Archiv für den Monat: Januar 2025

Die Feinde der Meinungsfreiheit

Der Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist das in unserer Verfassung garantierte Recht der Meinungsfreiheit, so wie es vom Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung seit 1958 immer wieder definiert wird.

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l“homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo). [Cardozo war ein seinerzeit berühmter Richter des US Supreme Courts]

Zitat aus dem sog. Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.Januar 1958, Az.: 1 BvR 400/51.

Der Maßstab

Ich habe dieses Zitat aus dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung der Meinungsfreiheit meinen Ausführungen vorangestellt. Denn es gibt den Maßstab vor, der alle staatliche Gewalt im Umgang mit den Freiheitsrechten der Bürger beschränkt. Hervorzuheben sind dabei vor allem zwei Gesichtspunkte: Zum einen handelt es sich hier um das meines Wissens erste und einzige Mal, wo das Bundesverfassungsgericht zur Begründung seiner Rechtsauffassung Zitate in der Originalsprache neben der deutschen Übersetzung benutzt. Gerade der Rückgriff auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus der französischen Revolution belegt, welch grundsätzliche Bedeutung das Gericht dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit einräumt. Zum anderen ist auch der Ausgangspunkt dieser Entscheidung für ihre Einordnung in unser Rechtssystem erhellend. Ein hoher Beamter des Hamburger Senats hatte privat, nicht amtlich, zum Boykott eines Spielfilms des Regisseurs Veit Harlan aufgerufen. Nun verstoßen Boykottaufrufe, jedenfalls dann, wenn sie nachteilige wirtschaftliche Folgen für Dritte nach sich ziehen können, klar gegen § 826 BGB, der die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung Dritter verbietet. Deswegen verurteilte das Landgericht Hamburg jenen Herrn Lüth, der dem zitierten Urteil des Bundesverfassungsgerichts unfreiwillig seinen Namen gegeben hat, mit Urteil vom 22.11.1951 zur Unterlassung eines solchen Boykottaufrufs. Doch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hatte das Landgericht zu Unrecht angenommen, Herr Lüth habe damit gegen ein allgemeines Gesetz im Sinne von Art. 5 GG verstoßen, nämlich die zitierte Vorschrift des BGB. Denn bei der Auslegung auch von Normen unterhalb des Grundgesetzes müßten die Grundrechte beachtet werden. Wörtlich: „Eine Meinungsäußerung, die eine Aufforderung zum Boykott enthält, verstößt nicht notwendig gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB; sie kann bei Abwägung aller Umstände des Falles durch die Freiheit der Meinungsäußerung verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein“. Das war nach Auffassung des Gerichts hier der Fall, denn die inkriminierte Meinungsäußerung des Herrn Lüth, wenige Jahre nach Beendigung der nationalsozialistischen Diktatur, der sich eben dieser Regisseur Veit Harlan in nachgerade peinlicher Weise angedient hatte, und unter anderem den berüchtigten antisemitischen Hetzfilm „Jud Süß“ in die Kinos gebracht hatte, könne man nicht ausgerechnet in Deutschland einen Film dieses Regisseurs in die Kinos bringen, war eben nicht von niedrigen Beweggründen getragen, wie dies bei Boykottaufrufen in der Regel der Fall ist, sondern von einem beachtenswerten Motiv.

Unberührt davon bleiben natürlich Äußerungen, die eindeutig gegen die Strafgesetze verstoßen.

Eine Zeitenwende ganz eigener Natur

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht über Jahrzehnte durchgehalten, bis heute. Das war aber auch ersichtlich Konsens in Politik und Medien. Doch die Zeiten haben sich wohl geändert. Man beginnt, Meinungsäußerungen, die eindeutig nicht gegen Strafgesetze verstoßen, sondern einfach nur nicht genehm sind, zu unterbinden. Es geht offensichtlich darum, die Meinungshoheit der, man muß es wohl so sagen, herrschenden politisch-medialen Kaste jeder öffentlichen Kritik zu entziehen.

