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Was zu Solingen wirklich zu sagen ist

Wer sich von dem ganzen Müll erholen will, den er in den öffentlich-rechtlichen Medien und den Mainstream Zeitungen vorgesetzt bekommt, kann wieder durchatmen, wenn er den nachstehenden Artikel von Alexander Wendt gelesen hat. Am besten natürlich auf seinem Blog Publico oder auf Tichys Einblick, denn da findet man noch viel mehr Gescheites. Wer den nachstehenden Text gelesen und verstanden hat, weiß, was zu tun ist. Zum Beispiel am 1. September 2024.

Das Land des zwanghaften Lügens

Deutschland hat sich – wie 2015 vorausgesagt – drastisch verändert. Zum schlechten. Es ist das Werk eines Milieus, das nicht zugeben will, gescheitert zu sein. Deshalb ist nach Solingen vor dem nächsten Messermord.

Von Alexander Wendt  Posted on   In Politik & Gesellschaft  7  11

Ein Detail am Ort des Anschlags in Solingen kommt nur auf einer Amateuraufnahme groß ins Bild: metallumgitterte gefüllte Wassertanks, die leichter transportable Variante zu den Betonblocks, die in Deutschland heute jede Fläche von Massenveranstaltungen begrenzen.

Im Volksmund heißen die Sperren Merkellego. Produkte wie diese Bezeichnung stammen von 2016, dem Jahr des LKW-Attentats auf Weihnachtsmarktbesucher am Berliner Breitscheidplatz. Merkellego heißen die Fahrzeugsperren nur in der inoffiziellen Kommunikation. Die korrekte Bezeichnung dafür – Betonsperren – taucht medial nur sehr selten auf. Es gehört zu den vielen unausgesprochenen Übereinkünften des institutionellen Deutschlands, weder die Merkelsteine selbst zu erwähnen noch die Tatsache, dass es eine Zeit gab, in der Volksfeste diese panzersperrenähnlichen Abschirmklötze nicht brauchten.

Auf dem Fronhof in Solingen, dem Platz, auf dem die Stadt das „Fest der Vielfalt“ feierte, fuhr bekanntlich kein LKW in die Menge, sondern ein Messerträger spazierte zwischen den Sperrblocks auf das Gelände, tötete drei Menschen und verletzte weitere acht. Gegen Attentäter, die zu Fuß kommen, um in Hälse zu stechen, gibt es bis jetzt noch keine symbolische Maßnahme, die Sicherheit simuliert. Aber die politisch-mediale Debatte dazu nimmt, um es in der Sprache der dazugehörigen Journalisten zu sagen, gerade Fahrt auf. Das Verdrängungsorgan Süddeutsche Zeitung kannte schon kurz nach dem Anschlag den schuldigen Teil: „Und wieder ein Messer“.

In der ausschließlich technisch geführten Diskussion reichen die Vorschläge von der Ausweitung von Messerverbotszonen über Eingangskontrollen bis zu dem Vorschlag des grünen Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich, jetzt flächendeckend gegen Messer vorzugehen, um damit ein Zeichen zu setzen.

Die gleichen Leute wissen natürlich, dass nicht die Messer zustechen, sondern seine Träger. Deshalb weist der Polizeipräsident von Wuppertal, Markus Röhrl, die Bürger aus gegebenem Anlass noch einmal darauf hin, dass das eigentliche Risiko nicht Messer heißt, sondern öffentlicher Raum, zumindest für den Personenkreis, der weder über Fahrbereitschaftslimousinen noch Personenschützer verfügt:„Jeder muss mit sich ausmachen, ob er zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist.“

Auf der parallellaufenden Tonspur erklärt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, was Politiker seiner Sorte nach größeren Anschlägen und Ausschreitungen wie Silvester 2015/16  in Köln immer wieder erklären: „Wir werden unsere Art zu leben verteidigen.“ Wobei ihm die Textbausteine, die offenbar nicht ganz so stabil stehen wie die Merkelschen Großpoller, ein bisschen verrutschten: „Der Anschlag von Solingen hat unser Land ins Herz getroffen.“ Aber: „Unser Land wankt nicht.“

Innenministerin Nancy Faeser beherrscht das Schiefsprechen ähnlich gut wie Wüst, kümmert sich aber schon um die eigentliche Gefahr, nämlich die Instrumentalisierung des Anschlags von Solingen: „Meine Botschaft an alle, die jetzt Hass säen wollen – lassen Sie sich nicht davon beeindrucken.“ Unvermeidlich gesellt sich der Bundespräsident mit der Aufforderung dazu, jetzt zusammenzustehen. Um die diversen Wortmeldungen einmal übersichtlich zusammenzufassen:

Wir verteidigen unsere Art zu leben mit Merkelblöcken bei jeder Kleinstadtfeier, mit Polizeigroßaufgebot und Frauenschutzzonen zu jedem Silvester, mit Waffenverbotszonen und demnächst Kontrollschleusen an jeder blockumstellten und wahrscheinlich bald auch abgegitterten Dorfkirmes, jedenfalls, solange es Leute gibt, die immer noch meinen, zu ihrer Art zu leben würde es auch gehören, überhaupt Festivitäten dieser Art zu besuchen. Zweitens: Nach den Anschlägen vom Breitscheidplatz, von Würzburg, von Brokstedt, Dresden, Mannheim und vielen Orten durch messerstechende Muslime besteht die eigentliche Gefahr darin, dass jetzt jemand Hass sät. Lassen Sie sich also nicht beeindrucken, auch dann nicht, wenn der Stahl in Ihrer Nähe aufblitzt. Denn der schadet Ihnen vielleicht, eine verkehrte Reaktion nützt aber nur den Falschen. Drittens und letztens: Stehen Sie zusammen – aber meiden Sie größere Menschenansammlungen.

Bei der Behauptung in den staatsnahen Medien, die Fachleute stünden vor einem Rätsel, woher der Anstieg der Messergewalt in Deutschland kommt, handelt es sich um ein kleines Element und für sich genommen unbedeutendes in einem strukturellen Lügengeflecht.

In einem Land, in dem sich etablierte Medien, Gewerkschaften, Kirchen und Politiker 2015 zu einer Einheitsfront unterhakten, um einen begeisterten Konsens der Gesellschaft über die schrankenlose Masseneinwanderung zu fingieren, können die Beteiligten von damals heute gar nicht anders, als zwanghaft zu lügen. Nur eine wirklich kleine Minderheit lehnte 2015 die Aufnahme von Migranten samt und sonders ab. Aber eine Mehrheit, die allerdings nicht zu Wort kam, betrachtete das Experiment mit Skepsis, die Grenzen eines Landes faktisch aufzugeben (Merkel: „Wir haben es nicht in der Hand, wie viele zu uns kommen“), und Hunderttausende unbesehen ins Land zu lassen, hauptsächlich junge muslimische Männer aus den gewalttätigsten Zonen der Erde. Und kaum jemand außerhalb eines wiederum sehr kleinen Milieus auf der anderen Seite des politischen Spektrums betrachtete diesen Zustrom als Schwungmasse, um die Verhältnisse in Deutschland selbst grundstürzend zu ändern. Es lohnt sich, jetzt noch einmal die zentralen Sätze aus Katrin Göring-Eckardts berühmter Rede vom Dezember 2015 in Halle zu hören.

Dort sagte sie nicht nur: „Und ja, unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch, und ich sag euch eins: Ich freu mich drauf.“ Sondern auch den eigenartigen Satz, sie sehe das so, „weil ich schon einmal eine friedliche Revolution erlebt habe. Die hier könnte die sein, die das Land besser macht.“ Im Gegensatz zu der anderen? Und überhaupt: Eine Migration, deren Verlauf nur die Migranten selbst bestimmen, als Revolution zur Verbesserung der eigenen Gesellschaft? Ein paar Sätze weiter rief Göring-Eckardt damals zur Bekräftigung in den Saal: „Für dieses neue Land, dieses bessere Land, dafür kämpfen wir.“

Einem kleinen Zirkel, dessen Mitglieder nie etwas mit der alten Bundesrepublik anfangen konnten, erschien Merkels Migrationsentscheidung damals als fantastischer Aufbruch in einen immerwährenden Karneval der Kulturen, bei dem es nicht nur weniger deutsch zugehen sollte, sondern auch weniger westlich. Die Vision hieß seinerzeit „Regenbogengesellschaft“, definiert als „ein bisschen Kirchentag, ein bisschen Antifa“, wie es Cordt Schnibben 2015 in seinem programmatischen Text „Abschwellender Bocksgesang“ schrieb.

Im Vorspann dieses Textes hieß es: „Es geht nicht nur um Flüchtlinge, es geht darum, in welchem Land wir leben wollen.“ Genauer gesagt: Es ging ihm und seinen Gesinnungskameraden nie um die Flüchtlinge selbst, sondern ihre Wirkung auf die von ihm abgelehnte deutsche Mehrheitsgesellschaft, in Schnibbens Worten, „die Ängstlichen, Zyniker und trüben Tassen“. Bei jemandem mit seiner Biografie überrascht diese Logik nicht: Kind eines bis 1945 und darüber hinaus fanatisch nationalsozialistischen Elternpaars, Eintritt in die DKP, einjähriges Studium der Gesellschaftswissenschaften am Franz-Mehring-Institut in Ostberlin, Karriere bei Zeit und Spiegel, heute einer der Leute im Hintergrund bei Correctiv.

Diese wie gesagt winzige, allerdings mit einem privilegierten Öffentlichkeitszugang ausgestattete Kaste von Leuten, die 2015 einer großen Umwälzung Deutschlands durch junge Männer aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika entgegenfieberte, fühlte sich seinerzeit als überlegene Avantgarde. Sie bildete den heißen Kern, alle anderen, Unternehmen, die vom Fachkräftewunder erzählten, ein Medienunternehmen, das „Refugees welcome“-Sticker ausgab, opportunistische Politiker, die sie sich ansteckten, die gruppierten sich um diesen Kern und redeten sich ein, diese Allianz stünde repräsentativ für das ganze Land. Dass sie das nicht tat, konnte schon 2015 eigentlich jeder an den Schimpftiraden Schnibbens gegen die trüben Tassen ablesen, und an dem touretteartigen Verdammungstext eines Autors der Süddeutschen, der 2015 Folgendes zu Papier brachte:

„Ihr heimatliebenden Zustandsbewahrer, empathielosen Wüteriche, wunderlichen Nicht-Neger, aufrechten Stehpinkler, verkrampften Gutmenschen-Schlechtfinder. Ihr deutschen Kosten-Nutzen-Denker. Ihr besorgten Patrioten. Ihr IchbinkeinNaziaber-Sager, Ihr IchkenneauchnetteTürken-Kartoffeln, ihr unkorrekten Pegidisten, ihr nationalen Oberlehrer. Es ist 2015. Und ihr kommt aus euren Löchern ans Licht gekrochen.“

Eine Zeitung, die 2015 jeden, der den Zustrom nicht ansatzlos bejubelte, als Wüterich und Lochbewohner betrachtete, kann gar nicht anders, als sich 2024 noch dümmer zu stellen als unbedingt nötig: „Und wieder ein Messer.“
Der entscheidende Punkt liegt darin, dass sich die 2015-Vision der Katrin Göring-Eckardt verwirklicht hat, und zwar so sehr, dass auch das schmale Bündnis Merkel-Göring-Eckardt-Schnibben-Süddeutsche nicht daran vorbeikommt: Deutschland hat sich verändert, und zwar drastisch.

Die wirkungsvollste Änderung betrifft den öffentlichen Raum. Jeder, der in den frühen Neunzigern als Tourist nach New York kam, erhielt von Einheimischen Ratschläge, nicht jenseits der soundsovielten Straße herumzulaufen (die Angaben schwankten je nach Ratgeber). Reisende in San Francisco sollten bestimmte Ecken des Dolores Park meiden; irgendwann gab es entsprechende Tipps auch für Berlin. Kein zurechnungsfähiger weiblicher Mensch und auch sonst niemand spaziert heute nachts durch den Görlitzer Park oder an den Wochenenden in der Gegend rund um die Warschauer Brücke. Mit Warnungen dieser Art kann jeder noch leben. Das Besondere an der deutschen Gegenwartslage besteht darin, dass die Aufteilung in Unsicherheitszonen und den Rest keinen Sinn mehr ergibt. Tödlich kann ein Spaziergang im abendlichen Dresden ausgehen, wo der gerade aus dem Gefängnis entlassene syrische Islamist Abdullah al Haj Hasan am 4. Oktober 2020 den Spaziergänger Thomas Lips erstach und dessen Lebensgefährten schwer verletzte, tödlich die Fahrt im norddeutschen Regionalexpress, wo der gerade aus der Haft entlassene Palästinenser Ibrahim A. am 25. Januar 2020 zwei Menschen erstach und drei weiteren schwere Wunden zufügte. Tödlich kann der Bummel in der Innenstadt von Würzburg sein, wo der Somalier Abdirahman Jibril A. am Nachmittag des 25. Juni 2021 drei Frauen mit dem Messer tötete und auf fünf weitere Menschen einstach. Für einen Polizisten tödlich und für mehrere andere Personen mit schweren Verwundungen endete der Angriff des Afghanen Sulaiman Ataee auf dem Marktplatz von Mannheim am 31. Mai 2024. Einer ukrainischen Frau, die am 10. Juni 2024 am frühen Nachmittag in der Sonne am Frankfurter Mainufer saß, kostete der Aufenthalt auf der Parkbank fast das Leben – ein 19-jähriger Afghane stach ihr mehrfach ohne erkennbaren Anlass mit einem Cuttermesser in den Hals.

Dazu kommen Taten, die anders als in Solingen, Mannheim und Dresden keine klar terroristischen Züge tragen. Beispielsweise der Messerangriff eines Syrers auf ein vierjähriges Mädchen in Wangen am 4. April 2024, die Tötung eines jungen Mannes im Kurpark von Bad Oeynhausen am 23. Juni 2024 durch einen 18-jährigen syrischen Asylbewerber mit umfangreicher Polizeiakte, die Tötung eines Familienvaters auf dem Bahnhof von Uelzen am 13. Juli 2024 durch den 18-jährigen Marokkaner (NDR: „Tödlicher Treppensturz“).

Wie alle anderen aufgeführten Täter besaß auch dieser Migrant keinen Asylstatus, durfte aber trotzdem in Deutschland bleiben. Es gibt mittlerweile eine Rangfolge der gefährlichsten Bahnhöfe Deutschlands (Hamburg, Hannover, Frankfurt). Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch jeden beliebigen Reisenden zu jeder Stunde an jedem Krähwinkelbahnhof treffen kann. Aus der Statistik lassen sich zwar besonders gefährliche Plätze herausfiltern, aber keine garantiert harmlosen Orte für Normalbürger in Deutschland. Metropole oder ruhige Kleinstadt, Festwiese oder Kurpark, Stadtzentrum oder Zugabteil, nachts oder tagsüber – überall und immer kann eine Zufallsbegegnung dazu führen, dass jemand nicht mehr nach Hause zurückkehrt. Es gibt kein Muster, an dem man sein Verhalten so ausrichten könnte, dass man unbehelligt bleibt. Es gibt keine friedlichen Zonen, kein Grundgefühl der Sicherheit. In einem Land, in dem Mitglieder des tonangebenden Milieus ständig vor einem ‚Generalverdacht‘ warnen, herrscht eine Generalunsicherheit. Jeder in diesem tonangebenden Milieu und außerhalb erst recht kennt diesen Zustand. Wobei die einen die Verantwortung dafür tragen, während die anderen ihn nur erleiden. Jeder weiß, dass unsere Art zu leben nicht mehr existiert, nämlich ein Leben in einem einigermaßen zivilisierten Land, in dem es weder Sperrklötze rund um Volksfeste noch Ausweiskontrollen in Berliner Schwimmbädern gab, und in dem es sich bei mitgeführten Messern in aller Regel um Andenken aus der Schweiz handelte.

