Archiv für den Monat: März 2021

Was eine Partei rechts von der Union leisten muß, Teil 2

Im ersten Teil dieser Stellungnahme habe ich den Ausgang der Landtagswahlen im Südwesten analysiert. Daran anschließend ist nun die oben aufgeworfene Frage zu beantworten.

Grundsätzliches

Man kann sich hier recht kurz fassen. Naturgemäß sind alle Fehler zu korrigieren, die in den vergangenen Jahren von der ehemals bürgerlichen Union unter der Führung von Merkel gemacht worden sind. Es ist eine Politik einzufordern, die Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit gibt, basiert auf dem freiheitlichen Menschenbild des Humanismus und der Aufklärung, wie es unter anderem auch im recht verstandenen Christentum aufzufinden ist. Die überkommenen guten Traditionen der Nation gilt es zu pflegen und weiter zu entwickeln, unzeitgemäß gewordenen Ballast abzuwerfen und eine tragfähige Grundlage für das Leben künftiger Generationen in unserem Lande zu schaffen.

Abbau hinderlicher Bürokratie in Deutschland und Europa

Zunächst sind die Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren. Um die wichtigsten herauszugreifen: Die überbordende Bürokratie, die der Wirtschaft Fesseln anlegt, die ihre Konkurrenzfähigkeit im internationalen Wettbewerb beeinträchtigen, und die mehr und mehr die Kreativität der Ingenieure und Kaufleute unseres Landes blockieren. Deutschland ist Bürokratieweltmeister. Deutschland sollte wieder Innovationsweltmeister werden. Die Fehlentwicklungen in der Europäischen Union sind zu korrigieren. Das beginnt mit der Besinnung auf das ursprünglich dort angelegte Subsidiaritätsprinzip. Nur das, was auf nationaler Ebene nicht oder nur sehr unvollkommen geregelt werden kann, ist auf europäischer Ebene zu regeln. Beispielhaft nenne ich technische Regeln, die schon deswegen vereinheitlicht sein müssen, weil ansonsten Handelshemmnisse entstehen. Aber auch bürokratische Regelungen, die ausschließlich dem Schutz ansonsten nicht konkurrenzfähiger nationaler Unternehmen dienen, sind aufzuheben. In diesem Punkt leistet die Europäische Kommission durchaus etwas im Sinne der ursprünglichen europäischen Idee. Auf der anderen Seite sind europäische Regelungen, die ohne Rücksicht auf gewachsene nationale Traditionen eine von niemandem wirklich gewollte Einheitlichkeit anstreben, ebenfalls aufzuheben. Ein plakatives Beispiel sind die europäischen Normen geopferten Streuobstwiesen bzw. die überzogenen Hygieneregelungen für Metzgereien mit eigener Schlachtung. Das groteske Ungleichgewicht der Wählerstimmen bei der Wahl zum europäischen Parlament muß beseitigt werden. Es kann nicht sein, daß die Bürger der kleinsten europäischen Länder ein Vielfaches an Gewicht ihrer Stimme haben, als die Bürger des mit Abstand größten Landes der Europäischen Union. Das sollte genügen, um die Richtung aufzuzeigen, in die sich Deutschland bewegen muß.

Staatsfinanzen

Eine solide Finanzpolitik ist Grundlage aller Nachhaltigkeit. Dazu gehört, die Schuldenbremse in der Verfassung zu belassen. Die in der Corona-Krise gemachten Schulden sind so schnell abzuzahlen, wie es die Entwicklung der Staatsfinanzen zulässt. Die Steuerpolitik hat sich daran zu orientieren, was zum einen die Staatsaufgaben erfordern, zum anderen eine international konkurrenzfähige Wirtschaft braucht. Dabei ist besonderes Augenmerk auf den Mittelstand zu legen, der die tragende Säule der deutschen Wirtschaft, aber auch einer freiheitlichen Gesellschaft ist.

Migrationspolitik

Die nur noch als absurd zu bezeichnende deutsche Migrationspolitik muß vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die ungeregelte und völlig von den nationalen Interessen losgelöste Zuwanderung, gleich, ob auf der Grundlage des Asylrechts oder der UN-Flüchtlingskonvention, muß in geordnete Bahnen gelenkt werden. Dabei ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel notwendig, der auch die Aufkündigung des UN-Migrationspakts durch Deutschland beinhalten muß. Jenseits eines auf rechtlich zwingende Asyl- und (temporäre) Fluchtgründe beschränkten humanitären Zuwanderungsrechts ist die Einwanderung auf die Aufnahme von Fachkräften und anderen Menschen, die sich als Wissenschaftler, Künstler oder etwa Berufssportler selbst ernähren und zur Entwicklung des Landes beitragen, zu begrenzen. Zuwanderer, die erkennbar von vornherein unsere demokratische, rechtsstaatliche Kultur ablehnen, oder dies im Laufe ihrer Anwesenheit deutlich machen, sind nicht aufzunehmen bzw., soweit rechtlich möglich, zur Auswanderung zu bewegen.

Klimawahn nein, Umweltschutz ja

Eine lediglich ideologiegetriebene Klimapolitik ist abzulehnen. Wer über das Vehikel der angeblichen Rettung des Weltklimas in Wirklichkeit eine sozialistische Weltordnung einführen will, muß auf den entschiedenen Widerstand einer bürgerlichen Partei stoßen. Wer indessen ernsthaft für einen wirklichen Umweltschutz eintritt, verdient Unterstützung. Die sogenannte Energiewende ist kritisch zu überdenken. Wir haben inzwischen in Deutschland die höchsten Stromkosten und die geringste Sicherheit der Energieversorgung. Hier lohnt ein Blick in Nachbarländer, die ihre Energieversorgung auf einen vernünftigen Energiemix gründen. Eine bürgerliche Partei muß auch die massiven Umweltschäden, die durch eine unreflektierte Förderung von Energieträgern wie Wind und Sonne entstehen, deutlich machen.

Bildung und Wissenschaft

Eine Bildungspolitik, die wieder die Vermittlung von Wissen in den Vordergrund stellt, statt ideologisch begründeter Spielereien wie der Vermittlung von Kompetenzen statt Wissen, ist ebenso anzustreben wie die Förderung der Wissenschaft, insbesondere der Natur-und Ingenieurwissenschaften, die schließlich die Grundlagen für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes erarbeiten. Dem Wildwuchs in den Geisteswissenschaften, wie er insbesondere in der Scharlatanerie des sogenannten Gender-Forschung sichtbar geworden ist, muß ein Ende bereitet werden. Wir brauchen Wissenschaftler, keine Dummschwätzer.

