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Das Entsorgungsproblem

Der Aufreger der Woche scheint die Äußerung Alexander Gaulands zu sein, man könne Aydan Özoguz nach Anatolien entsorgen, nachdem sie sich in der Thüringer Provinz davon überzeugt habe, daß es doch etwas spezifisch Deutsches außer der Sprache gebe. In meinem letzten Beitrag über die Sendung von Frank Plasberg und sein peinliches Tribunal über eben diesen Vorgang habe ich schon meine Verwunderung darüber ausgedrückt, daß man diese Formulierung zwar Herrn Gauland vorhält, nicht jedoch anderen. So zum Beispiel dem von Gauland zitierten SPD-Politiker, der Frau Merkel entsorgen wollte.

Nun hat ja der iudex maximus des deutschen Strafrechts Thomas Fischer gewissermaßen ex cathedra verkündet, bei dieser Äußerung von Herrn Gauland handle es sich um Volksverhetzung. Er soll bereits dieserhalb Strafanzeige erstattet haben. Denn es muß ja erst einmal ein Strafverfahren geführt werden, an dessen Ende er zu seinem Leidwesen nicht mehr als oberster Richter die Verdammung des Angeklagten zu schwerem Kerker für mindestens zehn Jahre verfügen kann, bevor feststeht, daß es sich um eine Straftat gehandelt hat. Auch soll bereits irgendwo in unserem schönen Land eine Staatsanwaltschaft prüfen, inwieweit hier eine Straftat vorliegt.

Wenn der Großmeister des Strafrechts einen Vorgang öffentlich subsumiert und zur Straftat erklärt, dann reizt es mich als einen aus dem juristischen Fußvolk, darüber juristische Überlegungen anzustellen. Nun beginnt die Arbeit des Juristen am Sachverhalt, wie man als Referendar gelernt hat. Für unseren „Fall“ heißt das, daß wir zunächst einmal den Sprachgebrauch daraufhin zu überprüfen haben, was denn das eigentlich heißt. Wer seinen eigenen Sprachkenntnissen nicht so ganz traut, schaut ja im Duden nach. Unter dem Eintrag „entsorgen“ finden sich da zwei Definitionen, nämlich: 1.“ von Müll, Abfallstoffen befreien“ und 2. „(Abfallstoffe) beseitigen“. Würden wir es dabei belassen, dann könnte man in der Tat die Verwendung dieses Begriffes auf einen Menschen als rechtlich zumindest problematisch ansehen und in die Prüfung eintreten, ob § 130 StGB – Volksverhetzung – vorliegen könnte. Indessen kann man es dabei nicht bewenden lassen, sondern muß untersuchen, in welchem Kontext diese Vokabel umgangssprachlich, vielleicht sogar auch hochsprachlich benutzt wird. Letzteres, weil man ja Politikern und Medien unterstellen muß, sich für gewöhnlich beruflich der Hochsprache zu bedienen. Da hilft ein Blick in die Medien weiter.

Spiegel Online am 4.4.2015, Überschrift „Korrupte Politiker werden entsorgt“. Im Text weiter: „Natürlich gibt es korrupte Abgeordnete und Lobbyisten, aber die halten sich meist nicht lange in Brüssel und werden entsorgt.“ wird da ein Lobbyist zitiert.

Welt 4.2.2015: Überschrift „Wenn Flachpfeifen in der Wirtschaft entsorgt werden“, Autor: Hans Zippert. „So konnte die FDP drei ihrer erfahrensten Flachpfeifen verklappen“. Naja, das Entsorgen von Altöl oder sonstigem Giftmüll auf hoher See nennt man verklappen. Und weiter: „Eigentlich ist es aber für die Parteien ein Segen, ausgebrannte oder unfähige Mitglieder diskret in der Wirtschaft entsorgen zu dürfen.“

Süddeutsche Zeitung 17.10.2010: Überschrift „Entsorgt in Brüssel“, Autor Martin Winter. „So trägt Oettingers Ernennung die klassischen Züge Merkel’scher Problementsorgung.“

Spiegel Online, 9.9.2014. Autor Christian Rickens. „Der polnische Ministerpräsident gibt sein Amt auf, um nach Brüssel zu wechseln. In Deutschland wäre so ein Schritt undenkbar. Wir entsorgen in der EU lieber unsere politische B-Prominenz.“ Es ging damals um den Wechsel des seinerzeitigen polnischen Ministerpräsidenten nach Brüssel als Ratsvorsitzender.

FOCUS Online 29. 7. 2002. Autor Michael Hilbig. „In Schröder-Manier haben die Grünen ihre Skandalfigur ruck, zuck entsorgt.“ Es ging dabei, mancher erinnert sich noch, um Cem Özdemir und seine Bonusmeilen, gerne auch an friends and family verteilt und seinen Kredit vom Rüstungslobbyisten.

FAZ Online 30.4.2014, Autor Peter Carstens: „Pädophiler LKA-Beamter – sanft entsorgt.“ Ein Bericht in der Edathy – Affäre, der aufzeigte, daß das Pädophilen-Milieu bis in die Reihen der Polizei reichen kann.

n-tv 18.12.2014, Bericht von Christian Rothenberg zur Edathy-Affäre. „Zurück bleibt das Bild einer Partei, die einen ihrer Genossen notfalls ohne Skrupel entsorgt.“

Report Mainz, 4.5.2009, Autor Ulrich Neumann. In diesem Artikel werden gleich alle entsorgt – Schröder, Steinmeier, Müntefering, und zwar in der Art „wie die Bayern den Klinsi“. Stoiber, Kohl und Merz hat die Merkel entsorgt. Die Grünen wollen gerne die Künast und den Trittin entsorgen und die ganze FDP gleich mit usw.

Der Tagesspiegel vom 12.11.2012: Siegmar Gabriel wird zitiert: „Es gebe jetzt das gemeinsame Ziel von SPD und Grünen, nicht nur die Regierung Merkel abzulösen, sondern rückstandsfrei zu entsorgen.“ Rückstandsfrei, das deutet nun auf Problemmüll hin. Auf das Bundeskabinett angewendet, sicherlich starker Tobak.

Wir sehen also, daß jedenfalls im politischen Sprachgebrauch fleißig entsorgt wird, und zwar nicht Müll aller Art, sondern Menschen. Ja, auch wenn es manchmal schwer fällt zu glauben: Politiker sind Menschen. Und beim entsorgen sind alle munter dabei, ob das „Sturmgeschütz der Demokratie“, wie sich der Spiegel gerne nennen ließ, als seine Leser noch wußten, was ein Sturmgeschütz ist. Oder ob es der Süddeutsche Beobachter, pardon, die Prantlhausener Nachrichten sind, ob hinter dem Blatt immer ein kluger Kopf steckt, wie die FAZ jahrzehntelang ganz unbescheiden für sich warb. Ob es die Volksbildungsanstalt öffentlich-rechtliches Fernsehen ist: Politiker werden entsorgt, sprachlich jedenfalls, wenn sachlich nichts anderes geschieht, als die Ablösung von ihren Ämtern.

Die philologische Prüfung der Vokabel ergibt also, daß sie ersichtlich zwei Bedeutungen hat. Zum einen die, welche der Duden zutreffend beschreibt. Da geht es eben um die Entsorgung von Abfall. Aber sie hat eine weitere Bedeutung. Sie wird offensichtlich metaphorisch benutzt, wenn Politiker und Journalisten einen Sachverhalt sprachlich aufpeppen wollen. Es will sich ja niemand nachsagen lassen, langweilig daherzureden oder zu schreiben. Somit komme ich in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, daß der Sprachgebrauch des Herrn Gauland betreffend Frau Özoguz sich im Rahmen des üblichen bewegt. Politik und Medien benutzen die Vokabel nun einmal metaphorisch. Daß dies dem iudex maximus emeritus des deutschen Strafrechts nicht aufgefallen ist, verwundert doch stark. Noch mehr, daß so kurz nach dem Verlassen des hohen Richterstuhls der juristische Scharfsinn des Großmeisters so nachgelassen hat. Daß Herrn Plasberg das nicht aufgefallen ist, wollen wir mal damit erklären, daß er von der Juristerei nichts versteht. Aber er hätte ja mal einen fragen können, der sich mit sowas auskennt. Doch dann hätte er ja sein politisch korrektes Tribunal nicht veranstalten können. Herr Gauland kann unbesorgt sein. Dem Tribunal des Herrn Plasberg wird kein wirkliches Tribunal nachfolgen.

