Die Süddeutsche war’s, die meinte, Nazi-Umtriebe Aiwangers aufdecken zu müssen. Vielleicht ist man in diesem Punkt so beflissen, weil man sich selber davon vielleicht nur mühsam freigeschwommen hat? Jedenfalls legt das der abgebildete Dachbodenfund nahe. Man hatte da nach dem Krieg wohl ein Problem…
Archiv für den Monat: August 2023
Zweierlei Maß
Wir erleben derzeit ein Schauspiel auf der politischen Bühne, von dem wir noch nicht ganz genau wissen, ob man es als Posse oder Skandal einordnen muß. Die Rede ist von der sogenannten Flugblattaffäre um den bayerischen Politiker Hubert Aiwanger.
Der Sachverhalt
Zunächst einmal ist es immer hilfreich, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Und das können immer nur die wirklich feststehenden Tatsachen sein, insbesondere das, was der jeweils Beschuldigte bzw. an den Pranger gestellte einräumt, jedenfalls wenn nicht das Gegenteil mit gerichtsfesten Beweisen vorgetragen wird. Demnach hat der ältere Bruder des Politikers vor 35 Jahren ein Flugblatt verfasst und vervielfältigt, dessen Inhalt vor widerwärtigen antisemitischen Phrasen nur so strotzt. Der Text ist weithin öffentlich bekannt, sodaß er hier nicht wiederholt werden muß. Der Vorgang ist nun von einer oder mehreren anonym gebliebenen Personen über die Süddeutsche Zeitung an die Öffentlichkeit getragen worden. Zufällig wird in Bayern am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt und jetzt, sechs Wochen vorher, beginnt eben die heiße Phase des Wahlkampfs. Honi soit qui mal y pense. Natürlich haben sich sowohl der Politiker als auch sein Bruder entschieden von diesen Text distanziert.
Somit muß von einem Sachverhalt ausgegangen werden, wonach eine aktive Beteiligung des Politikers an dem Vorgang ausscheidet. Er hat allenfalls, soweit man das nach 35 Jahren überhaupt noch seinem Gedächtnis zuverlässig entnehmen kann, eine oder mehrere Kopien dieses Pamphlets in seiner Schultasche gehabt. Wie und aus welchem Grunde sie dort hinein gelangt sind, kann man heute nicht mehr feststellen. Spekulationen darüber werden indessen phantasievoll angestellt, wenig überraschend vom politischen Gegner und seiner Journaille, zu der natürlich die Süddeutsche Zeitung gehört. Vor allem muß man es auch beiden Herren abnehmen, daß sie sich wie hoffentlich jeder von uns auch persönlich weiter entwickelt haben und nicht auf der Stufe des unreifen Jugendlichen stehen geblieben sind. Auch das muß man wohl gewissen Politikern und Medienschaffenden in Erinnerung rufen. Zumal sie das in anderem Zusammenhang Politikern aus dem eigenen Lager gerne zubilligen, wie wir noch sehen werden.
Von Rechts wegen…
Natürlich muß bei einem solchen Sachverhalt auch die rechtliche Prüfung erfolgen. Nicht behandelt werden muß an dieser Stelle, daß die Verdachtsberichterstattung der Süddeutschen Zeitung angesichts der Substanzlosigkeit des Vorwurfs glatt rechtswidrig ist. Damit werden sich hoffentlich die Gerichte befassen müssen. Der Text dieses Flugblattes erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 StGB. Täter im Sinne dieser Vorschrift ist allerdings nur, wer einen solchen Text verfasst und/oder verbreitet. Beides trifft auf den Politiker Aiwanger nicht zu. Somit müssen wir auf der Grundlage des bekannten Sachverhalts als Zwischenergebnis festhalten, daß sich Herr Aiwanger nicht strafbar gemacht hat. Zur rechtlichen Einordnung ist indessen weiter hilfreich, gewissermaßen hilfsweise zu prüfen, was denn hätte geschehen müssen, wenn damals der 16-jährige Hubert Aiwanger wegen dieser Tat angeklagt worden wäre. Natürlich wäre Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen. Der bis dahin offensichtlich strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Jugendliche hätte vielleicht Jugendarrest bzw. eine Auflage, gemeinnützige Arbeit zu leisten, bekommen. Letztere hätte aus erzieherischen Gründen etwa darin bestehen können, Hilfsdienste bei der Instandhaltung und Pflege einer der KZ-Gedenkstätten zu leisten, um dem ausweislich seiner Tat offensichtlich unreifen Jugendlichen vor Augen zu führen, mit welchem Entsetzen er Scherz getrieben hat. Zu bemerken ist ferner, daß eine solche Straftat auch nach fünf Jahren verjährt. Wer auch immer der Täter war, seine Tat ist seit Ablauf des Jahres 1993, also seit 30 Jahren, verjährt.