Innere und äußere Sicherheit

Die innere Sicherheit war einmal die Domäne bürgerlicher Parteien. Die Polizei muß sowohl die sachlichen als auch die rechtlichen Instrumente haben, ihren Aufgaben effizient nachzukommen. Die äußere Sicherheit war ebenfalls einmal die Domäne bürgerlicher Parteien. In den letzten beiden Jahrzehnten haben sie jedoch im Zusammenwirken mit politisch linken Kräften die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr massiv heruntergefahren. Die bizarre Gesinnungsschnüffelei bei der unter den Generalverdacht rechtsextremer Tendenzen gestellten Bundeswehr ist einzustellen. Die Truppe ist mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten, dabei ist die Zusage an die Verbündeten, künftig 2 % des Bruttosozialprodukts für Verteidigungszwecke aufzuwenden, zügig zu verwirklichen. Die allgemeine Wehrpflicht diente im kalten Krieg nicht nur dazu, die erforderliche Truppenstärke zu erzielen. Die Truppe bekam auf diesem Wege auch Berufs- und Zeitsoldaten aus der ganzen Breite der Gesellschaft, was sich durchweg positiv auf das intellektuelle Niveau und die charakterlichen Eigenschaften der Soldaten auswirkte. Sie ist daher grundsätzlich wieder einzuführen, wobei ihre Gestaltung im einzelnen auf keine ideologischen Schranken stoßen darf.

Keine Förderung der Feinde unserer freien Gesellschaft

Das Unwesen der Steuerverschwendung durch Zahlung immer größerer Summen an immer mehr sogenannte NGOs, vorwiegend linksradikaler Prägung wie die unsägliche Amadeu-Antonio-Stiftung, muß unverzüglich beendet werden. Das Geld der Steuerzahler darf nicht dazu verwandt werden, politische Ideologien gleich welcher Richtung zu verbreiten.

Was also nötig ist

Das ist in groben Zügen das, was unser Land braucht, was sich vernünftige Leute landauf, landab wünschen, und was deswegen eine politische Partei rechts von der Union leisten muß.


Was eine Partei rechts von der Union leisten muß

Ausgangspunkt

Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sind Geschichte. Ihre Ergebnisse haben naturgemäß Debatten über Ursachen und Folgen ausgelöst. Das gilt nicht nur für die möglichen Koalitionen auf Bundesebene nach dem 26.September 2021. Das gilt auch für die neu aufgeflammte Debatte über Ausrichtung und Ziele der AfD. Dazu hat sich Benedikt Kaiser von der rechten Denkfabrik in Schnellroda ausführlich geäußert. Diese Ausführungen fordern zum einen Widerspruch heraus und geben zum anderen Veranlassung, sich grundsätzlich zu der Frage zu äußern, die in der Überschrift aufgeworfen wird.

Vorbemerkung:

Nicht nur um Missverständnissen vorzubeugen ist klarzustellen, was die Einordnung „rechts von der Union“ inhaltlich besagt und warum eine politisch so positionierte Partei in Deutschland nicht nur existieren, sondern erfolgreich am politischen Leben teilnehmen muß. Die natürliche Einteilung der politischen Lager seit der französischen Revolution ist die in rechts und links. Das wird in allen Ländern außer Deutschland auch unverkrampft und zwanglos so gehandhabt. In Deutschland indessen hat der Begriff der politischen Rechten einen Haut Gout. Das ist ganz offensichtlich mit dem auch mehr als 75 Jahre nach dem Untergang der Hitler-Diktatur immer noch verkrampften Verhältnis der Deutschen zu ihrer jüngeren Vergangenheit geschuldet. Weil diese Diktatur eine rechtsextreme war, wenn auch mit typisch linken Einsprengseln wie dem Gleichheitsdogma (du bist nichts, dein Volk ist alles), ist seither in Deutschland offenbar politisch alles kontaminiert, was rechts von einer wie auch immer definierten Mitte positioniert ist. Daraus erwuchs eine bis zur Lächerlichkeit getriebene politische Mimikry, die auch nur den Anschein krampfhaft zu vermeiden sucht, man vertrete politisch rechte Positionen.Tatsächlich indessen sind in anderen Ländern bürgerliche und konservative politische Ansichten regelmäßig in den Begrifflichkeiten der politischen Topographie als rechte, nicht zu verwechseln mit rechtsradikalen oder rechtsextremen, Positionen und Parteien definiert. So spricht man ganz unbefangen von Mitte-Rechts Regierungen genauso wie von Mitte-Links Regierungen. Daß dieser Sprachgebrauch in Deutschland nicht nur dazu geeignet ist, sondern ersichtlich auch dem Ziel geschuldet ist, alles was politisch rechts von der Mitte oder dem, was man dafür hält, situiert ist, als „rechts“ im Sinne von rechtsradikal bis NS-affin zu desavouieren, liegt auf der Hand. Wer die Definitionshoheit über den Sprachgebrauch hat, der beeinflusst auch das Denken in der Sache selbst. Diese missliche Situation hat das rechte, also bürgerlich-konservative, politische Lager in Deutschland insofern selbst verschuldet, als man dem nicht schon sehr früh entschieden entgegengetreten ist. Diese Versäumnisse gilt es aufzuholen. Dies ist mit eine der ersten Aufgaben, der sich Politiker und Publizisten der demokratischen Rechten widmen müssen. 

Das Feld, das schon seit vielen Jahren nicht mehr bestellt wird

Es ist offensichtlich, daß unter der Führung von Angela Merkel die Union ihren Charakter als zumindest in Grundzügen bürgerlich-konservative und auch im traditionellen Sinne christliche Volkspartei verloren hat und weit in den linksliberalen, teilweise sogar grünlinken Bereich abgedriftet ist. Hierüber ist sehr viel geschrieben worden, man kann auch sagen, daß darüber allgemein Einigkeit besteht, politische Propaganda der Union und ihrer medialen Steigbügelhalter einmal ausgenommen. Nun gehört bürgerlich-konservatives Denken zu den politischen Konstanten. Es ist ganz natürlich, daß diese Vorstellungen vom Zusammenleben der Menschen, der Organisation des Staates und der Wirtschaft von den Anfängen der demokratischen Bewegungen bis heute der Grundbefindlichkeit vieler Menschen entsprechen, ebenso wie dies für linke, sozialistische Vorstellungen gilt. Wenn eine politische Partei diesen Teil der Wählerschaft aufgibt, oder sich sogar in der Vorstellung gefällt, diesen Teil der Wählerschaft gewissermaßen umpolen und sie von linken Gesellschafts -und Wirtschaftsmodellen überzeugen zu können, wird sie damit auf Dauer scheitern. Dieser Teil des Wahlvolks wird dann bestenfalls heimatlos, nimmt an denParlamentswahlen nicht mehr teil oder wählt mangels seriöser Alternativen dann wenigstens in geringem Umfang rechtsradikal. Das bedeutet aber auch, daß sich für bürgerlich-konservative Parteien, die neu auf den Plan treten, die Chance eröffnet, diese Brache zu beackern und politische Früchte in Form der Teilhabe am parlamentarischen System des Machtwechsels zu ernten. Dies wiederum ist ja eine der tragenden Säulen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung unseres Landes.

