Archiv für den Monat: August 2015

Die Multikulti Nation

Der rapide anschwellende Zustrom (Flut ist politisch nicht korrekt) von Zuwanderern, seien es Asylsuchende, Bürgerkriegsflüchtlinge oder Leute, die bei uns ihr Glück machen wollen, gemeinhin Wirtschaftsmigranten genannt, beherrscht die Schlagzeilen und Leitartikel der Tagespresse ebenso wie die Nachrichtensendungen und politischen Magazine der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. Inzwischen schimmert auch schon bei dem ein oder anderen Politiker so etwas wie der Ernst der Lage, zumeist aber schlicht Ratlosigkeit durch. Man wurstelt eben vor sich hin und reagiert auf die aktuelle Situation mit immer neuen Aufnahmeeinrichtungen und immer eindringlicheren Appellen an die Bürger, alle diese Leute willkommen zu heißen und Großmut zu zeigen.

Eine neue Qualität hat nun der Bundespräsident in die Debatte gebracht. Jüngst hat er in einem Interview mit dem Bonner Generalanzeiger auf die Frage, ob Flüchtlinge und Zuwanderer auch eine Chance für Deutschland seien, geantwortet:  „Ich sehe das so, ja. Und ich glaube, daß die Diskussion über die Chancen der Zuwanderung an Fahrt gewinnen wird, wenn sich noch mehr Menschen als bisher von dem Bild einer Nation lösen, die sehr homogen ist, in der fast alle Menschen Deutsch als Muttersprache haben, überwiegend christlich sind und hellhäutig… Ich meine, wir müssen Nation neu definieren: als eine Gemeinschaft der Verschiedenen, die allerdings eine gemeinsame Wertebasis zu akzeptieren hat.“ Gauck fordert also allen Ernstes, daß wir uns nicht mehr als Nation in dem Sinne begreifen sollen, der dieser Vokabel sowohl etymologisch (sprachlich) als auch inhaltlich innewohnt. Sprachlich ist das eigentlich völlig unstrittig. Das lateinische Wort „natio“ deckt das Begriffsfeld Geburt, Abstammung, Volksstamm, Volk ab. Deswegen konnte beispielsweise noch der Große Brockhaus in seiner 16. Aufl., erschienen während der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, definieren: „Volk, ein altes germanisches Wort, das in sehr vielfältigen, zum Teil sich durchkreuzenden Bedeutungen gebraucht wird, die sich aus dem Begriffswandel im Laufe von Jahrhunderten ergeben. Im politischen Sprachgebrauch sowie im geschichtlichen Sinn ist Volk im wesentlichen gleichbedeutend mit Nation. Ein Volk ist durch gemeinsame geistige und kulturelle Entwicklung, in die das Erbe von Generationen eingegangen ist meist – aber nicht notwendig, zum Beispiel die Schweiz – durch eine gemeinsame Sprache verbunden; dazu tritt in steigendem Maße das Streben nach politischer Einheit.“ Und die Nation wird im Großen Brockhaus damals noch sprachlich in der Tat vom lateinischen natio, also Volk, Volksstamm, von nasci = geboren werden, abgeleitet. „Der Begriff ist seit dem 14. Jahrhundert gebräuchlich für das in einem Land „erborene“ Volk. Die durch Einheit der Sprache und Kulturüberlieferung bestimmte Kulturnation ist unabhängig von staatlichen Grenzen, während die Staatsnation durch die gemeinsame staatlich-politische Entwicklung geformt ist. Seit dem 18. Jahrhundert entwickelte sich die Nation zum Kernbegriff des staatlich-politischen Denkens.“

