Kampf um die Pressefreiheit oder politische Kabale?

Die Affäre um den blog netzpolitik.org erhitzt weiterhin die Gemüter. Inzwischen wurde der Generalbundesanwalt vom Bundesminister der Justiz in den einstweiligen Ruhestand versetzt, volkstümlich gesprochen: gefeuert. Die Wogen gehen hoch. Von einem selbstverständlich unerhörten Angriff auf die Pressefreiheit, dieses gewissermaßen konstituierende Grundrecht in einem demokratischen Rechtsstaat, wird landauf. landab geschrieben und gesendet, und man sieht förmlich die Unterlippe des empörten Kommentators vor Erregung beben. Man ergeht sich in – wohlfeilen – Verdammungen des Verfassungsschutzpräsidenten, der ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten von netzpolitik. org angeregt hat, und noch mehr des inzwischen geschassten Generalbundesanwalts. So gut wie keine Rede ist davon, was denn eigentlich rechtlich inmitten liegt.

Ausgangspunkt war eine Veröffentlichung der beiden Blogger, die vertrauliche, möglicherweise unter Geheimschutz stehende Papiere des Verfassungsschutzes jedermann zum Mitlesen präsentiert hatten. Die Frage, ob dies tatsächlich strafbarer Landesverrat (§ 94 StGB) gewesen sein könnte, interessiert offenbar niemanden. Zur Erinnerung: Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz hatte diesen Vorgang dem Generalbundesanwalt vorgelegt und angeregt zu prüfen, ob hier strafbarer Landesverrat vorliege. Das ist auch seines Amtes. Ebenso war der Generalbundesanwalt verpflichtet, zumindest strafrechtliche Vorermittlungen einzuleiten, was er auch erst einmal getan hat. Nachdem sich in den Medien ein Sturm der Entrüstung erhoben hatte, bekam es der Bundesjustizminister offenbar mit der Angst und machte von seinem Weisungsrecht gegenüber dem Generalbundesanwalt in der Weise Gebrauch, daß er die Einstellung der Ermittlungen verlangte. Die weiteren Einzelheiten sind bekanntlich strittig. Es ist auch relativ gleichgültig, ob und welche Gutachten zu dieser Frage in Auftrag gegeben worden sind, und zu welchem Ergebnis dem Vernehmen nach der ein oder andere Gutachter gelangt sein soll. Entscheidend ist vielmehr, daß die Einleitung von strafrechtlichen Ermittlungen wegen irgend eines Sachverhaltes ein völlig normaler Vorgang ist. Die Staatsanwaltschaft ist eben verpflichtet, solche Ermittlungen anzustellen, sobald ihr eine Strafanzeige vorgelegt oder auch nur ein Vorgang mit der Anregung vorgelegt wird, dessen strafrechtliche Relevanz zu prüfen. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, daß die Staatsanwaltschaft diesen Vorgang dann auch zur Anklage bringt. Vielmehr kommt es nicht selten vor, daß die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren einstellt, weil ihres Erachtens kein Tatverdacht besteht, § 170 Abs. 2 StPO. Und selbst wenn sie zu dem Ergebnis kommt, es liege eine strafbare Handlung vor und deswegen Anklage zum zuständigen Gericht erhebt, ist damit noch lange nicht gesagt, daß es auch zu einer Verurteilung kommt. Nicht selten ist ein Gericht dann der Auffassung, es liege eben keine strafbare Handlung vor, anders als die Staatsanwaltschaft meint. Also handelt es sich in jedem Falle um einen völlig normalen Vorgang, den unsere Rechtsordnung so vorsieht. Amerikanisch-flapsig ausgedrückt: So what?!  An Recht und Gesetz gebundene Staatsanwälte und unabhängige Richter sind dazu berufen, über die Strafbarkeit oder Unbedenklichkeit der Handlungen von Bürgern zu befinden. Insbesondere liegt weder in der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens noch in der Durchführung eines Strafprozesses etwas ehrenrühriges. Das ist erst dann der Fall, wenn es zu einer Verurteilung kommt, und dann auch zu Recht.

Das sind alles Binsenweisheiten, und wäre nicht der Rede wert, gäbe es diesen Vorgang nicht. Erst der von Politikern und Journalisten fälschlich als solcher bezeichnete Angriff auf die Pressefreiheit hat diesen Sturm im Wasserglas ausgelöst. Dabei war man sich von taz bis SPIEGEL, von Süddeutscher Zeitung bis WAZ, von ARD bis ZDF nicht zu schade, Parallelen zur SPIEGEL-Affäre von 1962 zu ziehen und vom Angriff auf den demokratischen Rechtsstaat zu faseln. Tatsächlich handelt es sich nur um eine politische Kabale.

Was dieser Geschichte allerdings einen bitteren Beigeschmack gibt, ist der Umstand, daß hier ganz offensichtlich geworden ist, wie in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird. Man stelle sich nur einen kurzen Augenblick lang vor, bei den Betreibern von netzpolitik.org hätte sich nicht um linksdrehende Journalisten gehandelt, (ein Prädikat, das wohl nicht bezweifelt werden kann) sondern um Journalisten aus dem konservativen oder gar rechten demokratischen Spektrum. Letzteres gibt es entgegen der Propaganda von linksdrehenden Journalisten und Politikern durchaus. Maßstab ist nämlich alleine die Verfassung, die auch Raum für Auffassungen rechts von den Unionsparteien, aber links von der vermutlich verfassungsfeindlichen (was noch nicht gerichtlich entschieden ist) NPD läßt. Hätte also der Generalbundesanwalt gegen Journalisten aus diesem sehr schmalen Sektor der Publizistik ermittelt, so hätte er sich des einhelligen Beifalls von Politik und Medien sicher sein können. Die politisch korrekten Journalisten und ihre politischen Schirmherren (-und Damen natürlich, die hysterische Doppelnull mit der Lizenz zum Dummschwätzen aus Augsburg vorneweg) hätten sich nicht eingekriegt vor Begeisterung darüber, daß die Justiz endlich nicht mehr auf dem rechten Auge blind ist.

Wer glaubt, daß sich dabei doch nur um eine Fiktion oder einen Fantasy-Roman handelt, der irrt. Anfang dieses Jahrhunderts ermittelte das Landesamt für Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen gegen die Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit und erwähnte das in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten. Damit waren das Blatt und seine Redakteure an den Pranger gestellt. Die klagten dann dagegen und bekamen im Jahr 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht Recht. Die Verfassungsrichter fanden sehr deutliche Worte für das Vorgehen der nordrhein-westfälischen Verfassungsschützer. Allerdings blieb dieser Vorgang in der breiten Öffentlichkeit völlig unbekannt, weil Politik und Medien darüber den Mantel des Schweigens gebreitet hatten. Lediglich wirkliche Leuchten des Journalismus wie Peter Scholl-Latour und Helmut Markwort warfen sich für ihre Berliner Kollegen in die Schanze.

Was für die Willensbildung in der Demokratie dabei bedenklich ist, ist eben der Umstand, daß die große Masse der Bürger über solche Vorgänge und ihre Hintergründe nicht oder nur irreführend informiert wird, wie der vorliegende Fall netzpolitik.org zeigt.Wer sich nur aus den Tageszeitungen, auflagenstarken Wochenzeitungen sowie Rundfunk und Fernsehen informiert, wird desinformiert. Und das betrifft leider die große Masse der arbeitenden und steuerzahlenden Bürger. Sie werden von Politik und Medien gezielt in die Irre geführt. Der Demokratie ist das alles andere als förderlich.

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