Der Blick nach links
Wenn wir uns schon mit politischen Jugendsünden von Politikern befassen, dann müssen wir in alle Richtungen der politischen Landschaft schauen. Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler werden grob dem konservativen Lager, also politikwissenschaftlich mitte/rechts eingeordnet. Blicken wir also nach links. Beginnen wir mit dem seinerzeit äußerst populären Außenminister Joschka Fischer von den Grünen. Vor seiner Laufbahn als Politiker hat er allerdings eine Laufbahn als politischer Straftäter hinter sich gebracht. Unbestritten war er in der Zeit von 1971-1976 Anführer einer gewalttätigen linksextremen Vereinigung, die sich selbst stolz „Putztruppe“ nannte. Man machte eben ordentlich Putz. Auf einem Foto aus dem April 1973 ist Fischer zusammen mit dem Terroristen Hans-Joachim Klein zu sehen, wie beide auf einen am Boden liegenden Polizisten einschlagen. 1975 ist Fischer am Angriff der Putztruppe auf das spanische Generalkonsulat beteiligt, bei dem Steine und Molotowcocktails geworfen werden. Am 10. Mai 1976 werden während einer von Fischer und seinen Mitstreitern geplanten Demonstration zugunsten der Terroristin Ulrike Meinhof unter dem Motto „Rache für Ulrike Meinhof“ schwere Gewalttaten begangen, unter anderem wird – um auch einmal den Namen eines unschuldigen Opfers zu nennen – der Polizist Jürgen Weber von Putztruppen-Aktivisten lebensgefährlich verletzt. Fischer selbst hat 2001 öffentlich zugegeben: „Ja, ich war militant, … wir haben Steine geworfen“. Nun ist Fischer am 12. April 1948 geboren, war also während der Begehung der geschilderten Taten zwischen 25 und 28 Jahre alt. Also erwachsen und strafrechtlich voll verantwortlich. Verurteilt wurde er deswegen nie. Offenbar war jedenfalls in unverjährter Zeit die Beweislage so schlecht, daß der Tatnachweis nicht in der zur Anklageerhebung erforderlichen Gewissheit geführt werden konnte. Die inmitten stehenden Straftaten indessen, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch etc. haben auch entsprechend lange Verjährungsfristen, hier bis zu 10 Jahren.
Die kommunistische Vergangenheit, gern vergessen
Nicht nur die kriminelle Vergangenheit von Politikern ist interessant, auch sollte für den Wähler von Interesse sein, ob ein Politiker in seiner Jugend bereits fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stand, oder sich in extremistischen, verfassungsfeindlichen Kreisen bewegt hat. Da ist auf der linken Seite des politischen Spektrums in Deutschland doch einiges zu finden. Beginnen wir mit dem Herrn Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier war als Student Redakteur der linken Zeitschrift „Demokratie und Recht“, die im Pahl-Rugenstein Verlag – seinerzeit auch spöttisch „Pahl-Rubelschein Verlag“ genannt – erschien und zumindest geraume Zeit als Mitteilungsblatt der Vereinigung der Juristen in der DDR fungierte. Das Blatt wurde demgemäß auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Vielleicht deswegen forderte der Jurist Steinmeier schon damals eine Diskussion über eine linke Verfassungsinterpretation.
Betrachtet man unter diesem Aspekt die Vergangenheit einer Vielzahl von Politikern der Grünen, dann muß man zu dem Ergebnis kommen, daß starke Wurzeln dieser Partei die linksextremen kommunistischen Gruppen „Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW)“ und „Kommunistischer Bund (KB)“ sind. Diese jeweils maoistisch orientierten, teils straff organisierten und auch mit beträchtlichen finanziellen Mitteln ausgestatteten Organisationen spielten innerhalb der Linken in Deutschland vor allem in den siebziger Jahren eine große Rolle. Maßgebliche Funktionäre des KBW waren seinerzeit unter anderem die Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, Ralf Fücks, Wilfried Kretschmann – ja, der volkstümlich schwäbelnde baden-württembergische Landesvater -, Joscha Schmierer, Freund und Günstling von Joschka Fischer und die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, allerdings nicht von den Grünen, sondern von der SPD. Funktionäre des KB waren unter anderem Angelika Beer, 2002-2004 Bundesvorsitzende der Grünen und der langjährige Parteivorsitzende und Bundesminister Jürgen Trittin. Aber auch „Die Linke“ ist prominent vertreten mit ihrer Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpcke.
Scheinheilig ist nun mal das Gegenteil von heilig
Es ist geradezu peinlich, wie nun vor allem das linke politische Lager in Deutschland von SPD bis Die Linke mit den Fingern auf Hubert Aiwanger zeigt. Die Bedeutung des Sprichworts, daß wer mit dem Finger auf andere zeigt, gleichzeitig mit drei Fingern auf sich selbst zeigt, kann kaum augenfälliger demonstriert werden, als an diesem Falle. Wenn etwa die bislang allerdings weder durch brillante intellektuelle Leistungen noch beruflichen Erfolg aufgefallene SPD-Vorsitzende Saskia Esken nun in dieser Geschichte herumwühlt, damit wenigstens irgendwelche Verdächtigungen die Nachrichtensendungen und Zeitungsartikel beherrschen, dann genügt natürlich ein Blick auf die derzeitigen Meinungsumfragen zur Landtagswahl in Bayern am 8. Oktober. Da liegen die Freien Wähler bei 12,5 %, die SPD bei 10,2 %. Und, nebenbei bemerkt, die scheinheiligen Ermahnungen des CSU-Chefs Markus Söder, die Sache müsse sorgfältig aufgeklärt werden, obgleich alles aufgeklärt ist, lassen sich leicht mit dem Umfragewert seiner Partei erklären. Der liegt bei für CSU-Verhältnisse mageren 37,8 %.
Politisch‘ Lied
Es wird eben mit zweierlei Maß gemessen. Ein im linken Spektrum, das nun einmal seit der unseligen Ära Angela Merkel bereits bei den Unionsparteien beginnt und bei der Antifa endet, reichlich unbeliebter konservativer Politiker muß niedergemacht werden, egal wie, und egal was man gegen ihn anführen kann. Semper aliquid haeret wussten schon die alten Römer. Mit anderen Worten: es ist völlig gleichgültig, was wirklich passiert ist, maßgeblich ist allein, was in der Öffentlichkeit gesagt und geschrieben wird. „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!“ läßt Goethe in der Szene Auerbachs Keller im Faust I den Brandner sprechen. Betrachten wir die politischen Sitten zur Zeit Goethes und vergleichen wir sie mit Vorgängen wie der Affäre Aiwanger, überhaupt mit dem Verhalten von Politikern und Journalisten unserer Tage, dann fragen wir uns schon, welche Worte Goethe dafür fände, kehrte er auch nur für wenige Stunden auf die Erde zurück.