Im Grundsatzprogramm der CDU aus dem Jahre 1954 ist zu lesen: „Der Mensch wächst aus der Gemeinschaft von Mann und Frau. Sie bilden die Familie. Die Familie weitet sich aus zur Sippe, Gemeinde, und schließlich zum Stamm und Volk. Das Wesensmerkmal des Volkes besteht also nicht in einer quantitativen Vielheit von Menschen. Das wäre Masse. Volk ist mehr. Volk ist eine qualitative Vielheit von Menschen mit folgenden Übereinstimmungen: Sie haben eine Blutsverwandtschaft, sie leben in einem bestimmten Raum, sie sprechen dieselbe Sprache, unter Umständen und in den meisten Fällen haben sie auch die gleiche Geschichte.“ Und noch die weichgespülte Version des Parteiprogramms von 2007 führte dazu aus: „Der Zusammenhalt unserer Gesellschaft hat sein Fundament in unserer Zusammengehörigkeit als Nation. Unsere gemeinsame Sprache, unsere Geschichte sowie das Leben und Handeln in einem wiedervereinten Nationalstaat begründen ein patriotisches Zusammengehörigkeitsgefühl. Wir bekennen uns zu unserer schwarz-rot-goldenen Fahne und zu unserer Nationalhymne als Symbole unserer Demokratie. Die Nation ist eine Verantwortungsgemeinschaft für die Vergangenheit, für die Gegenwart und für die Gestaltung der Zukunft. Jeder, der zu uns kommt und auf Dauer bei uns bleiben will, ist aufgefordert, sich mit diesem Land und seiner Geschichte vertraut zu machen und dadurch seinen Platz im Land zu finden.“

Das alles ist, ohne es so zu definieren und darüber zu reflektieren, die Wahrnehmung der allermeisten von uns. Warum auch sonst fallen sich einander wildfremde Deutsche in die Arme, wenn ihre Fußball-Nationalmannschaft den Weltmeistertitel erringt? Warum ziehen die allermeisten von uns im alltäglichen Leben die gewohnten Speisen vor, auch wenn sie gerne mal Italienisch oder chinesisch essen? Warum konzentriert sich das Mitleid für die Opfer von Naturkatastrophen, Flugzeugabstürzen oder Terroranschlägen grundsätzlich auf die eigenen Landsleute? Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen.

Die offenbar von Gauck, aber auch so manchen anderen Angehörigen der politisch-medialen Klasse propagierte Ausweitung, besser: Ersetzung, des Nationenbegriffs durch eine „Gemeinschaft der Verschiedenen“ ist bei Lichte besehen nichts anderes als die Kopfgeburt einer blutleeren Intellektuellenkaste. Weder die Geschichte, noch die Wirklichkeit geben den stümperhaften Architekten dieses Nationenkonstrukts Recht. Vielmehr zeigt die Erfahrung, daß nur diejenigen Staaten, deren Staatsvolk im wesentlichen homogen war und ist, auf Dauer ungefährdet und harmonisch existieren können. Um nur wenige Beispiele aufzuzählen, seien etwa Finnland, Portugal, Norwegen, Ungarn oder Japan genannt. Vielvölkerstaaten indessen sind regelmäßig gerade an den Konflikten gescheitert, die aus dem Nebeneinander verschiedener Nationen zwangsläufig entstehen. Das vielgerühmte Beispiel der k. und k. Donaumonarchie zeigt, daß dieses Staatswesen nur so lange Bestand haben konnte, wie die führende und beherrschende Nation das ganze zusammen halten konnte. Von einem gleichberechtigten Nebeneinander der verschiedenen Staatsvölker konnte nicht die Rede sein. Vielmehr dominierte der deutsche Anteil, genauer gesagt, das deutsch-österreichische Volk, die übrigen Völker. Auch der spanische Teil der Habsburger Monarchie konnte auf Dauer die Autonomiebestrebungen zum Beispiel der Niederländer, aber auch ihrer überseeischen Kolonien, nicht unterdrücken. China, das bei Lichte besehen durchaus ein Vielvölkerstaat ist (Tibeter, Uiguren, Mandschu, Mongolen) funktioniert nicht nur wegen seiner diktatorischen Staatsform, sondern auch deswegen, weil das Mehrheitsvolk der Han-Chinesen auch quantitativ von erdrückender Dominanz ist. Von dem Vielvölkerstaat Sowjetunion, der nach dem Zusammenbruch des Kommunismus nicht mehr zu halten war und seinem Nachfolgestaat Rußland, der mit seinen ethnischen Minderheiten massive Probleme hat, wollen wir erst gar nicht reden. Ebensowenig von dem multiethnischen Jugoslawien, das nur von der eisernen Faust Titos zusammengehalten werden konnte.  Das hochgelobte Beispiel der USA ist eine nähere Betrachtung wert. Zunächst einmal muß gesehen werden, daß die weißen Einwanderer nach fast vollständiger Ausrottung der Ureinwohner in der Tat ein neues Volk gebildet haben. Das war im wesentlichen angelsächsisch-deutschen Ursprungs. Massive Probleme traten jedoch auf, als in großem Umfang Schwarzafrikaner hinzukamen, und zwar nicht nur deswegen, weil sie zunächst Sklaven waren. Weitere Probleme traten mit der massiven Zuwanderung sogenannter Latinos aus Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern auf. Man wird nicht ernsthaft bestreiten können, daß die USA bis heute mit Rassenunruhen und ethnischen Konflikten zu kämpfen haben. Konflikte, die in einem Staat mit homogener Bevölkerung erst gar nicht entstehen.

