Staatsanwälten dahingehend belehren lassen, daß die erhobenen Vorwürfe keine reale Grundlage hatten. So stellten sich die sensationellen Nachrichten über sexuelle Übergriffe in der Pfullendorfer Kaserne als heiße Luft heraus. Die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft sparte auch nicht mit harschen Worten gegen die Bundeswehrführung, also die Ministerin.

Nun hat Anfang Januar dieses Jahres die Staatsanwaltschaft Hechingen erneut Ermittlungen eingestellt, diesmal wegen einer angeblich von einem Soldaten versandten E-Mail mit rechtsextremen Inhalt.

Die Hexenjagd der Ministerin auf Soldaten mit angeblich rechtsextremer Gesinnung hatte groteske Züge angenommen. Spinde wurden aufgebrochen, um nach einschlägigen Objekten zu suchen, in den Kasernen wurde nach Nazi-Symbolen, wozu selbstverständlich auch Wehrmachtsuniformen und Säbel aus napoleonischen Zeit gehörten, gefahndet. Vor allem die Vorgänge um den Oberleutnant Marco A. hielten die Medien in Atem und gaben der Ministerin reichlich Gelegenheit, sich als Nachfahrin des Herakles zu gerieren, die den Augiasstall der Bundeswehr von den rechtsextremen Fäkalien reinigt. Doch auch hier hat sich nun gezeigt, daß die mediale Aufregung weit übertrieben war. Die Ministerin wäre gut beraten gewesen, wenn sie erst einmal die disziplinarischen wie die strafrechtlichen Ermittlungen abgewartet hätte. Was das strafrechtliche Ermittlungsverfahren angeht, so ist jener Oberleutnant inzwischen aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Das bedeutet auf jeden Fall, daß mit einer langjährigen Freiheitsstrafe nicht zu rechnen ist. Ob überhaupt mehr herauskommt, als ein Verstoß gegen das Waffengesetz, sollte in Ruhe abgewartet werden.

Natürlich hat der Fall jenes Oberleutnants auch seine disziplinarrechtliche Seite. Der zuständige Wehrdisziplinaranwalt hatte seinerzeit unverzüglich Ermittlungen auch dahingehend aufgenommen, ob der Offizier sich rechtsextremistisch betätigt habe. Einen Anfangsverdacht dafür boten die Umstände um die Masterarbeit des Oberleutnants, die er seinerzeit an einer französischen Offizierschule vorgelegt hatte. Nach Auffassung des Kommandeurs dieser Offizierschule sei diese Masterarbeit von Rassismus und Verschwörungstheorien über das Aussterben der europäischen Rassen geprägt. Damit konfrontiert, wandte der junge Offizier ein, er habe sich nur in die Rolle eines Rechtsradikalen begeben wollen, um dessen Thesen durchzudefinieren. Es sei aber nicht seine Meinung gewesen. Diesen Umstand habe er zu wenig herausgearbeitet. Diese Erstfassung der Arbeit (die korrigierte Zweitfassung erfüllte die akademischen Anforderungen) wurde dem Wehrdisziplinaranwalt zur rechtlichen und disziplinarischen Bewertung zugeleitet. Dieser prüfte den Text der Arbeit und hörte den Verfasser an. Das Votum des Wehrdisziplinaranwalts lautete: aus juristischer Sicht könne dem Offizier eine rechtsradikale Gesinnung wegen seiner Einlassungen nicht gerichtsfest vorgeworfen werden. Disziplinarmaßnahmen, vor allem eine Entlassung, seien darauf nicht zu stützen. Erst später hat man dann im Zuge der Ermittlungen bei ihm weiteres rechtsradikales Schriftgut gefunden. Das aber war bei der Befassung des Wehrdisziplinaranwalts mit dem Fall noch nicht bekannt.

Als der Fall dann politisch hochkochte, wurde dem Wehrdisziplinaranwalt vorgeworfen, daß er nicht ausreichend ermittelt, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) weder befragt noch eingeschaltet und die Anhörung des Marco A. nicht als förmliche Vernehmung stattgefunden habe. Deswegen wurde am 16.5.2017 ein Disziplinarverfahren gegen den Juristen eingeleitet. Lange ruhte das Verfahren, das natürlich auch öffentlich wahrgenommen worden war. Damit entstand der Eindruck, daß sich der WDA falsch verhalten und damit eine Entlassung von Marco A. Aus der Bundeswehr verhindert habe. Formal lief ein Verfahren, welches das noch prüfen sollte. In der Öffentlichkeit wurden die Vorwürfe als bestätigt angesehen. Mehrere Eingaben des Wehrdisziplinaranwalts, dieses Verfahren – möglichst noch vor der Bundestagswahl im September – zu bescheiden, wurden nicht beachtet. Nun berichtet das dem Bundesministerium der Verteidigung sicherlich nicht ganz fernstehende Fachblatt „Europäische Sicherheit & Technik“, daß das Disziplinarverfahren gegen den Beamten am 9.1.2018, also immerhin nahezu acht Monate nach Verfahrenseinleitung, eingestellt worden sei. Nach dem Ergebnis der disziplinarischen Ermittlungen hätten sich die Vorwürfe nicht bestätigen lassen. Ein Dienstvergehen habe nicht festgestellt werden können. Aus dem Ministerium habe man dem Beamten lediglich vorgehalten, er habe möglicherweise beim MAD vorliegende Erkenntnisse nicht abgefragt. Das sei aber kein Dienstvergehen, sondern allenfalls eine „Schlechtleistung“. Damit ist nun klar, daß der Wehrdisziplinaranwalt seinerzeit das Disziplinarverfahren gegen den Oberleutnant Marco A. zu Recht eingestellt hat, was die Vorwürfe im Zusammenhang mit eben jener Masterarbeit angeht.

Ein fader Nachgeschmack bleibt jedoch. Die Einstellung des Verfahrens geschah unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Einleitung des Verfahrens indessen wurde öffentlich kommuniziert. Denn dabei ging es ja darum zu zeigen, wie konsequent „rechte“ Umtriebe in der Bundeswehr verfolgt werden. Dazu gehörte natürlich auch, den Juristen zu schurigeln, der sich nicht als gehorsamer Diener der Inquisition, ,sondern als alleine dem Recht verpflichteter Beamter erwiesen hatte. Sich pflichtgemäß als Dienstherrin vor den Beamten zu stellen, und den Makel des Ermittlungsverfahrens nun auch öffentlich von ihm zu nehmen, fällt der Großinquisitorin natürlich nicht ein.

Was bleibt ist der Eindruck, daß der Schatten der GroßInquisitorin auf dem Ministersessel bleischwer auf Truppe und Stäben lastet.