Diese Tendenz zeigt sich in den nachstehend aufgeführten Äußerungen:

In einer Runde des Spartensenders Phoenix erklärte vor kurzem ein Maik Fielitz, Leiter der Abteilung Rechtsextremismus- und Demokratieforschung am „Institut für Demokratieforschung und Zivilgesellschaft“ (IDZ), worin er die größte Gefahr für die Demokratie sieht und deutete auch an, wie er sich die Abwehr dieser Bedrohung vorstellt. Bevor es um seine Institution, ihre Struktur und ihren Zweck geht, soll Fielitz selbst zu Wort kommen. Denn er spricht aus, was nicht nur ein paar subalterne Personen im IDZ denken. In der Sendung beklagte er, daß auf X „bestimmte Menschen halt über Formate einfach auch größere Reichweiten als Qualitätsmedien erreichen und somit auch jenseits von editorischen Standards da kommunizieren können. Ich glaube, das ist halt auch alles, was eben Regulation angeht, da kann es einfach nicht auf Strafen und so weiter stehenbleiben, sondern da muss sich eigentlich eine EU überlegen, okay, wie wird einfach das digitale Mediensystem gestaltet? Kann jeder einfach mit einem Massenpublikum halt kommunizieren? Ist wirklich jeder sich der Verantwortung bewusst, und ist es einer Demokratie zuträglich?“

Dieses Institut wird, wenig überraschend, von der berüchtigten Amadeu-Antonio-Stiftung getragen. Deren linksradikale politische Ausrichtung setze ich als allgemein bekannt voraus. Gewissermaßen in ihren Genen steckt die Mentalität der Stasi unseligen Angedenkens, denn ihre Gründerin war jahrelang sogenannte IM des berüchtigten Inlandsgeheimdienstes der untergegangenen DDR, dessen Aufgabe es war, die Bürger zu bespitzeln, um sogenannte Klassenfeinde auszumachen.

Das zweifelhafte Grundrechtsverständnis (auch) der CDU

Aber auch führende Politiker unseres Landes arbeiten an der Einschränkung des Grundrechts der Meinungsfreiheit. Zitieren wir den wohl künftigen Bundeskanzler Friedrich Merz aus seiner aktuellen „MerzMail“:

„Die Aufregung schon über die Diskussion darüber, ob und gegebenenfalls wie die sozialen Medien von heute im digitalen Zeitalter denn kontrolliert werden sollen, ist dagegen groß. Bis in deutsche Tageszeitungen hinein wird allein der Versuch, einen Rechtsrahmen für die Plattformen zu schaffen, die strafbare Handlungen in der Lage wären zu unterbinden, schon als Anschlag auf die Meinungsfreiheit gesehen. Und es wird die Entscheidung von Mark Zuckerberg geradezu bejubelt, nach dem Vorbild von X nun auch auf Facebook und Instagram auf die Zusammenarbeit mit externen Faktencheck-Redaktionen zu verzichten.

Zugegeben, es ist eine Gratwanderung. Aber ist es wirklich so, dass die Meinungsfreiheit nur dann gewährleistet ist, wenn jeder alles schreiben und senden darf, was er will, egal ob richtig oder falsch? Ja, „richtig“ und „falsch“ mögen die falschen Kategorien sein, anhand derer Inhalte geprüft werden. Aber soll deshalb alles erlaubt sein? Grobe Falschmeldungen, KI-generierte, täuschend echt aussehende, aber grob gefälschte Memes mit Aussagen, die der vermeintliche Verfasser nie gemacht hat? Einflussversuche ausländischer Regierungen und ganzer Trollarmeen, die beständig die Plattformen fluten mit Propaganda und Fake News? Sollen wir resignieren und uns allenfalls selbst auf das Niveau von Propaganda und Fake News begeben, um dem Meinungskrieg auf den Plattformen wenigstens etwas entgegenzusetzen?“