Der Aufruf eines mit Limousine und Personenschützern ausgestatteten Hendrik Wüst, das imaginäre Wir sollte sich seine Art zu leben nicht nehmen lassen, gehört zu dem zwanghaften Lügen, das mittlerweile die gesamte politisch-mediale Zone durchdringt. Nach dem Totschlag in Bad Oeynhausen erklärte Innenministerin Nancy Faeser, die deutsche Gesellschaft habe sich um den Täter nicht genug gekümmert, er habe „außer der Flüchtlingsunterkunft nichts anderes gekannt“. Nichts davon stimmt. Der Totschläger lebte in einer regulären Wohnung, er erhielt einen Sprachkurs und, obwohl nicht politisch verfolgt, einen Aufenthaltsstatus. Genau hier, in dem kontrafaktischen Geplapper einer Ministerin, in deren Zuständigkeitsbereich die innere Sicherheit fällt, zeigt sich das Phänomen des zwanghaften Lügens: Es fließt seinen Urhebern nach dem Muster der Pseudologia fantastica ganz locker von den Lippen.

Jemand, der bleiben darf, obwohl der Asylartikel des Grundgesetzes für ihn gar nicht gedacht ist, der hier Geld und eine Wohnung bekommt, schlägt jemanden aus nichtigstem Anlass tot? Dann muss der Grund in der mangelnden Anstrengung der Gesellschaft liegen. Denn ein kollektives Eliteversagen in der Migrationspolitik kommt als Ursache von vornherein nicht in Frage. An die Seite von Faeser, die dazu aufruft, sich von dem Anschlag in Solingen nicht beeindrucken zu lassen, an die Seite von Olaf Scholz, der ein schärferes Waffenrecht und im Übrigen nicht ein Viertel und nicht neunzig Prozent, sondern die ganze Härte des Gesetzes für den Täter fordert, tritt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken mit der Aussage, aus dem Messermassaker könnten wir „nicht viel lernen“. Schließlich sei der Zustecher von Solingen nicht polizeibekannt gewesen. Sondern nur ausreisepflichtig; Eigentlich sollte er 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden, wo er die EU zuerst betrat, dann tauchte er vorübergehend unter, solange die Überstellungsfrist von 18 Monaten lief, danach wieder auf – und durfte unbehelligt weiter in Solingen wohnen.

Der Mörder von Dresden kam frisch aus dem Gefängnis, wo er wegen Aktivitäten für den IS saß, der Mörder von Brokstedt ebenfalls gerade aus der Haft wegen Gewalttaten, zu dem angeblich schlecht behandelten Totschläger von Bad Oeynhausen existierte schon vor der Tat eine lange Polizeiakte. Der Iraker, der 2018 zusammen mit anderen Asylbewerbern in Chemnitz einen Mann erstach und zwei andere schwer verletzte, hatte schon vorher eine Messerstraftat begangen, seinen Asylantrag lehnte die Behörde ab, sogar seinen Duldungsstatus besaß er zum Zeitpunkt, als er tödlich zustach, nicht mehr. Seit Jahren wiederholt sich das immergleiche Muster. Auch in der medialen Reaktion. Nach dem Massaker in Solingen holte die ARD sofort einen Fernsehexperten vor die Kamera, der über traumatisierte Flüchtlinge dozierte, , während er Normalbürger in diesem Land offenbar für erfreulich robust und traumaresistent hält. Der Evangelische Pressedienst wiederum klingelte den Universalexperten Andreas Zick aus Bielefeld an, der schon nach den linksextremen Ausschreitungen zu G20 in Hamburg meinte: „Ideologie spielt kaum eine Rolle“. Nach Solingen warnte der Narrativspender erwartungsgemäß vor der „Instrumentalisierung des Anschlags“ – also dem bekanntermaßen Schlimmsten, was überhaupt passieren kann – und gleichzeitig vor einer Zunahme von „fremdenfeindlicher Gewalt“.

Auch diese Phrase von einer unterstellten „Fremdenfeindlichkeit“ gehört zum Reich der zwanghaften Lüge: Erstens stellt es noch keine Feindlichkeit dar, ein Problem zu diagnostizieren. Und zweitens haben weder Alteingesessene noch gut integrierte Zugewanderte ein Problem mit Chinesen, Japanern, Vietnamesen, Brasilianern, Spaniern oder Dänen, die in Deutschland leben. Es gibt auch eine große Zahl von Menschen, die aus muslimischen Ländern stammen und gerade deshalb hier leben – so jedenfalls ihre ursprüngliche Absicht –, um sich fanatischer Religionsausübung und Alltagsgewalt nicht auszusetzen. Auf der medialen Seite verkörpert kaum jemand den Typus des Zwangslügners so perfekt wie Gabor Halasz, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, der sofort nach dem vorerst letzten Mehrfachmord im immergleichen Schema weiß, dass eine restriktivere Einreisekontrolle und eine Abschiebung abgelehnter und vor allem krimineller Migranten „entweder nur sehr schwer oder gar nicht umsetzbar ist“. Er weiß es schon, bevor es die politischen Verantwortlichen überhaupt versuchen – wobei: Sie versuchen es unter anderem auch deshalb nicht, weil sie sich der Unterstützung solcher öffentlich-rechtlichen Unterstützungsjournalisten sehr sicher sein können.

Stattdessen schlägt der ARD-Mann vor: „Wir nehmen uns Zeit. Setzen uns zusammen. Und gehen wirklich an die Ursachen des Islamismus ran.“ Wobei er an anderer Stelle feststellt, dass der Islamismus „nicht automatisch“ etwas mit dem Islam zu tun hat. Nicht dass das Narrativ noch in die verkehrte Richtung läuft, den Falschen Wasser auf die Mühlen etc. etc.

Dabei befinden sich Halasz und sein Milieu an dieser Stelle gar nicht weit von einem wichtigen Realitätspunkt entfernt. Sie scheinen es zu spüren und zucken instinktiv zurück. Nicht irgendeine Einwanderung verändert seit 2015 die Gesellschaft drastisch. Sondern die Migration aus dem islamischen Krisengürtel. Eine alternde, schon weitgehend abgerüstete, permissive und individualistische Gesellschaft trifft auf junge testosterongeladene Männer, sehr viele davon aus zerrütteten Ländern und Zonen permanenter Kriege.
Es kommen Männer, die nie eine zivile Ordnung erlebten, dafür aber eine simplizistische Überlegenheitsideologie in ihren Köpfen mitschleppen. Und diejenigen, die aus Weltgegenden stammen, in denen Gewalt als selbstverständliches Mittel und ein unbewaffneter Mann als lächerliche Erscheinung gilt, treffen eben nicht zu hunderten oder tausenden ein, sondern zu Hunderttausenden, zu Millionen. Selbst eine Gesellschaft, die sehr viel stabiler und selbstbewusster wäre als die deutsche, würde sich nach einer derart extremen Veränderung nicht mehr wiedererkennen. In der Welt, aus der diese jungen Männer stammen, gehört der Gebrauch von Waffen und die Anwendung von Gewalt zum Selbstverständnis. Sie stellt in der Regel nicht das letzte, sondern das erste Mittel dar. Vor allem dann, wenn sie sich mit einem ganz bestimmten Verständnis der Religion als Überlegenheits- und gleichzeitig Todesideologie verbindet. Fast gleichzeitig mit dem Attentat in Solingen fand im französischen La Grande-Motte ein Anschlag auf die dortige Synagoge statt. Und unmittelbar nach Solingen eine Islamistenkundgebung mit IS-ähnlichen Fahnen vor einer Kirche in Nürnberg. Diese Art systematischer Landnahme ereignet sich auch anderswo im Westen, beispielsweise in London, wo es 500 Moscheen gibt, was Muslime aber nicht davon abhält, demonstrativ direkt vor der Westminster Abbey zu beten.
An den Schulen in NRW und in anderen westdeutschen Bundesländern können so genannte Scharia-Polizisten Mädchen ziemlich ungehindert vom Staat dazu anhalten, sich züchtig zu kleiden und andere islamische Vorschriften zu befolgen.

Das Faeser-Steinmeier-Halasz-Konsortium, das es erklärtermaßen für unmöglich hält, Grenzen zu kontrollieren und Migranten ohne Aufenthaltsberechtigung abzuschieben, behauptet gleichzeitig, diese von ihm geprägte schwache und in Selbstvorwürfen ertränkte Gesellschaft könnte die Gewalt- und Sittenvorstellungen aus hunderttausenden jungen Muslimen im Westen irgendwie heraustherapieren.

Schlangenölverkäufer wirken im Vergleich zu diesen Gestalten seriös. Zwangslügner belügen in erster Linie sich selbst. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass sie als einzige ihre Zwangslügen noch glauben. Das müssen Gescheiterte auch, um weitermachen zu können. Gerade dann, wenn sie über ihr Scheitern genau Bescheid wissen. Sie wissen, dass sie die Gesellschaft drastisch zum Schlechten verändert haben. Und dass sich diese Auswirkungen nur dann wenigstens mildern ließen, wenn sie, diese Funktionselite, komplett abtreten würde.
Am 29. November wird die Stadt Solingen den Preis „Die schärfste Klinge“ an die Journalistin Dunja Hayali vom ZDF verleihen, und zwar für „Toleranz, Vielfalt, Mut, Haltung“.

Nach den Landtagswahlen im Osten werden diese Begriffshülsen klappern wie nie zuvor. Es geht also weiter und weiter und weiter. Vorerst jedenfalls.


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

Ich kann die Bücher und Artikel von Alexander Wendt nur jedem dringend empfehlen, jedenfalls jedem, der sein Gehirn auch nutzen will.


Geht’s noch?

Die Leser dieses Blogs wissen ja schon lange, daß die politische Klasse unseres Landes auf die Couch des Therapeuten gehört. Diese Diagnose bestätigt sie täglich. Ein besonders schönes Beispiel war nun jüngst in Erlangen zu besichtigen. Was war geschehen?

Der Kaminabend

Die Mittelstands-Union, so nennt sich die Arbeitsgemeinschaft der mittelständischen Unternehmer innerhalb der CSU, dürfte wohl als eines der Kernelemente dieser Partei zu betrachten sein. Ist doch traditionell die soziale Marktwirtschaft eine wesentliche ideologische Grundlage der Unionsparteien und sind traditionell mittelständische Unternehmer überproportional dort vertreten. Genau aus diesem Grunde gibt es diese Arbeitsgemeinschaft in beiden Unionsparteien. Ihre örtliche Untergliederung, die Mittelstands-Union Mittelfranken, hatte für Freitag, den 23. August 2024 den Rechtsanwalt und Privatdozenten an der Universität Köln für Verfassungsrecht, Dr. Ulrich Vosgerau, zu einer als „Kamingespräch“ bezeichneten Veranstaltung in das Hotel Bayerischer Hof in Erlangen eingeladen. Man wollte von Herrn Vosgerau als ausgewiesenem Verfassungsrechtler seine Ansicht zu den europäischen Verträgen im Spannungsfeld zum deutschen Grundgesetz hören. Dazu gibt es in der juristischen Literatur in der Tat Kontroversen, an denen sich eben auch der Verfassungsrechtler Dr. Vosgerau beteiligt. Er ist der Auffassung, daß die europäischen Verträge in verschiedenen Punkten mit dem Grundgesetz, etwa seiner Eigentumsgarantie, kollidieren.

Der Referent aus dem Reich des Bösen

Also eine Veranstaltung in der Höhenluft des Verfassungsrechts mit entsprechenden Anforderungen an die Rechtskenntnisse, aber auch das Verfassungsverständnis der Zuhörer. Veranstaltungen dieser Art haben für gewöhnlich auch keinen Widerhall in der Presse, dafür ist das Thema zu trocken. Im vorliegenden Falle war das indessen völlig anders. Nicht wegen des Themas. Nein, der Referent war der Stein des Anstoßes. Denn der Rechtsanwalt Dr. Vosgerau verteidigt den Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke in dessen Strafverfahren wegen angeblicher Verwendung nationalsozialistischer Symbole gemäß § 86a StGB („Alles für Deutschland!“). Die Einladung eines solchen Anwalts ist in den Augen der örtlichen politischen Parteien von CSU bis links außen ein Skandal. Schon im Vorfeld der Veranstaltung berichteten die Zeitungen der Verlagsgruppe Nürnberger Presse unter der Überschrift „Höcke-Anwalt eingeladen“ über diesen offensichtlich als Skandal eingestuften Vorgang. Die örtliche CSU ließ verlauten, man sehe mit großem Bedauern, daß sich die Führung der Mittelstandsunion in einer Stoßrichtung positioniere, die deutlich außerhalb des von der CSU Erlangen – und im übrigen auch der Mittelstands-Union auf Landesebene – vertretenen liberal-konservativen Spektrums stehe. Es folgten dann Mandatsniederlegungen von Funktionären der Erlanger Mittelstandsunion und Forderungen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann, in Erlangen Bezirksvorsitzender der CSU, nach einer klaren Abgrenzung zur AfD. ZUr Erinnerung: Joachim Herrmann ist von Amts wegen Hüter der Verfassung in Bayern und natürlich auch Volljurist. Tatsächlich. Nicht fehlen durften Forderungen der sogenannten Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg, diesem Treiben entgegenzutreten. Ihr durch ständige Hetze gegen alles, was seinem linksradikalen Weltbild entgegensteht auffallender Vorsitzender forderte den Minister auf, diese angeblich demokratiefeindliche Veranstaltung zu unterbinden. Dabei durfte auch das längst von den Fakten widerlegte Gefasel von einem „Remigrationstreffen“ von Rechtsextremen in Potsdam nicht fehlen.

Die öffentliche Empörung

Über die Veranstaltung selbst berichteten dann die Zeitungen des VNP auf immerhin einer halben Zeitungsseite unter der Überschrift „Empörung über Auftritt von Höckes Anwalt“, wobei prominent der SPD-Oberbürgermeister von Erlangen in Wort und Bild erwähnt wurde. Er wurde mit der Aussage zitiert, die Mehrheit der CSU lehne solche Veranstaltungen ab. Ob die Leser des Blattes sich Gedanken darüber gemacht haben, mit welcher Kompetenz ein SPD-Politiker über das Meinungsbild in der CSU berichtet, wollen wir einmal offen lassen. Vielleicht ist das ja auch nur die Allparteienkoalition gegen die AfD als Manifestation des Bösen. Zu dem Erlanger OB Florian Janik sei allerdings noch einmal darauf hingewiesen, daß dieser Herr in der Vergangenheit dadurch aufgefallen ist, daß ihn Recht und Gesetz wenig scheren, wenn es darum geht, politische Propaganda zu machen. So hat ihm das Verwaltungsgericht Ansbach zweimal hintereinander untersagt, in amtlicher Eigenschaft über die AfD herzuziehen. Daß das Politikern, die in amtlicher Eigenschaft auftreten, nicht erlaubt ist, war ihm natürlich bekannt, denn das Bundesverfasssungsgericht hatte das zuvor drei Mal prominenten Politikern, an der Spitze die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, untersagt. Er darf auch für sich in Anspruch nehmen, als vermutlich einziger prominenter Politiker ein gerichtliches Unterlassungsverbot ignoriert zu haben, weswegen ihm dann auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Ordnungsgeld auferlegt worden ist. Natürlich nicht ihm in Person, sondern der Stadt Erlangen, also letztendlich den Erlanger Steuerzahlern. Ein solcher Spezialdemokrat und Politiker mit einem gebrochenen Verhältnis zum Recht wird von der örtlichen Presse gefeiert, ein Lokalpolitiker der CSU indessen, der sich erdreistet, einen Rechtsanwalt zu einer Veranstaltung einzuladen, der unter anderen einen prominenten-AfD-Politiker anwaltlich vertreten hat hingegen wird dafür beschimpft und wenn nicht wörtlich, so doch sinngemäß als Rechtsextremist diffamiert.