Was folgt daraus?

Ich will mich nun mit der Wahlanalyse aus dem Think Tank von Götz Kubitschek befassen, die sicherlich nicht ohne Abstimmung mit Björn Höcke erstellt worden ist.

Benedikt Kaiser untersucht die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz anhand der Wählerwanderung, der Gewinne und Verluste der Parteien und des von Wahlforschern ermittelten Wahlverhaltens von Bevölkerungsgruppen wie Arbeiter, Angestellte, Selbständige und Rentner, aber auch anhand der angegebenen Kompetenzzuweisungen an die Parteien, und politische Agenden wie etwa Kriminalitätsbekämpfungs- und Flüchtlingspolitik, soziale Gerechtigkeit, Wirtschaft etc. pp. Dabei stellt er zutreffend fest, daß die Wählerwanderung von der AfD in beiden Bundesländern vorwiegend zu den Nichtwählern erfolgt ist, geht aber recht oberflächlich darüber hinweg, daß jedenfalls in Baden-Württemberg die ehemaligen AfD-Wähler in fast gleicher Zahl CDU und andere Parteien gewählt haben. Er erkennt insbesondere nicht, daß in Baden-Württemberg von den insgesamt 270.000 Wählern, die anders als vor fünf Jahren nicht mehr AfD gewählt haben, 70.000 CDU und immerhin 75.000 FDP und „andere“ gewählt haben, wobei in letzteren auch die 3 % Freie Wähler enthalten sind. Das sind dutlich mehr, als die 110.000, die ins Lager der Nichtwähler abgewandert sind. In Rheinland-Pfalz haben von den 73.000 Wählern, die anders als vor fünf Jahren nicht mehr AfD gewählt haben, immerhin 5.000 FDP und weitere 5.000 „andere“ gewählt. Dabei muß doch auffallen, daß in Rheinland-Pfalz die FDP 5,5 % und die Freien Wähler 5,4 % erzielt haben. Dennoch kommt Kaiser zu dem Ergebnis, daß sowohl in Baden-Württemberg als auch in Rheinland-Pfalz die AfD statistisch gesehen die meisten Wähler in Richtung Wahlenthaltung, nicht aber zuvörderst an bürgerliche Parteien verloren habe. Das ist nur auf den ersten Blick richtig, auf den zweiten bleibt gerade für Baden-Württemberg, daß etwa die Hälfte der verloren gegangenen Wähler entweder nicht gewählt haben, oder doch bürgerliche, zumindest als bürgerlich wahrgenommene Parteien gewählt haben. Die zentrale Erkenntnis Kaisers ist indessen, daß seines Erachtens die Politikfelder von der AfD vernachlässigt worden sind, die ihren Wählern bzw. ihren möglichen Wählern wichtig sind, wie Kriminalitätsbekämpfung Asyl- und Flüchtlingspolitik, soziale Gerechtigkeit und Arbeitsplätze.

Die Schlussfolgerungen aus der Wahlanalyse:

Vorweg genommen die Zusammenfassung. Kaiser behauptet, nur eine inhaltlich deutlich andere Politik als die, welche von der AfD in den beiden Landtagswahlkämpfen präsentiert worden sei, könne die AfD als ernstzunehmende politische Kraft in Deutschland dauerhaft verankern. Klar benennt er seine Grundposition, wenn er ausführt: „Worum es im Superwahljahr 2021 also zuvorderst geht, ist die Verschmelzung von identitätsbezogenen und sozialorientierten Standpunkten bei einer umfassenden Professionalisierung des eigenen Auftretens auf allen Ebenen…“ Das ist eine andere Formulierung für den solidarischen Patriotismus, der auf einen Ausbau des Sozialstaates für die ethnisch deutsche Bevölkerung hinausläuft, was gleichzeitig eine Begrenzung der Aufwendungen für Zugewanderte bedeutet, gleichgültig auf welchem Rechtstitel ihr Aufenthalt in Deutschland beruht. Das ist auch das Thema seines Buches „Solidarischer Patriotismus – die soziale Frage von rechts“. Es ist im Verlag Antaios erschienen, der zur Unternehmensgruppe Kubitschek gehört, und bei dem Kaiser auch angestellt ist. In der Verlagsinformation zum Buch heißt es dann eingangs schon: „Die soziale Frage ist mit der nationalen Frage untrennbar verknüpft.“

Das Konzept solidarischer Patriotismus und das Grundgesetz

Wer grundsätzliche politische Theorien ersinnt und sie als Rezept für die politischen Parteien anbietet, bzw. zur Grundlage staatlichen Handelns machen will, muß sich stets an den tragenden Säulen der Verfassung orientieren, nämlich am Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie an der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt zum Schutz der Menschenwürde. Mit letzterem sind politische Konzepte unvereinbar, die exklusive Rechte für ethnisch Deutsche einfordern. Die Verschmelzung von identitätsbezogenen und sozialorientierten Standpunkten läuft aber gerade darauf hinaus. Einschlägige Gesetzesvorhaben müssten regelmäßig beim Bundesverfassungsgericht scheitern. Eine politische Partei, die derartiges programmatisch vertritt, wäre damit nicht nur automatisch Gegenstand der Beobachtung durch den Verfassungsschutz, sondern müsste auch mit einem Verbotsverfahren nach Art. 21 GG rechnen.