Gerade der Volljurist und ehemalige Richter Friedrich Merz sollte doch wissen, daß nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch falsche, unsinnige und sogar unvertretbare Meinungen unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen. Der Staat hat auch kritische und polemische Meinungsäußerungen auszuhalten, was das Bundesverfassungsgericht erst im vergangenen Jahr entschieden hat. Das gilt natürlich generell für die Politiker, denen wir derartige Gesetze wie das Gesetz über digitale Dienste verdanken. Sie bieten die Instrumente dafür, das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung schleichend auszuhöhlen und letztendlich zu einem rechtlich bedeutungslosen Programmsatz herabzustufen. Man könnte hier über den Tatbestand der verfassungsfeindlichen Bestrebungen nach dem Gesetz über den Bundesverfassungsschutz nachdenken.

Dem folgen dann auch Taten. Der hessische Innenminister Roman Posek (CDU) hat mit Blick auf die Bundestagswahl am 23. Februar 2025 eine „Offensive gegen Desinformation“ angekündigt. In seinen Ausführungen fällt ein Begriff besonders auf: „ungefilterte Meinungen“. Dieser Politiker befürchtet, daß sich falsche Nachrichten ungehindert ausbreiten könnten. Besonders soziale Medien seien eine Brutstätte dieser ungefilterten Meinungen. Deswegen habe man in Hessen nun eine Sonderauswertungseinheit beim Landesamt für Verfassungsschutz eingerichtet, die Informationen bündeln und Informationskampagnen schneller erkennen soll. Wohlgemerkt geht es nicht um strafbare Inhalte und Meinungen. Es geht offensichtlich um solche Meinungsäußerungen, die dem politischen Mainstream zuwiderlaufen. Die Bürger sollen sie am besten erst gar nicht zur Kenntnis nehmen können, denn damit wird zuverlässig die Gefahr ausgeschaltet, daß die Bürger anders denken, als sie nach Meinung der politisch-medialen Kaste unseres Landes denken sollen. Das erfordert dann eben die erwünschten „gefilterten“ Meinungen im Netz. Diese Geisteshaltung ist mit dem Menschenbild unseres Grundgesetzes nicht vereinbar. Wie gerade die Art. 2 (Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit) und Art. 5 (Meinungsfreiheit) zeigen, sieht unsere Verfassung die Bürger des Landes als mündige Bürger an, die insbesondere keiner Bevormundung dürfen, gerade auch was ihre Meinungsbildung angeht. In der Demokratie geht ja nun nach der unabänderlichen Vorschrift des Art. 20 GG alle Staatsgewalt vom Volke aus. Das bedingt, daß die Bürger selbst sich ihre Meinung bilden, auf deren Grundlage sie Politiker mit Macht auf Zeit ausstatten und nicht etwa, daß die Regierung den Bürgern bei der Meinungsbildung auch nur behilflich ist, geschweige denn sie steuert. Die Meinungsbildung in der Demokratie vollzieht sich von unten nach oben und nicht umgekehrt. Genau deswegen will die politisch-mediale Kaste diese Meinungsbildung steuern.