Die naive Vorstellung Gaucks von einer Gemeinschaft der Verschiedenen läßt völlig außer acht, daß mit der derzeitigen massenhaften Zuwanderung von Menschen aus völlig fremden Kulturkreisen Probleme entstehen, die keinen Vergleich mit der in der Tat massenhaften Zuwanderung von Flüchtlingen und Vertriebenen in unser Land nach 1945 aushalten. Kamen damals Menschen aus dem eigenen Volk, mit der gleichen Sprache und Kultur, mit der gleichen Geschichte und Religion, so trifft das alles auf die derzeitige Zuwanderung nicht zu. Vertriebene aus Ostpreußen etwa mußten nicht erst Deutsch lernen, mußten sich nicht erst den deutschen Sitten und Gebräuche anpassen und brachten auch keine andere Religion mit. Demgegenüber handelt es sich bei nahezu allen heutigen Zuwanderern um solche, die nicht nur anders aussehen, als die einheimische Wohnbevölkerung, die nicht nur eine völlig fremde Sprache (mit Englisch oder Französisch käme man ja noch zurecht) als die einheimische Wohnbevölkerung sprechen, die nicht nur aus der Sicht der einheimischen Wohnbevölkerung zum Teil merkwürdige, zum Teil unverständliche und der eigenen Kultur diametral entgegengesetzte Überzeugungen und Verhaltensweisen mitbringen, wie etwa ein extrem patriarchalisches Familienverständnis, und die auch häufig religiösen Vorstellungen anhängen, die nicht nur unseren Wertvorstellungen und Alltagsbräuchen, sondern vielfach auch unseren Gesetzen diametral entgegengesetzt sind. Hinzu kommt, daß diese neuen Bevölkerungsgruppen insbesondere dann, wenn sie über eine gewisse Zahl verfügen, dazu neigen, sich abzukoppeln und Parallelgesellschaften zu bilden. Wir können doch nicht darüber hinwegsehen, daß etwa der Prozentsatz der Türken in zweiter, dritter und vierter Generation, die Ehepartner außerhalb ihrer Ethnie wählen, nach wie vor im geringen einstelligen Bereich verharrt. Man kann nicht ernsthaft behaupten, der in Deutschland real gelebte Islam füge sich problemlos in das Alltagsleben der Deutschen ein. Vielmehr erscheint nach wie vor den allermeisten Deutschen diese Religion fremdartig, ja unwillkommen. Kleidungsvorschriften, die junge Frauen schlicht verunstalten, Speisevorschriften, die mit dem Alltagsleben der Deutschen nicht vereinbar sind, die offen gelebte Ungleichheit von Männern und Frauen, das alles wird doch nicht etwa von der deutschen Mehrheit freudig begrüßt. Demgegenüber war beispielsweise die Integration der Hugenotten im 17. Jahrhundert kein Problem. Es handelte sich bei ihnen nun einmal auch um christliche, hellhäutige Menschen, wie Gauck das ausdrückt, mit einer Kultur – der französischen – die der deutschen doch sehr ähnlich war.