Das legitme Streben nach relativer Homogenität

Zur Klarstellung muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß das Bestreben, eine relative Homogenität des deutschen Volkes zu bewahren, keinesfalls als verfassungsfeindliche Bestrebung im beschriebenen Sinne bewertet werden kann. Auch wenn das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Blick auf die AfD derartigen Vorstellungen anhängt, ist das eben aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus legitim. Stellvertretend für eine Vielzahl angesehener Verfassungsrechtslehrer sei hier Ernst-Wolfgang Böckenförde zitiert: „Der spezifische Charakter der demokratischen Gleichheit zielt – über die formelle rechtliche Zugehörigkeit, die die Staatsangehörigkeit vermittelt, hinausweisend – auf ein bestimmtes inhaltliches Substrat, zuweilen substantielle Gleichheit genannt, auf dem die Staatsangehörigkeit aufruht. Hier meint Gleichheit eine vor-rechtliche Gemeinsamkeit. Diese begründet die relative Homogenität, auf deren Grundlage allererst eine auf der strikten Gleichheit der politischen Mitwirkungsrechte aufbauende demokratische Staatsorganisation möglich wird; die Bürger wissen sich in den Grundsatzfragen politischer Ordnung ‚gleich‘ und einig, erfahren und erleben Mitbürger nicht als existenziell anders oder fremd und sind – auf dieser Grundlage – zu Kompromissen und loyaler Hinnahme der Mehrheitsentscheidungen bereit.“ Diese relative Homogenität des ethnisch-kulturellen Mehrheitsvolks hat das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Urteil (jedenfalls in kultureller Hinsicht) als Voraussetzung für demokratische Legitimation bezeichnet. Daher hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 18.05.2001 festgestellt, die Wahrung der geschichtlich gewachsenen nationalen Identität und die Verhinderung einer multiethnischen, multikulturellen Gesellschaft seien Ziele, die nicht gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verstießen. Nichts anderes folgt aus dem NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Januar 2017. Danach verstößt lediglich das von der NPD propagierte Konzept einer ethnischen Volksgemeinschaft, das Ausländer, Migranten und andere Minderheiten ausgrenzt und rechtlos stellt, gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes. Die Konzeption der ethnisch-kulturellen Homogenität schließt indessen ein, daß sich Menschen aus anderen Völkern und Kulturkreisen in eben dieses Staatsvolk nicht nur rechtlich, sondern auch kulturell eingliedern. Mit anderen Worten: der Inkulturation steht die Abstammung nicht entgegen.

Somit kann die Solidarität mit den wirtschaftlich schwachen Teilen der Gesellschaft in Gestalt der Sozialleistungen und Förderung eben nicht mit der nationalen Frage verknüpft werden, jedenfalls nicht dann, wenn darunter zu verstehen ist, daß nur die ethnisch homogene Nation unter Ausschluß der Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen zu erhalten ist. Damit gerät man auch nicht nur sprachlich gefährlich nahe an den Nationalsozialismus.

Das Wählerpotenzial der „kleinen Leute“

Kaiser zitiert zustimmend Höcke, der schreibt: „Nur mit einem klaren sozialpolitischen Profil läßt sich die große Wählergruppe der kleinen Leute gewinnen, die am meisten unter den Zumutungen der Globalisierung des Klimawahns (Strompreise!) und den Migrationsfolgen leidet.“ Das ist nicht ganz falsch, allerdings wird es falsch, wenn man daraus eben eine Exklusivität der ethnisch Deutschen herleitet. Im Übrigen ist es den vielzitierten kleinen Leuten im Ergebnis gleichgültig, wie die Verbesserung ihrer sozialen Lage erreicht wird, und gegebenenfalls auf wessen Kosten. Davon scharf zu trennen ist, daß die hohen Summen, die der Staat seit einigen Jahren aufwendet, um eine große Zahl von wirtschaftlich auf Dauer nicht leistungsfähigen und zum nicht geringen Teil auch kulturell nicht integrierbaren, weil nicht integrationswilligen Zuwanderern zu alimentieren, in der Tat den Unmut großer Teile der Bevölkerung, gerade auch unter den sozial Schwachen hervorrufen. Daß sie allerdings ihre prekäre soziale Lage ausschließlich darauf zurückführen, daß der Staat Geld, das ihnen ihres Erachtens zusteht, für Migranten ausgibt, ist keinesfalls ausgemacht.

Das Wählerpotenzial der Grünen:

Kaiser behauptet, die Grünen in Südwestdeutschland seien die neue Kraft der Bürgerlichen im allgemeinen wie der Akademiker im besonderen. Die neue Mitte im Westen sei grosso modo linksliberal (und hedonistisch, moralistisch etc.); es seien Gewinner der herrschenden Verhältnisse, sie suchten dementsprechend keine Alternative zum Ist-Zustand. Das trifft auf die typischen Grünwähler in den sprichwörtlichen luxussanierten Altbauwohnungen und gut bezahlter, unkündbarer Stellung im öffentlichen Dienst in der Tat zu, keinesfalls aber auf die breite Mitte der Gesellschaft insgesamt. Und weiter, die Wähler der AfD seien demgegenüber – gefühlt oder real – keine Gewinner herrschenden Verhältnisse. Ein stabiler bürgerlich-konservativer Sockel sei im Bürgertum nicht mehr auszumachen. Plakativ: 2021 sei nicht 1981.

Diese Überlegungen mögen zwar plausibel klingen. Sie werden indessen weder empirisch belastbar, noch gar wissenschaftlich belegt. Zwar ist Kaiser Politologe und müsste deswegen über einschlägige Forschungsergebnisse berichten können, wenn es sie denn gäbe. Bei genauerem Hinsehen lösen sich jedoch diese Argumente in Luft auf. Das in der Tat glänzende Wahlergebnis der Grünen in Baden-Württemberg ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß ihr Spitzenkandidat Winfried Kretschmann persönlich bis weit in traditionell bürgerliche Kreise hinein beliebt ist. Das Wahlergebnis von 32,6 % der gültigen Wählerstimmen muß mit dem Wahlergebnis in Rheinland-Pfalz verglichen werden. Dort erzielten die Grünen nur 9,3 %. Bundesweit liegen die Grünen seit geraumer Zeit stabil bei etwa 20 %. Das ist nicht wenig, aber auch nicht das von Kaiser apostrophierte neue bürgerliche Lager. Zutreffend dürfte seine Analyse dahingehend sein, daß der akademische Bereich überwiegend grün wählt. Indessen besteht das bürgerliche Lager nicht nur aus Akademikern, wobei auch bei diesen differenziert werden muß zwischen Naturwissenschaftlern und Geisteswissenschaftlern. Bei letzteren überwiegen sicherlich derzeit die Anhänger der Grünen, bei ersteren eher nicht. Der grüne Bauingenieur ist wohl ebenso selten wie der AfD-affine Literaturwissenschaftler. Es scheint mir auch noch lange nicht ausgemacht zu sein, daß es bei den Grünen nicht anders sein soll, wie auch sonst bei linken Bewegungen. Viele, die in ihrer Jugend linken Theorien gefolgt sind, werden im Laufe ihres Lebens realistisch und nicht selten konservativ. Wer sich selbst kritisch prüft und sich in seinem Bekanntenkreis umsieht, der wird derartige Biografien in großer Zahl registrieren, vielleicht auch seine eigene.