Der größte Lump im ganzen Land…
das ist und bleibt der Denunziant. Dieses Zitat wird dem Dichter unserer Nationalhymne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben. Es paßt auch gut zu ihm. Indessen dürfte es im sozialdemokratischen Milieu der 1880er Jahre entstanden sein. In diesem prägnanten jambischen Versmaß wurde der Satz erstmals in der Zeitschrift Der Sozialdemokrat Nr. 24 vom 10.6.1886 veröffentlicht, so Gerald Krieghofer auf falschzitate blogspot.com. Wie dem auch sei, der Spruch ist nun rund 150 Jahre später aktueller denn je.
Das Verpetzer-Gesetz
Denn die Ampelkoalition, die ja sonst wirklich nichts auf die Reihe kriegt, hat uns nun mit einem Gesetz, selbstverständlich mit entsprechender Ausführungsverordnung, beglückt, das zum Schutz unseres Staates so notwendig ist, wie seinerzeit die Staatssicherheit der DDR gegen staatsfeindliche Umtriebe. Es handelt sich um das Hinweisgeberschutzgesetz. Dieses Gesetz regelt nicht mehr und nicht weniger als die Behandlung von Hinweisen auf wirkliche oder auch nur eingebildete Missstände, Rechtsverstöße etc. Dazu muß natürlich eine gesetzliche Regelung getroffen werden, die nicht nur die sogenannten Whistleblower vor Repressalien schützt, was ja sicherlich in dem einen oder anderen Falle sinnvoll sein kann, denken wir etwa an Edward Snowden. Wenig überraschend beruht das Ganze auch auf einer europäischen Richtlinie, die indessen wohl nirgends sonst in Europa so umgesetzt worden ist, wie in Deutschland. Nur ganz böse Zungen werden dann gleich sagen, daß dies deswegen nicht weiter verwundert, weil wir in unserer Vergangenheit doch schon die Gestapo und die Stasi hatten, und deswegen wissen, wie man so etwas macht. Doch leider ist gerade dieser Gedanke nicht abwegig.
Was ist nun Gesetz?
Schauen wir uns also dieses Hinweisgeberschutzgesetz vom 31.Mai 2023 näher an. Wir finden dort unter anderem diese Regelung des Anwendungsbereichs der Vorschrift:
§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Äußerungen von Beamten und Beamtinnen, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.
Es geht also nicht allein um den Schutz solcher Hinweisgeber, die über Geheimnisverrat im sicherheitsrelevanten Bereich etwa der Streitkräfte oder auch sicherheitsempfindlicher Teile der Industrie ihre Vorgesetzten oder die zuständigen Behörden informieren, sondern es geht eben auch um das Denunziantentum im klassischen Sinne, nämlich die Gesinnung des politisch Andersdenkenden. Denn um nichts anderes geht es vielfach im verfassungsschutzrelevanten Bereich. In den letzten Jahren hat sich der Verfassungsschutz ja leider immer mehr zu einem Kampfinstrument der politischen Mehrheit gegen die oppositionelle Minderheit entwickelt. § 60 des Bundesbeamtengesetzes ebenso wie § 8 des Soldatengesetzes, um die einschlägigen Rechtsvorschriften zu benennen, verlangen nun einmal von Beamten und Soldaten, daß sie in ihrem Verhalten jederzeit die Gewähr dafür bieten, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Über §§ 46 und 71 des Deutschen Richtergesetzes gilt diese Vorschrift auch für unsere Richter. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist auch nicht auf den öffentlichen Dienst beschränkt. Auch der missgünstige Angestellte, der seinem Kollegen in der Firma ein Bein stellen will, fällt unter dieses Gesetz. Wie wir wissen, geht es dabei heute nicht mehr allein um die im Gesetz über den Verfassungsschutz geregelten Tatbestände. Nicht nur die Bekämpfung der demokratischen Grundordnung und Bestrebungen gegen den unbedingten Schutz der Menschenwürde, sondern auch die sogenannte verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, was nach der Praxis des Verfassungsschutzes nahezu jede Kritik an den Inhabern politischer Ämter und ihrem Handeln einschließt, rufen den Verfassungsschutz auf den Plan. Ferner wird die Definition dessen, was als verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet werden kann, immer weiter zulasten der Meinungsfreiheit ausgeweitet. Das führt derzeit dazu, daß es etwa als Bestrebung gegen den Schutz der Menschenwürde gewertet wird, wenn man die Förderung der eigenen Kultur und Traditionen in Deutschland verlangt und darauf hinweist, daß es ja nun einmal jenseits der juristischen Definition des Staatsvolkes ein deutsches Volk gibt, wie im Übrigen auch ein polnisches, französisches, kurdisches und jüdisches Volk jenseits der staatsrechtlichen Gegebenheiten. Und daß dies nicht im geringsten eine gewissermaßen inzidente Herabwürdigung der nicht ethnisch Deutschen bedeutet. Indessen stellt der Haldenwang’sche Verfassungsschutz genau diese hirnrissige Behauptung auf. Man kann also darauf warten, daß der Hinweis auf die biologische Tatsache, daß es nur zwei Geschlechter gibt, als Angriff auf die Menschenwürde gewertet wird.