Das Zensurgesetz des Internetzeitalters

Zur Umsetzung der staatlich gesteuerten Meinungsbildung dient dann natürlich auch die Umsetzung des Gesetzes über digitale Dienste, welches auf der Grundlage der einschlägigen EU-Richtlinie aus dem Jahr 2022 bereits zwei Jahre später Anfang 2024 vom Deutschen Bundestag mit überwältigender Mehrheit beschlossen worden ist. Aus der Sicht der Politik soll dieses Gesetz natürlich die Nutzer der digitalen Medien schützen, nämlich vor „irreführenden Nachrichten“. Das Gesetz über digitale Dienste erleichtert nach Auffassung der Europäischen Union und der Bundesregierung die Entfernung illegaler Inhalte und schützt die Grundrechte der „Nutzerinnen und Nutzer“. Es verpflichtet im Ergebnis die Plattformbetreiber dazu, Meinungsäußerungen ausdrücklich unterhalb der Strafbarkeitsschwelle zu blockieren, wenn sie eben kritisch etwa gegenüber der Einwanderungspolitik oder dem sogenannten Klimaschutz argumentieren. Letztendlich wird es dann derartigen Institutionen ermöglicht, auf der Basis von Meldungen sogenannter Faktenchecker oder „Trusted Flagger“ wie der unsäglichen Desinformationsagentur correctiv oder der fragwürdigen NGO REspect derartige Beiträge zu löschen. Nicht die Gerichte, sondern weder gesetzlich noch demokratisch legitimierte Personen entscheiden dann darüber, was veröffentlicht werden darf, und was nicht. Dabei ist nach Sachlage garantiert, daß an diesen Stellen nur handverlesene, „vertrauenswürdige“ Personen mit der „richtigen“ Gesinnung sitzen. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit wird hier eindeutig ausgehebelt. Das ist nicht nur ein glasklarer Verstoß gegen unsere Verfassung. Dazu der renommierte Verfassungsrechtler Professor Dr. Josef Franz Lindner:

„Wenn man später einmal den Niedergang der Meinungsfreiheit in Deutschland und den Einstieg in den Zensurstaat rekonstruieren will, wird dem Leitfaden der Bundesnetzagentur für die zertifizierten Meldestellen (den sogenannten Trusted Flaggern, welche etwaige Verstöße prüfen und diese Plattformbetreibern melden), die Rolle eines Schlüsseldokuments zukommen.“

Principiis obsta!

Wir sind nicht nur technisch weiter, als es zu Zeiten des Fürsten Metternich überhaupt denkbar war. Seine Mentalität indessen feiert fröhliche Urständ. Die Installierung derartiger privater Zensurbehörden ist geeignet, langfristig eine Mentalität in der Bevölkerung zu generieren, in der die Freiheitsrechte des Grundgesetzes keine Rolle mehr spielen, sondern die Bürger sich in scheinbarer Freiwilligkeit dem autoritären bis diktatorischen Staat unterwerfen. Dieser Weg kann ohne weiteres in ein System münden, das etwa, wie vor kurzem in Russland geschehen, unbotmäßige Rechtsanwälte in Straflager schickt. Wehret den Anfängen, sagten schon die Römer. Am 23. Februar 2025 haben die Deutschen Gelegenheit, den Anfängen zu wehren.

Kurz und klar

Kaum ein Thema bewegt die Gemüter mehr, als die Migration. Dieses Thema wird auch den gerade begonnenen Bundestagswahlkampf prägen, neben der desolaten Wirtschaft unseres Landes. Es gibt aber auch kaum ein anderes Thema, das in der Debatte von so viel Unschärfe und Missverständnissen geprägt ist wie dieses. Deswegen in aller Kürze, und somit auch für Nichtjuristen verständlich:

Sowohl das undifferenzierte Bejubeln jeder Art von Zuwanderung, gleichgültig ob es um berechtigte oder unberechtigte Asylgewährung, um berechtigte oder unberechtigte Geltendmachung eines Flüchtlingsstatus nach den Regeln der Vereinten Nationen, oder schlicht um die Suche nach einem besser bezahlten Job geht, als auch die pauschale Ablehnung der Zuwanderung aufgrund der Herkunft oder Religion von Menschen sind objektiv falsch. Einzig die Ablehnung des Rechtsmissbrauchs zum Zwecke der Zuwanderung in die Sozialsysteme ist grundsätzlich richtig. Das aber nuß man individuell feststellen.

Naive linke Träumereien und linker Rassismus

Was die Zuwanderungseuphorie linker Politiker und Journalisten angeht (Stichwort: „Es kommen Menschen zu uns!“), so braucht dazu eigentlich nichts mehr gesagt zu werden. Über die Gründe solcher Migrationslobbyisten brauchen wir auch kein Wort zu verlieren. Absicht (Stichwort: „Deutschland muß bunter werden!“) oder Dummheit, es genügt, daß eine solche Politik ganz offensichtlich falsch ist.