Die Wähler in den neuen Ländern

Kaiser weist auf das hohe Wählerpotenzial für die AfD in den neuen Ländern hin. Nun sind hier nach Umfragen ohne weiteres Wahlergebnisse um die 20 % zu erwarten. Doch auch dies muß relativiert werden. Zum einen sind 20 % keine Größenordnung, die zwingend zu Regierungsbeteiligungen führen muß. Allenfalls als Juniorpartner. Zum anderen ist dies eine Besonderheit der neuen Länder, die jedoch nur etwa 16 % der Wahlberechtigten in Deutschland stellen. Demgemäß liegt die AfD in Deutschland nach den Umfragen bei 10-11 %. Indessen ist derzeit und auch in den nächsten zehn Jahren nicht damit zu rechnen, daß selbst eine klar bürgerliche AfD von den Parteien als Koalitionspartner akzeptiert werden könnte, die sie bis dahin als rechtsextrem diffamiert haben. Kaiser und seine Stichwortgeber sehen daher die AfD auch nicht in dieser politischen Rolle – die allerdings den politischen Parteien vom Grundgesetz zugewiesen ist – sondern als Bewegungspartei außerhalb des traditionellen, man könnte auch sagen etablierten, politischen Milieus. Als Außenseiter „draußen vor der Tür“, aber Stachel im Fleisch der grundsätzlich abgelehnten Mehrheit. Was eine solche Partei auf Dauer bewirken soll, bleibt im Dunkeln. Sie mag in der Lage sein, den einen oder anderen Skandal parlamentarisch aufzudecken. Sie kann natürlich ihre politischen Konzepte öffentlichkeitswirksam vortragen, denn totschweigen kann man sie ja nicht. Sie muß allerdings damit rechnen, nicht nur in einer Dauerauseinandersetzung mit dem Verfassungsschutz leben zu müssen, sondern auch gesellschaftlich dauerhaft stigmatisiert zu sein. Anders als Kaiser glaubt, ist einer solchen Partei auch kein Wählerpotenzial von 15 % bis 17% sicher, womit man „die Verhältnisse zum Tanzen bringen“ kann. Vielmehr muß davon ausgegangen werden, daß eine solche Bewegungspartei, die nach ihrem Programm und dem Auftreten ihrer Funktionäre als rechtsradikal wahrgenommen wird, was sie dann wohl auch ist, allenfalls 5-7 % der Wählerstimmen dauerhaft gewinnen kann. Damit bleibt sie jedoch, um im Bilde zu bleiben, dauerhaft draußen vor der Tür.

Das bürgerliche Wählerpotenzial:

Tatsächlich zeigen auch die Ergebnisse der Landtagswahlen im Südwesten ein bürgerliches Wählerpotenzial jenseits eines rechtsradikalen Milieus auf. Zum einen gibt es nach wie vor bürgerliche Unionswähler, und nicht nur Mitläufer eines linken Mainstreams. Zum anderen gibt es die Ergebnisse von FDP und Freien Wählern, Parteien, die zwar aus der Sicht von Kaiser und seinen Gewährsleuten „harmlose Ablenkungsformate“ sind, aber eben doch 10-15 % der Wähler ansprechen. Und das sind die Parteien, zu denen bürgerliche AfD-Wähler mit Sicherheit abwandern werden, wenn sich die AfD eindeutig als rechtsradikale Bewegungspartei positioniert.

Schlussfolgerung:

Kaiser zeigt einen Irrweg auf. Er führt in eine Sackgasse. Die dringend notwendige Alternative zur derzeitigen Politik kann so nicht hergestellt werden. Im Gegenteil. Die Existenz einer solchen rechten Bewegungspartei mit nie ganz wegzuwischender Affinität zum historischen Faschismus und Nationalsozialismus begründet die manifeste Gefahr, daß seriöse konservative Politikmodelle vom politischen Gegner, der ja in den Medien omnipräsent ist, in die Mithaftung für solchen politischen Unfug genommen werden. Der AfD ist daher dringend anzuraten, sich von den Konzepten aus der Denkfabrik in Schnellroda deutlich zu distanzieren. Nur dann hat sie mittel- bis langfristig die Chance, sich als bürgerliche Alternative zur verhängnisvollen Politik von Union, Sozialdemokratie und Grünen zu etablieren. Nur so kann die Vernunft wieder Einzug in die deutsche Politik halten. Praktische Vernunft und esoterische Bewegungen schließen einander aus.





Inklusion

Schule für alle

Es ist soweit. die Menschenwürde gilt nun auch uneingeschränkt in den Gymnasien. Menschen mit Handicap, was ihre intellektuellen Fähigkeiten angeht, werden nicht mehr ausgegrenzt. Vielmehr werden auch Kinder mit dieser angeborenen Benachteiligung in die Gymnasien aufgenommen und nehmen am Regelunterricht ihrer Klassen teil. Inwieweit dann noch eine besondere Förderung durch zusätzlichen Unterricht und dergleichen stattfinden kann, dürfte wohl weniger an den Ressourcen hierfür, als vielmehr an der gewichtigen ideologischen Frage liegen, ob dies wiederum nicht diskriminierend wäre. Konsequent weiter gedacht darf natürlich auch bei den Abiturprüfungen dann künftig keine Benachteiligung stattfinden, die auf der tatsächlich angeborenen, nach grünlinker Überzeugung jedoch gesellschaftlich verursachten Behinderung beruht. Die Hochschulreife wird eben attestiert, auch wenn nicht einmal einfache Algebra und die Grundzüge der deutschen Grammatik beherrscht werden. Es muß natürlich dann auch gefordert werden, daß sich dies bei den Studienabschlüssen fortsetzt. Minderleistungen dürfen dem Magisterabschluß oder der Promotion nicht entgegenstehen.

Nicht bei den allgemein bildenden Schulen stehenbleiben!