Des Pudels Kern
Ich erinnere daran, daß die Antifa-Freundin auf dem Sessel des Bundesinnenministers im Dezember vergangenen Jahres angeregt hat, die Beweislast für die Verfassungstreue im Sinne der Beamtengesetze umzukehren. Nicht mehr der Staat müsse beweisen, daß Beamte, Soldaten und Richter nicht die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Vielmehr müsse der betreffende Staatsdiener beweisen, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt mit der Folge, daß der Staat nicht mehr das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Verdächtigen durchzuführen habe, sondern einfach durch Disziplinarverfügung den Betroffenen aus dem Dienst entfernen könne. Das habe den Vorzug, daß das schnell gehe, und nicht die Entlassung des enttarnten Verfassungsfeindes erst nach jahrelangem gerichtlichen Verfahren möglich sei. Zu Recht kam die Ministerin damit nicht durch. Indessen hat man ja nun einen Ausweg gefunden, die Beweislage des Staates insoweit wesentlich zu verbessern. Denn wenn erst einmal das gesetzlich geförderte Denunziantentum Fahrt aufgenommen haben wird, werden auch die gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen die echten und noch viel mehr die behaupteten Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst zügig über die Bühne gehen. Material hat man ja nun dank der Erschließung neuer Erkenntnisquellen in Hülle und Fülle.
Ein weites Feld für Schnüffler, Spitzel und Sykophanten
Somit kann jede kritische Äußerung im Kollegenkreis erst die Prüfung, dann die Beobachtung des Verfassungsschutzes und damit verbunden den öffentlichen Pranger nach sich ziehen. Mußte man bisher vor allem als Beamter oder Soldat mit Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in Leserbriefen oder im Rahmen öffentlicher Diskussionen vorsichtig sein, so gilt dies ab sofort auch für das Gespräch in der Kantine und den Plausch auf dem Flur, auf dem Betriebsausflug in geselliger Runde, an der Hotelbar oder in der Kneipe, ja auch beim Grillen auf derTerrasse im Kreis der Freunde und, ja sogar der Familie. Dabei müssen dann die Leute, die ihre Freunde, Kollegen und Verwandten beim Verfassungsschutz anschwärzen, keinesfalls mit irgendwelchen Nachteilen für sich selbst rechnen, nicht einmal dann, wenn die Anschuldigungen gegen ihre Opfer sich als haltlos erweisen. Denn insoweit regelt das Gesetz:
§ 33 Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen
(1) Die §§ 35 bis 37 sind auf hinweisgebende Personen anwendbar, sofern
- diese intern gemäß § 17 oder extern gemäß § 28 Meldung erstattet haben oder eine Offenlegung gemäß § 32 vorgenommen haben,
- die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
- die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.
Die Regelung erinnert nun doch zu sehr an die Stasi unseliger Zeiten. Jedenfalls legt das der nachfolgende Gesetzestext nahe:
Statut des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. Juli 1969:
(1)
Das MfS führt den Kampf gegen die Feinde in enger Zusammenarbeit mit den Werktätigen und mit Unterstützung aufrechter Patrioten. Auf der Grundlage des Vertrauens und der bewussten Verantwortung der Bürger ist die revolutionäre Massenwachsamkeit in der Deutschen Demokratischen Republik weiter zu erhöhen. Das MfS stützt sich dabei auf eine breite gesellschaftliche Basis, um die Sicherheit der Staats- und Gesellschaftsordnung in noch größerem Umfang zu gewährleisten und zu einer weitgehenden Reduzierung und Ausschließung störender und hemmender Faktoren der Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen beizutragen.
(2)
Das MfS erfüllt die Abwehr- und Aufklärungsaufgaben unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden.
Mielke redivivus?
Die Ausführungsverordnung ist unterzeichnet von Justizminister Dr. Marco Buschmann. Der Mann gehört der FDP an. Das F in FDP steht für frei. Man ist versucht, an den Neusprech bei George Orwell zu denken. Frei bedeutet eben nicht mehr frei, sondern unfrei. Die höchste Form der Freiheit ist eben die Unterwerfung.
Zugegeben. Das Hinweisgeberschutzgesetz und seine Ausführungsverordnung sind besser formuliert, also perfekter, als die Gesetze der DDR. Einen kleinen Mangel hat das Gesetz noch. Es fehlt die Regelung der Entlohnung für die Verpetzer. Indessen ist das kein Trost. „Horch und Guck“ feiert fröhliche Urständ im besten Deutschland, das wir je hatten. ARD und ZDF senden aus dem Denunziantenstadl. Beachtet ihr nicht den Haltungszwang, dann holt euch bald der Haldenwang!
Der Ukraine-Konflikt – wer kann ihn wie lösen?
Seit nahezu eineinhalb Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. Ein Ende erscheint nicht absehbar. Genauso lange währt die Debatte über, über ja was eigentlich? Die Ursache oder vielleicht die Ursachen? Wer hat Schuld? Wer ist im Recht? Kann sich der Konflikt ausweiten? Besteht die Gefahr des Atomkrieges? Kann Deutschland Kriegspartei werden oder ist es das bereits? Darf, soll oder muss Deutschland Waffen liefern? Soll die Ukraine Mitglied von NATO und/oder EU werden?
Was man dazu lesen kann, sei es in den großen Medien, sei es in den alternativen und sogenannten sozialen Medien, ist in aller Regel von unterkomplexer Problemerfassung und damit zwangsläufig intellektuell unzureichender Gedankenführung geprägt, was naturgemäß nicht zu brauchbaren Analysen oder gar Lösungsvorschlägen führen kann.