Auch der Dummheit setzt die Verfassung Grenzen

Was die Ablehnung der Zuwanderung von rechts angeht, so erscheint es offenbar notwendig zu sein, diesen Leuten das Einmaleins des demokratischen Rechtsstaats zu erläutern. Es ist zwar zwischenzeitlich unter Juristen nicht mehr streitig, daß es Völker (Ethnien) gibt. Es ist auch nicht streitig, daß sie durch Herkunft und Kultur bestimmt werden, und deswegen auch unterscheidbar sind. Bestandteil der Kultur sind Sprache, Bräuche, und auch religiöse Vorstellungen. Es ist auch nicht zu beanstanden, daß die Förderung der traditionellen Kultur auch eine staatliche Aufgabe sein darf. Im Gegenteil. Was man schätzt, fördert man, was man nicht schätzt, toleriert man nur, soweit es im Rahmen der Gesetze bleibt. Die Schulen nicht nur in Deutschland vermitteln auch diese Kultur, vor allem Sprache, Geschichte und gesellschaftliche Standards. Und selbstverständlich wird das allen Schulkindern vermittelt, gleichgültig, ob sie aus seit Generationen hier ansässigen oder eben erst ins Land gekommenen Familien stammen.

Verallgemeinerungen sind halt immer falsch

Es ist auch unübersehbar und deswegen ebenfalls unstreitig, daß die ungeregelte, ob ihrer schieren Masse nicht administratierbare Zuwanderung erhebliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Probleme mit sich bringt. Ebenso wenig kann bestritten werden, daß diese Probleme je nach Herkunft der Zuwanderer unterschiedlich sind, von praktisch nicht vorhanden bis massiv. Indessen geht es gar nicht an, aus dieser Tatsache zu schlussfolgern und die politische Forderung abzuleiten, Zuwanderer aus bestimmten Regionen grundsätzlich nicht zuzulassen bzw. umstandslos zurückzuschicken. Denn damit wird ein Kriterium angewandt, das der Menschenwürde widerspricht. Sie ist nicht nur wegen ihrer Stellung im Grundgesetz, sondern nach Überzeugung der großen Mehrheit in diesem Lande, der Juristen ohnehin, ein tragender Grundsatz unserer Verfassung. Die Menschenwürde wird von der Verfassung als unveräußerlich beschrieben, haftet also jedem Menschen kraft Geburt an, und er kann nicht einmal selbst darüber verfügen. Daraus folgt natürlich zwingend, daß man einen Menschen weder positiv noch negativ allein aufgrund seiner schieren Existenz beurteilen darf, sondern ausschließlich aufgrund seines Verhaltens und seiner Überzeugungen, die er ja jederzeit und in jede Richtung verändern kann. Seine Herkunft indessen ist von ihm nicht zu beeinflussen. Daraus folgt, daß es eben gegen die Menschenwürde verstößt, bestimmten Gruppen pauschal allein aufgrund ihrer Existenz und ihrer Herkunft die Eignung abzusprechen, sich in unsere Gesellschaft einfügen zu können. Abgesehen davon, daß es natürlich sehr viele Beispiele für das Gegenteil gibt, würde man damit Menschen allein deswegen, weil sie aus einer anderen Kultur kommen, eine andere Herkunft haben, oder auch eine andere Religion, die Fähigkeit absprechen, einen eigenen Willen zu bilden und danach zu handeln. Religiöse Überzeugungen und gesellschftliches Verhalten kann man ändern, seine Herkunft nicht. Genau das aber macht den Menschen aus und unterscheidet ihn vom Tier.