Qualitätsmedien

Es ist 6:00 Uhr morgens. Die Morgennachrichten im Bayerischen Rundfunk. Der neue amerikanische Präsident hat erklärt, die NATO sei überflüssig. Man muß wohl damit rechnen, daß die USA die NATO verlassen werden. So klingt es jedenfalls. Nun weiß der informierte Bürger, also der, der sich aus verschiedenen Nachrichtenquellen unterrichtet, daß Donald Trump in der Tat in einem Interview mit Vertretern deutscher Medien gesagt hat: „I said a long time ago – that NATO had problems.  Number one ist was obsolete, because it was, you know, designed many, many years ago.“ 

Das ist natürlich etwas völlig anderes, als es den schlaftrunkenen Hörern des Bayerischen Rundfunks heute Morgen in die Gehörgänge fuhr. Einigermaßen vernünftig übersetzt heißt das: „Ich habe schon vor langer Zeit gesagt, daß die NATO Probleme hatte. Erstens war sie veraltet, weil sie, wie Sie wissen, vor vielen, vielen Jahren konzipiert wurde.“ Offenbar war man in der Redaktion des Bayerischen Rundfunks auch noch knapp eine Woche nach Bekanntwerden dieses Interviews nicht in der Lage, die Äußerungen des amerikanischen Präsidenten korrekt zu übersetzen. Man hat die Vokabel „obsolete“ offensichtlich wie ein schlechter Schüler übersetzt und wie das deutsche Fremdwort „obsolet“ verstanden. Zwar bedeutet das nach dem Duden ebenso wie in der englischen Sprache veraltet, umgangssprachlich aber auch überflüssig. Falls man sich da nicht so ganz sicher ist, kann man ja ein gutes Wörterbuch schauen. Im Langenscheidt werden als Übersetzungen angeboten: veraltet, überholt, altmodisch, abgenutzt, verbraucht. Und wenn das nicht weiterhilft, muß man ja den Sinnzusammenhang beachten. Und der kann wohl nur so verstanden werden, daß Reformbedarf besteht, auch was die Aufgaben des Bündnisses zum Beispiel bei der Terrorbekämpfung angeht. Wer den zitierten Satz mit Verstand liest, stellt außerdem fest, daß die Beschreibung der NATO in der ersten Vergangenheitsform erfolgt ist. Somit ist ihr gegenwärtiger Zustand nicht gemeint. Aus alledem zu schließen, der amerikanische Präsident strebe einen Austritt seines Landes aus dem Bündnis an, ist schlicht und einfach abwegig.

Der Vorgang wäre eines Kommentars nicht wert, wenn er nur ein weiterer Beleg für die mangelnde fachliche Qualität nicht weniger Journalisten auch in den sogenannten Qualitätsmedien wäre. Sogenannte Qualitätsmedien, weil es sich dabei eher um eine Selbsteinschätzung als um einen objektiven Befund handelt. Beunruhigend an einem solchen Vorgang ist vielmehr, welche Wirkung solche Nachrichten haben. Ich habe mir dann bei der Morgentoilette überlegt, wie diese Nachricht nun von einem Menschen aufgenommen und verarbeitet wird, der infolge seiner beruflichen und familiären Belastung gar keine Zeit hat, mehr als die morgendlichen Nachrichten im Rundfunk zur Kenntnis zu nehmen. Das vielfache Angebot in den gedruckten wie gesendeten Medien, vor allem im Internet, kann ja nur nutzen, wer auch die Zeit dafür hat. Gerade die Menschen jedoch, die den größten Beitrag in Wirtschaft und Gesellschaft leisten, haben diese Zeit meistens nicht. Solche Menschen gehen eben dann mit diesem Kenntnisstand in den Tag. Sie müssen mit der Sorge leben, daß eine wesentliche Grundlage unserer äußeren Sicherheit brüchig geworden ist.

Man könnte natürlich darüber spekulieren, wie solche Nachrichten zustande kommen, vor allem, ob dahinter eine Absicht steckt, und wenn ja, welche. An Spekulationen will ich mich nicht beteiligen. Ob eine solche Falschmeldung alleine der fachlichen Inkompetenz einer Redaktion geschuldet ist, oder eine politische Strategie dahinter steckt, über deren Inhalt ich auch nicht spekulieren will, kann offen bleiben. Was bleibt, ist das Unbehagen. Und dann klingt aus solchen Redaktionen auch noch das Lamento darüber, daß die Leute ihnen nicht mehr glauben wollen, weil sie von den bösen Rechtspopulisten aufgehetzt werden…

Es bleibt also dabei: sapere aude! (Selber denken!).

Ist’s auch Wahnsinn, so hat es doch Methode

Man konnte es nicht länger verschweigen. Nachdem diverse Medien bereits heute Vormittag gemeldet hatten, daß sieben dringend des Mordversuchs an einem Obdachlosen im U-Bahnhof Schönleinstraße in Berlin Verdächtige festgenommen worden seien, und daß es sich dabei um sechs Syrer und einen Libyer, Jugendliche zwischen 15 und 21 Jahren handele, mußte nun auch die Tagesschau in ihrer Hauptausgabe heute um 20:00 Uhr diese Meldung bringen. Bemerkenswert ist außer dieser auffallenden zeitlichen Verzögerung die Art und Weise der Berichterstattung. Obwohl nach Freigabe durch die Polizei die ausnahmsweise außerordentlich guten Aufnahmen einer Überwachungskamera viele Stunden lang im Internet zu sehen waren, was sicherlich auch noch während der Tagesschau der Fall war, wurden die dringend Tatverdächtigen hier nur verpixelt gezeigt. Selbst wenn man in diesem Falle den Persönlichkeitsschutz der nicht nur mutmaßlichen, sondern höchstwahrscheinlichen Täter zu beachten hätte: diese Verpixelung von Personen, die sich jeder viele Stunden lang im Internet ausgiebig unverpixelt ansehen konnte, ist schlicht und einfach nur noch lächerlich.

Doch die Redaktion der Tagesschau kann sich immer noch selbst übertreffen. Unmittelbar im Anschluß an diese Meldung kam dann in gefühlt dreifacher Länge ein Bericht darüber, daß leider und unverständlicherweise eine in der Koalition beschlossene Regelung über die Einzelfallprüfung der Duldung von sogenannten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, vor allem des Familiennachzuges dieser hilfsbedürftigen jungen Menschen von den zuständigen Ministerien und Behörden nicht umgesetzt werde. In der Tat, für alle Gut- Besser- und Heiligmenschen in unserem Lande eine bestürzende Nachricht. Statt einmal nachzufragen, wieso eigentlich diese Jugendlichen hierher kommen und ihre Eltern oder sonstigen erwachsenen nahen Verwandten nicht, wird die Fackel der Menschenrechte entzündet. Statt einmal darüber nachzudenken, ob Jugendliche überhaupt politisch verfolgt sein können, wo sie doch in diesem Alter in der Regel alles außer Politik interessiert, ist man offenbar gern bereit, ihnen politische Verfolgung abzunehmen. Statt einmal darüber nachzudenken, ob diese Jugendlichen nicht bei ihren Eltern oder erwachsenen nahen Angehörigen genauso sicher vor Verfolgung sind, wie diese selbst – denn sonst wären diese mit Sicherheit auch hier – läßt man Frontmänner der Sozialindustrie und Mitleidsbranche zu Wort kommen.