Verkehrte Welt

Man muß sich das in der Tat auf der Zunge zergehen lassen. Ein Anwalt, der nichts anderes getan hat, als seinen Berufspflichten nachzukommen, wird genau deswegen als Unperson beschrieben, mit der ein anständiger demokratischer Politiker nichts zu tun haben darf. Insoweit erinnere ich jedoch an die vom Gesetz definierte Stellung des Rechtsanwaltes und zitiere nachstehend die einschlägige Vorschrift aus der Bundesrechtsanwaltsordnung:

Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
§ 3 Recht zur Beratung und Vertretung

(1) Der Rechtsanwalt ist der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten.

(2) Sein Recht, in Rechtsangelegenheiten aller Art vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden aufzutreten, kann nur durch ein Bundesgesetz beschränkt werden.

(3) Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten, Schiedsgerichten oder Behörden vertreten zu lassen.

Wenn man Herrn Janik und den Journalisten des Verlags Nürnberger Presse glauben darf, dann ist der Strafverteidiger, der etwa einen Kinderschänder vor Gericht vertritt, nicht einfach ein Anwalt, der seine Pflicht tut, sondern naja, eben „auch so einer“. Das Verständnis solcher Politiker und Journalisten von Demokratie und Rechtsstaat ist, gelinde gesagt, erstaunlich. Statt unter der Überschrift „Empörung über Auftritt von Höckes Anwalt“ die Mär vom rechten Anwalt und nicht vom Rechtsanwalt breitzutreten, hätte es den selbst ernannten Verteidigern der Demokratie und des Rechtsstaates wohl angestanden, derartigen Verächtern von Demokratie und Rechtsstaat wie dem Oberhetzer von der sogenannten Allianz gegen Rechtsextremismus wie auch dem Oberbürgermeister von Erlangen auszubuchstabieren, was Demokratie und Rechtsstaat eigentlich sind. Doch solange der „Krampf gegen rechts“ und nicht die sachliche Berichterstattung als Kernaufgabe des Journalismus angesehen wird, werden wir leider noch mehr solche Sumpfblüten auf dem mit politischem Odel überreich kontaminierten Feld der Medien sehen müssen.

Recht, Politik und Sommerhitze

Nein, wir leben gerade nicht im Sommerloch. Aber in der Sommerhitze. Und da ist offenbar möglich, was unter normalen Umständen hinter den Mauern der Anstalten bleibt, in denen die Wohnräume der Insassen innen keine Klinken haben, und deren Insassen auch schon mal Jacken tragen, deren Ärmel vorne verschlossen sind und die die von ihrem Träger nicht geöffnet werden können.

Der Skandal

Anders kann der Vorgang wohl nicht erklärt werden, den wir uns heute ein wenig näher anschauen wollen. Was ist geschehen? Die AfD hat im laufenden Thüringer Wahlkampf auf ein Heimatgedicht aus dem Jahr 1911 zurückgegriffen. Hier der Text:

Erntegruß

Rauscht ihr noch ihr alten Wälder
hoch vom Rennstieg euren holden Sang?
Wiegt ihr noch durch goldne Felder
graue Dome euren Feierklang?
Und du wunderkühle Sagenquelle
liebe Saale, spiegelst du noch helle
Berg und Burg und reifen, reifen Rebenhang?

Ja. es taucht aus trauten Fluren
und es glänzt mir her vom klaren Fluß
Vaterhaus und Wanderspuren
Schlägerklang und rascher Turnergruß
Hörselberg, aufspringt die wilde Pforte
Locken wehn im Wind und Mädchenworte
und die Lippe blüht vom ersten, ersten Kuß

Jahre, die da hingezogen
eure Pulse fühl ich warm und klar
und des Lebens bunter Bogen
überspringt was jung und selig war
Volle Ernte wogt zu meinen Füßen
und ihr rauscht, den Abend mir zu grüßen
Heimatwälder, auf mein weißes Haar.

Die Aufdeckung des Skandals

Das gefiel dem Grünen-Politiker Bernhard Stengele, derzeit Minister für Umwelt, Energie und Naturschutz in Thüringen und Schauspieler von Beruf, überhaupt nicht. (Nicht daß ich Schauspielern generell die Fähigkeit absprechen wollte, politisch wirken zu können. Seit Ronald Reagan wissen wir, daß das auch schon mal gutgehen kann.) Deswegen ließ er die Kanzlei des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun gegen die Vorsitzenden der Thüringer AfD, Björn Höcke und Stefan Möller, Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstatten. Schließlich sei der Verfasser des Gedichts Franz Langheinrich (1864 – 1945) ein Nazi gewesen. Ein Gedicht aus der Feder dieses Nazis, dazu noch von der in seinen Augen neuen Nazipartei im Wahlkampf verwendet, könne nur der Verherrlichung des NS-Regimes dienen und sei daher auch geeignet, den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer des NS-Regimes verletzenden Weise zu stören. Daß ein Thüringer Grünen-Politiker sich einer Würzburger Anwaltskanzlei bedient, ist insofern nicht weiter überraschend, als der Kollege Jun auf Vorschlag der Grünen das ehrenvolle Amt eines stellvertretenden nichtrichterlichen Mitgliedes des bayerischen Verfassungsgerichtshofs ausübt. Der im IT- und Äußerungsrecht ausgewiesene Anwalt fällt aber auch schon einmal durch abstruse Äußerungen auf, wie die, von den finsteren Vertreibungsplänen der Potsdamer Geheimkonferenz sei natürlich auch er als Abkömmling koreanischer Einwanderer betroffen und müsse dann, wenn diese Leute an die Macht kämen, wohl mit seiner Ausweisung rechnen. So jedenfalls hat er sich sinngemäß kurz nach Bekanntwerden der Lügengeschichte von Correctiv über das angebliche Potsdamer Geheimtreffen vom 23.11.2023 geäußert. Nun sind ja bekanntlich Einwanderer aus Ostasien nicht nur in Deutschland, sondern überall im westlichen Kulturkreis bestens integriert, weisen regelmäßig excellente Berufs- und Studienabschlüsse auf und tragen die Wirtschaft ihrer neuen Heimatländer zu einem erheblichen Teil. Was man von den Zwanderern aus Afrika und dem Orient, vor allem den Muslimen, nur eher selten sagen kann. Deswegen werden Zuwanderer aus dem ostasiatischen Raum gerade auch von den grundsätzlich migrationskritischen Parteien gewissermaßen als Musterbeispiele gelungener Integration von Migranten geschätzt. Auch Herrn Jun kann das nicht verborgen geblieben sein. Also muß sein erwähnter Thread als bullshit bezeichnet werden, um einmal in das gerade bei den Grünen so beliebte englisch zu wechseln.

Politik und Recht – zwei Welten begegnen sich

Es lohnt sich also, der Sache auch juristisch auf den Grund zu gehen, zumal Kollege Jun ja für sich ganz unbescheiden, wie es seine Art ist, in Anspruch nimmt, Rechtsverstöße auch da zu erkennen, wo andere sie nicht einmal vermuten. Schauen wir uns also zunächst die einschlägigen Vorschriften des Strafgesetzbuches an:

§ 1 StGB lautet: „Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.“

Das ist der gesetzliche Ausdruck des in allen zivilisierten Ländern der Welt, insbesondere des europäischen Kulturkreises, geltenden lateinischen Rechtsgrundsatzes nulla poena sine lege.

Die Langfassung der lateinischen Formel nullum crimen, nulla poena sine lege scripta, praevia, certa et stricta umschreibt die vier Einzelprinzipien des Gesetzlichkeitsprinzips:

Notwendigkeit zur schriftlichen Fixierung der Strafbarkeit (Verbot strafbegründenden Gewohnheitsrechtsnulla poena sine lege scripta)

Notwendigkeit der Fixierung vor Begehung der Tat (strafrechtliches Rückwirkungsverbotnulla poena sine lege praevia)

Notwendigkeit hinreichender Bestimmtheit des Gesetzes (strafrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatznulla poena sine lege certa)

Verbot von Analogie zu Lasten des Täters über den Wortlaut des Gesetzes hinaus (Analogieverbot im Strafrecht, nulla poena sine lege stricta)

Vor allem dem Bestimmtheitsgrundsatz wollen wir unsere Aufmerksamkeit schenken. Er ist nicht nur im europäischen, sondern auch im amerikanischen Rechtskreis von Bedeutung, denn nach einer Entscheidung des Supreme Court muß jeder Bürger vor Begehung einer Tat aus dem Gesetz entnehmen können, was verboten und was erlaubt ist. Vereinfacht ausgedrückt: das richtige Verständnis des Gesetzes muß mit dem gesunden Menschenverstand möglich sein, Recht darf keine Geheimwissenschaft sein. Das gilt auch für die Vorschrift, die der Abdruck des inkriminierten Gedichts im Wahlprogramm der Thüringer AfD verletzen soll, nämlich § 130 Abs. 4 StGB. Er lautet:

„Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer öffentlich oder in einer Versammlung den öffentlichen Frieden in einer die Würde der Opfer verletzenden Weise dadurch stört, daß er die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft billigt, verherrlicht ooder rechtfertigt.“

Nun fehlt diesem Gedicht jeglicher Bezug zur nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft. Selbst in den Augen des Anzeigeerstatters Stengele und seines Anwalts Jun ist das Gedicht vielleicht kitschig, sentimental, melancholisch-heimattümeld und schwülstig, aber ansonsten völlig unbedenklich. Es braucht also offenbar einen erheblichen Begründungsaufwand, dennoch den Straftatbestand des § 130 Abs. 4 StGB als erfüllt anzusehen. Dieses Kunststück gelingt dem politisierenden Schauspieler und seinem ebenfalls politikaffinen Anwalt auf die Weise, daß die Person des Dichters ebenso wie die Partei, die es für ihren Wahlkampf verwendet, in den gesetzlichen Tatbestand gewissermaßen hineingelesen werden. Denn immerhin war Franz Langheinrich ein glühender Unterstützer des nationalsozialistischen Regimes. Und die AfD wird von Leuten der politischen Denkungsart des Anzeigeerstatters und seines Anwalts als gewissermaßen NSDAP des 21. Jahrhunderts gesehen. Mit anderen Worten: wenn ein heimattümelndes Gedicht eines Nazi-Dichters von einer Nazipartei im Wahlkampf verwendet wird, dann wird damit die NS- Gewalt-und Willkürherrschaft mindestens gebilligt, wenn nicht verherrlicht, was selbstverständlich die Würde der Opfer des Regimes verletzt und den öffentlichen Frieden stört.

Wie geht eigentlich Rechtsklitterung? Rechtsanwalt Jun weiß das.

Doch mit welchem Wort wird hier überhaupt nur auf den Nationalsozialismus Bezug genommen, geschweige denn dieses Terrorregime gebilligt oder gar verherrlicht? Und warum soll das bei einem Gedicht aus dem Jahre 1911 der Fall sein, einem Gedicht von einem Verfasser, den niemand kennt? Mir jedenfalls war dieser Dichter bis zum Bekanntwerden dieser Posse völlig unbekannt. Dabei habe ich mich mit der Geschichte des Nationalsozialismus durchaus beschäftigt und glaube mit Fug und Recht sagen zu können, daß mein Wissensstand insoweit überdurchschnittlich ist. Auch die Lebensdaten des Dichters (1864-1945) sind für sich allein genommen kein Hinweis darauf, daß er das NS-Regime unterstützt hat.

Die Argumentationstechnik des Kollegen Jun ist in zweifacher Hinsicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz des § 1 StGB nicht vereinbar. Er entnimmt den NS-Bezug des inkriminierten Gedichts ausschließlich solchen Umständen, die im Gesetzeswortlaut nicht beschrieben werden. Ein juristisch unverfänglicher Text wird durch die Person seines Verfassers und durch seinen Verwender in einem bestimmten Kontext (Wahlkampf) zum Rechtsverstoß, zur strafbaren Volksverhetzung. Und diese Erkenntnis kann nur gewinnen, wer Umstände außerhalb dieses Textes kennt und „richtig“ einordnet.

An alle Jurastudenten: Bitte nicht im Examen sowas schreiben!

Wäre das richtig, so dürften zum Beispiel die Filme von Leni Riefenstahl, die sie vor den bekannten Filmen über die Reichsparteitage und die Olympischen Spiele gedreht hat, nicht mehr gezeigt werden, insbesondere aber nicht von Veranstaltern, die der sogenannten rechten Szene zugeordnet werden. Denn dann dienten ihre Bergfilme ja nur der Verherrlichung des NS-Regimes, das es nota bene zum Zeitpunkt ihrer Entstehung noch gar nicht gab, wie das auch hier mit dem Entstehungsjahr des inkriminierten Gedichts der Fall ist. Auch dürften Skulpturen des Bildhauers Arno Breker entweder gar nicht oder auf keinen Fall von Veranstaltern ausgestellt werden, denen man eine Nähe zur Identitären Bewegung, zur AfD oder vom Verfassungsschutz braun angestrichenen Vereinigungen nachsagen kann. Schließlich hat Hitler den Künstler Arno Breker sehr geschätzt. Und die ganz spannende Frage: darf sich Björn Höcke einen Schäferhund anschaffen und mit ihm spazieren gehen? Bekanntlich hatte Hitler einen Schäferhund. Diese Beispielsfälle zeigen wohl hinreichend deutlich, wie absurd die Argumentationslinie dieses grünen Kronanwalts ist. Dazu fällt mir eigentlich nur der Meister des subtilen Spotts Harald Schmidt ein: „Er hat Autobahn gesagt!“

Geben Sie Gedankenfreiheit, Sire!

Einer der erschütterndsten Sätze der Weltliteratur ist die Bitte des Marquis von Posa an König Philipp II. von Spanien in Schillers Don Carlos: „Geben Sie Gedankenfreiheit.“ Die beiden Sätze davor lauten: „Gehen Sie Europens Königen voran. Ein Federzug von dieser Hand, und neu erschaffen wird die Erde.“ Was für eine Welt war das, in der eine solche Bitte entstehen konnte? Hieß es doch schon in den Digesten (XLVIII, 19,18) des Corpus Juris Civilis des (ost)römischen Kaisers Justinian (482 bis 565): „Für seine Gedanken wird niemand bestraft“ („Cogitationis poenam nemo patitur“). Es war die geistige Enge des spanischen Hofs, der Gegenreformation und der Inquisition. Leben wir erneut in einer solchen Zeit?