Sachpolitik versus Ideologie

Das ist auch nicht damit zu verwechseln, daß jeder Staat das Recht, möglicherweise auch die Pflicht hat, solche Menschen, die sich an seine Rechtsordnung nicht halten, gegebenenfalls wieder außer Landes zu schicken. Und auch nicht damit, daß jeder Staat das Recht hat, die Zuwanderung nach wirtschaftlichen Kriterien zu steuern, sowohl von der Zahl her, als auch der Qualifikation. Das sind alles sachliche Gesichtspunkte, die nicht an die unveränderlichen Eigenschaften eines Menschen kraft Geburt, sondern an außerhalb seiner Person liegende Kriterien anknüpfen, etwa daran, ob ein Staat daran interessiert ist, daß seine Bevölkerung wächst oder nicht wächst, oder in einem bestimmten Maß, daß seine Bürger möglichst hoch qualifiziert sind, daß die Zahl der straffälligen Bürger möglichst schon präventiv reguliert wird, und deswegen bereits niedrigschwellige Rechtsverletzungen und gesellschaftliche Unverträglichkeiten, wie etwa ein archaisches, und sei es religiös begründetes, Menschenbild dem friedlichen Zusammenleben im Lande entgegenstehen.

Bitte denken!

So viel Differenzierungsvermögen muß man einfach verlangen, auch von Politikern. Wer sich anders äußert und verhält, darf sich nicht wundern, wenn er in den Berichten des Verfassungsschutzes auftaucht und wenn er Glück hat, nur als Intellektueller Minderleister belächelt wird, wenn er Pech hat, von ihm keiner das sprichwörtliche Stück Brot haben will.

Hitler ante portas!

Mangels Feind muß ein Feindbild her!

Deutschland, genauer gesagt, seine politisch-mediale Kaste findet sich seit geraumer Zeit gefühlt in einem Abwehrkampf gegen eine heraufziehende rechtsextreme Diktatur von der Qualität des unseligen Dritten Reiches. Nachdem nun die historischen Nationalsozialisten schon lange tot sind und damit als Todfeind der Demokratie nicht mehr verfügbar, der Feind indessen auf jeden Fall rechts stehen muß, ist dann eben eine Partei, die politisch durchaus rechts von den Unionsparteien steht, zumindest als Feinddarstellung tauglich, nach eigener Überzeugung jedoch als veritabler Verfassungsfeind zu bekämpfen, obgleich das nur ein Popanz ist. Ihr ist eben die Eigenschaft als demokratische Partei abzusprechen, zwischen der Gemeinschaft der Demokraten und diesen verfassungsfeindlichen Gesellen muß dann eben eine „Brandmauer“ errichtet werden. Ihre Mitglieder unterliegen als Parias der demokratischen Gesellschaft einer Quarantäne, die bis in die Kantinen der Rathäuser wirkt und sogar die flüchtigsten gesellschaftlichen Kontakte und grundlegenden Höflichkeitsformen ausschließt, sodaß es bereits als Verstoß gegen die Quarantäneregeln gilt, wenn sich ein Vertreter der „demokratischen Parteien“ auf eine Tasse Kaffee an dem Tisch niederlässt, an dem bereits ein heimlicher Nazi sitzt.

Die Verschwörungstheorie

Da nützt es dieser Partei namens Alternative für Deutschland nichts, daß sich weder in ihrem Programm noch in irgend einer Äußerung eines führenden Politikers Bestrebungen zur Einschränkung oder gar Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung finden. Vielmehr unterstellt man schlichtweg derartige Bestrebungen. So wird von den Verfassungsschutzbehörden, die nun einmal Teil der Exekutive sind, wie auch teilweise bereits von den Gerichten, man kann es nicht anders sagen, die Verschwörungstheorie vertreten, daß diese Partei ein dem Schutz der Menschenwürde in Art. 1 GG zuwiderlaufendes völkisches Menschenbild vertritt, demzufolge etwa Zuwanderer alleine aus ethnischen Gründen nicht Teil des deutschen Volkes sein könnten, und nicht etwa lediglich deswegen, weil sie unabhängig von ihrer Herkunft die hiesigen Gesetze nicht einhalten oder eben langfristig nicht einmal Anstalten machen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Auch wenn das in Programmen und Äußerungen führender Politiker nirgends zu lesen ist, wird das eben schlicht unterstellt. So zum Beispiel in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13.5.2024 betreffend die Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als sogenannter Verdachtsfall. So heißt es dort wörtlich unter anderem:

„Weder in dem Parteiprogramm noch in sonstigen Veröffentlichungen oder Äußerungen der Klägerin oder ihr zurechenbarer Anhänger finden sich eindeutige Forderungen nach einer rechtlichen Diskriminierung deutscher Staatsangehöriger mit Migrationshintergrund. Hinreichende Anhaltspunkte für dahingehende Bestrebungen bieten aber auch abwertende Äußerungen, die kein konkretes Ziel benennen, aber deutlich machen, daß deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund nicht als gleichwertige Mitglieder der Gesellschaft angesehen werden, wenn diese Äußerungen im Zusammenhang mit der politischen Betätigung der Klägerin abgegeben werden und sich aus dem Kontext ergibt, daß der Migrationshintergrund als solcher als Problem gesehen wird und nicht lediglich – rechtlich zulässig – eine fehlende Integration beklagt oder für eine restriktive Migrations- und Einbürgerungspolitik geworben werden soll. Da die Klägerin als politische Partei grundsätzlich darauf ausgerichtet ist, die nach ihrer Überzeugung bestehenden Problemlagen nicht nur zu benennen, sondern etwaigen Fehlentwicklungen mit politischen und rechtlichen Mitteln aktiv entgegen zu steuern, rechtfertigt dies zumindest den Verdacht, daß die wahren Zielsetzungen aus taktischem Kalkül bewußt nicht vollständig offengelegt werden. (RNr. 211)

Selbst die unmissverständliche programmatische Formulierung: „Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lang seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten. Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.“ ist aus der Sicht dieses Gerichts nicht geeignet, den Verdacht zu zerstreuen, die AfD vertrete ein ganz anderes Menschenbild, in dem Zuwanderer eben tatsächlich Staatsbürger zweiter Klasse seien. Nach Zitaten der Aussagen führender Politiker der Partei (Gauland, Höcke) stellt das Gericht fest: „Diese Aussagen stellen für sich genommen keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen dar. Sie schließen aber auch nicht aus, daß zur Bewahrung der ‚ethnisch-kulturellen Identität‘ gegebenenfalls auch diskriminierende Maßnahmen gegenüber deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund herangezogen werden sollen.“ (RNrn. 219, 221). Damit verstößt das Oberverwaltungsgericht klar gegen die Auslegungsregel des Bundesverfassungsgerichts, wonach bei mehrdeutigen Äußerungen zugunsten desjenigen, dessen Äußerung rechtlich beanstandet wird, stets die Auslegung zu wählen ist, die aus dem rechtlich verbotenen Bereich herausführt. Hier interpretiert das Gericht nicht einmal eine Äußerung der Klägerin als rechtlich beanstandenswert, sondern stellt ganz im Gegenteil fest, daß die Äußerung an sich rechtlich unbedenklich ist, indessen doch der Verdacht gerechtfertigt sei, die Klägerin verfolge in Wahrheit verfassungsfeindliche Absichten. Dieser, mit Verlaub gesagt, verschwörungstheoretische Ansatz durchzieht die Urteilsbegründung wie der sprichwörtliche rote Faden.

Das erinnert doch fatal an die berühmte Szene in der Ringparabel des Dichters Heinrich von Kleist, wo der fanatisch antisemitische Patriarch die Verteidigung des Juden Nathan durch den jungen Tempelritter brüsk mit den Worten abschneidet: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“

Der Staatsfeind wird geschaffen

Es herrscht also faktenwidrig in der politisch-medialen Kaste unseres Landes die Auffassung vor, bei der AfD handele es sich gewissermaßen um die Wiedergeburt des Nationalsozialismus. Somit müsse unter allen Umständen verhindert werden, daß sie „die Macht ergreift“, eine Formulierung nota bene, die bewußt an 1933 anknüpft. Hitler ante portas.