Die Gauck’sche Vorstellung eines Multikulti-Staatsvolks muß schon deswegen scheitern, weil mit Sicherheit die gemeinsame Wertebasis, von der er spricht, nicht entstehen wird, es sei denn, wir Deutschen geben unsere liberalen und rechtsstaatlichen Vorstellungen weitgehend auf. Denn insbesondere Zuwanderer aus islamischen Gesellschaften sind regelmäßig nicht bereit, ihre Wertvorstellungen zugunsten der von ihnen als dekadent empfundenen westlichen Werte aufzugeben. Daran ändern auch die wenigen Verfassungspatrioten, die man auch unter den Abkömmlingen von Zuwanderern bisweilen antrifft, gar nichts. Wer mit offenen Augen durch dieses Land geht, der wird diese Gauck’sche Idee als Hirngespinst abtun. Aber vielleicht führt der Dissens in der Wahrnehmung des Zuwanderungsproblems zwischen Regierenden und Regierten zu der Erkenntnis, die Bertolt Brecht im Jahre 1953 formuliert hat: „Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“ Der Gauck’sche Vorschlag läuft genau darauf hinaus.

Willkommenskultur

Der Strom von Flüchtlingen, Asylbewerbern und, sagen wir einmal, Wirtschaftsmigranten schwillt in einem ungeahnten Ausmaß an. Behörden kommen mit der Einrichtung von Unterkünften und Sammellagern nicht nach. Turnhallen werden zur Unterbringung von Flüchtlingen benutzt mit der Folge, daß voraussichtlich auf lange Zeit der Sportunterricht in den Schulen ausfallen wird, und Sportvereine auf die Nutzung dieser Hallen verzichten müssen. Die Kosten für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge gehen bereits in die Milliarden. Die Verwaltungsgerichte kommen mit der Bearbeitung von Asylverfahren nicht mehr nach. Deswegen müssen andere Verfahren, etwa wegen Baugenehmigungen, liegen bleiben. Die Juristische Bewältigung der Schleuserkriminalität beginnt Staatsanwaltschaften und Amtsgerichte zu überfordern.

Politik, Kirchen und Medien werden indessen nicht müde, von den Bürgern eine „Willkommenskultur“ einzufordern. Will heißen, wir sollen auf vieles verzichten und Zustände dulden, die in den Ländern herrschen, welche die Flüchtlinge aus welchen Gründen auch immer verlassen haben. Es ist also an der Zeit, sich kritisch damit auseinanderzusetzen, was hier eigentlich abläuft, und was von uns letztendlich verlangt wird.

Zunächst einmal frage ich mich doch, warum ich Leute willkommen heißen soll, die ich nicht eingeladen habe. Natürlich steht es außer Frage, daß jeder Mensch, der sich legal oder illegal in unserem Lande aufhält, einen Rechtsanspruch auf Sicherung der wesentlichen Lebensgrundlagen hat. Das bedeutet, ein Dach über dem Kopf, ausreichende Ernährung und notwendige medizinische Versorgung. Das bedeutet natürlich auch einen korrekten Umgang mit diesen Menschen einschließlich der Wahrung der bei uns üblichen höflichen Umgangsformen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Über das Strafgesetzbuch sollte man in diesem Zusammenhang erst gar nicht reden müssen. Wer etwa zum Haß auf Asylbewerber oder andere Flüchtlinge aufruft, oder dem sogar Taten in Form von Brandstiftungen folgen läßt, stellt sich als Straftäter außerhalb der Gesellschaft.