Die Meinungsfreiheit ist für die Demokratie schlechthin konstitutiv

Unsere Verfassung, von der gerade Bürgerliche und Konservative sehr viel halten, gibt uns als eines der zentralen und die Freiheit erst ermöglichenden Grundrechte Meinungs- Wissenschafts- und Pressefreiheit. Das ist die Quintessenz des Lüth-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 1958, auf das sich das Gericht seither immer wieder bezieht. Auch wenn Steinmeier, Faeser und andere in der Wolle gefärbte Linksradikale das nicht hören wollen: Sozialismus und Meinungsfreiheit schließen einenander aus.

Das vergiftete Meinungsklima

Seit Jahren, beginnend mit der Kanzlerschaft der zu Unrecht vielfach gelobten Frau Merkel, erleben wir immer neue staatliche Repression unter der Überschrift „wehrhafte Demokratie“, tatsächlich jedoch die Vergiftung des politischen Meinungsklimas. Der Verfassungschutz unter Führung von Herrn Haldenwang ist da nur ausführendes Organ, allerdings durchaus kreativ, wenn man an die Schaffung eines neuen Aufgabenbereichs namens „verfassungsschutzrelevante Deligitimierung des Staates“ am Gesetz vorbei mit der Anmaßung des Gesetzgebers denkt. Die Technik der scheinbar rechtskonformen Brandmarkung des politsch Andersdenkenden besteht einfach darin, einen unbestimmten Rechtsbegriff wie die Menschenwürde so auszulegen, daß schon die Kritik an Mißständen wie der ungesteuerten und unkontrollierten Zuwanderung als menschenwürdewidrig ausgelegt und damit in den Bereich der Verfassungsfeindlichkeit verschoben wird.

Der Abgrund ist näher

Nun sind wir seit heute einen Schritt weiter. Die Zerstörerin der Verfassung, die sich in Orwell’scher Manier als ihre Hüterin aufspielt, hat heute morgen dem Herausgeber des Magazins „Compact“ eine Verbotsverfügung zustellen lassen, nicht durch einen Zustellungsbeamten oder Postboten, wie das bei Verwaltungsakten üblich ist, sondern durch bis an die Zähne bewaffnete Polizeibeamte eines Sondereinsatzkommandos. Und das vor den laufenden Kameras der rechtzeitig informierten Fernsehanstalten, was ja zum Erziehungskonzept des fürsorglichen Staates gehört. Das wissen wir ja seit der „Reichsbürger“- Aktion vom 7.12.2022.

Das Wesen der Demokratie

Nun muß man Herrn Elsässer und seine Publikationen nicht mögen. Auch ich gehöre mitnichten zu seinen Anhängern. Indessen gilt der Voltaire zugeschriebene Satz: „Ich hasse, was du sagst, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß du es sagen darfst“. Das ist nämlich das Lebenselixier der Demokratie: Wir tauschen uns über widerstreitende Meinungen aus und finden im freien Diskurs allgemein akzeptierte Lösungen. Und das geht von Verfassungs wegen sehr weit. Entgegen der Verlautbarungen von Faeser und ihren journalistischen Büchsenspannern ist auch Kritik, sogar fundamentale Kritik an unserer Verfassung bis zum Ruf nach ihrer Abschaffung zulässig, solange das nicht zu Aktivitäten, vor allem gewaltsamer Natur führt, die zur Gefahr für den Bestand unserer freiheitlichen Grundordnung führen. Mosern und Räsonnieren im Stile eines Herrn Elsässer und ähnlicher Randfiguren auf der politischen Bühne gehören nicht dazu.

Faesers Aktion ist greifbar verfassungswidrig

Nicht unerwartet haben sich heute schon besonnene Stimmen aus dem Bereich der Verfassungsjuristen, allen voran der Nestor des Verfassungsrechts Prof. Rupert Scholz, erhoben und auf die Verfassungswidrigkeit dieser Aktion hingewiesen. Und es ist nicht nur die mangelnde Zuständigkeit des Bundes für Vereinsverbote wie das vorliegende, es ist vor allem auch das Zensurverbot des Grundgesetzes wie auch der Europäischen Menschenrechtskonvention, die der Verbotsverfügung unserer forschen Innenministerin entgegenstehen. Hätte im Übrigen der damalige Innenminister Seehofer angesichts eines Beitrages der damaligen hessischen SPD-Vorsitzenden Faeser in einer Zeitschrift der Antfa ähnlich forsch reagiert wie seine Nachfolgerin Faeser, so hätte er ja mindestens ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz anordnen müssen. Das hat er nicht getan, und das war richtig. Wir Bürger können schon selbst beurteilen, was da so alles in die politische Landschaft gerufen wird. Es hat auch jeder das Recht, sich zu blamieren, Frau Faeser ebenso wie Herr Elsässer. Es hat jedoch niemand das Recht, unsere Verfassung zu brechen. Die gerichtliche Reaktion auf diese Aktion Faesers wird eindeutig sein.

Recht schlägt Macht

Julian Assange ist frei. Jenseits der tagespolitischen Diskussionen will ich das grundsätzliche ethische und juristische Problem des Falles kurz anreißen. Die Rechtslage ist ja so, daß Assange zweifelsfrei gegen Gesetze der USA verstoßen hat, die eben militärische Geheimnisse auch mit den Mitteln des Strafrechts schützen. Auf der anderen Seite sind die von ihm aufgedeckten Kriegsverbrechen so unerträglich, daß sich die Frage erhebt, ob ein Staat wirklich für sich in Anspruch nehmen kann, derartige Dinge geheim halten zu dürfen, mit der Folge, daß die Aufdeckung derartiger Kriegsverbrechen nach nationalem Recht jedenfalls als Straftat verfolgt werden muß.

Recht über das Gesetz hinaus

Die deutsche Rechtsordnung kennt das Rechtsinstitut des übergesetzlichen Notstandes, der dann gegeben ist, wenn zwar nach dem Buchstaben des Gesetzes die Handlung des Täters strafbar wäre, er aber aus übergeordneten Gesichtspunkten gegen das Gesetz verstoßen darf. Das gilt nach deutschem Recht allerdings nur für eine gegenwärtige und unmittelbare Gefahr für Leib und Leben Dritter, die nicht anders abgewendet werden kann, als eben durch eine Tat, die nach dem Buchstaben des Gesetzes mit Strafe bedroht ist. Im Falle der von Assange aufgedeckten Kriegsverbrechen ist dies jedoch anders. Indessen erhebt sich die Frage, ob der Rechtsgedanke des übergesetzlichen Notstandes auch dahingehend ausgeweitet werden muß, daß auch dann, wenn zwar nicht unmittelbar Gefahr für Leib und Leben besteht, die nicht anders, als durch Gesetzesverstoß abgewandt werden kann, straffrei ausgehen muß, wer gegen Gesetze verstößt, die im Ergebnis Unrecht verdecken und verhindern, daß Unrecht auch gesühnt wird.

Das scheint mir im vorliegenden Falle so zu sein. Zwar hat Assange gegen amerikanisches Recht verstoßen, das letztendlich zum Schutze der amerikanischen Soldaten dient, allerdings im Ergebnis auch dazu führt, daß es sie vor der Verfolgung von Kriegsverbrechen schützt. Hier stellt sich doch die Frage, ob nicht übergeordnetes Recht es nicht nur erlaubt, sondern sogar erfordert, daß nationales Recht zurücktreten muß, wenn überragende allgemeine Rechtsprinzipien entgegenstehen. Und ein solches überragendes allgemeines Rechtsprinzip ist, daß auch im Kriege Zivilbevölkerung, Kriegsgefangene und sonstige Nichtkombattanten geschützt werden müssen. Wenn die Rechtsordnung eines Staates dem entgegensteht, dann muß nach dem Weltrechtsprinzip diese Rechtsordnung weichen, wenn nicht anders das natürliche Recht durchgesetzt werden kann.

Der Präzedenzfall

Bemerkenswert ist, daß im vorliegenden Falle die Weltmacht Nr. 1, die USA, letztendlich dem Druck der internationalen Gemeinschaft – nicht der rechtlich verfassten Staatengemeinschaft der Vereinten Nationen – sondern der Gemeinschaft der zivilisierten Bürger vieler Länder, aber auch solcher Staaten wie Australien, nachgeben mußte. Dieser Sachverhalt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Denn er begründet jedenfalls die leise Hoffnung darauf, daß auch künftig jedenfalls in dem ein oder anderen Falle Recht vor Macht gehen kann.

Wer einmal lügt,

dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Dieses Sprichwort ist uns allen von Kindesbeinen an geläufig. Die Wahrheit ist eben ein hohes Gut und die Glaubwürdigkeit eines Menschen macht einen großen Teil seiner Persönlichkeit aus. Das muß auch so sein, denn vieles, was gesagt und geschrieben wird, können wir im Einzelnen nicht nachprüfen. Deswegen brauchen wir ein Urvertrauen in die Wahrhaftigkeit der Menschen, mit denen wir zu tun haben. Deswegen gehen wir davon aus, daß Antworten auf unsere Fragen stets wenn schon nicht objektiv richtig, so doch wenigstens aufrichtig gegeben werden. Wäre es anders, müßten wir stets davon ausgehen, daß Antworten auf unsere Fragen im Zweifel unrichtig sind, ja sogar in voller Absicht die Unwahrheit gesagt wird. So könnte unser Leben nicht funktionieren. Denn wir müßten einen erheblichen Teil unserer Zeit mit Recherchen verbringen, statt produktiv zu arbeiten. Wieviel Zeit müßten wir etwa damit vergeuden, die Meldung eines Untergebenen über von ihm geleistete Tätigkeiten nachzuprüfen oder die Angaben eines Herstellers über das verbaute Material in einem Gerät zu überprüfen?

Ehrlich war gestern

Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Jedenfalls in der Politik. Erst vor kurzem ist bekannt geworden, daß die Beamten im Bundeswirtschaftsministerium keineswegs im vergangenen Frühjahr dem Minister erklärt haben, die Laufzeit der verbliebenen drei Kernkraftwerke könne aus technischen Gründen nicht verlängert werden. Genau das aber hat Herr Habeck zur Begründung seiner Entscheidung angeführt, diese Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Das heißt, der Minister hat uns belogen. Das erstaunliche daran ist, daß nach Bekanntwerden der Lüge ein Rücktritt des Ministers nicht erfolgt, nicht einmal ernsthaft gefordert worden ist, sieht man von den ebenso erwartbaren wie in der Sache berechtigten Rücktrittsforderungen der AfD ab. Doch diese Partei kann erklären und fordern was sie will, in der Bundesrepublik Absurdistan darf sie ja nicht mitspielen.

Es ist nichts so fein gesponnen…

Doch das ist eine Petitesse gegen den Skandal, der nunmehr mit der Veröffentlichung der Protokolle des Robert-Koch-Instituts betreffend die Corona-Maßnahmen bekannt geworden ist. Es hätte schon größtes Misstrauen der Öffentlichkeit auslösen müssen, daß der Bundesgesundheitsminister sich zunächst geweigert hat, diese Akten Journalisten zur Einsichtnahme zu überlassen, und dann, als er gerichtlich dazu verpflichtet worden war, erst einmal in großem Umfang geschwärzte Protokolle vorlegen ließ. Auch das mußte dann gerichtlich gerade gebogen werden. Bezeichnend für das Meinungsklima in Deutschland ist es im übrigen, daß der Kläger jenes Verfahrens von den „staatstragenden“ Medien unseres Landes als „rechter“ Journalist diffamiert wird. Diffamiert sage ich, weil im Sprachgebrauch unserer classe politique inzwischen die Unterscheidung zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem aufgehoben worden ist. Damit wird gewissermaßen die Volksfront-Strategie der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wieder aufgelegt, wonach die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen liberale und bürgerliche Politiker in ihrem Kampf gegen rechte Parteien, bzw. das, was sie für rechts hielten, einzubinden suchten. Damit wurden die politischen Kräfte rechts der Sozialdemokratie entscheidend geschwächt, denn so konnten Mehrheiten rechts der Sozialdemokratie nicht entstehen.

…es kommt doch ans Licht der Sonnen.

Doch zurück zu den RKI-Protokollen. Es handelt sich dabei um die Protokolle der Sitzungen des Robert-Koch-Instituts im Zeitraum Januar 2020 bis April 2021. Man hat offenbar sehr akribisch protokolliert, denn es handelt sich dabei um 2515 Blatt DIN A 4. Die Protokolle für den Zeitraum Mai 2021 bis Juli 2023 sind noch nicht veröffentlicht. Auf den Inhalt darf man gespannt sein. Denn aus den nunmehr im Wesentlichen nicht mehr geschwärzten Protokollen für den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 geht glasklar hervor, daß wir von der Bundesregierung schamlos belogen worden sind. Unsere Politiker haben seinerzeit bekanntlich stets erklärt, die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beruhten auf den Empfehlungen der Wissenschaft, insbesondere des Robert-Koch-Instituts. Abgesehen davon, daß es „die“ Wissenschaft nicht gibt (wenn ein Politiker von „der“ Wissenschaft spricht, will er betrügen), sondern nur unterschiedliche Meinungen und Empfehlungen verschiedener Wissenschaftler, hat sich nun herausgestellt, daß die Wissenschaftler des Robert-Koch Instituts keineswegs empfohlen haben, was anschließend von der Bundesregierung angeordnet worden ist. Das gilt ganz besonders für die Quarantänemaßnahmen (Lockdown). Uns allen sollte noch der sogenannte Inzidenzwert in Erinnerung sein, der zur Begründung, Verschärfung oder aber auch Lockerung von Quarantänemaßnahmen angeführt wurde. Natürlich erklärte der Bundesgesundheitsminister stets, insoweit den Empfehlungen des RKI zu folgen. Das war eine Lüge.

Der Beweis

So diskutierte am 5. Mai 2020 der Krisenstab des RKI über weitere Vorgaben aus der Politik und hielt fest: „Indikatoren bereitzustellen wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun und BM Spahn.“ Und weiter: „Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach, besteht das Risiko, daß politische Entscheidungsträger selbst Indikatoren entwickeln und/oder das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbinden.“ Also waren die sogenannten Inzidenzwerte als Begründung für die Einschränkung von Grundrechten, und nichts anderes wurde doch damals verfügt, eine Erfindung der Politik ohne fachliche Begründung der zuständigen Wissenschaftler. Man sperrte die Bürger weg, schloss die Schulen und Kindergärten, ließ Menschen in Pflegeheimen sterben, ohne sich von ihren Angehörigen verabschieden zu können, legte die Wirtschaft des Landes lahm und ließ die Polizei Rentner von Parkbänken verscheuchen, nur weil man als gottähnlicher Feldherr im Krieg gegen die Pandemie wahrgenommen werden wollte. Anders kann die Hybris dieser Politiker nicht erklärt werden. Denn es liegt natürlich auf der Hand, daß ein Politiker, der den Naturgewalten trotzt und eine solche Seuche besiegt, auch der richtige Mann (halt, wir sind in Deutschland: Politiker m/w/d) ist, auch alle anderen Probleme des Landes zu lösen. Wer erinnert sich nicht an Markus Söder, Maske mit bayerischem Staatswappen im Gesicht, stolz wie der Gockel auf dem Mist vor laufender Kamera immer härtere Lockdowns verkündend?