Warum sich 1933 nicht wiederholen kann

Unterstellen wir einmal für einen Augenblick, auch in der Wirklichkeit hätte eine eindeutig verfassungsfeindliche Partei die Bundestagswahl gewonnen und könnte die Regierung bilden. Wie 1933 würde sie ganz sicher binnen weniger Wochen die verfassungsmäßige Ordnung beseitigen und eine Diktatur errichten. Ginge das überhaupt? Dazu muß man einen rechtsvergleichenden Blick auf die 1933 geltende Weimarer Verfassung einerseits und die aktuelle Verfassung unseres Landes andererseits richten. Dann fallen zwei wesentliche Unterschiede ins Auge. Zum einen kannte die Weimarer Reichsverfassung noch kein Verfassungsgericht mit den weitreichenden Befugnissen, die das Bundesverfassungsgericht hat. So kann das Bundesverfassungsgericht jederzeit auf Antrag einer politischen Partei, einer Anzahl von Abgeordneten oder auch einer Fraktion des Bundestages ein Gesetz für null und nichtig erklären. Unterhalb des Gesetzes kann dies auch die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Ein „Ermächtigungsgesetz“ wie das am 24.3.1933 von der Reichstagsmehrheit, die bereits von der NSDAP dominiert war, beschlossene „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“ würde heute auf Antrag unverzüglich vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden. Alle Behörden, die Polizei und notfalls auch die Bundeswehr, wären natürlich verpflichtet, diese Entscheidung des höchsten Gerichts auch durchzusetzen. Der Versuch, auf rechtsförmigem Wege die Verfassung abzuschaffen, wäre gescheitert.

Aber auch ein am Gesetz vorbei mit Gewalt vollzogener Umsturz wäre heute nicht möglich. Die elementaren Grundsätze unserer Verfassung, zu denen sowohl der Schutz der Menschenwürde als auch vor allem die freiheitliche demokratische Grundordnung einschließlich des Rechtsstaats gehören, können bekanntlich auf legalem Wege niemals abgeschafft werden, Art. 79 Abs. 3 GG. Gemäß Art. 20 Abs. 4 GG hat darüber hinaus jedermann das Widerstandsrecht. „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Das bedeutet nicht nur, daß man in einem solchen Falle als Bürger den Diktator frank und frei zur Rede stellen und gegebenenfalls festnehmen dürfte. Vielmehr hat dieses Recht ja ausdrücklich jeder Deutsche, mithin jeder Polizeibeamte und jeder Soldat. Der große Roman Herzog hat in seiner Kommentierung dieser Verfassungsbestimmung ausgeführt, daß selbstverständlich auch die Soldaten der Bundeswehr in Ausübung dieses Widerstandsrechts sich aller Mittel bedienen dürfen, die ihnen zur Verfügung stehen, gerade auch ihrer Waffen und ihrer militärischen Organisation. Ein moderner Hitler hätte jedenfalls im Zeitpunkt seines Putschs Polizei und Militär (noch) nicht in seiner Hand, sondern gegen sich. Wer also Hitler ante Portas schreit, kennt entweder die unterschiedlichen rechtlichen Voraussetzungen damals und heute nicht, oder er kennt sie doch, führt aber bewusst die Öffentlichkeit in die Irre. Auch wenn man mit Fug und Recht bezweifeln darf, daß ein großer Teil unserer Politiker und Journalisten hinreichende Kenntnisse in Geschichte und Recht hat, so gehe ich doch davon aus, daß hier die Absicht vorherrscht, den ungeliebten, ja verhassten politischen Gegner zu diffamieren. Hier liegt auch der Grund dafür, daß auch heute noch die Münchhausiade vom Geheimtreffen Rechtsextremer zu Potsdam im November 2023 von Politik und Medien als unumstößliche Tatsache vom Range des heliozentrischen Weltbildes behandelt wird, obgleich inzwischen Dutzende von Gerichtsentscheidungen das Gegenteil bestätigt haben.

Goethe und Hoffmann von Fallersleben wußten es schon: Politisch Lied, ein garstig Lied!