Gerade die ungeheure und weiter anschwellende Zahl der Flüchtlinge muß uns jedoch zu denken geben. Zwar gebietet Art. 16 a des Grundgesetzes, daß Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge von uns aufzunehmen sind. Indessen steht auch dieses Grundrecht unter dem Vorbehalt der sonstigen Gesetze. So ist es ja ausdrücklich zulässig, gewisse Quotenregeln, auch in internationalen Verträgen, zu statuieren. Ein Blick über die Grenzen zeigt allerdings auch, daß längst nicht alle europäischen Staaten – von der übrigen Welt soll an dieser Stelle einmal keine Rede sein, – bereit sind, Flüchtlinge in größerer Zahl aufzunehmen. Manche wollen das überhaupt nicht. Man kann auch nicht sagen, daß es sich dabei um undemokratische Unrechtssysteme handelt. Vielmehr handelt es sich um geachtete Mitglieder der internationalen Gemeinschaft. Das wirft die Frage auf, ob es tatsächlich zu den menschenrechtlichen Standards gehört, uneingeschränkt oder doch in großem Umfang Asyl zu gewähren und Bürgerkriegsflüchtlinge aufzunehmen. Auch wenn Deutschland diese Verpflichtung in seine Verfassung aufgenommen hat und durchaus großzügig handhabt, so muß doch geprüft werden, ob dies auch dann noch Geltung beanspruchen muß, wenn sich die tatsächlichen Grundlagen, auf denen eine solche Rechtsgewährung beschlossen worden ist, so massiv verändert haben, wie das derzeit der Fall ist. Der Vorbehalt der clausula rebus sic stantibus (unter den gegebenen Umständen) gehört ja nun einmal zu den juristischen Grundlagen ebenso wie der Rechtssatz, daß Verträge nach dem Grundsatz von Treu und Glauben auszulegen sind. Dies gilt umso mehr, wenn es durchaus möglich ist, das Vorliegen von Asyl-und Fluchtgründen bereits in der geographischen Nähe der jeweiligen Heimatländer zu prüfen. Dies setzt die Schaffung entsprechender Einrichtungen dort voraus, allerdings auch den Willen der Staatengemeinschaft, dies durchzusetzen. Und wer sagt denn, daß man vor Verfolgung erst sicher ist, wenn man ein Dutzend Länder durchquert hat? Wird man etwa als Eritreer auch in Ägypten verfolgt? Als Syrer auch in Saudi-Arabien? Auch ist es möglich, etwa Bootsflüchtlinge im Mittelmeerraum nach ihrer Rettung nicht etwa nach Norden in die Zielländer, sondern nach Süden in die Herkunftsländer zu verbringen. Denn damit würde den Schleuserorganisationen ihr Geschäft verdorben, anstatt es wie derzeit zu fördern. Heute ist es doch so, daß Flüchtlinge, die ein Schlauchboot an der libyischen Küste besteigen, sich sicher sein können, auch in Italien anzukommen. Entweder schaffen sie es selbst, oder sie werden von Schiffen der italienischen Küstenwache bzw. diverser NATO-Staaten, darunter Deutschland, in Italien an Land gebracht und betreut. Danach erfolgt die Weiterreise nach Deutschland.