Auf den weiteren Fortgang der Angelegenheit darf man gespannt sein. Wer indessen schon länger hier in Absurdistan lebt, der kann sich durchaus vorstellen, wie es weitergeht. Es wäre schon sehr verwunderlich, wenn den verhinderten Pennerverbrennern nicht ihre Traumatisierung im Bürgerkrieg, ihre Perspektivlosigkeit in Deutschland und der Umgang mit „denen, die schon länger hier leben“ (O-Ton Merkel) erfahrene soziale Kälte entschuldigend angerechnet würde. Nachdem auch die Berliner Justiz hier zuständig sein wird, kann mit phantasievollen erzieherischen Maßnahmen bis hin zum Erlebnisurlaub gerechnet werden. Und daß man zur Stabilisierung der Persönlichkeit nun endlich auch Mama und Papa, die vielen Geschwisterlein und vielleicht auch noch die Oma nachholt, ist doch klar.

Von Aktivisten und Populisten

Der Krieg ist der Vater aller Dinge, wissen wir von Heraklit. Der alte Philosoph erkannte schon damals, daß der Krieg generell die Dinge vorantreibt, ob immer zum Guten, steht auf einem anderen Blatt. Der Krieg in Syrien, ob Bürgerkrieg, oder Stellvertreterkrieg der globalen wie auch regionalen Großmächte, oder aber ein mixtum compositum von alledem, läßt eine längst vergessene Vokabel aus der jüngsten Geschichte wieder an die Oberfläche kommen. Nahezu täglich hören wir Berichte aus Aleppo, und sehen sogar vor der Kamera die Berichterstatter: Aktivisten. Der Aktivist. Jüngere Menschen, humanistische Bildung vorausgesetzt, erschließen sich den Begriff aus dem Wortfeld agere, wo es nun einmal das Adjektiv activus gibt, und das meint tätig. Greift man zum guten alten „Wasserzieher“, so findet man den Aktivisten als eifrig tätigen Parteianhänger definiert. Und das führt zwanglos zu dem uns Älteren noch aus der untergegangenen DDR bekannten Aktivisten. Der Aktivist, gewissermaßen die vom kommunistischen Regime erwünschte Endstufe des werktätigen Genossen, der Aktivist war eine genuin sozialistische Wortschöpfung. Die Affinität der Sozialisten aller Schattierungen zu Dritte-Welt-Rebellen aller Art ist für Linke aller Schattierungen in den Ländern der ersten Welt gewissermaßen Persönlichkeitsmerkmal. Und deswegen überrascht es auch nicht, wenn die Aktivisten aus Aleppo sich bei näherem Hinsehen schlicht und einfach als Terroristen aller Art erweisen, seien sie für den sogenannten Islamischen Staat oder andere Gruppen und Grüppchen tätig, die aus der Sicht westeuropäischer Intellektueller eben Revolutionäre sind.

Gewissermaßen der Antagonist des Aktivisten ist der Populist. Jedenfalls legen das die Kommentare der Mainstream-Medien und das besorgte Raunen der politischen Klasse nahe. Nun leitet sich die Vokabel von populus, lateinisch: das Volk, her. Warum Demokraten etwas gegen das Volk haben sollen, erschließt sich zumindest philologisch zunächst nicht. Heißt doch Demokratie Volksherrschaft. Und wer ein Populist ist, der ist im Wortsinne doch ein Verfechter der Volksherrschaft, oder nicht? Das würde auch sicherlich so kommuniziert, hätte der Populist nicht in aller Regel einen schwerwiegenden Makel. Denn in aller Regel ist er ein Rechtspopulist. Also letztendlich einer, der den Rechten zur Herrschaft verhelfen will. Und das wäre ja nun die Herrschaft des Bösen. Rechts ist und bleibt für rechtschaffene europäische Intellektuelle nichts anderes als die Umschreibung für autoritär, nationalistisch und überhaupt irgendwie rückständig.

Was lernen wir daraus? Wir können Nachrichten nebenbei hören und Zeitungen überfliegen. Hören oder lesen wir Aktivist oder Populist, dann brauchen wir den Rest nicht mehr genauer anzuschauen. Die beiden Vokabeln sind gewissermaßen die Leitfossilien des Politsprech unserer Tage. Wie der Paläontologe beim Auffinden bestimmter Versteinerungen davon auf das Zeitalter schließen kann, das da seine Spuren im Boden hinterlassen hat, kann der aufmerksame Beobachter des politischen Geschehens unserer Tage anhand der Verwendung dieser Begriffe auf Inhalt und Aussage des gesamten Textes schließen.

Vielen Dank, ihr lieben Mainstream-Journalisten. Ihr macht uns das Leben einfacher!

Werden wir doch noch normal?

Der politische Sprachgebrauch in Deutschland war bis zu diesem Wochenende klar. Das seriöse politische Spektrum begann links außen, womit noch nicht einmal die Partei gemeint ist, welche sich „Die Linke“ nennt, und endete in der Mitte, wo sich merkwürdigerweise fast alle anderen verorten. Rechts davon begann das Reich der Finsternis. Rechts war gleichbedeutend mit rechtsradikal oder gar rechtsextrem, auf jeden Fall rassistisch, faschistisch und was es sonst für politische Ekeldenominationen gibt.

Möglicherweise wird das jetzt anders. Horst Seehofer hat auf dem CSU-Parteitag seine Partei als eine Partei der gesellschaftlichen Mitte verortet, die auch das demokratische Spektrum rechts von der Mitte umfasse. Sie sei eine Partei, die sich Mitte-rechts einordnet. Rechts ist also nicht mehr böse? Ein demokratisches Spektrum rechts von der Mitte? Gehört Deutschland jetzt also doch zu Europa? Diese spöttische Frage ist angebracht, denn überall sonst in Europa gibt es ganz selbstverständlich Parteien rechts von der Mitte, ohne daß sie aus dem Club der Anständigen ausgeschlossen wären. Parteien rechts der Mitte führen Mitte-Rechts-Koalitionen oder stellen den Kern der parlamentarischen Opposition. Selbst am rechten Rand des demokratischen Spektrums (natürlich von der Mitte aus gesehen, und nicht von außen) angesiedelte Parteien sind Teil des normalen parlamentarischen Betriebes. Der Blick in das Halbrund des Plenarsaales zeigt ja auch, daß die Bestuhlung nicht in der Mitte aufhört. Natürlich wäre für Deutschland zu wünschen, daß dies bei uns künftig genauso ist. Die Ausgrenzung eines erheblichen Prozentsatzes der Wähler bzw. der von diesen Wählern bevorzugten Politiker hat ja de facto zu einer Linksverschiebung des politischen Systems in Deutschland geführt, was inhaltlich auch zum Beispiel bei der CDU durchschlägt. Von daher wäre die Einordnung Seehofers nichts anderes als die Rückkehr zur Normalität. Rückkehr, weil diese Sichtweise früher einmal auch in Deutschland völlig unstrittig war.