Ordnen wir also unsere Gedanken. Ein Konflikt wie dieser hat in aller Regel mehrere Dimensionen. Die geopolitische, die juristische, die militärische.
Die Rechtslage
Beginnen will ich mit der juristischen Dimension des Konflikts. Sie ist vergleichsweise einfach zu beurteilen. Hierzu verweise ich auf mein Buch „Tatort Ukraine“. Dort habe ich die völkerrechtliche Lage kurz erläutert. Davon habe ich jetzt nach einem Jahr seit Erscheinen nichts zurückzunehmen. Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine gegen Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen verstoßen. Dort ist ein unbedingtes Gewaltverbot festgelegt, das nur auf der Grundlage der Ausnahmetatbestände eben dieser Charta durchbrochen werden kann, insbesondere im Wege des Selbstverteidigungsrechts, des Rechts der Hilfe zur Selbstverteidigung und auf der Grundlage von Kapitel VII der Charta, wo die kollektive Gewaltanwendung durch die Vereinten Nationen geregelt ist. Hinzu kommt die Verletzung mehrerer weiterer völkerrechtlicher Verträge und zwischenstaatlicher Verträge zwischen Russland und der Ukraine. Soweit ersichtlich, wird außer von Russland selbst und seinen Unterstützern nirgends die Auffassung vertreten, der Angriff sei juristisch gerechtfertigt gewesen. Hinzu tritt im vorliegenden Falle die Art und Weise der Kriegführung Russlands, die sich ganz offensichtlich auch gegen die Zivilbevölkerung richtet und damit gegen die einschlägigen Vorschriften des Kriegsvölkerrechts, vor allem in der nach wie vor geltenden Haaager Landkriegsordnung, verstößt. Es ist offensichtlich nur in wenigen Fällen so, daß die angegriffenen zivilen Ziele militärische Stellungen tarnen, was selbstverständlich deren Beschuss rechtlich zulässig macht. Und es ist offensichtlich auch nur in seltenen Fällen so, daß man von sogenannten Kollateralschäden sprechen kann. Insoweit bin ich auch der Auffassung, daß der Einsatz von Fernwaffen, die konstruktiv schon gar nicht dazu geeignet sind, Ziele präzise zu treffen, sondern bei deren Abschuss bereits als wahrscheinlich angenommen werden muß, daß sie weit abgelegene zivile Ziele treffen, selbstverständlich genauso zu beurteilen ist, wie der gezielte Angriff auf zivile Ziele. Was Kriegsverbrechen angeht, so dürften diese kaum auf die russische Seite beschränkt sein. Unbeschadet dessen, daß man bereits vereinzelt Bilder und Filme gesehen hat, die tatsächlich oder auch nur angeblich Kriegsverbrechen ukrainischer Soldaten zeigen, ist es nach aller Erfahrung ausgeschlossen, daß Kriegsverbrechen nur von einer Kriegspartei begangen werden. Insoweit wird sich – hoffentlich – nach der Durchführung von Verfahren vor unabhängigen Gerichten nach dem Kriege ein Erkenntnisgewinn ergeben.
Die Rechtslage ist auch letztendlich entscheidend. Denn keine geopolitische und keine militärische Überlegung kann Platz greifen, wenn sie dem Völkerrecht entgegensteht. Deswegen ist es völlig abwegig, etwa die Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Argument einstellen zu wollen, dann werde damit der Weg zu Friedensverhandlungen eröffnet. Denn dann könnte allenfalls ein Diktatfriede nach dem Muster von Versailles sei zulasten der Ukraine herauskommen. Und das wäre mit der Rechtslage unvereinbar.
Die geopolitische Bedeutung
Zumindest umstritten ist die geopolitische Beurteilung des Konflikts. Der Standpunkt Russlands ist, daß die Ausweitung der NATO bis an seine südwestlichen Grenzen durch Aufnahme der Ukraine in das westliche Bündnis die russischen Sicherheitsinteressen schwerwiegend berührt und nicht hingenommen werden kann. Die USA hätten seit 2004 daran gearbeitet, die Ukraine in das westliche Bündnis hinüber zu ziehen. Dieser Zeitpunkt habe nun kurz bevorgestanden. Man habe eben nicht anders gekonnt, als dem zuvorzukommen und das zu verhindern. Ein gewissermaßen präemptiver Angriff auf die Ukraine sei damit unausweichlich geworden. Der Standpunkt der USA und ihrer Verbündeten lässt sich dahingehend zusammenfassen, der Ukraine stehe wie jedem anderen Staat das Selbstbestimmungsrecht zu, was natürlich auch die Freiheit einschließe, sich um die Aufnahme in internationaler Organisationen und Bündnisse zu bemühen. Hinter dieser völkerrechtlichen Argumentation steht natürlich die geopolitische Erwägung, den Einflussbereich der USA zu erweitern, sowohl in politischer, als auch wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Tatsächlich ist es auch unstrittig, dass die USA seit 2004 erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die Bevölkerung der Ukraine, vor allem ihre politische Klasse, davon zu überzeugen, daß ihre Zukunft im westlichen Bündnis liege, was für die Ukrainer einen erheblichen Gewinn an Wohlstand und Sicherheit mit sich bringen werde. Mit welchen Methoden dies teilweise geschehen ist, muß hier nicht weiter ausgebreitet werden. Seit ihrem Erscheinen auf der weltpolitischen Bühne handeln die USA robust und ohne Rücksicht auf das Recht allein in ihrem nationalen Interesse. Davon lassen sie sich bekanntlich nicht einmal durch eine Verurteilung durch den Internationalen Gerichtshof abbringen. Indessen muß dazu auch gesagt werden, daß alles unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung eben erlaubt ist. Bei aller berechtigten Kritik an diesem Verhaltensmuster der USA muss jedoch bemerkt werden, daß räsonieren nicht reicht. Man muß eben realistische, tragfähige Alternativen aufweisen können.