Was wirklich auf uns zukommt, erfährt man ja auch ungeschminkt aus dem Munde der Schleuser. O-Ton eines Schleusers, der bei Passau aufgegriffen worden ist: „Was wollt ihr, wir sind tausende und wir scheißen euch mit Flüchtlingen zu!“ Der Mann hat unreflektiert und drastisch zwei Grundtatsachen benannt. Zum einen die Schlagkraft der Schleuserorganisationen, vor der die Polizeibehörden der Zielländer schon längst kapituliert haben, und den Zustrom der Flüchtlinge nur noch kanalisieren. Zum anderen die ungeheure Zahl der Flüchtlinge, die unsere Gesellschaft bei weitem überfordert. Wir stehen vor der Wahl, entweder unsere Lebensstandards im wesentlichen zu halten, oder aber im Sinne eines immer selbstloseren Teilens unsere Lebensverhältnisse denen in den Herkunftsländern anzunähern. Darüber wird zu reden und zu entscheiden sein.

Kampf um die Pressefreiheit oder politische Kabale?

Die Affäre um den blog netzpolitik.org erhitzt weiterhin die Gemüter. Inzwischen wurde der Generalbundesanwalt vom Bundesminister der Justiz in den einstweiligen Ruhestand versetzt, volkstümlich gesprochen: gefeuert. Die Wogen gehen hoch. Von einem selbstverständlich unerhörten Angriff auf die Pressefreiheit, dieses gewissermaßen konstituierende Grundrecht in einem demokratischen Rechtsstaat, wird landauf. landab geschrieben und gesendet, und man sieht förmlich die Unterlippe des empörten Kommentators vor Erregung beben. Man ergeht sich in – wohlfeilen – Verdammungen des Verfassungsschutzpräsidenten, der ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten von netzpolitik. org angeregt hat, und noch mehr des inzwischen geschassten Generalbundesanwalts. So gut wie keine Rede ist davon, was denn eigentlich rechtlich inmitten liegt.

Ausgangspunkt war eine Veröffentlichung der beiden Blogger, die vertrauliche, möglicherweise unter Geheimschutz stehende Papiere des Verfassungsschutzes jedermann zum Mitlesen präsentiert hatten. Die Frage, ob dies tatsächlich strafbarer Landesverrat (§ 94 StGB) gewesen sein könnte, interessiert offenbar niemanden. Zur Erinnerung: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte diesen Vorgang dem Generalbundesanwalt vorgelegt und angeregt zu prüfen, ob hier strafbarer Landesverrat vorliege. Das ist auch seines Amtes. Ebenso war der Generalbundesanwalt verpflichtet, zumindest strafrechtliche Vorermittlungen einzuleiten, was er auch erst einmal getan hat. Nachdem sich in den Medien ein Sturm der Entrüstung erhoben hatte, bekam es der Bundesjustizminister offenbar mit der Angst und machte von seinem Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt in der Weise Gebrauch, daß er die Einstellung der Ermittlungen verlangte. Die weiteren Einzelheiten sind bekanntlich strittig. Es ist auch relativ gleichgültig, ob und welche Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben worden sind, und zu welchem Ergebnis dem Vernehmen nach der ein oder andere Gutachter gelangt sein soll. Entscheidend ist vielmehr, daß die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen wegen irgend eines Sachverhaltes ein völlig normaler Vorgang ist. Die Staatsanwaltschaft ist eben verpflichtet, solche Ermittlungen anzustellen, sobald ihr eine Strafanzeige vorgelegt oder auch nur ein Vorgang mit der Anregung vorgelegt wird, dessen strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, daß die Staatsanwaltschaft diesen Vorgang dann auch zur Anklage bringt. Vielmehr kommt es nicht selten vor, daß die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt, weil ihres Erachtens kein Tatverdacht besteht, § 170 Abs. 2 StPO. Und selbst wenn sie zu dem Ergebnis kommt, es liege eine strafbare Handlung vor und deswegen Anklage zum zuständigen Gericht erhebt, ist damit noch lange nicht gesagt, daß es auch zu einer Verurteilung kommt. Nicht selten ist ein Gericht dann der Auffassung, es liege eben keine strafbare Handlung vor, anders als die Staatsanwaltschaft meint. Also handelt es sich in jedem Falle um einen völlig normalen Vorgang, den unsere Rechtsordnung so vorsieht. Amerikanisch-flapsig ausgedrückt: So what?!  An Recht und Gesetz gebundene Staatsanwälte und unabhängige Richter sind dazu berufen, über die Strafbarkeit oder Unbedenklichkeit der Handlungen von Bürgern zu befinden. Insbesondere liegt weder in der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens noch in der Durchführung eines Strafprozesses etwas ehrenrühriges. Das ist erst dann der Fall, wenn es zu einer Verurteilung kommt, und dann auch zu Recht.