Wasser in den von Herrn Seehofer kredenzten Wein der Hoffnung auf normale Zeiten muß jedoch gießen, wer die Medienlandschaft dieses Landes betrachtet. Die politischen Journalisten ordnen sich nach einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahre 2009 zu 73 % im linken politischen Spektrum ein (SPD 24 %, Grüne 42 %, die Linke 7 %). Eine Untersuchung der FU Berlin im Auftrage des Deutschen Journalistenverbandes im Jahre 2010 ergab, daß die Befragten sich grundsätzlich links von der Mitte einstuften, wobei ein Drittel angab, keiner Partei nahe zu stehen, 46,6 % allerdings auch den linken Parteien nahe zu stehen. In beiden Umfragen gaben aber nur 9 % bzw. 14 % an, den Unionsparteien nahe zu stehen. Die FDP erfreut sich 12 % bzw. 7,4 % Zustimmung unter den politischen Journalisten. Die AfD gab es zum Zeitpunkt dieser Umfragen noch nicht. Betrachtet man sich die Berichterstattung in den Medien, so wird man politische Journalisten, die erklären, dieser Partei nahe zu stehen, so selten finden wie weiße Elefanten.

Es bedarf keiner prophetischen Gaben vorherzusagen, daß Seehofer und seine Partei ab jetzt einem wahren publizistischen Trommelfeuer ausgesetzt sein werden. Die Nazikeule wird geschwungen werden, daß es nur so eine Art hat. Versuche, ihn und seine Parteifreunde durch Fangfragen aufs politische Glatteis zu führen, Unterstellungen, heimlich bereits an rechten Bündnissen zu arbeiten, Verschwörungstheorien aller Art und was an Unappetitlichkeiten sonst so vorstellbar ist, werden die Kommentarspalten der Zeitungen füllen und von den üblichen Verdächtigen in ARD und ZDF mit dramatischem Tremolo in der Stimme vorgetragen werden. Wer etwa einen auch nur diplomatisch-höflichen Umgang mit Politikern wie Victor Orbán oder gar Norbert Hofer übt, wird sich der übelsten Unterstellungen erwehren müssen. Man darf gespannt sein, wie standfest Seehofer und seine Parteifreunde sein werden.

Allerdings sollte man nicht nur auf die veröffentlichte, sondern vielmehr auf die öffentliche Meinung achten. In der oben erwähnten Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009 über die politischen Präferenzen der Journalisten zeigt sich ein signifikantes Auseinanderklaffen der Überzeugungen von Bevölkerung einerseits und politischen Journalisten andererseits. Besonders krass ist dies bei der Vorliebe für die Unionsparteien bzw. die Grünen. Bekundeten im Falle der Unionsparteien 36 % der befragten Bürger, diesen Parteien nahe zu stehen, waren es bei den politischen Journalisten nur 14 %. Erklärten 11 % der befragten Bürger, den Grünen nahe zu stehen, war dies bei den politischen Journalisten ganze 42 %. Ein Blick in die Kommentarspalten der Internet-Ausgaben unserer Zeitungen wie auch auf die Leserbriefseiten der gedruckten Medien zeigt das noch deutlicher. Auch gilt es inzwischen als ausgemacht, daß die rückläufigen Auflagen gerade der großen meinungsbildenden Blätter in Deutschland ihre Ursache nicht zuletzt im Auseinanderklaffen der politischen Präferenzen von Lesern einerseits und Journalisten andererseits haben. Dazu paßt auch, daß nur bei der kleinen, wie ich aber meine feinen Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit ein gegenläufiger Trend festzustellen ist. Sie hat ihre Auflage im dritten Quartal 2016 im Vergleich zum dritten Quartal 2015 um 18 % gesteigert. Alle diese Entwicklungen zeigen jedem, der nicht völlig vernagelt ist, daß es mit der Ausgrenzung der demokratischen Rechten in Deutschland ein Ende haben muß. Auch wenn die offensichtlich mehrheitlich linken politischen Journalisten noch so zetern: die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.

Islam bedeutet Frieden

Bekanntlich haben die Deutschen in jeder Richtung Ängste. Wer Ängste hat, muß auf die Couch des Psychotherapeuten. Diese Rolle übernehmen im Rahmen der kollektiven Behandlung der Deutschen gerne diverse Journalisten, Wissenschaftler und Politiker. Tatsächlich sei der Islam doch eine Religion des Friedens. Nichts anderes bedeute auch das Wort Islam. Daß es tatsächlich Unterwerfung bedeutet, sagt man den Leuten lieber nicht.

Abdurrahman ibn Abdulazis as-Sudais ist Imam der bedeutendsten Moschee des Islam, der al Masdschid al-Haram in Mekka. In ihrem Innenhof befindet sich die Kaaba, das Ziel der jährlichen Hadsch (Pilgerfahrt) der Muslime aus aller Welt. Man kann diesen Imam wohl mit Fug und Recht als Salafisten einstufen, Wahabit ist er ohnehin. Er gilt sunnitischen Muslimen, das sind gut 90 %, als einer der verlässlichsten und populärsten Interpreten des Korans.

Am 4. September 2016 rief er in seiner Predigt muslimischen Pilgern aus Ägypten zu:

„Oh Allah, schenke Sieg, Ehre und Macht unseren Brüdern, den Dschihadisten in Jemen, in Syrien, im Irak, auf der ganzen Welt. Laß sie triumphieren über die verräterischen Juden, die bösartigen Christen und die unzuverlässigen Heuchler!“

Die Predigt wurde vom ägyptischen Fernsehen direkt übertragen. Islam bedeutet für uns ganz sicher Frieden. Nämlich den Frieden des Friedhofs, wenn er sich auch bei uns durchgesetzt hat. Das muß man wissen. Nur wenn man es weiß, wird man auch danach handeln.

Hilfreich sei die Presse, edel und gut!

Die Lage war ernst geworden. Die Herrschaft über Herzen und Hirne der Bevölkerung war ins Wanken geraten. Zwar hatten die Sprachregelungen für die Polizei und die Medien immer noch Gültigkeit. Indessen begannen die Leute, zwischen den Zeilen zu lesen. Publikationen aus dem dunklen Feld des Internets, die von abtrünnigen Journalisten wie Tichy und Klonovsky verbreitet werden, fanden immer mehr Leser. „Rechte“ Zeitungen steigerten gegen den Trend ihre Auflagen rasant. Dummerweise mit einem weit überdurchschnittlichen Anteil von Akademikern unter ihren Lesern. Die Kommentarfunktionen der Presse mußten immer häufiger abgeschaltet werden, weil die Leser nahezu ausschließlich rechtspopulistische Kommentare posteten. Als geradezu katastrophal erwies sich, daß jeder Augenzeuge seine Beobachtungen per Smartphone über YouTube veröffentlichen konnte. Das Volk, dem eben noch der syrische Azubi an der Werkbank in der Tagesschau präsentiert worden war, schaute sich anschließend auf YouTube an, wie eine Gruppe von Asylbewerbern aus Nordafrika in einem Freibad jungen Mädchen zwischen die Oberschenkel griff. Mehr noch. Selbst die zuverlässigen elektronischen und gedruckten Medien verbreiteten die Nachricht, daß die 30 größten deutschen Unternehmen statt der versprochenen hunderttausenden von Arbeitsverhältnissen mit Flüchtlingen lediglich deren 54 begründet hätten, davon 30 bei dem im Besitz des Bundes befindlichen Unternehmen Telekom. Ja, die Medien waren schon dazu übergegangen, im Zusammenhang mit Straftaten nicht mehr nur noch von „Jugendlichen“ zu sprechen, sondern von Flüchtlingen, Nordafrikanern oder gar Syrern. Es mußte also etwas geschehen.

Unter Federführung des Bundespresseamtes konstituierte sich deswegen ein informeller Arbeitskreis „Hilfe und Handreichung“. Informell deswegen, weil amtliche Vorgänge den Nachteil haben, zum einen dokumentiert zu werden, und zum anderen um so schneller bekannt werden, je höher die Geheimhaltungsstufe ist. Man wählte daher auch weder das Kanzleramt noch eines der bekannten Tagungsschlößchen der Bundesregierung für dieses Treffen aus, sondern trug seinem konspirativen Charakter auch dadurch Rechnung, daß man sich in einem idyllisch gelegenen Landhotel im Schwarzwald traf, fernab vom Sonnensystem der Hauptstadt, dafür aber in einer mit Michelinsternen reich gesegneten Landschaft.

