Oui, mais Il y a des juges a Cologne

Ja, aber es gibt noch Richter in Berlin, soll der Müller von Sanssouci Friedrich dem Großen zugerufen haben, als der dem verkaufsunwilligen Müller erklärt hatte, er könne ihm seine Mühle ja auch entschädigungslos wegnehmen. Daß es diese Richter in Berlin gab, zeigte dann ja auch der Ausgang des Prozesses zwischen dem Müller Arnold und dem Grafen von Schmettau, in das sich der König erfolglos zugunsten des Müllers eingemischt hatte. Die Richter blieben von den Weisungen des Königs unbeeindruckt. Es gibt gottlob auch in unserer Zeit immer noch diese unabhängigen Richter, auf die der Müller von Sanssouci seinen König aufmerksam machte um ihm damit auch zu bedeuten, daß selbst der Willkür eines Königs in einem Rechtsstaat Grenzen gesetzt sind. Entgegen aller modischen Verteufelung unserer Vergangenheit zeigt auch dieser Fall ebenso wie der des Müllers Arnold, daß Preußen durchaus ein Rechtsstaat war, wenn auch noch keine Demokratie.

Der Fall

Ja, es gibt noch Richter in Köln, und, worauf wir noch kommen werden, in Kassel. Doch der Reihe nach. Bekanntlich hält die politische Klasse in Deutschland die AfD für verfassungsfeindlich. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder, und seit geraumer Zeit auch des Bundes, kommen dem nach und beobachten Untergliederungen dieser Partei, oder kündigen dergleichen an. Hinsichtlich der Partei als Ganzes hat nun, nachdem schon viel durchgesickert war, das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsickern lassen, die Partei als Verdachtsfall zu beobachten. Dies, obwohl in einem anhängigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Köln, in dem die AfD gegen diese Beobachtung durch den Verfassungsschutz klagt, ein Stillhalteabkommen geschlossen worden war, in welchem der Verfassungsschutz sich verpflichtet hatte, zumindest während der Dauer des Eilverfahrens die AfD nicht beobachten zu wollen, und dies auch nicht zu kommunizieren. Das hat man dann doch getan, und auf dem Weg über die sprichwörtlichen gut unterrichteten Kreise die Presse informiert. Man hat also die Zusage gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei gebrochen, und genau das getan, was das Gericht möglicherweise später verbieten wird. Dafür stehen die Chancen nicht einmal schlecht.

Die Mißachtung des Gerichts

An dem Vorgang ist zunächst einmal bemerkenswert, daß die Exekutive, welcher das Bundesamt für Verfassungsschutz ja nun einmal nachgeordnet ist, es offenbar für völlig unerheblich hält, daß man einem Gericht zugesagt hat, sich in bestimmter Art und Weise zu verhalten. Dieser Vorgang ist ernst zu nehmen. Die Justiz ist die dritte Gewalt im klassischen Modell der Demokratie nach Montesquieu. So ist sie auch in unserer Verfassung ausgestaltet, und zwar mit der richterlichen Unabhängigkeit, die auch von keiner Verfassungsänderung angetastet werden kann. Anders als Regierung und Parlament verfügt sie allerdings nicht über Machtmittel wie Armee und Polizei, um ihre Entscheidungen gegebenenfalls gewaltsam durchzusetzen. Allein ihre in Jahrhunderten gewachsene Autorität, abgesichert durch die geschriebene Verfassung, garantiert, daß ihre Entscheidungen auch von allen Bürgern, aber auch Exekutive und Legislative befolgt werden. Das ist der Konsens der Demokraten.

Gerichte sind zu respektieren, auch von der Politik

Und das gilt ganz unabhängig davon, welche Instanz im konkreten Falle entscheidet, sei es das Bundesverfassungsgericht oder ein Amtsgericht im bayerischen Wald. Und das gilt ganz unabhängig davon, ob ein Kollegium von Professoren in Richterrobe oder eine gerade erst zur Richterin bestellte junge Dame von 25 Jahren amtiert. So ist es im vorliegenden Falle gleichgültig, ob das Verwaltungsgericht Köln in Gestalt einer Kammer mit drei Berufsrichtern und zwei lebenserfahrenen Laienrichtern entscheidet, oder ob die eben apostrophierte junge Assessorin den Fall zu entscheiden hat. Jeder in unserem Land, vom Bundespräsidenten angefangen bis zum Bettler, vom Milliardär bis zum Hilfsarbeiter, jeder hat das zu respektieren.