Natürlich ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Westbindung der Ukraine im Interesse der Ukraine selbst, aber auch des westlichen Bündnisses ist, und ferner, welche gangbaren Alternativen dazu denkbar sind. Wie die Reaktion Russlands auf die Bestrebungen, die Ukraine in das westliche Lager zu ziehen, unübersehbar zeigt, scheint das zu einer Verschärfung der Konfliktsituation zu führen, jedenfalls im Vergleich zur Lage bis 2004. Offenbar scheint der russische Präsident auch davon überzeugt zu sein, daß die Ukraine ursprünglicher Bestandteil Russlands ist und er insoweit eine Art Befreiungsfeldzug führen muß. Es gibt ja mehrere Äußerungen von ihm, wonach es ein ukrainisches Volk weder im ethnischen noch im juristischen Sinne eigentlich gibt. Unabhängig davon, ob diese Auffassung abwegig ist oder wenigstens zum kleinen Teil zutrifft, zeigt das, wie essenziell das Thema für Russland, jedenfalls unter der Administration Putin ist. Auch dies gilt es in die Überlegungen einzustellen. Dies unabhängig von der insoweit eindeutigen Rechtslage.
Wenn der Eintritt der Ukraine in die NATO geopolitisch eher Instabilität als Stabilität auslöst – worüber man selbstverständlich auch debattieren kann – dann müssen Alternativen dazu geprüft werden. Angesichts der jahrzehntelangen Erfahrungen neutraler Staaten in Europa, auch mit kriegerischen Konflikten höchster Intensität wie die beiden Weltkriege, erscheint eine politische Neutralität unter Übernahme des westlichen Wirtschaftssystems und der parlamentarischen Demokratie westlicher Prägung durchaus eine Alternative zur Einbindung in den russischen Machtbereich oder in das westliche Bündnis zu sein. Die Beispiele der Schweiz und der bis dato neutralen skandinavischen Staaten Finnland und Schweden zeigen hier einen naheliegenden und gangbaren Weg auf. Gerade das Beispiel Finnland als unmittelbarem Nachbarn der früheren Sowjetunion und der heutigen russländischen Föderation zeigt, daß ein Land alle Vorteile eines marktwirtschaftlichen und demokratisch-rechtsstaatlichen Systems genießen kann, ohne formal Mitglied der NATO und/oder der Europäischen Union zu sein. Das ist natürlich eine souveräne Entscheidung der Ukraine. Die Frage wird allerdings auch sein, ob ihr eine solche Entscheidung von den großen Spielern dieses Konflikts, also Russland und den USA, ermöglicht wird.
Die militärische Lage
Es geht hier nun einmal leider um einen Krieg. Somit hängen alle weiteren Überlegungen und Entscheidungen von der militärischen Lage ab. Es ist für Außenstehende schlicht unmöglich, die militärische Lage überhaupt nur zutreffend erkennen zu können, sodaß die darauf fußende Lagebeurteilung nicht auf sicherer Grundlage erfolgen kann. Zwar erhalten wir eine Fülle von Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Diese stammen entweder direkt von den Kriegsparteien, oder werden von ihnen ausgewählt und/oder zensiert. Das ist in einem Krieg auch völlig normal. Wir sollten daher alle Nachrichten vom Kriegsschauplatz mit der gebotenen Vorsicht und mit begründetem Misstrauen zur Kenntnis nehmen und bewerten. Indessen kann eines gesagt werden: dieser Krieg dauert nun schon eineinhalb Jahre an, obwohl zu Beginn nahezu einhellig die Auffassung vorherrschte, er werde in wenigen Wochen vorbei sein. Diese Einschätzung fußte natürlich auf dem Kriegsbild des Kalten Krieges, das vom Aufeinandertreffen der Massenheere und dem unbegrenzten Einsatz der verfügbaren Waffen gekennzeichnet war. Ein solcher Krieg wäre schon wegen des Munitionsverbrauchs tatsächlich in wenigen Wochen zu Ende gewesen. Indessen erleben wir nun eine völlig neuartige Kriegführung, die davon gekennzeichnet ist, daß nur in wenigen Regionen Kampfhandlungen stattfinden. Offensichtlich finden große Bewegungen nicht mehr statt, den Streitkräften der Kriegsparteien gelingen offenbar nur noch geringfügige Geländegewinne. Dennoch ist der Blutzoll auf beiden Seiten sehr hoch, der Ausfall von Waffen und Gerät sowie der Verbrauch von Munition sind ebenfalls so hoch, daß Zweifel aufkommen müssen, wie lange noch genügend Nachschub an die Front kommen kann. Die Vorstellung vor allem deutscher Politiker und Journalisten, die Ukraine könne diesen Krieg gewinnen, wobei das die Vorstellung ist, sie könne den Feind vollständig aus dem Land werfen, ist ersichtlich wirklichkeitsfremd. Ebenso wirklichkeitsfremd ist die Furcht, durch die von internationalem Recht, insbesondere dem Recht, dem angegriffenen Staat in seiner Verteidigung gegen die Aggression beizustehen, auch durch Waffenlieferungen, zur Kriegspartei zu werden und möglicherweise dann selbst unter Beschuss zu geraten.