Verräterisch ist auch der Eintrag vom 13. März 2020: „Herr Spahn hat angeordnet, daß eine Passage zu Schulschließungen in die Kriterien für die Risikoeinschätzung von Großveranstaltungen eingefügt wird.“ Also folgt nicht, wie man das eigentlich erwarten sollte, der Minister den Empfehlungen seiner beamteten Wissenschaftler, sondern er weist sie an, seine eigenen Vorstellungen über die Pandemiebekämpfung als ihre wissenschaftlichen Empfehlungen auszugeben. Ein solches Verhalten ist mit „verlogen“ nur unzureichend charakterisiert.

Von Diktaturen lernen…

Hatte man schon damals angesichts der rigiden Maßnahmen der Bundesregierung den Eindruck, unsere Grundrechte seien nichts mehr wert, wir lebten temporär in einem autoritären System, so wird nun auch deutlich, warum. Denn man orientierte sich an China. Zwar hatte man selbst noch am 25. Februar 2020 festgestellt, daß es keine Evidenz für Quarantäne von Gebieten gebe, so heißt es im Protokoll vom 3. März 2020: „Maßnahmen, von denen sich in China gezeigt hat, daß sie wirksam sind, könnten als Handlungsempfehlungen/-Optionen vorgeschlagen werden.“ Hätte es für Politiker in einem Land mit demokratischer, freiheitlicher Verfassung nicht näher gelegen, statt sich an einer Diktatur zu orientieren, den Umgang eines zweifellos demokratischen Staates, dazu noch in Europa und nicht am anderen Ende der Welt, mit dem Krankheitserreger zu studieren. Bekanntlich ist Schweden sehr gut durch die Pandemie gekommen, allerdings ohne schwere Grundrechtseinschränkungen wie die Pflicht zur Impfung, dazu noch mit einem nicht endgültig zugelassenen Impfstoff, die Pflicht zum Tragen lästiger Gesichtsmasken und die unsäglichen Lockdowns.

Geradezu als Symbol der Corona-Zeit kann die Gesichtsmaske gelten. Doch weniger als Symbol für wissenschaftsbasierte Pandemiebekämpfung, denn als Symbol der Folgsamkeit. Man gehorcht eben, und das ist weithin sichtbar. Zu diesem Thema heißt es jedoch im Protokoll der Sitzung vom 30. Oktober 2020: „Die breite Nutzung von FFP 2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, etwa auch zum Schutz von Risikogruppen (gemäß der Forderung eines Gérard Krause und einer kassenärztlichen Vereinigung), sei nicht evidenzbasiert: „Für gesunde junge Menschen ist passende FFP 2-Maske wegen des erheblichen Atemwegswiderstandes unangenehm zu tragen, dies ist Pflegeheimbewohnern nicht zuzumuten.“ Ich erinnere mich gut daran, daß es seinerzeit häufiger Äußerungen von Fachleuten in diesem Sinne gegeben hat. Stets wurden sie von der Politik mit dem Argument weggewischt, das seien unseriöse Akteure. Nun, wohl ebenso unseriös wie die Wissenschaftler des RKI, die im Oktober 2020 auch die Maskenpflicht für Grundschüler kritisch gesehen haben.

Der größte Streitpunkt war seinerzeit die Impfung. Die von der Bundesregierung mit Nachdruck empfohlenen und für viele Milliarden erworbenen Impfstoffe hatten nur eine vorläufige Zulassung. Indessen wurde die Impfung als wirksamstes Mittel gegen die Pandemie landauf, landab angepriesen. Im RKI war das offenbar anders. Am 8. Januar 2021 heißt es dazu: „Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt. (…) Dauer des Schutzes ist ebenfalls unbekannt.“ Es überrascht nicht weiter, daß dann auch die teils erheblichen Nebenwirkungen verschwiegen wurden. Man war sich offenbar im klaren darüber, daß man keine Übersicht über die Nebenwirkungen gewinnen konnte. So heißt es im Protokoll vom 19. Februar 2021: „Wenn niedergelassene ÄrztInnen (sic!) impfen, sind zeitnahe Infos über das Schicksal der Impflinge unwahrscheinlich. Wird das Monitoring dann eingestellt? Wie soll dann vorgegangen werden?“

Die Kritiker lagen richtig

Die wenigen renommierten Wissenschaftler wie Hendrik Streek, Alexander Kekulé oder Klaus Stöhr, die den Mut hatten, gegen den Strom zu schwimmen, wurden als Abweichler, Schwurbler und was dergleichen Schimpfworte mehr sind, diffamiert. Klaus Stöhr sagt nun zu Recht, das RKI sei teilweise Erfüllungsgehilfe politischer Interessen gewesen. Hendrik Streek wundert sich nur darüber, daß es erst der Freigabe der RKI-Protokolle brauchte, damit eine Diskussion über die Notwendigkeit der mit vielen Freiheitseinschränkungen verbundenen Maßnahmen geführt werden kann. Virologe Alexander Kekulé, der damals als einer der wenigen Kritik übte, wird ebenfalls deutlich: „Die Politik hat sich in Hinterzimmern den vertraulichen Rat einzelner ,Experten‘ geholt und dann Kraft Wassersuppe entschieden.“ Die Inzidenz von 50 sei „die Kombination der Daumenpeilung von Politikern, ungenannten Beratern und einem politischen Tauziehen zwischen den Staatskanzleien“ gewesen: „Eine wissenschaftliche Begründung gab es nicht.“

Ich selbst habe hier seinerzeit des Öfteren meine Zweifel an den Maßnahmen der Politik formuliert. So etwa am 8. August 2021 einen Artikel des Chefredakteurs der NZZ, Erik Gujer, wiedergegeben, am 14. August 2021 das Thema unter der Überschrift „Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge“ behandelt und am 6 .Januar 2022 über die Nebenwirkungen der Impfung geschrieben. Von alledem ist nichts zurückzunehmen.

Die Konsequenz

Wir haben es mit einem Skandal zu tun, den wir in einer solchen Dimension in Deutschland noch nicht hatten. Denn wir müssen feststellen, daß unsere gewählten Politiker ihre Ämter dazu missbrauchen, sich zu profilieren bzw. ihre ideologischen Vorgaben umzusetzen und wahrheitswidrig behaupten, ihr Handeln sei wissenschaftlich gerechtfertigt, ja sogar empfohlen. Die Lüge wird zum Handlungsmuster der Politik. Da kann man es schon beinahe lustig finden, daß der Bundeskanzler hinsichtlich seiner ganz offensichtlichen Verwicklung in den Cum-Ex Skandal sich angeblich an nichts erinnern kann, worüber inzwischen schon Witze gemacht werden. In einer moralisch halbwegs intakten Gesellschaft müßten solche Politiker umgehend zurücktreten. Der nahezu gleich große Skandal liegt darin, daß die Mainstream Medien diesen Vorgang entweder dröhnend beschweigen oder peinlich schönreden. Auch insoweit leben wir in einer verkommenen Republik. Was hätte wohl ein Rudolf Augstein angesichts eines solchen Skandals geschrieben, wie hätte er so etwas angeprangert? Wie wäre ein Hanns Joachim Friedrichs mit solchen Nachrichten umgegangen? Mit welchen Worten hätte ein Peter Scholl-Latour das gegeißelt? Doch wir haben in Deutschland im Wesentlichen keinen unabhängigen Journalismus mehr. Nicht etwa, daß es hier ein Verhältnis von Über-und Unterordnung gäbe. Nein. Politik und Medien marschieren im Gleichschritt, weil sie gleich denken. Inzwischen haben wir ja Äußerungen aus den Medien zuhauf, wonach nicht mehr die Berichterstattung zur Information der Bürger ihre Aufgabe sei, sondern die Propagierung der „richtigen“ Politik.

Für uns Bürger kann es daraus nur eine Konsequenz geben. Wir, das Volk, wir sind der Souverän. So steht es in unserer Verfassung. Diese Verfassung ist großartig. Sie ermöglicht auch Veränderungen. Deswegen haben wir das allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht. Machen wir davon Gebrauch und wählen diese verlogenen Machtpolitiker nicht mehr. Das sind offensichtlich alle angeblich staatstragenden Parteien, Union, SPD, FDP, Grüne. Denn sie alle waren an den hier besprochenen Entscheidungen beteiligt. Sie alle haben uns angelogen. Natürlich wird man fragen, wen sollen wir denn dann wählen? Es bleiben halt nur die, die wir außerhalb dieser großen Lügenkoalition haben. Man mag einwenden, diese Leute hätten keine Erfahrung, es befänden sich darunter irrlichternde Sonderlinge und ganz offensichtlich keinem höheren Amt gewachsene Angehörige des intellektuellen Prekariats. Mag sein. Jedoch können Neulinge lernen, Ungeeignete werden persönlich scheitern, aber auch Unbekannte überraschend vernünftig agieren. Nicht zuletzt können alle Regierungsmitglieder auf hoch qualifizierte und erfahrene Beamte zurückgreifen, was die Gewähr dafür bietet, daß jedenfalls der größte Unfug unterbunden wird.

Lieber ehrliche Amateure als gerissene Schwindler!

Vom Kriege

hat Clausewitz seine Betrachtungen über Grund, Zweck, Erscheinungsformen und Prinzipien der Kriegführung genannt. Sein berühmtes Diktum vom Kriege als bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln will uns ja auch lehren, daß diese äußerste Anspannung der Kräfte kein Selbstzweck ist. Wörtlich heißt es nach dieser Feststellung ersten Kapitel des ersten Buches dieses Werks: „So sehen wir also, daß der Krieg nicht bloß ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, ein Durchführen desselben mit anderen Mitteln“. Er betont im siebten Kapitel des achten und letzten Buches: „Also noch einmal: der Krieg ist ein Instrument der Politik; er muß notwendig ihren Charakter tragen, er muß mit ihrem Maße messen; die Führung des Krieges in seinen Hauptumrissen ist daher Politik selbst, welche die Feder mit dem Degen vertauscht, aber darum nicht aufgehört hat, nach ihren eigenen Gesetzen zu denken.“ Daraus folgt denknotwendig auch, daß Sieg oder Niederlage im Kriege nur das vorläufige Ergebnis sein können. Aus der Sicht der Politik hat das Instrument genutzt oder nicht genutzt. Clausewitz formuliert das wenige Seiten vorher so: „Endlich ist selbst die totale Entscheidung eines ganzen Krieges nicht immer für eine absolute anzusehen, sondern der erliegende Staat sieht darin oft nur ein vorübergehendes Übel, für welches in den politischen Verhältnissen späterer Zeiten noch eine Abhilfe gewonnen werden kann.“

Die politische Konfliktlage wird also vom Ergebnis des Krieges in aller Regel wohl nur in den Hintergrund geschoben werden. Wenn die Verhältnisse es zweckmäßig erscheinen lassen, erneut zum Instrument der Kriegführung zu greifen, um das unerwünschte Ergebnis zu korrigieren, so wird das geschehen.

Der Krieg ist die Regel, der Friede die Ausnahme

Die Politik hat ersichtlich allenthalben Gründe, auf das Instrument des Krieges zu setzen. Weil das so ist, hat die Menschheit eine krieglose Zeit nie erlebt. Uns Deutschen, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vom Kriege verschont geblieben sind, wird so langsam deutlich, daß wir bisher wohl nur Glück gehabt haben, weil die politischen Verhältnisse rund um unser Land nicht so waren, daß wir das Instrument des Krieges zur Durchsetzung eigener Machtinteressen – die wir offensichtlich gar nicht haben – noch zur Behauptung gegen Eroberungsgelüste Dritter nutzen mußten. Der Krieg in der Ukraine indessen ist nicht nur ein Krieg gewissermaßen vor unserer Haustür. Das war der Jugoslawien-Krieg auch. Aber selbst unsere marginale Beteiligung daran war weit entfernt davon, daß unser Land ernsthaft mit einer militärischen Bedrohung rechnen mußte.

Neutral können wir nicht sein

Das ist nun anders. Unsere strategische und wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA, deren massive Interessen an und in der Ukraine unübersehbar sind, läßt uns praktisch keine andere Wahl, als die Ukraine zu unterstützen, und zwar in dem Maße, das dieser „große Bruder“ wünscht. Ob wir das im Einzelfall für vernünftig halten oder nicht, ist wohl sekundär. Eine wirkliche Alternative haben wir nicht. Wir können uns weder einen Wirtschaftsboykott durch die USA und die übrigen auf ihrer Linie handelnden Staaten, und noch viel weniger die Aufkündigung ihrer militärischen Garantien leisten. Deutschland als neutraler Staat ist weder geostrategisch noch wirtschaftlich denkbar. Weltpolitisch ist ein Ersatz für die USA auch nicht vorstellbar. Selbst wer etwa die USA durch China, Indien oder Russland ersetzen wollte, müsste sich fragen lassen, wie das praktisch möglich wäre, und noch mehr, welche Folgen das für die außenpolitische Sicherheit und noch mehr für die wirtschaftliche Prosperität unseres Landes haben würde. Von der in solchen Fällen zwangsläufig folgenden Angleichung des Gesellschaftssystems ganz zu schweigen. Wer von uns möchte schon Sozialkreditpunkte nach chinesischem Muster oder eine Strafjustiz russischer Art? Was Russland angeht, so stand es historisch nur sehr selten an der Seite Deutschlands. Bismarck misstraute Russland grundsätzlich. Sein Urteilsvermögen ist deutschen Politikern zu wünschen.

Russland denkt imperial

Russland hat mit dem Angriff am 22. Februar 2022 auch unmissverständlich gezeigt, daß es seine Großmachtinteressen ganz selbstverständlich auch mit dem Instrument des Krieges durchzusetzen gedenkt. Das war auch nur der Schlag auf die größere Pauke, denn schon in Tschetschenien, Georgien und mit Inbesitznahme der Krim und des Donbass hat Russland wie selbstverständlich militärische Mittel zur Durchsetzung seiner territorialen Interessen eingesetzt. Damit steht Putin lediglich in der Tradition seiner Vorgänger. Die russischen Zaren, allen voran Katharina die Große und Peter der Große – daß gerade diese beiden imperial denkenden und handelnden Zaren mit dem ehrenden Prädikat „groß“ in die Geschichte ihres Volkes eingegangen sind, spricht Bände – haben Kriege geführt, um Russland zu vergrößern. Putin hat sich auch ausdrücklich in die Tradition Peters des Großen gestellt. Nicht nur die Ukraine, sondern auch Polen und die baltischen Staaten haben in ihrer Geschichte russische Eroberung und Besetzung erfahren. Aber auch Deutschland hat in seiner jüngeren Geschichte die Expansion (Sowjet-) Russlands bis an die Elbe erlebt. Russische Außenpolitik mit dem Instrument des Krieges ist eine historische und auch aktuelle Konstante. Der erfolgreiche Einsatz dieses Instruments könnte also weitere Anwendungsfälle nach sich ziehen. Es liegt somit in unserem Interesse, mindestens den uneingeschränkten Erfolg im vorliegenden Falle zu verhindern.