Der Zweck heiligt die Mittel, und seien sie noch so dreckig

Im vorliegenden Falle indessen hat ganz offensichtlich die Politik in Gestalt der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers Druck auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und seinen Präsidenten ausgeübt, damit endlich die verhasste AfD in der Öffentlichkeit als verfassungsfeindliche Partei bloßgestellt werden kann. Schließlich geht es um die Aussichten aller politischen Parteien in den Parlamentswahlen dieses Jahres, beginnend am 14. März in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz und endend am 26. September mit der Bundestagswahl. Die Wähler sollen eben davon abgehalten werden, diese Partei zu wählen. Diese Wählerstimmen will man lieber selbst bekommen. Nachdem man seit Jahren diese Partei als angebliche Verfassungsfeindin darstellt, selbstverständlich unterstützt durch die Medien, weiter unterstützt von Kirchen, Gewerkschaften und der sogenannten Zivilgesellschaft, nachdem man das seit Jahren so zelebriert, darf es einfach nicht sein, daß diese Partei in einem Wahljahr am politischen Wettbewerb unbehelligt teilnehmen kann. Wenn schon ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht erreichbar ist, dann muß wenigstens die öffentliche Verurteilung erfolgen. Und dazu gehört die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, natürlich nicht still und heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit und möglichst bei jeder sich passenden Gelegenheit der Hinweis darauf. Und deswegen ist es offenbar völlig gleichgültig, ob hier die Würde der Justiz mit Füßen getreten wird oder nicht. Allein das höhere Ziel ist maßgebend, der Zweck heiligt die Mittel.

Der Knappe wird seinen Lohn erhalten

Normalerweise müsste ein Verfassungsschutzpräsident seinen Hut nehmen, wenn seine Behörde sich so verhält wie geschehen und eine Absprache mit der Gegenseite und Zusage gegenüber dem Gericht einfach bricht. Das müsste er auch dann, wenn er selbst das nicht angeordnet hätte, sondern nachgeordnete Mitarbeiter dies eigenmächtig getan hätten. Denn dann würde man mit Recht sagen, daß er seine Behörde nicht im Griff hat. Gerade von einem Geheimdienst sollte man erwarten können, daß dort Dinge geheim bleiben können. Allerdings geht auch das Verwaltungsgericht Köln offenbar davon aus, daß hier die Behörde durchaus bewußt interne Entscheidungen „durchgestochen“ und entsprechende Informationen an die Medien gegeben hat. Darunter auch, was ebenfalls skandalös ist, die Weitergabe des Schriftsatzes mit dem eigenen Prozessvortrag im Verfahren. Unter Richtern und Anwälten ist es unstreitig, daß es sich bei den Prozessakten um vertrauliche Interna handelt. Doch hier gelten offenbar andere Maßstäbe. Deswegen wird Herr Dr. Haldenwang sein Amt behalten. Er hat sich ja als getreuer Knappe seines Herrn gezeigt. Das verdient Belohnung und nicht Entlassung.

Der Schuß wird nach hinten losgehen

Nach Sachlage dürfte aber auch die Prüfung des Vorwurfs der Verfassungsfeindlichkeit zu dem Ergebnis führen, daß dieser Vorwurf nicht begründet ist, allenfalls gegen einzelne Personen aus dieser Partei. Damit wird dann gerichtlich den pauschalen und deswegen leider sehr öffentlichkeitswirksamen Vorwürfen der Verfassungsfeindlichkeit die Spitze genommen werden. Eine Vorahnung davon bekommt man, wenn man weiß, daß der Hessische Verwaltungsgerichtshof erst vor wenigen Tagen dem Verfassungsschutz dieses Bundeslandes untersagt hat zu behaupten, in der hessischen AfD gebe es bis zu 600 oder gar exakt 600 rechtsradikale Mitglieder, die zum ehemaligen „Flügel“ der Partei gehörten. Das Gericht konnte nach Sachprüfung nicht feststellen, daß dieser Vorwurf zu Recht erhoben worden ist. Denn er war offenbar ohne sachliche Grundlage.

Wir wissen nun…

Es bleibt abzuwarten, wie diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln von den regierungstreuen Medien behandelt werden wird. Sie wird sich nicht genauso  kleinreden und unter der Rubrik „ferner ist passiert“ einsortieren lassen, wie die erwähnte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. Wer die Dinge in unserem Lande aufmerksam beobachtet, der wird nicht umhin kommen festzustellen, daß gerade diejenigen, die mit den Fingern auf andere zeigen und sie als Verfassungsfeinde beschimpfen, selbst die Verfassung mit anmaßender Selbstherrlichkeit brechen. Denn nichts anderes geschieht, wenn die Exekutive ein Gericht derartig missachtet, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist. Aber man weiß nun, wo jedenfalls auch Verfassungsfeinde sitzen. Sie sitzen eben nicht nur in rauchgeschwängerten Kneipen und hören  Rechtsrock. Sie sitzen auch an den Schreibtischen von Ministern und Verfassungsschutzpräsidenten.



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