Doch sollten wir auch an dieser Stelle nicht stehenbleiben. Die Menschenwürde hat nun einmal eine so zentrale Stellung in unserer Verfassung, daß dahinter alles andere nun wirklich zurückbleiben muß. So sollten wir etwa bei der Pilotenausbildung von der überkommenen Vorstellung wegkommen, daß hierfür anspruchsvolle Voraussetzungen hinsichtlich der physischen, psychischen und intellektuellen Eignung der künftigen Piloten erfüllt sein müssen. Vielmehr muß auch hier ein angemessener Anteil von Menschen berücksichtigt werden, die hinter diesen Anforderungen weit zurückbleiben. Nur dann haben wir wirklich echte Inklusion. Natürlich muß auch hier der Grundgedanke der Gleichheit gelten, also nicht gleiche Chancen für alle, sondern Gleichheit im Ergebnis. Die Prüfung hat also auch dann als bestanden zu gelten, wenn der Absturz der Maschine beim Prüfungsflug nur durch das beherzte Eingreifen des Prüfers verhindert worden ist. Ich schlage allerdings weiter vor, daß beim ersten selbständigen Flug solcher „Piloten mit besonderen Herausforderungen“ die Passagiere der Maschine samt und sonders aus der Politik kommen.

Inklusion in der Politik

Natürlich muß man sich auch Gedanken darüber machen, ob bei der Zusammensetzung unserer Parlamente und Regierungen ebenfalls nach den Regeln der Inklusion verfahren werden soll. Ein Blick in die Arbeit der Regierungen und der Parlamente zeigt indessen, daß die Inklusion dort schon Einzug gehalten hat. Es scheint sogar so, daß der Anteil der Politiker mit besonderen Herausforderungen bereits überproportional ist. Jedenfalls legen die Ergebnisse der politischen Entscheidungen in den letzten 15 Jahren dieser Annahme nahe. Und so segelt das Narrenschiff durch die Zeitläufte. Wir aber sorgen dafür, daß seine Besatzung stets inklusiv ergänzt wird.

Das Dilemma

Die Lage in unserem Lande ist so, daß die Bürger sie ihren gewählten Vertretern buchstäblich um die Ohren hauen müssten. Man kann hinschauen wo man will. In Deutschland funktioniert so gut wie nichts, außer natürlich einer überbordenden Bürokratie. Darin sind natürlich eine Reihe von Problemen begründet, die allerdings nur dann gelöst werden könnten, wenn die Bürger des Landes zu grundsätzlichen Änderungen bereit wären. Das aber würde voraussetzen, daß die Bürger sich auch einmal selbst der Dinge annehmen würden, mindestens genau hinschauen würden. Und genau darin liegt das Problem. Die Demokratie braucht Demokraten. Also Staatsbürger, die auch den Willen haben, die öffentlichen Dinge zu regeln. Nichts anderes heißt ja dieses Wort, das aus den Bestandteilen Demos für Volk und kratein für herrschen zusammengesetzt ist.

Wer wählt, muß wissen

Wer herrschen will, muß erst einmal wissen was zu tun ist, bevor er sich für die eine oder andere Option entscheidet und sie dann auch durchsetzt, also seine Herrschaft ausübt. In der repräsentativen Demokratie geschieht das durch Wahlen, also die Bestellung bzw. Abberufung von Vertretern, oder durch Abstimmungen, also die Entscheidung einer Volksversammlung für oder gegen ein bestimmtes Vorhaben. In den klassischen Demokratien des alten Griechenlands war das bei der durchaus überschaubaren Zahl der Stimmbürger rein technisch unproblematisch. Aber auch dort hatte man schon seine Schwierigkeiten mit der Demokratie in Reinkultur. Die Idealvorstellung des Bürgers war das zoon politikon, also das politische Wesen, wörtlich übersetzt, was nichts anderes heißen will, als der Mensch, der sich um die Belange der Gemeinschaft kümmert. Das war aber offenbar nur eine Idealvorstellung, wie schon der Begriff des Idiotes zeigt, aus dem unser Fremdwort Idiot hergeleitet ist. Das war im Gegensatz zu den gewählten Amtsträgern, also den Leuten, die sich um das Gemeinwesen kümmerten, ein gewöhnlicher, niedriger Mann, auch in der Bedeutung ungelehrt, jemand dem Kunst und Wissenschaft fremd sind und was der negativen Eigenschaften mehr sind. Das waren also auch schon damals die Leute, die entweder überhaupt keinerlei Interesse an den Belangen der Gemeinschaft hatten, oder aber infolge ihrer Uninteressiertheit und Beschränktheit leicht zu manipulieren waren. Volksentscheide, wie die Verurteilung ihres größten Staatsmannes Perikles und ihres größten Philosophen Sokrates durch aus hunderten von wahlberechtigten Bürgern gebildeten Gremien oder der Ostrakismos, zu deutsch das Scherbengericht über Themistokles, den Sieger von Salamis, zeigen das ganze Elend der Volksherrschaft, wenn sie denn zur Herrschaft des Pöbels wird, zur Ochlokratie.

Politiker sind nur Vertreter der Wähler

Die repräsentative Demokratie, so wie sie sich zunächst in Großbritannien und dann in der übrigen abendländischen Welt entwickelt hat, wollte nicht zuletzt die Risiken minimieren, die in der reinen Volksherrschaft altgriechischen Musters begründet sind. Sie hat über Jahrhunderte lang sehr gut funktioniert und tut es im allgemeinen weltweit immer noch leidlich. Das Problem sind eben die Demokraten, die Träger aller Staatsgewalt, das Volk. Ist es träge, unwissend und uninteressiert, so gibt es am Wahltag nicht nur seine Stimme für seine Vertreter ab, sondern schickt auch seinen Verstand in Urlaub.