Nicht zu vergessen: das Recht

Ein drittes kommt hinzu. Unstrittig verstößt Russland mit dem Angriff auf die Ukraine gegen das Völkerrecht. Bekanntlich kann dies jedoch keine juristischen Strafmaßnahmen nach sich ziehen. Denn Russland ist Veto-Macht im UN-Sicherheitsrat. Auch eine Verurteilung durch den Internationalen Strafgerichtshof ist nicht möglich, denn Russland hat das Römische Statut über den Internationalen Strafgerichtshof nicht unterzeichnet und ratifiziert. Auch das Urteil eines möglicherweise einzurichtenden Sonderstrafgerichtshofs hätte ungeachtet der Zweifelhaftigkeit dieser Rechtskonstruktion keine Auswirkungen. Weder hätten die übrigen Weltmächte wie die USA, China und – mit Einschränkungen – Indien ein Interesse an strafgerichtlichen Sanktionen gegen Russland, noch könnten die machtlosen übrigen Staaten dieser Welt ein solches Urteil durchsetzen. Sie sehen sich in der Lage der Maus in der Fabel des Äsop, die der Katze die Schelle umhängen soll. Indessen kann Deutschland ebenso wenig wie die übrigen Rechtsstaaten dieser Erde einen solchen massiven Rechtsbruch dulden. Ohne das Recht ist der Staat nur eine Räuberbande, wie Augustinus das bildhaft ausgedrückt hat. Das Recht ist nun einmal die Grundlage unseres Zusammenlebens – iustitia fundamentum regnorum. Das Selbstverständnis der demokratischen Rechtsstaaten dieser Welt, auch wenn sie eindeutig die Minderheit der UN-Mitglieder sind, lässt nichts anderes zu, als wenigstens anzustreben, daß der Rechtsbruch nicht zum Erfolg führt, sondern im Versuchsstadium stecken bleibt.

Was tun?

Natürlich kann das Ziel nur sein, Frieden zu schaffen, im Idealfall unter Wiederherstellung rechtmäßiger Zustände. Aber auch Kompromisse, die immer nur die zweitbeste, dafür aber regelmäßig allein realistisch anzustrebende Lösung sein können, sind einer gewaltsamen Lösung vorzuziehen. Indessen liegt das allein in der Hand der kriegführenden Parteien, wobei die Ukraine mit Sicherheit weder allein entscheiden kann noch will. Ob und mit welchen Verhandlungszielen Waffenstillstands- und später Friedensverhandlungen möglich sind, wissen wir nicht. Vor allem aber kann Deutschland als zum einen bündnisgebundener und zum anderen machtloser Akteur auf dem internationalen Parkett keinen eigenständigen Beitrag leisten. Bisher ist nicht einmal erkennbar, ob und welche Kompromisslösungen von den beiden Kriegsparteien angestrebt werden. Dem Wesen des Krieges entsprechend, wird im Falle des durchschlagenden militärischen Erfolges keine der beiden Seiten überhaupt zu Verhandlungen bereit sein.

Über die militärische Lage befinden wir uns im Unklaren. Ob Russland seine gewaltige personelle Überlegenheit und den Umstand, daß die Kampfhandlungen allein die ukrainische Bevölkerung treffen, letztendlich siegen lässt, oder ob trotzalledem die Waffenlieferungen der USA und ihrer Verbündeten am Ende Russland zur Einstellung der Kampfhandlungen zwingen, kann wohl eher nicht seriös prognostiziert werden. Auch sollte man die zitierte Erkenntnis des großen Clausewitz berücksichtigen, daß das militärische Ergebnis des Krieges meist nur ein vorläufiges ist, und sich bei Änderung der Verhältnisse politisch erneut die Frage nach der Nutzung des Instruments Krieg stellt. Somit bleibt das Instrument des Krieges für beide Seiten derzeit noch die naheliegende Option, nicht aber die Rückkehr zur Diplomatie.

Deutsche Dissonanzen

Die Debatte in Deutschland wird der ernsten Lage indessen regelmäßig nicht gerecht. Sie ist gekennzeichnet durch schrille Töne in der einen wie der anderen Richtung. Wer es für die richtige Strategie hält, Russland zu Verhandlungen an den Konferenztisch zu bitten, muß sich als Russland-Freund, Putin-Versteher und was der freundlichen Zuschreibungen mehr sind, bezeichnen lassen. Allerdings fehlt es an realistischen Vorschlägen, wie das denn in die Tat umgesetzt werden könnte. Mit welchem Argumennt könnte man Putin auch nur zu Verhandlungen bewegen, solange die militärische Lage ihn nicht dazu zwingt? Wer es für notwendig hält, die Durchhaltefähigkeit der Ukraine durch Waffenlieferungen und Wirtschaftshilfe aufrecht zu erhalten, muß sich als Kriegstreiber beschimpfen lassen. Doch welche Gebietsverluste würde die Ukraine denn hinnehmen? Ist es auch nur denkbar, geschweige denn realistisch, daß die völkerrechtlichen Grenzen der Ukraine wiederhergestellt werden können? Nun sind allgemein die Ausrufezeichen kein Merkmal sachlicher Argumentation. Es schneidet auch jeder sachliche Diskussion von vornherein den Erfolg ab, wenn der jeweiligen Gegenseite der gute Wille abgesprochen wird. Abgesehen davon, daß wir in Deutschland ohnehin nur theoretische Diskussionen zu dieser Frage führen können, sollten wir schon aus Gründen der Selbstachtung und internationalen Reputation zu einem sachlichen und nüchternen Gesprächsmodus finden, aus dem allein vielleicht auch international beachtete Lösungsvorschläge kommen könnten. Indessen dürfte das angesichts der Qualität unseres politischen Personals und der tiefen Spaltung in unserer Gesellschaft ein frommer Wunsch bleiben.

Meinungsfreiheit nach chinesischer Art

Art 5 des Grundgesetzes lautet:

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Den Stellenwert dieses Grundrechts in unserer Verfassung hat das Bundesverfassungsgericht in dem berühmten Lüth-Urteil aus dem Jahr 1958 so beschrieben:

„Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l“homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).“

Bemerkenswert an diesem wie in Stein gemeißelten Text ist neben seiner sprachlichen Klarheit und Unbedingtheit, daß die Richter sich dabei auch des Englischen und des Französischen bedient haben, ein rhetorisches Stilmittel, welches das Gericht niemals zuvor und niemals danach angewandt hat. Stärker kann man nicht herausstreichen, welche Bedeutung man diesen Sätzen beimessen will, die den weiteren verfassungsrechtlichen Überlegungen des Gerichts in dieser Entscheidung vorangestellt werden.

Die Meinungsfreiheit ist also für die Demokratie schlechthin konstitutiv, ohne sie ist Demokratie nicht möglich. Wir müssen die Meinungsfreiheit daher mit aller Kraft gegen jeden Angriff verteidigen, denn verlieren wir die Meinungsfreiheit, verlieren wir die Demokratie. In diesem Sinne ist der dem Aufklärer Voltaire von seiner Biografin Evelyn Beatrice Hall zugeschriebene Satz zu verstehen: „Ich bin zwar anderer Meinungals Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen:“

Höcke, die Strafjustiz und das Grundgesetz

Dies vorausgeschickt, will ich nachstehend einige Überlegungen zum laufenden Strafverfahren und den nun eingeleiteten weiteren strafrechtlichen Ermittlungen gegen den AfD-Politiker Björn Höcke anstellen. Dabei spielt es natürlich keine Rolle, ob ich seiner Partei angehöre oder nicht. Letzteres ist der Fall. Die Angelegenheit interessiert mich fachlich als Juristen und politisch als Bürger unseres Landes. Und sie ruft in der Tat erhebliche Bedenken dahingehend hervor, ob maßgebliche Kräfte in der Politik, aber auch insoweit willfährige Juristen noch mit beiden Beinen auf dem Boden unserer Verfassung stehen.

Der Sachverhalt I.

Höcke hat unstreitig am Ende einer Wahlveranstaltung die Worte: „Alles für Deutschland“ ausgerufen. Deswegen hat die Staatsanwaltschaft ihn wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger, in diesem Falle nationalsozialistischer Organisationen (§ 86a StGB) angeklagt. Das Landgericht Halle an der Saale hat die Sache offenbar als so schwerwiegend eingestuft, daß es seine Zuständigkeit bejaht und das Hauptverfahren vor der großen Strafkammer eröffnet hat, statt die Sache beim Amtsgericht zu belassen, wo sie eigentlich hingehört. Das weiß das Gericht auch nur zu gut, denn der Vorsitzende Richter hat ja bereits erklärt, daß eine Freiheitsstrafe nicht in Betracht kommt. Also reicht die Strafgewalt des Amtsgerichts – 3 Jahre als Strafrichter, 4 Jahre als Schöffengericht – bei weitem aus. Diese drei Worte wurden in der Tat auch auch als Parole von der SA benutzt. Das hat beispielsweise dem Oberlandesgericht Hamm im Jahr 2006 genügt, einen Angeklagten nach dieser Vorschrift zu verurteilen. Indessen erheben sich bei genauerem Hinsehen durchaus Fragen. Denn in rechtlicher Hinsicht können Äußerungen nicht isoliert beurteilt werden, sondern müssen in ihrem sprachlichen Zusammenhang gesehen werden. Das folgt zum einen bereits aus dem das deutsche Strafrecht seit mehr als 150 Jahren beherrschenden Grundsatz, daß die Strafbarkeit einer Handlung im Gesetz präzise umschrieben sein muß, wenn die Tat begangen wird. Der berühmte Jurist Paul Anselm von Feuerbach hat bereits 1801 den lateinischen Merksatz formuliert: „Nulla poena sine lege scripta, praevia, certa et stricta“. Also kann nicht nach Gewohnheitsrecht entschieden werden, sondern nur nach geschriebenem Gesetz, das auch bereits vor der Tat Geltung gehabt haben muß, und sprachlich exakt die strafwürdige Handlung beschreibt, wobei dann, wenn die Handlung nicht exakt dieser Beschreibung entspricht, der Richter nicht zur Analogie greifen darf. Das war nur von 1933 bis 1945 anders.

Keine böswillige Auslegung!

Bei der Auslegung von Straftatbeständen muß das Gericht die Grundrechte beachten, bei sogenannten Äußerungsdelikten wie hier Art. 5, Meinungsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Reihe von Entscheidungen diese Feuerbach’sche Formel am Maßstab des Art. 5 GG ausgelegt. Wegen der überragenden Bedeutung der Handlungsfreiheit ist deswegen schon bei der Ermittlung des Sinngehalts einer Äußerung zu beachten, daß der Grundsatz der freien Rede gilt. Deswegen ist Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Meinungsäußerungen, daß ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist. Die Deutung des objektiven Sinngehalts einer Meinungsäußerung ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln. Hierbei dürfen die Gerichte der Meinungsäußerung keine Bedeutung beilegen, die sie objektiv nicht hat, und im Fall der Mehrdeutigkeit nicht von der zur Verurteilung führenden Bedeutung ausgehen, ehe sie andere Deutungsmöglichkeiten mit tragfähigen Gründen ausgeschlossen haben. In seinem Beschluss vom 4.2.2010 hat das Bundesverfassungsgericht die Verurteilung der Beschwerdeführer wegen Volksverhetzung (§ 130 Abs. 2 Nr. 1 b StGB) wegen eines Plakates, auf dem die Schlagworte zu lesen waren: „Aktion Ausländer-Rück-Führung“ und „Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ mit der Begründung aufgehoben, die Strafgerichte hätten eben nicht geprüft, ob diese Äußerung nicht auch dahingehend verstanden werden kann, daß ein Rückführungsprogramm gegenüber Ausländern lediglich als Beitrag zu einem breiter und allgemeiner verfolgten Ziel, nämlich der Schaffung einer lebenswerten deutschen Stadt verstanden werden kann, wobei Ausländer zwar als Problem, nicht aber notwendig verächtlich hingestellt werden. Die Auslegung des Landgerichts, diese Parolen bedeuteten, daß die Stadt mit Ausländern als nicht lebenswert dargestellt werde und die Folgerung des Gerichts, darin liege ein böswilliges verächtlich machen und mithin eine Menschenwürdeverletzung der ausländischen Mitbürger, verstoße eben gegen die Garantie der Meinungsfreiheit im Grundgesetz, und zwar schon auf der Stufe der Auslegung der inkriminierten Äußerung.

Diesen Grundsatz mußte das Bundesverfassungsgericht schon mehrfach in Erinnerung rufen, so auch in seinem Beschluss vom 25.10.2005 (Stolpe). Der maßgebliche Passus lautet: „Das Bundesverfassungsgericht geht bei der Überprüfung von straf- oder zivilrechtlichen Sanktionen wegen in der Vergangenheit erfolgter Meinungsäußerungen von dem Grundsatz aus, daß die Meinungsfreiheit verletzt wird, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zu einer Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher mit schlüssigen Gründen Deutungen ausgeschlossen zu haben, welche die Sanktion nicht zu rechtfertigen vermögen.“ Dabei beruft es sich ausdrücklich auf die ebenso bekannte wie umstrittene Soldaten-sind-Mörder-Entscheidung vom 10.10.1995.

Nicht nur die Gerichte sind dem Recht verpflichtet

Was für die Gerichte gilt, sollte im Umgang der Bürger untereinander ebenfalls Geltung haben. Es entspricht eben billigem und gerechten Denken, der Rede eines Menschen den Sinn zu entnehmen, den sie offensichtlich hat, und nicht etwa das Gegenteil herauszulesen. Doch gerade das scheint jedenfalls dann geboten zu sein, wenn es um Äußerungen mißliebiger „rechter“ Politiker und Publizisten geht. Dabei wenden die Verfassungsschutzbehörden den Taschenspielertrick an, dem Verfasser zu unterstellen, er benutze an sich unverfängliche Begriffe als „Chiffren“ oder „Codes“ für das, was er in Wirklichkeit meint. So werden in der Berichterstattung über wirtschaftliche Vorgänge und Zusammenhänge gängige Begriffe wie Globalisten und Hochfinanz als getarnte Anspielungen antisemitischer Natur gewertet, sobald sie von Autoren oder Politikern benutzt werden, die man – selbstverständlich zu Unrecht – als rechtsextrem einstuft, treffender gesagt, diffamiert. Der von Verwaltungsbehörden und Historikern benutzte Begriff der Remigration wird zur Chiffre für Vertreibungen, wenn er etwa von Martin Sellner benutzt wird. Wer so argumentiert, verfehlt demokratische und rechtliche Standards um Längen, mehr noch, er schließt sich aus dem Kreis der seriösen Teilnehmer am politischen Diskurs aus. Denn wenn den Worten eine andere Bedeutung unterschoben wird, als sie nach allgemeinem Vertständnis zweifellos haben, wird jegliche sachliche Diskussion unmöglich.

Was hat der Angeklagte denn wirklich gesagt?

Die inkriminierte Äußerung Höckes stand eben nicht isoliert, sondern lautete vollständig: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland.“ Schon nach dem lege certa Grundsatz aus der Feuerbach’schen Formel kann nicht nur ein Teil dieses Satzes unter den Straftatbestand des § 86a StGB subsumiert werden, sondern es muß der ganze Satz betrachtet werden. Dann ist die Deutung zumindest möglich, wenn nicht sogar naheliegend, dem Redner sei es nicht darum gegangen, eine nationalsozialistische Parole zu benutzen, sondern er habe sich des rhetorischen Stilmittels der Steigerung durch Bezugnahme zunächst auf die engere Umgebung (Heimat), dann auf das Bundesland Sachsen-Anhalt und zuletzt auf Deutschland als Ganzes bedient. Das aber erfüllt unzweifelhaft nicht den Straftatbestand der Verwendung einer nationalsozialistischen Parole. Dabei kann offen bleiben, ob nicht auch die historische Tatsache, daß jene Parole auch von anderen Organisationen, darunter dem sozialdemokratisch dominierten Reichsbanner Schwarzrotgold benutzt worden ist, einer Zuordnung zum Nationalsozialismus entgegensteht, und ebenso, ob dem Angeklagten geglaubt werden kann, er habe von der nationalsozialistischen Vergangenheit dieser Wortfolge keine Kenntnis gehabt. Das Landgericht wird sich also eingehend mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen müssen. Dabei wird natürlich auch zu berücksichtigen sein, daß es sich bei der umstrittenen Meinungsäußerung um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung gehandelt hat. In diesen Fällen spricht eine Vermutung zugunsten der Freiheit der Rede, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10.3.2016 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Lüth-Urteil von 1958 ausgeführt hat. Grundsätzlich unterliegt auch die überspitzte Meinungsäußerung der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung, wie das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen, zuletzt am 11.4.2024, bereits ausgeführt hat.