Es spricht viel für eine Pattsituation. Man hört auch von teils hochrangigen amerikanischen Generälen, daß die Vorstellung, die Ukraine könne ihr Staatsgebiet vollständig von russischen Streitkräften befreien und die Grenzen vom 24. Februar 2022 wiederherstellen, illusorisch sei. Es bestehe eher die Gefahr, daß Russland dank seiner wesentlich größeren Ressourcen am Ende seine Kriegsziele erreichen könne. Inwieweit diese pessimistische Prognose sich als richtig erweisen wird, können wir heute nicht wissen. Natürlich wird die personelle und materielle quantitative Unterlegenheit der Ukraine laufend durch Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichem Gerät wenn nicht vollständig ausgeglichen, so doch gemindert. Wenig wissen wir über die Qualität der russischen Streitkräfte, insbesondere ihres Personalersatzes. Am Ende könnte durchaus ein Unentschieden stehen. Dann wären Friedensverhandlungen für beide Parteien unausweichlich.
Was tun?
Wie sollte sich Deutschland verhalten? Die Frage zu stellen, erscheint angesichts des geringen und weiter sinkenden Gewichts unseres Landes in der Weltpolitik, bedingt einerseits durch unsere schwindende Wirtschaftskraft, andererseits durch unsere weiter schwindende militärische Stärke, eigentlich frivol. In einem Konflikt, der maßgeblich durch die Großmächte, besser gesagt Weltmächte USA, Russland und auch China beeinflusst werden kann, kann ein Land wie Deutschland, boshaft formuliert, allenfalls Konferenzräume bereitstellen. Dennoch muß sich Deutschland in diesem Konflikt positionieren. Auch wenn es als Mitglied der NATO letztendlich nur im Rahmen der Einstimmigkeit des Bündnisses handeln kann, so kann es durchaus seine Gedanken in die Entscheidungsfindung einbringen. Was das geopolitische Argument angeht, so sollte Deutschland im Interesse größtmöglicher Stabilität dazu raten, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, ihr indessen alle Garantien zu geben, die sie braucht, um als neutraler Staat nach dem Muster der Schweiz und Finnlands auch in unmittelbarer Nachbarschaft mit einem wenig freundlich gesonnenen Russland leben zu können. Für die Menschen im Lande ist es offensichtlich relativ gleichgültig, gerade was die persönlichen Lebensumstände angeht, ob man in einem NATO-Land wie Deutschland oder in einem neutralen Land wie der Schweiz lebt. Davon dürften die Bürger und Wähler der Ukraine durchaus unschwer zu überzeugen sein. Was die Mitgliedschaft in der EU angeht, so gilt hier sinngemäß das gleiche. Der Wohlstand der Bevölkerung hängt nicht davon ab, ob ihr Land Mitglied der EU ist oder nicht, wie die Schweiz, Norwegen und seit dem Brexit trotz aller Probleme Großbrtannien beeindruckend zeigen. Aus unserer Sicht steht einer Mitgliedschaft der Ukraine insbesondere die ausgeprägte Korruption in diesem Lande entgegen. Insoweit sollten wir aus dem Fehler gelernt haben, so korrupte Länder wie Bulgarien und Rumänien in die EU aufzunehmen. Es wäre also gut, wenn Deutschland sich angesichts seiner nur geringen Möglichkeiten auf die Rolle beschränken würde, die es als Bauer auf dem internationalen Schachbrett alleine spielen kann. Die Vorstellung, daß etwa der Bundeskanzler zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten vermitteln könnte, ist doch reichlich abwegig.
Akademische Freiheit war gestern
Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß die Universitäten einen maßgeblichen Einfluss auf Kultur und Gesellschaft haben. Vor allem was die Geisteswissenschaften angeht, sind ihre Lehren prägend für das Denken eines Volkes, zumindest seiner Eliten. Die Ablösung des theokratischen mittelalterlichen Denkens durch die Gedankenwelt der Aufklärung konnte nur geschehen, weil Hochschulen entstanden, die unabhängig von den Lehren der Kirche rationale wissenschaftliche Forschung betrieben und ihre Studenten in den neben der Theologie nun zugelassenen freien Wissenschaften in diesem Sinne unterrichteten. Wir nennen hier stellvertretend die Vorkämpfer der Wissenschaftsfreiheit Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt. Nicht von ungefähr waren es dann zuerst die Studenten, die etwa in Deutschland Recht und Freiheit für alle Bürger einforderten. Für die Halbgebildeten unserer Tage ist dann, wenn sie sich näher mit diesem Teil der deutschen Geschichte befassen, erstaunlich bis verstörend, daß hier die Burschenschaften die Speerspitze der Freiheitsbewegung waren, angeführt auch von Professoren wie Ernst Moritz Arndt, dessen Namen heutzutage eine Universität nicht mehr führen darf, weil er für eben diese halbgebildeten Professoren und Studenten kein Demokrat gewesen ist.
Und damit sind wir beim Thema.
Die akademische Freiheit hat es schwer
Wo einst der Geist der Freiheit wehte, herrscht nun die stickige Luft der political correctness, die akademische Kultur ist der cancel culture gewichen. Der aktuelle Academic Freedom Index führt Deutschland nicht mehr auf dem ersten Platz, sondern nach Tschechien, Estland, Belgien und Italien erst auf den fünften Platz. Wenig überraschend finden sich in dem 179 Plätze umfassenden Index die USA erst auf Platz 76, was auch der dort seit Jahren um sich greifenden cancel culture geschuldet sein dürfte. Die Ukraine findet sich auf Platz 129, Russland auf Platz 149 und natürlich belegt Nordkorea Platz 179. Dieser Index wird im übrigen federführend an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen erarbeitet, was im vorliegenden Zusammenhang durchaus pikant erscheint.