Die Demokratie braucht Demokraten

Kaum anders ist zu erklären, daß zum Beispiel nach den Umfragen derzeit nur 30 % der Deutschen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Landesregierungen für unangemessen halten. Dies, obwohl sie regelmäßig und reihenweise von den Gerichten verworfen werden, und obwohl es erfolgreiche andere Modelle des Pandemie-Managements gibt. Anders kann auch nicht erklärt werden, daß die Umfragen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, aber auch für die Bundestagswahl am 26. September die Regierungsparteien und die Grünen, die ja schon längst keine Opposition mehr sind, sondern Teil des Machtgefüges, mit traumhaften Mehrheiten ausstatten. Man kann getrost davon ausgehen, daß die weit überwiegende Mehrheit der Bürger schlicht und einfach glaubt, was Regierungsprecher, Tagesschausprecher und Zeitungsredakteure Ihnen berichten und erklären. Das Weltbild der Deutschen läßt sich 1 : 1 aus der Tagesschau extrahieren. Was dort nicht berichtet, dargestellt und kommentiert wird, existiert für die große Mehrheit der Deutschen eben nicht. So wird man kaum jemanden antreffen können, der von erfolgreichen alternativen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie überhaupt nur gehört hat. Kritische Wissenschaftler wie etwa Professor Streeck, der die Probleme ja keineswegs kleinredet, aber andere Lösungswege aufzeigt, kommen in den regierungstreuen Medien, und andere gibt es ja praktisch nicht, erst gar nicht vor. Das setzt sich fort in der Unkenntnis von Gesetzgebungsvorhaben, auch solche mit einem  kaum unglaublichen Irrsinnsfaktor wie etwa dem Gesetz zur Neuregelung des Geschlechtseintrags. Danach werden künftig Kinder ab 14 Jahren nach vorheriger „Beratung“ durch selbstverständlich der LBGTQ-Bewegung nahestehende Experten auf ihren Wunsch, gegebenenfalls auch gegen den Willen ihrer Eltern, mit einem anderen Geschlecht im Melderegister eingetragen werden, als mit dem sie geboren sind.

Man muß sich halt kümmern

Man mache einmal das Experiment, etwa Nachbarn oder Arbeitskollegen nach diesem Gesetzesvorhaben zu fragen, oder etwa zu fragen, was LBGTQ eigentlich heißt oder ist. In 99 % der Fälle wird die Antwort sein: weiß ich nicht. Und dann erklären Sie diesen Leuten, um was es sich dabei handelt. Die Leute werden es ihnen nicht glauben. In den Medien hört man davon nichts. Also wissen die Leute es auch nicht. In Bundestag und Bundesrat wird so etwas buchstäblich bei Nacht und Nebel entschieden, wenn die Tageschau schon längst vorbei ist, und auch kaum noch ein Journalist im Saale ist. Zwischen Politik und Medien besteht hier auch so eine artstillschweigendes Übereinkommen, das über derartiges doch besser nicht berichtet wird. Das Volk braucht so etwas nicht zu wissen. Das Volk hat das dann später schlicht hinzunehmen und sich auch solchen Gesetzen zu beugen.

Leute, gebraucht endlich euren Verstand!

Zur Klarstellung: das ist kein Fehler des Systems. Das demokratische System unseres Grundgesetzes ist gut und richtig. Das Problem ist die geistige Trägheit der Bürger. Falls bis hierher ein Freund der sogenannten geschlechtergerechten Sprache diesen Text gelesen hat: Nach überkommener und richtiger deutscher Grammatik sind Bürger selbstverständlich Menschen beiderlei Geschlechts, nach der neuesten Kapriole der politischen Klasse unseres Landes auch des dritten Geschlechts (divers). Als Demokrat kann man nichts anderes tun, als sich zu bemühen, Aufklärung zu leisten, insbesondere die träge Masse zu bewegen, so wie es als Motto über dem Eingangsportal der Führungsakademie der Bundeswehr steht: Mens agitat molem.


Oui, mais Il y a des juges a Cologne

Ja, aber es gibt noch Richter in Berlin, soll der Müller von Sanssouci Friedrich dem Großen zugerufen haben, als der dem verkaufsunwilligen Müller erklärt hatte, er könne ihm seine Mühle ja auch entschädigungslos wegnehmen. Daß es diese Richter in Berlin gab, zeigte dann ja auch der Ausgang des Prozesses zwischen dem Müller Arnold und dem Grafen von Schmettau, in das sich der König erfolglos zugunsten des Müllers eingemischt hatte. Die Richter blieben von den Weisungen des Königs unbeeindruckt. Es gibt gottlob auch in unserer Zeit immer noch diese unabhängigen Richter, auf die der Müller von Sanssouci seinen König aufmerksam machte um ihm damit auch zu bedeuten, daß selbst der Willkür eines Königs in einem Rechtsstaat Grenzen gesetzt sind. Entgegen aller modischen Verteufelung unserer Vergangenheit zeigt auch dieser Fall ebenso wie der des Müllers Arnold, daß Preußen durchaus ein Rechtsstaat war, wenn auch noch keine Demokratie.

Der Fall

Ja, es gibt noch Richter in Köln, und, worauf wir noch kommen werden, in Kassel. Doch der Reihe nach. Bekanntlich hält die politische Klasse in Deutschland die AfD für verfassungsfeindlich. Die Verfassungsschutzbehörden der Länder, und seit geraumer Zeit auch des Bundes, kommen dem nach und beobachten Untergliederungen dieser Partei, oder kündigen dergleichen an. Hinsichtlich der Partei als Ganzes hat nun, nachdem schon viel durchgesickert war, das Bundesamt für Verfassungsschutz durchsickern lassen, die Partei als Verdachtsfall zu beobachten. Dies, obwohl in einem anhängigen Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht Köln, in dem die AfD gegen diese Beobachtung durch den Verfassungsschutz klagt, ein Stillhalteabkommen geschlossen worden war, in welchem der Verfassungsschutz sich verpflichtet hatte, zumindest während der Dauer des Eilverfahrens die AfD nicht beobachten zu wollen, und dies auch nicht zu kommunizieren. Das hat man dann doch getan, und auf dem Weg über die sprichwörtlichen gut unterrichteten Kreise die Presse informiert. Man hat also die Zusage gegenüber dem Gericht und der Gegenpartei gebrochen, und genau das getan, was das Gericht möglicherweise später verbieten wird. Dafür stehen die Chancen nicht einmal schlecht.

Die Mißachtung des Gerichts

An dem Vorgang ist zunächst einmal bemerkenswert, daß die Exekutive, welcher das Bundesamt für Verfassungsschutz ja nun einmal nachgeordnet ist, es offenbar für völlig unerheblich hält, daß man einem Gericht zugesagt hat, sich in bestimmter Art und Weise zu verhalten. Dieser Vorgang ist ernst zu nehmen. Die Justiz ist die dritte Gewalt im klassischen Modell der Demokratie nach Montesquieu. So ist sie auch in unserer Verfassung ausgestaltet, und zwar mit der richterlichen Unabhängigkeit, die auch von keiner Verfassungsänderung angetastet werden kann. Anders als Regierung und Parlament verfügt sie allerdings nicht über Machtmittel wie Armee und Polizei, um ihre Entscheidungen gegebenenfalls gewaltsam durchzusetzen. Allein ihre in Jahrhunderten gewachsene Autorität, abgesichert durch die geschriebene Verfassung, garantiert, daß ihre Entscheidungen auch von allen Bürgern, aber auch Exekutive und Legislative befolgt werden. Das ist der Konsens der Demokraten.