In ihrem Eingangsreferat berichtete Frau Dr. Saskia Klugsch-Eißer vom Bundeskanzleramt, wie besorgt die Leitung des Hauses darüber sei, daß die Deutungshoheit über die Flüchtlingsproblematik der Politik und den Leitmedien zu entgleiten drohe. Der Kanzlerin sei auch nicht verborgen geblieben, daß es inzwischen sogar in solchen Medien, die man bisher als zuverlässig eingestuft habe, gehässige Kommentare über ihre Politik gebe. Mit größter Sorge sehe sie, daß der Rechtspopulismus in der Bevölkerung immer mehr zunehme. Er habe inzwischen sogar die CSU in starkem Maße befallen, von den Wahlerfolgen und Umfragewerten der AfD einmal ganz abgesehen.

Dr. Sören Schönfärber vom Bundespresseamt beklagte sich darüber, daß sein Haus keine Eingriffsbefugnisse in die Berichterstattung der Medien habe, und sich auf Richtigstellungen im Nachhinein beschränken müsse. Offizielle Presseerklärungen würden zwar wegen ihres amtlichen Charakters nach wie vor als seriös betrachtet, überzeugten aber gerade wegen ihres amtlichen Charakters die wachsende Zahl von Kritikern der Bundesregierung nicht. Was not tue, sei die Beeinflussung des Vorfeldes. Gerade weil es hier aber an rechtlichen Möglichkeiten fehle, müsse nach Mitteln und Wegen gesucht werden, dieses Ziel zu erreichen, ohne daß die Öffentlichkeit bemerke, mit welchen Methoden dies geschehe. Hier sei die Wissenschaft gefragt.

Professorin Dr. Alfred Schwarzfischer, der aus voller Überzeugung, wie er sagte, die Regelungen seiner Universität über die grundsätzliche Verwendung der weiblichen Form bei den Amtsbezeichnungen der Hochschullehrer*innen mitgetragen habe, gab zu bedenken, daß die Veränderung des öffentlichen Bewußtseins leider ein langfristig angelegtes Projekt sein müsse. Es sei ihm zwar gelungen, erhebliche Fördermittel für die Erforschung der sich im Unterbewußtsein bildenden rassistischen Präferenzen einzuwerben. Einschlägige Promotionsthemen habe er auch schon an Doktoranden vergeben. Kurzfristige Erfolge könne er nicht versprechen.

Dr. Sigurd Meister vom Lehrstuhl für Gender und Diversity an einer deutschen Exzellenz- Universität, deren Namen ich aus Rücksichtnahme auf ihre Professoren und Studenten anderer Disziplinen nicht nennen will, wies auf die verbreitete Homophobie unter muslimischen Migranten hin, die leider in den Medien zwischenzeitlich häufig thematisiert werde. Dies begründe Besorgnisse im Hinblick auf die Akzeptanz sexueller Diversität in der Bevölkerung. Er persönlich experimentiere zur Zeit mit homosexuellen Lebensweisen. Er erhoffe sich davon Erkenntnisse für seine Habilitation über die Beeinflussung der sexuellen Identität durch Medieninhalte. Dafür finde er leider nicht einmal im Kreis seiner Kolleg*innen immer Verständnis.

Die Teilnehmer der Konferenz konnten trotz aller Besorgnis jedoch auch ermutigende Signale aus der Medienlandschaft empfangen. Frau Dr. Klugsch- Eißer zitierte mit Befriedigung aus einem jüngst erschienenen Artikel in der ZEIT. Hier zeige sich exemplarisch, wie die plumpe und plakative Aussage eines Bildes durch hinreichende intellektuelle Durchdringung des Problems richtig gestellt werden könne. Denn in diesem Artikel entdecke die ZEIT im Auftritt der voll bekleideten ägyptischen Beach Volleyball Spielerinnen „im Bedecktsein etwas Befreiendes. Im Kontrast zu den Höschen tragenden Deutschen wirken die verhüllten weiblichen Körper wohltuend entspannend. Mit einem Mal erschien die Freizügigkeit der anderen unpassend, fast wie aus der Zeit gefallen. Mit der Schwere des Stoffes brachten die Ägypterinnen auch die Leichtigkeit des Seins.“

Kurz- und mittelfristig müsse die Schulung der Journalisten intensiviert werden. Schon aus logistischen Gründen müsse man sich auf die tonangebenden Redakteure und Kommentatoren beschränken. Erfahrungsgemäß könne man sich aber darauf verlassen, daß sie ihre Funktion als Meinungsmultiplikatoren in den Redaktionen erfüllten. Allerdings müsse auch unmißverständlich klargemacht werden, daß die kritische Auswahl der zu publizierenden Texte intensiviert werden müsse. Mittelfristig müsse der Anteil festangestellter Journalisten auch weiter reduziert werden. Denn nur so könne sichergestellt werden, daß die vorgegebene Linie nicht verlassen werde.

Man vertagte sich in der Gewißheit, auf dem richtigen Wege zu sein. In der nächsten Sitzung sollen die rechtlichen und technischen Möglichkeiten geprüft werden, über die sozialen Medien hinaus das Internet in den Griff zu bekommen. Internetzeitungen, Blogs und Dienste wie YouTube müßten reguliert werden, gegebenenfalls mittels Löschungen. Heiko Maas und Annetta Kahane werden über ihre Erfahrungen im Kampf gegen Rechts und Hatespeech berichten. Von einer Einbindung der Justiz will man jedoch Abstand nehmen. Heiko Maas sei es ja leider nicht gelungen, Staatsanwaltschaften und Gerichte von dem Irrglauben abzubringen, daß sie nur das Gesetz anzuwenden haben. Hinter vorgehaltener Hand erklärte ein Konferenzteilnehmer, daß ja schon Hitler und Goebbels die Juristen verachtet hätten. Deswegen mußten ja Sondergerichte und der Volksgerichtshof geschaffen werden. Aber vielleicht findet sich da noch ein Weg…

Des Kaisers neue Kleider

Man kann in unserer Zeit nicht mehr voraussetzen, daß der überlieferte kulturelle Kanon unseres Volkes jedermann präsent ist. Doch sollten die populären Märchen doch wirklich jedermann geläufig sein. Zu diesen gehört die allegorische Erzählung „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen. Die geradezu satirische Darstellung der Hofschranzen und Untertanen, die ihrem verrückt gewordenen Herrscher zu Liebe so tun, als fertigten die im Stile eines Till Eulenspiegel agierenden Betrüger tatsächlich kostbare Gewänder für ihn, obgleich sie in Wirklichkeit nur mit ihren Nähnadeln in der Luft herumfuchteln, bis ein Kind in den Saal kommt und in seiner paradiesischen Unschuld ausruft: „Der hat doch gar nichts an!“, diese Geschichte ist in der Tat auch als Allegorie der political correctness unserer Tage zu lesen.

Ein schönes Beispiel dafür ist der Umgang unserer Medien mit der Brexit-Abstimmung in Großbritannien, die zu ihrem Leidwesen nun nicht so ausgefallen ist, wie sich das die politisch-mediale Klasse unseres Landes gewünscht hat. Statt nun nüchtern und sachlich Ursachen und Folgen zu analysieren, Vor-und Nachteile abzuwägen und sich am Ende mit dem demokratisch gefundenen Ergebnis zu arrangieren, schüttet man kübelweise Beleidigungen und Verachtung, Spott und Hohn über den Wählern aus, die nicht nur falsch gewählt haben, sondern allen politischen Übeln dieser Welt den Weg gebahnt haben. Ein Musterbeispiel dafür liefert der ehemalige Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten in dem heutigen von beiden Nürnberger Tageszeitungen gemeinsam publizierten „Sonntagsblitz“. Ich will nachstehend dieses Produkt journalistischer Arroganz abschnittsweise zitieren und kommentieren:

Das britische Referendum war ein Lehrstück über die Tücken der Demokratie. Am Tag danach rieben sich junge Wähler die Augen, weil sie sich auf der Verliererseite wiederfanden. Die Landbevölkerung, die neidische, ältere Generation, der die Freizügigkeit nicht paßt, sowie jene, die sich vom rasanten, technisch-sozialen Wandel abgehängt fühlen, stimmten für den Brexit.