Wissenschaftsfreiheit nach Erlanger Art
Am 14. Juli 2023 sollte der emeritierte Althistoriker Egon Flaig einen Vortrag zum Thema „Individuelle Freiheit gegen politische Freiheit: die Polis im europäischen Republikanismus“ einen Vortrag im Kollegienhaus der Universität halten. Der Termin war schon bekannt gemacht worden. Doch dann erhob sich Widerspruch. Nicht näher bezeichnete Angehörige des Hauses, auch am Lehrstuhl des Historikers Andreas Grüner, der seinen Kollegen Flaig eingeladen hatte, liefen Sturm. Äußerungen des Gelehrten aus früheren Jahren, insbesondere ein sicherlich sprachlich verunglückter Erklärungsversuch zur Einstufung der Geschichte des Warschauer Ghettos als singulär, aber auch nicht näher genannte weitere Texte des Historikers wurden als „rechts“ eingestuft und somit ihr Verfasser als unwürdig, an dieser Universität vortragen zu können. Man befürchtete, die Veranstaltung könne Anklang bei, so wörtlich, Burschenschaften und anderen Rechten finden. Merke: Burschenschaften haben an einer Universität, jedenfalls an der Friedrich Alexander Universität, nichts zu suchen. Rechte überhaupt nicht. Nun ist Egon Flaig ein weithin anerkannter Gelehrter, sicherlich konservativ, sicherlich auch streitbar. Als indessen die Luft in der Universität noch frisch war, ging man als Student gerne in die Vorlesungen eines derart auftretenden Professors. Doch heute erstickt man an dem Mief, den ausgerechnet diejenigen in den Universitäten erzeugt haben, die 1968 dazu angetreten sein wollen, den angeblich unter den Talaren der Professoren angesammelten Muff von 1000 Jahren wegzublasen.
Die Vorbilder
Der Vorgang steht in einer Reihe mit vielen gleichartigen. Wir wollen nur zwei davon herausgreifen, die sich in Deutschland zugetragen haben. Daß man gerade im angelsächsischen Sprachraum nur noch linksdrehende, „woke“ Dozenten an den Universitäten duldet, ist wohl hinlänglich bekannt. Dort müssen ja die Bibel und Shakespeares Werke mit Warnhinweisen versehen werden. Denken wir einfach ein Jahr zurück. Im Juli 2022 sollte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Vortrag halten, in dem es um die biologische Tatsache ging, daß es eben nur zwei und nicht 42 oder 82 Geschlechter gibt. Auf die wütenden Proteste der dominierenden linksradikalen Studenten und Dozenten (pardon: Studierenden und Lehrenden) reagierte die Universitätsleitung erwartungsgemäß feige: der Vortrag konnte natürlich nicht stattfinden. Im Sommersemester 2011 trat der weltberühmte israelische Militärhistoriker Professor Martin van Crefeld an der Universität Trier eine Gastprofessur an. Nach der ersten Vorlesung kündigte die Universitätsleitung auf den massiven Druck der linksradikalen Studenten und Dozenten (pardon: Studierenden und Lehrenden) den Vertrag mit dem Professor. Denn, so der Asta, seine Thesen seien „frauenfeindlich, militaristisch, antiisraelisch, vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv“. Diese Aufzählung richtet ihre Verfasser selbst und ist der schlagende Beweis dafür, daß wir es bei den tonangebenden Akteuren unserer Universitäten regelmäßig mit Halbgebildeten zu tun haben. Natürlich ist der Forschungsgegenstand eines Militärhistorikers das Militär und der Krieg, und es klingt geradezu bizarr, jemanden als antiisraelisch einzustufen, der an einer israelischen Universität lehrt. Und man macht sich als Student doch lächerlich, wenn man die Vorlesung eines Professors als vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv einstuft.
Die neue Ausgewogenheit
Zurück nach Erlangen. Offenbar war man sich im Kreis der Protagonisten dieser Ausladung seiner Sache nicht ganz sicher und holte sich deswegen Verstärkung in Gestalt der früheren Sozialbürgermeisterin der Stadt, die natürlich eine akademische Qualifikation aufweist, indessen als Naturwissenschaftlerin. Doch vertritt sie das sogenannte Erlanger Demokratie-Bündnis „Aktion Courage“ im Koordinierungsgremium der „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“. Wer ein solches Amt ausübt, ist natürlich qualifiziert und berufen, über die Einhaltung demokratischer Standards zu wachen und darüber zu befinden, was an einer Universität gesagt werden darf. Sie gibt also die Richtung vor, wie mit solchen rechten Volksverderbern wie Professor Flaig umzugehen ist. Ihres Erachtens sind Debatten mit „Personen, die eine andere, womöglich sehr rechte Meinung“ vertreten, durchaus möglich, solange auch Gegenpositionen am Tisch zu hören sind. Wenn aber niemand gefunden wird, der Gegenargumente bringt, steht sie dazu, eine solche Person wieder auszuladen, denn was zum Beispiel Professor Flaig vertritt, „das sind Thesen, die demokratiefeindlich sind“. Damit sei eben eine rote Linie überschritten, und eine Ausladung gerechtfertigt. Man ist versucht diese demokratische Lichtgestalt zu fragen, ob das auch in der Gegenrichtung so geahandhabt werden muß. Muß dann, wenn ein dezidiert linker Dozent vorträgt, gleich ein Diskutant mit entgegengesetzter Auffassung, also so ein böser Rechter, mit auf dem Podium sitzen, um dem Publikum die Gegenposition zugänglich zu machen? Die Antwort auf diese Frage mag sich jeder selbst geben.
Akademische Freiheit war gestern. Demokratie auch. Und das Grundgesetz brauchen wir auch nicht mehr.