Der Sachverhalt II.

Nun liest man, die Staatsanwaltschaft Gera habe Vorermittlungen zu möglicherweise volksverhetzenden (§ 130 StGB) oder den Staat verunglimpfenden (§ 90a StGB) Aussagen gegen den Politiker Höcke eingeleitet. Dabei gehe es um zwei Reden in Gera im Oktober 2022 und im Januar 2024. Die Ankläger werfen ihm zwei Passagen vor. Zum einen soll er bei einem Bürgerdialog in Gera gesagt haben: „Deutschland ist im Jahr 2024 keine funktionierende Demokratie mehr“. Außerdem kritisierte er die Proteste gegen seine Partei. Eine Demonstration in Leipzig habe ausgesehen wie die Fackelmärsche der Nationalsozialisten 1933. Auch hier wird man zunächst den Sinngehalt zu ermitteln haben. Der Satz: „Deutschland ist im Jahr 2024 keine funktionierende Demokratie mehr“ kann natürlich dahingehend verstanden werden, daß er damit erklärt hat, Deutschland sei eben nicht mehr der demokratische Rechtsstaat des Grundgesetzes. Ob damit bereits eine Verunglimpfung des Staates erfolgt ist, wird zu prüfen sein. Indessen ist auch die Auslegung möglich und sogar naheliegend, daß der Redner in Sorge um den Bestand der Demokratie ist und sich demokratische Verhältnisse (zurück-) wünscht. Aber selbst wenn man auch das für eine Verunglimpfung des Staates im Sinne von § 90a StGB halten wollte, so müsste man auch dies im Lichte der Meinungsfreiheit bewerten. Das Bundesverfassungsgericht hatte in dem Falle seiner Entscheidung vom 28.11.2011 zu prüfen, ob der Verfasser eines Flugplattes gegen das Theaterstück „Georg Elser – allein gegen Hitler“ sich nach dieser Vorschrift strafbar gemacht hat, weil er nicht nur darauf hingewiesen hatte, daß dem Attentat von Georg Elser im Münchner Bürgerbräukeller 1939 auch „acht unschuldige Menschen“ zum Opfer gefallen sind, sondern wörtlich formuliert hatte: „Wie sehr ist dieses BRD-System schon verkommen, daß es für seinen ‚K(r)ampf gegen Rechts‘ (und damit alles Deutsche!) eines solchen Vorbildes bedarf? Ihn in Filmen und Theaterstücken bejubelt, Schüler zwingt, ihn zu verehren…? Werden bald die kommunistischen RAF-Terroristen ebenso geehrt und ihre Opfer verhöhnt? Mörder unschuldiger Menschen können keine Vorbilder sein!“ Das Bundesverfassungsgericht hob die strafgerichtliche Verurteilung des Verfassers unter anderem mit der Erwägung auf, daß der überwiegend Meinungsäußerungen enthaltende Text des streitgegenständlichen Flugblattes vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit umfasst sei. Diese sei zwar nicht vorbehaltlos gewährt, sondern finde ihre Grenze unter anderem in den allgemeinen Gesetzen. Die angegriffenen Entscheidungen würden jedoch bei der Anwendung der hier einschlägigen Strafnorm der Bedeutung der Meinungsfreiheit nicht gerecht, weil sie verkannt hätten, daß durch die Verteilung des Flugblattes die Schwelle zur Verletzung des durch § 90a StGB geschützten Rechtsguts noch nicht überschritten sei. Denn bei Auslegung und Anwendung einer die Meinungsfreiheit einschränkenden Vorschrift im Einzelfall gilt, um der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts Rechnung zu tragen, daß nicht der Inhalt einer Meinung als solcher verboten werden darf, sondern nur die Art und Weise der Kommunikation, wenn sie die Schwelle zu einer sich abzeichnenden Rechtsgutsverletzung überschreitet. Da anders als dem einzelnen Staatsbürger dem Staat kein grundrechtlich gewährleisteter Ehrenschutz zukommt, was das Bundesverfassungsgericht erst jüngst wieder einmal am 11.4.2024 festgestellt hat, ist im Falle des § 90a StGB die Schwelle zur Rechtsgutverletzung erst dann überschritten, wenn aufgrund der konkreten Art und Weise der Meinungsäußerung der Staat dermaßen verunglimpft wird, daß dies zumindest mittelbar geeignet erscheint, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, die Funktionsfähigkeit seiner staatlichen Einrichtungen oder die Friedlichkeit in der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Betrachtet man nun den Strafvorwurf gegen Höcke und vergleicht ihn mit dem Sachverhalt dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dann kann man nur zu dem Ergebnis kommen, daß diese scharfe Kritik des Politikers an den Zuständen in Deutschland nicht als Erfüllung des Straftatbestandes der Verunglimpfung des Staates gewertet werden kann. Dies umso mehr, als ja auch scharfe und überspitzte Meinungsäußerungen durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind.

Soweit der Vergleich einer Demonstration in Leipzig mit Fackelmärschen der Nationalsozialisten 1933 in Rede steht, ist nach diesen Grundsätzen ebenfalls die Meinungsfreiheit durchschlagend. Denn schon bei der Auslegung des Satzes kann nicht angenommen werden, daß die Teilnehmer der Demonstrationen in Leipzig mit den SA-Kolonnen von 1933 gleichgesetzt werden sollten. Das äußere Bild von Fackelmärschen zur Unterstreichung politischer Forderungen oder Propagierung politischer Meinungen ist eben immer gleich, ob die Teilnehmer nun wie damals Feinde des Rechtsstaates sind oder wie heute sich als dessen Verteidiger fühlen. Somit ist die Deutung naheliegend, daß Höcke eben auf diese äußeren Merkmale solcher Fackelmärsche hinweisen wollte, und daß dann eben der Eindruck entstehen kann, das dem Bild nächtlicher Fackelmärsche innewohnende Drohpotenzial werde hier bewusst eingesetzt. Die Grundsätze des Lüth-Urteils von 1958, die ich diesem Beitrag bewusst vorangestellt habe, streiten nun einmal für die Vermutung der Freiheit der Rede, insbesondere wenn es sich um einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung handelt, wie das Bundesverfassungsgericht das in der bereits zitierten Entscheidung vom 10.3.2016 festgestellt hat. Spätestens an dieser Stelle ihrer Rechtsprüfung sollten die ermittelnden Staatsanwälte ihre Akte zuklappen.

Das politische Klima

Natürlich erleben wir in der causa Höcke politische Justiz. Der Mann ist bei dem politischen Mainstream so beliebt wie Zahnschmerzen. Bekanntlich sind Staatsanwälte weisungsgebunden, was eine deutsche Besonderheit ist, und nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 27.5.2019 dazu führt, daß sie eben nicht als unabhängige Organe der Justiz anzusehen sind und deswegen keinen europäischen Haftbefehl ausstellen dürfen. Die Gefahr der Einflußnahme etwa des Justizministeriums (und damit der Politik) sei doch nicht zu übersehen. Es liegt nahe, daß gerade in Thüringen, aber auch in Sachsen-Anhalt, wo die AfD nun so stark geworden ist, daß sie nicht nur stärkste Partei, sondern möglicherweise auch Regierungspartei werden könnte, nun auch die Justiz im politischen Kampf eingesetzt wird. Beim Verfassungsschutz ist das ja schon der Fall, und zwar seit dem offenen Eingeständnis des Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang, seine Behörde könne nicht alleine sicherstellen, daß die Umfragewerte der AfD zurückgehen. Aus diesem Grund hat er ja auch am Gesetz vorbei die „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ als Merkmal der Verfassungsfeindlichkeit erfunden, wobei nach seinen und seiner Chefin Nancy Faeser Vorstellungen ausdrücklich auch Äußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle gemeint sein sollen. Also auch ausdrücklich nicht nach § 90a StGB strafbare Äußerungen. In einem Rechtsstaat sollten indessen Behörden, insbesondere die Justiz, aus der politischen Auseinandersetzung herausgehalten werden. Wir sehen ja auch an der causa Höcke, daß diese Bestrebungen, den politischen Gegner wegen seiner Äußerungen zu kriminalisieren, die Axt an die Grundrechte legen. Es wird standhafter und im Verfassungsrecht sicherer Gerichte bedürfen, diesen Angriffen gegen den Rechtsstaat eine klare Absage zu erteilen. Nur so kann vermieden werden, daß bald bei uns Zustände wie in China oder Russland herrschen.

Die mentale Gleichschaltung der Gesellschaft

Indessen sind auch Richter Kinder ihrer Zeit und werden nicht selten von den Vorstellungen der Mehrheitsgesellschft geprägt. Juristen sprechen auch vom „Vorverständnis des Richters“. Was etwa als Mindestmaß des Lebensstandards anzusehen ist, hängt auch von den persönlichen Lebenserfahrungen und gesellschaftlichen Prägungen der zuständigen Richter ab. Der allgegenwärtige „Kampf gegen Rechts“ treibt giftige Blüten, wohin man schaut. Nicht nur die völlig einseitige, vorwiegend die Narrative des linksgrünen Milieus transportierende Berichterstattung und Kommentierung in den Medien, sondern auch ganz offizielle Stellungnahmen staatlicher Stellen und allgemein respektierter Institutionen wie Kirchen und Hochschulen haben inzwischen ein Meinungsklima geschaffen, in dem die freie Rede nicht mehr uneingeschränkt akzeptiert wird. Dabei ist zunehmend eine Diskrepanz zwischen den Anschauungen der Bevölkerungsmehrheit und den Vorstellungen der politischen Klasse festzustellen. So sind gut 80 Prozent der Befragten gegen die sog. Genderschreibung, in den Universitäten und Redaktionen ist das genau umgekehrt. So ist eine ähnlich große Mehrheit für eine strikte Begrenzung der Zuwanderung, insbesondere eine Zurückweisung von Immigranten ohne wirkliche Aussicht auf Anerkennung als Asylbewerber oder Kriegsflüchtling, in der Politik und noch mehr in den Medien findet sich für diese Position keine Mehrheit. So haben Politik und Medien geradezu begierig die rundum erlogene Schauergeschichte von der angeblichen Potsdamer Geheimkonferenz „rechter“, gemeint natürlich rechtsextremer, Akteure zur Planung „massenhafter Deportationen“ unerwünschter Ausländer und Deutscher mit Migrationsgeschichte aufgenommen und hunderttausende von Menschen bewogen, gegen die angeblich drohende Wiederkehr des Nationalsozialismus auf die Straße zu gehen. Vorne dran natürlich der Bundespräsident, dessen Sympathie für linkskadikale Bands wie „Feine Sahne, Fischfilet“ doch eigentlich bekannt sein sollte. Mit den erprobten Methoden der Public Relations, vor allem der gebetsmühlenartigen Wiederholung der immer gleichen Behauptungen über die angebliche Nähe konservativer Positionen zum historischen Nationalsozialismus und der bewußten Diffamierung etwa der AfD, aber auch anderer, als wiedergeborene NSDAP, wird ein Bild der politischen Landschaft gemalt, das dieses Narrativ erzeugt und verfestigt, ebenso wie es mit diesen Methoden gelungen war, jahrzehntelang die Menschheit glauben zu machen, Coca Cola sei gesund und Rauchen gesundheitlich jedenfalls unbedenklich, gehöre jedoch zum modernen Lebensstil, und vermittle das Gefühl von Freiheit und Abenteuer.

Das hat dazu geführt, daß die großen christlichen Kirchen Geistliche und Pfarrgemeinderäte von ihren Ämtern suspendieren, weil sie auf den Listen einer keineswegs verbotenen politischen Partei für Wahlen kandidieren, daß Vorgesetzte in Betrieben ihr Mißfallen bekunden, wenn sie erfahren, daß Mitarbeiter auch nur Sympathien für politsche Forderungen dieser Partei hegen, Vorstände von Fußballclubs erklären, für Mitglieder und Wähler (!) der AfD sei kein Platz in ihrem Verein und daß schon einmal der Schulleiter die Polizei ruft, weil eine Schülerin „rechte“ Inhalte in sozialen Medien verbreitet bzw. „likt“. Es entsteht ein Klima der Verunsicherung, nicht selten sogar Angst, sich „abweichend“ zu verhalten, das natürlich einen Anpassungszwang erzeugt. Richter, die sich ihre Unabhängigkeit bewahren wollen, müssen also einen starken Charakter haben. Glücklicherweise gibt es diese Richter noch, und gottlob nicht selten. So habe ich als Rechtsanwalt einige Urteile zugunsten eben auch der AfD erstritten und dabei feststellen dürfen, daß allein juristische Erwägungen den Ausschlag gegeben haben. Auch die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus jüngerer Zeit begründen die Erwartung, daß auch künftig in aller Regel Recht und Politik zweierlei Welten sein werden, auch wenn es in dem ein oder anderen Falle bedauerlicherweise anders aussieht. Chinesische oder russische Verhältnisse werden wir also hoffentlich niemals bekommen.