Schon mit diesen einleitenden Sätzen entlarvt sich der Autor. Wer sich mit der EU in ihrer real existierenden Gestalt nicht einverstanden erklärt, der paßt einfach nicht mehr unsere Zeit. Es kann sich daher nur um eine Negativauslese handeln, nämlich die alten Neidhammel, die Zurüchgebliebenen, die die moderne Welt auch nicht mehr verstehen. Natürlich sind das auch nicht die modernen Großstadtmenschen, sondern die „Bauernfünfer“. Und die sind dann auch noch auf die selbstverständlich erfolgreichen großstädtischen jungen Leute neidisch. Recht viel weiter weg von der Wirklichkeit kann man nicht schreiben. Ich wüßte nicht, wer in der älteren Generation den eigenen Nachkommen, und das ist die jüngere Generation, ihre Erfolge nicht gönnt. Ich kann auch nicht erkennen, daß Intelligenz und Weltoffenheit nur in den Großstädten zu Hause sein sollen, nicht aber auf dem Lande. Es ist auch völlig daneben, alle Leute, die außerhalb der Großstädte leben, als zurückgebliebene Hinterwäldler zu sehen. Und man betreibt natürlich statistische Falschmünzerei, wenn man suggeriert, ganze Bevölkerungsgruppen hätten sich für die eine oder andere Option entschieden. Vielmehr haben jeweils beachtliche Anteile der apostrophierten jugendlichen Großstädter bzw. ältlichen Landbewohner anders als die Mehrheit ihrer Gruppe gewählt. Die fallen natürlich für einen Polemiker unter den Tisch.

Die weitgereisten, engvernetzten Jungen, die Politik langweilig finden und sich ihren Frust von der Seele twittern, wollten den Austritt nicht. Wären sie in Scharen zur Wahl gegangen, um für ihre Interessen einzutreten, hätten sie sich und ihrem Land viel erspart. Daraus läßt sich einiges lernen.

Also sind im wesentlichen nur die jungen Leute weit gereist, finden allerdings die Politik langweilig. Daß auch und gerade ältere Leute weit gereist sind, gleichwohl ebenfalls vielfach Politik langweilig finden, paßt in die Polemik des Verfassers natürlich nicht. Daß dann aber ausgerechnet die von ihm gelobten weitgereisten jungen Leute zum großen Teil erst gar nicht zur Wahl gegangen sind, will ihm nicht in den Kopf. Deswegen unterstellt er ihnen auch flugs, „richtig“ abgestimmt zu haben, wären sie nur zur Wahl gegangen. Vorher er das nimmt, ist unerfindlich. Natürlich gibt es in den sozialen Netzwerken zuhauf enttäuschte Äußerungen, und natürlich gehen vorwiegend jüngere Leute in London auf die Straße, um gegen den Brexit zu demonstrieren, nachdem die Entscheidung gefallen ist. Daraus ableiten zu wollen, es handle sich hier um die etwa zwei Drittel der jungen Wähler, die nicht zur Wahl gegangen sind, ist schlichtweg abenteuerlich. Eher liegt es nahe, daß diejenigen, die jetzt auf die Straße gehen, auch schon in die Wahllokale gegangen sind. Aber das paßt nicht in das Weltbild eines solchen Heroldes der majestätischen europäischen Idee. Deswegen meint er auch, den Adressaten seines Traktats die nachfolgenden Ratschläge geben zu müssen:

1. Wahlen haben Folgen. Wer dem Premier eines auswischen wollte und aus Unzufriedenheit über das Gesundheitswesen, Zuwanderung oder die soziale Ungleichheit für den Brexit stimmte, ließ seiner Wut im falschen Moment beim falschen Thema freien Lauf. Der richtige Zeitpunkt wäre die letzte oder die nächste Unterhauswahl gewesen. Ohne Mitdenken geht es halt nicht.

Würde ich mich zu den Adressaten dieser Belehrungen zählen, so müßte ich wohl spöttisch bemerken: „Danke, Herr Oberlehrer!“ Daß er nämlich ausgerechnet denen, die aus seiner Sicht weltoffen und der Zukunft zugewandt denken, eine solche Unkenntnis der einfachsten demokratischen Spielregeln unterstellt, ist einfach inkonsistent. Er kann doch nicht im Ernst annehmen, daß gerade die zum großen Teil akademisch qualifizierten und von Jugend auf demokratisch sozialisierten, beruflich erfolgreichen und weit in der Welt herumgekommenen Leute zwischen 18 und 35 Jahren nicht wissen, welche Bedeutung Wahlen und Abstimmungen haben. Ohne Mitdenken geht es in der Tat nicht. Das gilt auch für Journalisten, die anderen Leuten erzählen wollen, was sie gedacht bzw. nicht gedacht haben.

2. Wahlen sind keine online-Petitionen. Wer etwas verändern oder auch nur unerwünschtes verhindern will, muß zur Wahl gehen. Das mag der Smartphone-Generation antiquiert erscheinen, weil sie nicht per Mausklick abstimmen kann. Aber wer meint, alles füge sich ohne aktives, eigenes Zutun am Ende irgendwie so, wie man es gerne hätte, lebt in einer virtuellen Welt, nicht in der realen.

Also ausgerechnet diejenigen, die nach der Abstimmung in den sozialen Netzwerken aktiv sind und sogar auf den Londoner Straßen demonstrieren, waren wohl so naiv zu glauben, bei einer Volksabstimmung müßten sie nicht selber ihr Kreuz auf dem Wahlzettel aus Papier machen. Irgendwie würden wohl ihre Gedanken das Ergebnis beeinflussen und bestimmen. Man fragt sich, was der Mann getrunken oder geraucht hat, bevor er diese Zeilen niedergeschrieben hat. Aber das zeigt, wie abgehoben der Verfasser und seinesgleichen wirklich sind. Er kann sich offensichtlich nicht vorstellen, daß ein großer Teil der von ihm gescholtenen jungen Leute sich nur für die Dinge jenseits der Politik wirklich interessiert, nämlich ihr Liebesleben, die Mode, die jeweils „angesagten“ Musiker und Produkte der Unterhaltungsindustrie und ihre vielfältigen Freizeitvergnügungen. Noch weniger kann er sich wohl vorstellen, daß diese jungen Leute die Entscheidungen über ihre Zukunft mehr oder weniger bewußt weiterhin in die Hände der Generation ihrer Eltern und Großeltern legen. Dies vielleicht vor allem deswegen, weil sie den Eindruck haben, daß ihre Eltern und Großeltern bisher auch recht gut für sie gesorgt haben. Und vielleicht vor allem auch deswegen, weil sie ihnen aufgrund ihrer weitaus größeren Lebenserfahrung und der vielfach auch gezeigten Lebensleistung zutrauen, auch weiterhin die richtigen Entscheidungen zu treffen.