Gerichte sind zu respektieren, auch von der Politik

Und das gilt ganz unabhängig davon, welche Instanz im konkreten Falle entscheidet, sei es das Bundesverfassungsgericht oder ein Amtsgericht im bayerischen Wald. Und das gilt ganz unabhängig davon, ob ein Kollegium von Professoren in Richterrobe oder eine gerade erst zur Richterin bestellte junge Dame von 25 Jahren amtiert. So ist es im vorliegenden Falle gleichgültig, ob das Verwaltungsgericht Köln in Gestalt einer Kammer mit drei Berufsrichtern und zwei lebenserfahrenen Laienrichtern entscheidet, oder ob die eben apostrophierte junge Assessorin den Fall zu entscheiden hat. Jeder in unserem Land, vom Bundespräsidenten angefangen bis zum Bettler, vom Milliardär bis zum Hilfsarbeiter, jeder hat das zu respektieren.

Der Zweck heiligt die Mittel, und seien sie noch so dreckig

Im vorliegenden Falle indessen hat ganz offensichtlich die Politik in Gestalt der Bundeskanzlerin und des Bundesinnenministers Druck auf das Bundesamt für Verfassungsschutz und seinen Präsidenten ausgeübt, damit endlich die verhasste AfD in der Öffentlichkeit als verfassungsfeindliche Partei bloßgestellt werden kann. Schließlich geht es um die Aussichten aller politischen Parteien in den Parlamentswahlen dieses Jahres, beginnend am 14. März in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz und endend am 26. September mit der Bundestagswahl. Die Wähler sollen eben davon abgehalten werden, diese Partei zu wählen. Diese Wählerstimmen will man lieber selbst bekommen. Nachdem man seit Jahren diese Partei als angebliche Verfassungsfeindin darstellt, selbstverständlich unterstützt durch die Medien, weiter unterstützt von Kirchen, Gewerkschaften und der sogenannten Zivilgesellschaft, nachdem man das seit Jahren so zelebriert, darf es einfach nicht sein, daß diese Partei in einem Wahljahr am politischen Wettbewerb unbehelligt teilnehmen kann. Wenn schon ein Verbot durch das Bundesverfassungsgericht nicht erreichbar ist, dann muß wenigstens die öffentliche Verurteilung erfolgen. Und dazu gehört die Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden, natürlich nicht still und heimlich, sondern in aller Öffentlichkeit und möglichst bei jeder sich passenden Gelegenheit der Hinweis darauf. Und deswegen ist es offenbar völlig gleichgültig, ob hier die Würde der Justiz mit Füßen getreten wird oder nicht. Allein das höhere Ziel ist maßgebend, der Zweck heiligt die Mittel.

Der Knappe wird seinen Lohn erhalten

Normalerweise müsste ein Verfassungsschutzpräsident seinen Hut nehmen, wenn seine Behörde sich so verhält wie geschehen und eine Absprache mit der Gegenseite und Zusage gegenüber dem Gericht einfach bricht. Das müsste er auch dann, wenn er selbst das nicht angeordnet hätte, sondern nachgeordnete Mitarbeiter dies eigenmächtig getan hätten. Denn dann würde man mit Recht sagen, daß er seine Behörde nicht im Griff hat. Gerade von einem Geheimdienst sollte man erwarten können, daß dort Dinge geheim bleiben können. Allerdings geht auch das Verwaltungsgericht Köln offenbar davon aus, daß hier die Behörde durchaus bewußt interne Entscheidungen „durchgestochen“ und entsprechende Informationen an die Medien gegeben hat. Darunter auch, was ebenfalls skandalös ist, die Weitergabe des Schriftsatzes mit dem eigenen Prozessvortrag im Verfahren. Unter Richtern und Anwälten ist es unstreitig, daß es sich bei den Prozessakten um vertrauliche Interna handelt. Doch hier gelten offenbar andere Maßstäbe. Deswegen wird Herr Dr. Haldenwang sein Amt behalten. Er hat sich ja als getreuer Knappe seines Herrn gezeigt. Das verdient Belohnung und nicht Entlassung.

Der Schuß wird nach hinten losgehen

Nach Sachlage dürfte aber auch die Prüfung des Vorwurfs der Verfassungsfeindlichkeit zu dem Ergebnis führen, daß dieser Vorwurf nicht begründet ist, allenfalls gegen einzelne Personen aus dieser Partei. Damit wird dann gerichtlich den pauschalen und deswegen leider sehr öffentlichkeitswirksamen Vorwürfen der Verfassungsfeindlichkeit die Spitze genommen werden. Eine Vorahnung davon bekommt man, wenn man weiß, daß der Hessische Verwaltungsgerichtshof erst vor wenigen Tagen dem Verfassungsschutz dieses Bundeslandes untersagt hat zu behaupten, in der hessischen AfD gebe es bis zu 600 oder gar exakt 600 rechtsradikale Mitglieder, die zum ehemaligen „Flügel“ der Partei gehörten. Das Gericht konnte nach Sachprüfung nicht feststellen, daß dieser Vorwurf zu Recht erhoben worden ist. Denn er war offenbar ohne sachliche Grundlage.

Wir wissen nun…

Es bleibt abzuwarten, wie diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln von den regierungstreuen Medien behandelt werden wird. Sie wird sich nicht genauso  kleinreden und unter der Rubrik „ferner ist passiert“ einsortieren lassen, wie die erwähnte Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs. Wer die Dinge in unserem Lande aufmerksam beobachtet, der wird nicht umhin kommen festzustellen, daß gerade diejenigen, die mit den Fingern auf andere zeigen und sie als Verfassungsfeinde beschimpfen, selbst die Verfassung mit anmaßender Selbstherrlichkeit brechen. Denn nichts anderes geschieht, wenn die Exekutive ein Gericht derartig missachtet, wie das im vorliegenden Falle geschehen ist. Aber man weiß nun, wo jedenfalls auch Verfassungsfeinde sitzen. Sie sitzen eben nicht nur in rauchgeschwängerten Kneipen und hören  Rechtsrock. Sie sitzen auch an den Schreibtischen von Ministern und Verfassungsschutzpräsidenten.