Der Spezialdemokrat

Es ist Freitag der 8. Juli 2022. Der Stadtrat von Erlangen begeht sein jährliches Sommerfest. Dr. Florian Janik, seit 2014 Oberbürgermeister, hat zu diesem geselligen Abend geladen, in dessen Rahmen auch die langjährige Bürgermeisterin der Stadt verabschiedet und gewürdigt wird. Im Schmuck der Amtskette tritt der OB ans Rednerpult und hebt zur Laudatio an, die zunächst ganz im Rahmen des erwarteten bleibt und die Leistungen der ausscheidenden Kommunalpoltikerin aufzählt, verbunden mit großem Lob und persönlichen Worten. Doch dann verknüpft der OB dieses Lob mit der Parteipolitik und preist den Einsatz der Geehrten für Demokratie, für Menschenwürde, und ihren Einsatz dafür. Wörtlich: „Daß man die Feinde der Demokratie nicht ignorieren darf, sondern, daß wenn die Feinde der Demokratie und ob sie NPD heißen ob sie Dritter Weg heißen ob sie als die AfD heißen, wie auch immer sie heißen mögen, daß man diesen Feinden der Demokratie niemals das Feld überlassen darf, daß man den Mut haben muß, sich gegen sie zu stellen, daß man den Mut haben muß ihnen immer wieder deutlich zu machen, daß das wofür sie eintreten nicht nur irgendeine politische Meinung ist, daß ihre politische Meinung darauf abzielt alle anderen politischen Meinungen und alle die andere politische Meinung am Ende mundtot zu machen.“ (Original aus Redemitschrift)

Die Sache geht zu Gericht

Abgesehen davon, daß derartige Beschimpfungen des politischen Gegners in einer offiziellen Laudatio nichts zu suchen haben, und daß die gelöste Stimmung eines Sommerfestes ohnehin derart scharfe Rhetorik nicht verträgt, ist die Rechtslage in Deutschland glasklar. Es gilt das Gebot der strikten Trennung von Staatsamt und Parteifunktion. Mag der Politiker als Repräsentant seiner Partei noch so rüde über den politischen Gegner herziehen dürfen, in seiner Funktion als Amtsträger darf er das nicht. Das ist auch allgemein bekannt, insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht in drei (!) bekannten Urteilen vor diesem Auftritt des Erlanger OB klipp und klar diese Rechtslage bestätigt und die Bundesminister Wanka mit Urteil vom 27.2.2018 und Seehofer mit Urteil vom 9.6.2020 dazu verurteilt, es künftig zu unterlassen, in amtlicher Eigenschaft den politischen Gegner schlecht zu machen. Es handelte sich, angesichts der derzeitigen politischen Großwetterlage wenig überraschend, jeweils um den politischen Gegner AfD. Der Erlanger OB hält es offenbar auch für den Ausdruck seiner besonders demokratischen Haltung, die Stadträte der AfD während der Sitzungen grundsätzlich nur mit bürgerlichem Namen anzusprechen, die übrigen Stadträte jedoch mit „Frau Kollegin“ bzw. „Herr Kollege“. Das ist nicht demokratisch, das ist schlicht flegelhaft. Auch hatten in den Jahren zuvor eine Reihe von Verwaltungsgerichten jeweils Kommunalpolitikern untersagt, in amtlicher Eigenschaft über ihren politischen Gegner AfD herzuziehen. Und mit Aufsehen erregendem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15.6.2022, also gerade einmal rund drei Wochen vor dieser Veranstaltung der Stadt Erlangen, wurde der seinerzeitigen Bundeskanzlerin Angela Merkel gleiches ins Stammbuch geschrieben, nachdem sie anlässlich einer Auslandsreise als Bundeskanzlerin den Landtag von Thüringen dazu aufgefordert hatte, die soeben erfolgte Wahl eines FDP-Politikers zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen der AfD rückgängig zu machen.

Rechtsblind und stur

Mit anderen Worten, Janik wusste was er tat, und er tat es trotzdem. Der Vorgang ist schon für sich genommen skandalös genug. Doch dabei ließ dieser hoffnungsvolle Nachwuchspolitiker (Jahrgang 1980) der SPD es nicht bewenden. Die örtliche AfD forderte ihn im Anschluss an die Veranstaltung auf, derartiges künftig zu unterlassen, und insoweit auch eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dazu konnte sich der Herr Oberbürgermeister nicht verstehen, sodaß der örtliche Kreisverband die Stadt Erlangen vor dem zuständigen Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach verklagte. Das Gericht solle der Stadt per Urteil untersagen, durch ihren Oberbürgermeister im Rahmen offizieller Veranstaltungen bezüglich des Klägers (AfD-Kreisverband) im Rahmen offizieller Veranstaltungen zu erklären: „Die Feinde der Demokratie, ob sie NPD heißen, ob sie Dritter Weg heißen oder ob sie AfD heißen“. Obwohl die Rechtslage keinen Zweifel daran zuließ, daß die Klage Erfolg haben würde, ließ der OB seine Stadtverwaltung gegen den Unterlassungsanspruch argumentieren und Klageabweisung beantragen. Naturgemäß erging dann am 23.3.2023 ein Urteil entsprechend dem Klageantrag. Offenbar waren die städtischen Juristen nach Lektüre des Urteils der Auffassung, ein Rechtsmittel werde kaum erfolgreich sein können, weswegen dann auch das Urteil rechtskräftig wurde.

Soweit, so gut, mag man denken. Weit gefehlt.

Wem das Recht gleichgültig ist…

Am 10.1.2024 berichtete die Tagesschau in sensationeller Aufmachung über ein sogenanntes Geheimtreffen „rechter“ Kreise, das am 23. November des Vorjahres in Potsdam stattgefunden habe. Es seien dabei Pläne zur millionenfachen Vertreibung von Migranten mit und ohne deutschen Pass geschmiedet worden, um einmal diese Räuberpistole in wenige Worte zu fassen. Bekanntlich führte das in den Wochen danach zu massenhaften Demonstrationen auf den Straßen und Plätzen der Republik, die sich ganz eindeutig vor allem gegen die AfD richteten. Dies unbeschadet dessen, daß sehr bald schon die Urheber dieser Sensationsgeschichte zurückruderten und erklärten, von massenhaften Vertreibungen sei eigentlich nicht die Rede gewesen. Doch da lief die absichtsvoll in Gang gesetzte Empörungsmaschinerie schon auf vollen Touren. Der Erlanger OB musste sich da natürlich in seiner Stadt an die Spitze der Proteste setzen. Auf seiner amtlichen Homepage rief er zu einer für Freitag, den 19.1.2024 geplanten Kundgebung auf und „motivierte“ die Bürger seiner Stadt dazu mit den Worten: „Die Enthüllungen des Rechercheteams von Correctiv sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, daß die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: Die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDU-nahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmern die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschen Pass. Mut macht in diesen Zeiten, daß Tausende Menschen in Deutschland aufstehen und auf großen Kundgebungen für Rechtsstaat, Demokratie und Freiheit eintreten. Auch in Erlangen ist eine solche Kundgebung geplant. Sie findet am Freitag, dem 19. Januar ab 16:00 Uhr auf dem Hugenottenplatz statt. Erlangen ist offen aus Tradition und wir erleben die Vielfalt unserer Stadtgesellschaft jeden Tag als Bereicherung. Zeigen wir das auch!“

Erregte Politiker treffen auf kühle Juristen

Nun ist abgesehen von dem erschreckend niedrigen politischen Niveau dieser Aussage vor allem bemerkenswert, daß hier jemand vorgibt, für den Rechtsstaat einzutreten, der auf denselben offensichtlich pfeift. Nicht nur, daß dem Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt von Amts wegen klar sein muß, daß er Amt und Parteipolitik streng voneinander zu trennen hat, sondern auch der Umstand, daß gerade ihm als Oberbürgermeister von Erlangen mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 23.3.2023 weniger als ein Jahr zuvor persönlich klargemacht worden war, daß er so etwas nicht darf, macht an sich sprachlos. Es bleibt nur die Feststellung, daß dieser Spezialdemokrat für sich in Anspruch nimmt, an Recht und Gesetz nicht gebunden zu sein.

Der Erlanger Kreisverband der AfD mahnte also die Stadt Erlangen dieserhalb ab und forderte sie mit Anwaltsschreiben vom 26.1.2024 zur Abgabe einer sogenannten strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, also der Erklärung, künftiges nicht wiederholen zu wollen, bei Meidung einer Vertragsstrafe für den Fall der Zuwiderhandlung. Dem kam die Stadt Erlangen, man muß schon sagen, erwartungsgemäß nicht nach. Deswegen beantragte der Anwalt des Kreisverbandes am 1.2.2024 beim Verwaltungsgericht in Ansbach, der Stadt Erlangen bei Meidung eines auf Antrag des Antragstellers vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zu untersagen, durch ihren Oberbürgermeister öffentlich erklären zu lassen: „Die Enthüllungen des Rechercheteams von Correctiv sind erschreckend, aber nicht überraschend. Schon lange ist klar, daß die AfD eine rechtsextreme Partei ist. Nun liegt es schwarz auf weiß vor: die Alternative für Deutschland plant gemeinsam mit Neonazis, Rechtsextremen, Funktionären der CDU-nahen Werteunion und einer Gruppe von Unternehmern die massenhafte Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund – ob mit oder ohne deutschen Pass.“ Der Oberbürgermeister wies seine Verwaltung erwartungsgemäß an, dem entgegenzutreten, was mit Schriftsatz vom 5.2.2023 auch geschah. Indessen konnte sie damit das Gericht nicht überzeugen. Mit Beschluss vom 6.2.2024 verurteilte es die Stadt Erlangen antragsgemäß.

Als „wahrer“ Demokrat pfeift man auf die Gerichte – Haltung ist Alles!

Indessen war die inkriminierte Äußerung des OB auch nach Zustellung dieser Entscheidung noch wochenlang auf seiner offiziellen Homepage unverändert für jedermann lesbar. Der Kreisverband der AfD ließ deswegen mit Schriftsatz seines Anwalts vom 16. Februar 2024 beim Verwaltungsgericht beantragen, wegen dieses Verstoßes gegen den Beschluss des Gerichts vom 6.2.2024 ein Ordnungsgeld festzusetzen. Dem trat die Stadt Erlangen mit dem merkwürdigen Argument entgegen, man sei ja nicht zur Löschung, sondern nur zur Unterlassung dieser Aussage verurteilt worden. Erstaunlicherweise fand sie mit diesem Argument beim Verwaltungsgericht Gehör, das den Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes zurückwies. Dagegen war natürlich Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzulegen, was der Anwalt des Kreisverbandes mit Schriftsatz vom 22.2.2024 unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung der obersten Gerichte in Deutschland auch tat. Mit Beschluss vom 18.3.2024 setzte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach gegen die Stadt Erlangen ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 € fest. Denn im vorliegenden Falle handele es sich ja bei dem streitgegenständlichen Post auf der Homepage des OB der Stadt Erlangen um eine Dauerhandlung. Wer zur Unterlassung einer Dauerhandlung verpflichtet ist, kann diese Verpflichtung natürlich nur dadurch erfüllen, daß er dafür sorgt, daß sie niemanden mehr zur Kenntnis gelangt. Eine zu unterlassende Äußerungen im Internet kann also nur durch löschen eines solchen Posts ungeschehen gemacht werden.

Für die Erlanger Steuerzahler sind die beschriebenen Eskapaden ihres Oberbürgermeisters nicht ganz billig. Nicht nur das Ordnungsgeld in Höhe von immerhin 1.000 €, sondern auch die Verfahrenskosten schlagen zu Buche. Auch wenn es sich dabei nicht um gewaltige Beträge handelt, so wäre das Geld doch etwa in der Möbilierung von städtischen Spielplätzen oder in der Beschaffung von Schulbüchern weitaus besser angelegt. Vor allem aber muß man konstatieren, daß sich jener famose Kommunalpolitiker offenbar herausnimmt, mit Recht und Gesetz „nach Gutsherrenart“ umzugehen. Ein Spezialdemokrat eben. Wer in Deutschland gefährdet eigentlich den demokratischen Rechtsstaat?

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Es ist zwar eine abgegriffene Phrase, Bücher als unbedingt lesenswert zu empfehlen. Mir fällt indessen im vorliegenden Fall nichts Besseres ein. Die größte intellektuelle Umweltverschmutzung unserer Zeit ist der Wokismus. Schon darin, daß die allermeisten Leute gar nicht wissen, was dieser Begriff bedeuten soll, liegt bereits sein Wesen als Theorie des Absurden. Der Begriff stammt ja aus dem englischen. Woke heißt eben erwacht. Als erwacht fühlen sich die tonangebenden linken Intellektuellen in Universitäten, Verlagen und politischen Zirkeln. Das Gegenteil sind dann eben alle anderen, die gerade nicht erkennen, was auf dieser Welt wichtig ist, und wie sie daher zu gestalten ist.

Alexander Wendt hat sich nun intensiv und ausgiebig mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und dazu ein Buch mit dem Titel „Verachtung nach unten“ vorgelegt, dessen Untertitel „Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir sie verteidigen können“ recht gut seinen Inhalt zusammengefasst. Es geht eben um abstruse Theorien wie die, daß Weiße nicht nur kein Recht haben, über andere Rassen überhaupt nur zu sprechen, ja nicht einmal bei persönlicher Integrität etwa Schwarzen Gerechtigkeit widerfahren lassen können, weil sie eben als Weiße von einem gewissermaßen genetischen Rassismus geprägt sind, und zwar unabänderlich (White supremacy). Zu den bizarren Auswüchsen dieser Ideologie gehört es, daß etwa ein weißer Facharbeiter grundsätzlich zu den Unterdrückern gehört, eine Staatssekretärin mit arabisch-muslimischem Hintergrund jedoch immer zu den Unterdrückten. Wendt weist auch auf die vielen Widersprüchlichkeiten dieser woken Ideologie hin wie etwa der, daß Lehren des Islam wie die Minderwertigkeit der Frau gegenüber dem Mann und die Verworfenheit der Juden als Rasse zu akzeptieren sind, weil sie eben in einer Kultur zu Hause sind, die der abendländischen, „weißen“ Kultur entgegengesetzt ist. Ausgerechnet diejenigen, denen bei uns schon der Feminismus nicht ausreicht, weil er die Existenz von nur zwei biologischen Geschlechtern, biologischen Geschlechtern überhaupt, voraussetzt, ausgerechnet die propagieren eine Art Höherwertigkeit des Islam. Das sind nur zwei Beispiele der vielen Absurditäten dieser derzeit dominierenden Lehre in den Geisteswissenschaften, die von Politik und Medien verbreitet wird.

Der Autor analysiert auch mit faszinierender Präzision das Personal dieser Ideologie. Nahezu zu 100 % stammen deren Verfechter aus dem Bildungsbürgertum und finanzstarken Kreisen. Wir kennen ja in Deutschland den familiären Hintergrund der Protagonistinnen von Fridays for Future, bei denen es sich um junge Damen aus Milliardärs- und Multimillionärsfamilien handelt. Vor allem arbeitet Wendt heraus, mit welcher Arroganz diese Priesterkaste der Erleuchteten dem zahlenmäßig weit überwiegenden Teil der Menschheit gegenübertritt. Man blickt aus den teuren Stadtwohnungen und luxuriösen Villen voller Verachtung auf die Leute herab, die buchstäblich im Schweiße ihres Angesichts ihren Lebensunterhalt erarbeiten müssen, und allein schon deswegen nicht einmal die Zeit haben, sich mit politischen und gesellschaftlichen Theorien überhaupt nur zu befassen. Geradezu ikonisch ist in diesem Zusammenhang das berühmte Wort der seinerzeitigen amerikanischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vom basket of deplorables, ziemlich genau übersetzt also vom „Korb der Erbärmlichen“.

Dabei bleibt der Autor aber nicht stehen. Er bietet einen außerordentlich lehrreichen Blick auf die Entwicklung der europäischen Geistesgeschichte, insbesondere Demokratiegeschichte. Dem Leser wird somit ermöglicht, nachzuvollziehen, was eigentlich den Wert der persönlichen Freiheit ausmacht, wie sehr sie die Grundlage der Demokratie ist, und warum sich diese Gesellschaftsordnung so fundamental von allen anderen in der Geschichte und auf dieser Erde unterscheidet.

Schließlich zeigt Wendt auch den Weg dazu auf, diese Irrlehre zu überwinden, wobei er schon Anhaltspunkte dafür aufzeigen kann, daß diese dabei ist, an ihren eigenen Widersprüchen zu zerbrechen, was allerdings leider nur sehr langsam vonstatten geht. Wer das Buch gelesen hat, hat jedenfalls das Rüstzeug, zum einen selbst zu erkennen, wo und wann einem diese verderbliche Ideologie entgegentritt, und zum anderen mit schlagenden Argumenten diesem Unfug entgegenzutreten. Ich halte es geradezu für eine Bürgerpflicht, jedenfalls für diejenigen, die das intellektuelle Rüstzeug dafür mitbringen, dieses Buch zu lesen und sich mit seinen Argumenten der Bekämpfung des Wahnsinns zu widmen.

Alexander Wendt, Verachtung nach unten, Lau Verlag 2024, ISBN 978-3-95768-259-8