3. Sich vor einem Votum über die Lösungsvorschläge der Akteure zu informieren, sollte selbstverständlich sein. Wer diese Mühe scheut und sich flotte Parolen ungeprüft zu eigen macht, wird leicht das Opfer von Demagogen, denen jedes Mittel recht ist, ihre Ziele zu erreichen. Einmal an der Macht, schrecken sie (siehe Ungarn und Polen) nicht einmal vor Verfassungsbruch zurück, um ihre Herrschaft zu festigen. Die repräsentative Demokratie funktioniert nicht ohne mündige, engagierte Wähler. Aber auch nicht ohne gewählte Politiker. Wer sie ständig beschimpft und ihnen unlautere Motive unterstellt, wer in den von Rechtspopulisten und Völkischen verbreiteten Haß gegen „das System“ einstimmt, untergräbt das Vertrauen in die Institutionen der Verfassung. Das hatten wir schon einmal: in der Weimarer Republik, die schließlich zur Beute der Nazis wurde. Die fatalen Folgen von zwölf Jahren Diktatur sind hoffentlich noch nicht ganz verblaßt.

Hier greift er nun ganz tief in die Schmutzkiste der Diffamierung. Abgesehen davon, daß er zunächst wieder einmal die von ihm offenbar sehr geschätzte Gruppe der Jugendlichen, weltoffenen Zukunftsgestalter tadelt, indem er ihnen unterstellt, sich über die zur Abstimmung stehenden Alternativen nicht informiert zu haben, wird den Gegnern der real existierenden Europäischen Union alles Böse unterstellt, was die jüngere Geschichte in Deutschland zu bieten hat. Geht es aber nicht eigentlich um die britischen Wähler? Natürlich haben diese Leute aus seiner Sicht keine Sachargumente, sondern es handelt sich bei ihnen ausschließlich um Demagogen mit flotten Parolen. Wer also anderer Meinung ist, als der Verfasser und sein juste milieu, der hat also keine Argumente, sondern nur Parolen. Solche Leute sind natürlich auch keine richtigen Demokraten, auch wenn sie demokratisch gewählt worden sind wie in Ungarn und Polen. Die sind offenbar auch nicht von mündigen, engagierten Wählern, sondern von unmündigen, gleichgültigen Stimmzettelankreuzern an die Schalthebel der Macht bugsiert worden. Überhaupt kommen da dann die sogenannten Rechtspopulisten und Völkischen zum Zuge. Die hassen ja das System, gemeint ist die Demokratie an sich. Deswegen darf ja dann auch der Hinweis auf die Weimarer Republik und die Nazis nicht fehlen. Das ist ja gerade die Art infame Diffamierung, die zum Standardrepertoire der politisch korrekten Skribenten in diesem Lande gehört, die jeden Andersdenkenden zum Repräsentanten eines „Dunkeldeutschland“ (Joachim Gauck) machen wollen. Diese arrogante Hochnäsigkeit, die Argumente durch Diffamierung ersetzt, die Andersdenkende abwechselnd als dämlich oder böswillig abqualifiziert, die demokratische Entscheidungen nur dann akzeptiert, wenn sie in ihrem Sinne ausgefallen sind, diese Einstellung hat mit Demokratie nichts zu tun. Auch wenn sie von Politikern, Journalisten und Intellektuellen mehrheitlich gepflegt wird, sie hat mit dem echten demokratischen Diskurs nichts gemein. Wer unverbildet und wachen Sinnes die Szene betrachtet, kann nur mit dem Kind im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern feststellen, daß die hochgelobten Wahrheiten der political correctness in der Realität nicht existieren.

Wer mit Journalisten redet

ist selber schuld. Alexander Gauland sollte das doch wissen. Das gilt ganz besonders für Journalisten von solchen Medien, die der eigenen Partei und Person offen feindlich gegenüber stehen. Wenn überhaupt, dann läßt man ein Aufnahmegerät mitlaufen, selbstverständlich offen. Das hat zwei Vorteile. Zum einen kann man hinterher beweisen, was man gesagt hat. Zum anderen kommen unseriöse Journalisten dann erst gar nicht auf die Idee, falsch oder irreführend zu zitieren.

Doch betrachten wir mal, was Gauland nach FAZ/FAS gesagt haben soll, und was er selbst behauptet gesagt zu haben. Laut FAZ/FAS soll er gesagt haben: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Das stellt Gauland offenbar gar nicht in Abrede, erläutert das jedoch: „Ich habe in dem vertraulichen Hintergrundgespräch die Einstellung mancher Leute beschrieben, mich aber an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt sind.“

Es sieht also so aus, als hätten die beiden Herren Journalisten in gewohnter Manier einen vermeintlich verfänglichen Satz herausgepickt, und die Äußerung des Interviewpartners aus dem Zusammenhang gerissen. Wenn es so war, wie Gauland sagt, dann führen die Journalisten ihre Leser bewußt in die Irre, indem sie insinuieren Gauland habe sich „rassistisch“ geäußert. Bei genauem Hinsehen muß man jedoch feststellen, daß Gauland nicht von sich selbst spricht, sondern „den Leuten“ nachsagt, sie wollten einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Das aber trifft leider auf so manche Zeitgenossen zu. Gauland selbst distanziert sich damit und noch mehr in der nach seiner Behauptung von den Journalisten unterschlagenen weiteren Äußerung von einer solchen Haltung.

Den Herren Journalisten von der nach Selbsteinschätzung Qualitätspresse sei daher erst einmal empfohlen, doch genau hinzusehen, bevor sie eine angebliche oder tatsächliche Äußerung eines Interviewpartners interpretieren. Ein Grundkurs in Germanistik mit den Schwerpunkten Semantik und Hermeneutik wäre wohl hilfreich. Auf gut deutsch: Lernt erst einmal richtig lesen und schreiben!

 

Jeder blamiert sich, so gut er kann!

Wenn’s politisch wird, dann stellt das Gehirn häufig seinen Dienst ein. Seine Aufgabe übernimmt dann mal das Bauchgefühl, mal auch die Galle. Davon sind nicht einmal Juristen immer frei. Das gilt vor allem im „K(r)ampf gegen Rechts“. Ein schönes Beispiel hierfür konnten wir in den letzten Tagen betrachten. Was ist passiert?

Bekanntlich läuft derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die NPD. Deren Verfassungsfeindlichkeit soll festgestellt werden. Dazu werden unter anderem Sachverständigengutachten erholt. Soweit ist eigentlich alles ganz normal. Nun hat einer dieser vom Gericht bestellten Sachverständigen, ein Privatdozent namens Dr. Steffen Kailitz, zu eben diesem Thema einen Artikel in der ZEIT veröffentlicht. Darin hat er behauptet, die NPD plane rassistisch motivierte Staatsverbrechen. Sie wolle 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, darunter auch mehrere Millionen deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Gegen diese Behauptungen setzte sich die NPD zur Wehr und ließ über ihren Anwalt zunächst der ZEIT eine Abmahnung zukommen, und sodann beim Landgericht Dresden gegen den Autor des inkriminierten Artikels, eben jenen Dr. Steffen Kailitz, einen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung einreichen, mit der die inkriminierten Behauptungen bei Meidung der Ordnungsmittel der ZPO untersagt werden sollten. Das Landgericht gab diesem Antrag auch ohne vorgängige mündliche Verhandlung durch Beschluß statt. Entschieden hat die nach der Geschäftsverteilung des Gerichts zuständige 3. Zivilkammer durch den nach deren interner Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

Bis dahin hätte der Vorgang wohl keine größeren Wellen geschlagen. Nun ist aber jener Richter Jens Maier Mitglied der AfD und hat dort auch die Funktion eines Schiedsrichters im Parteischiedsgericht inne. Das hat nun in den Medien einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, und auch zu merkwürdigen Äußerungen von Juristen geführt. Der Tenor all dieser Schreibereien geht dahin, daß hier nicht nur offenbar die Meinungsfreiheit Füßen getreten worden sei, sondern hier auch noch ein Sympathisant der NPD entschieden habe, denn die AfD stehe ihr doch nahe. Ein Berliner Rechtsanwalt namens Carsten R. Hoenig bekundet auf seiner Homepage zunächst einmal seine fachliche Unwissenheit, was das Zivilrecht angeht, meint aber mächtig moralisch aufzutrumpfen, wenn er schreibt: „Erwarte ich zuviel von einem Richter in dieser Situation, daß er als Mitglied einer den Nazis nahestehenden Partei jeden Geruch einer Befangenheit vermeidet? Und sich selber ablehnt? Sich bei aller verqueren politischen Einstellung mal anständig verhält?“ Der Mann wird sicherlich Beifallsstürme von der politisch korrekten Schickeria bekommen. In fachlicher Hinsicht, sowohl juristisch wie politikwissenschaftlich, wird man ihm jedoch sagen müssen: „O si tacuisses, philosophus mansisses!“ Eine Partei, deren Beobachtung der Verfassungsschutz ausdrücklich ablehnt, weil dazu kein Anlaß bestehe, als „den Nazis nahestehend“ zu bezeichnen, darf getrost als Ausdruck von Grenzdebilität gewertet werden.