Das sind alles Binsenweisheiten, und wäre nicht der Rede wert, gäbe es diesen Vorgang nicht. Erst der von Politikern und Journalisten fälschlich als solcher bezeichnete Angriff auf die Pressefreiheit hat diesen Sturm im Wasserglas ausgelöst. Dabei war man sich von taz bis SPIEGEL, von Süddeutscher Zeitung bis WAZ, von ARD bis ZDF nicht zu schade, Parallelen zur SPIEGEL-Affäre von 1962 zu ziehen und vom Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat zu faseln. Tatsächlich handelt es sich nur um eine politische Kabale.

Was dieser Geschichte allerdings einen bitteren Beigeschmack gibt, ist der Umstand, daß hier ganz offensichtlich geworden ist, wie in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird. Man stelle sich nur einen kurzen Augenblick lang vor, bei den Betreibern von netzpolitik.org hätte sich nicht um linksdrehende Journalisten gehandelt, (ein Prädikat, das wohl nicht bezweifelt werden kann) sondern um Journalisten aus dem konservativen oder gar rechten demokratischen Spektrum. Letzteres gibt es entgegen der Propaganda von linksdrehenden Journalisten und Politikern durchaus. Maßstab ist nämlich alleine die Verfassung, die auch Raum für Auffassungen rechts von den Unionsparteien, aber links von der vermutlich verfassungsfeindlichen (was noch nicht gerichtlich entschieden ist) NPD läßt. Hätte also der Generalbundesanwalt gegen Journalisten aus diesem sehr schmalen Sektor der Publizistik ermittelt, so hätte er sich des einhelligen Beifalls von Politik und Medien sicher sein können. Die politisch korrekten Journalisten und ihre politischen Schirmherren (-und Damen natürlich, die hysterische Doppelnull mit der Lizenz zum Dummschwätzen aus Augsburg vorneweg) hätten sich nicht eingekriegt vor Begeisterung darüber, daß die Justiz endlich nicht mehr auf dem rechten Auge blind ist.

Wer glaubt, daß sich dabei doch nur um eine Fiktion oder einen Fantasy-Roman handelt, der irrt. Anfang dieses Jahrhunderts ermittelte das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen gegen die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und erwähnte das in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten. Damit waren das Blatt und seine Redakteure an den Pranger gestellt. Die klagten dann dagegen und bekamen im Jahr 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht Recht. Die Verfassungsrichter fanden sehr deutliche Worte für das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Verfassungsschützer. Allerdings blieb dieser Vorgang in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, weil Politik und Medien darüber den Mantel des Schweigens gebreitet hatten. Lediglich wirkliche Leuchten des Journalismus wie Peter Scholl-Latour und Helmut Markwort warfen sich für ihre Berliner Kollegen in die Schanze.

Was für die Willensbildung in der Demokratie dabei bedenklich ist, ist eben der Umstand, daß die große Masse der Bürger über solche Vorgänge und ihre Hintergründe nicht oder nur irreführend informiert wird, wie der vorliegende Fall netzpolitik.org zeigt.Wer sich nur aus den Tageszeitungen, auflagenstarken Wochenzeitungen sowie Rundfunk und Fernsehen informiert, wird desinformiert. Und das betrifft leider die große Masse der arbeitenden und steuerzahlenden Bürger. Sie werden von Politik und Medien gezielt in die Irre geführt. Der Demokratie ist das alles andere als förderlich.