Nun ganz kurz zur Rechtslage. Soweit sich Journalisten, offenbar ohne Rückfrage bei der Rechtsabteilung ihres Hauses, darüber mokieren, daß man ausgerechnet das Landgericht Dresden und nicht irgendein anderes (vielleicht im liberalen Hamburg ?) angerufen hat, so gehört es zu den Binsenweisheiten des Wettbewerbsrechts wie auch des Presserechts, daß es hier den sogenannten fliegenden Gerichtsstand gibt. D.h., jedes Gericht ist zuständig, in dem die betreffende Werbung oder der betreffende Zeitungsartikel verbreitet worden ist. Soweit sich Journalisten, aber auch Juristen, darüber mokieren, daß das Landgericht drei Wochen nach Erscheinen des fraglichen Zeitungsartikels im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden hat, und nicht etwa eine mündliche Verhandlung angeordnet hat, offenbart auch dieser Vorwurf nur fachliche Unkenntnis. Nach herrschender Meinung ist die besondere Eilbedürftigkeit für Entscheidung im Beschlußwege ohne vorgängige mündliche Verhandlung regelmäßig gegeben, wenn der Antragsteller innerhalb von drei Wochen, meist sogar nach vier Wochen, das Gericht anruft. Dem unterlegenen Prozeßgegner bleibt es dann ja unbenommen, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen und damit eine mündliche Verhandlung in der Sache zu erzwingen. Soweit man sich darüber mokiert, daß nicht die Kammer in der Besetzung von drei Richtern unter Einschluß des Vorsitzenden entschieden hat, offenbart auch dies die völlige fachliche Ahnungslosigkeit des jeweiligen Verfassers. Es ist absolut üblich, daß Zivilkammern die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten dem Einzelrichter übertragen. Besonders, Entschuldigung, dämlich ist das Geschreibsel eines Journalisten in der Welt, der sich darüber mokiert, es sei unverständlich, daß im vorliegenden Falle dann nicht der Vorsitzende, oder mindestens seine Stellvertreterin von der Kammer zum Einzelrichter bestimmt worden sei, sondern eben jener Richter Maier. Auch die Bestimmung des Einzelrichters erfolgt nach den Regeln, in denen der gesetzliche Richter auf eine Weise bestimmt wird, daß er schon vor Eingang der betreffenden Sache feststeht. Der irrwitzigste Einwand ist jedoch der, daß der Richter Maier Mitglied der AfD ist. Als solcher sei er doch befangen. Das ist derartig blödsinnig, daß man dergleichen nicht einmal von einem Journalisten ohne juristisches Studium hätte erwarten dürfen. Befangen wäre der Richter doch nur, wenn er der politischen Partei angehörte, über deren Antrag er zu entscheiden hat. Wenn er Mitglied einer anderen politischen Partei ist, macht ihn das doch nicht befangen. Es wäre interessant zu lesen, was jene Schreiberlinge in die Welt posaunt hätten, wenn Richter Maier nicht der AfD, sondern etwa der SPD angehörte.

In der Sache selbst dürfte der Beschluß wohl zu Recht ergangen sein. Denn im Äußerungsrecht, ob es nun um Behauptungen eines Werbungtreibenden, oder ob es um Behauptungen eines Journalisten oder Politikers geht, wird danach gefragt, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder um eine Meinungsäußerung handelt. Wenn beispielsweise der Hersteller eines Medizinprodukts diesem in seiner Werbung bestimmte Wirkungen beimißt, so muß er beweisen, daß das Mittel diese Wirkungen auch tatsächlich hat. Wer diese Werbeangabe angreift, muß eben nicht beweisen, daß sie falsch ist. Der Werbende muß beweisen, daß sie richtig ist. Wenn ein Journalist oder Politiker über irgendjemanden die Behauptung aufstellt, er habe dieses oder jenes gesagt, dann muß er auch beweisen, daß dies so gewesen ist. Das ist eben eine Tatsachenbehauptung, die richtig sein muß. Anderenfalls wird sie auf Antrag eben untersagt. Etwas anderes ist die bloße Meinungsäußerung. Sie ist vom Grundgesetz geschützt. Wenn der famose Dr. Kailitz hier formuliert hätte, seine Auswertung des Parteiprogramms der NPD führe bei ihm zu der Schlußfolgerung, die Partei wolle zum Beispiel 8-11.000.000 Menschen aus Deutschland vertreiben, auch wenn das nicht der Wortlaut des Programms sei, dann wäre das eine bloße Meinungsäußerung eines Wissenschaftlers gewesen, die sowohl unter dem Schutz der Meinungsfreiheit wie auch der Wissenschaftsfreiheit stünde. So war es aber nicht.

Offenbar stört es aber Niemanden, daß hier ein gerichtlich bestellter Sachverständiger sich während eines laufenden Verfahrens öffentlich zu dem Sachverhalt äußert, den er gutachterlich bewerten soll. Abgesehen davon, daß so etwas an Unprofessionalität nicht zu überbieten ist, und den Vorwurf der Befangenheit des Sachverständigen ohne weiteres begründet, muß Herr Dr. Kailitz sich Fragen nach seinem Anstand und seiner Auffassung von den Aufgaben eines Gerichtsgutachters stellen lassen. Wenn er noch einen Funken Anstand und Selbstwertgefühl hat, dann erklärt er sich dem Bundesverfassungsgericht als befangen und bittet um Entpflichtung von seinem Gutachtensauftrag, bevor die Anwälte der NPD dort einen Befangenheitsantrag gegen ihn stellen, der „im Blindflug durchgeht“, wie es im Juristenjargon heißt.

Es mag sein, daß im Instanzenzug eine andere Entscheidung getroffen wird. Herrn Dr. Kailitz steht es ja frei, gegen den Beschluß Widerspruch einzulegen, und eine mündliche Verhandlung zu erreichen. An deren Ende steht dann, falls man sich nicht einigt, ein Urteil. Sollte sich der Sachverhalt bis dahin geändert haben, oder aber der Richter seine Meinung geändert haben, vielleicht gar ein anderer Richter entscheidet, weil Herr Maier inzwischen eine andere Aufgabe übernommen hat, dann mag der Beschluß vielleicht auch aufgehoben und der Verfügungsantrag zurückgewiesen werden. Eher dürfte es aber bei diesem Beschluß bleiben. Gegen ein bestätigendes Urteil kann natürlich das Oberlandesgericht angerufen werden. Das ist alles ganz normal.

Was völlig unnormal ist, ist der Entrüstungsturm in den Medien, und sind fachlich unsägliche Äußerungen von Juristen. Aber wie gesagt, hier geht es ja um den „K(r)ampf gegen Rechts“. Da arbeitet nicht das Hirn, da geht nur die Galle über.