Wie die Justiz zum Büttel wird

Vorab: Ich bin nicht Mitglied der AfD. Ich halte den Umgang der Politik mit dieser Partei jedoch für eine schwere Beschädigung des demokratischen Rechtsstaats. Hatte man sich schon in den letzten Jahren daran gewöhnt, daß etwa die Mehrheit der Parteien des Deutschen Bundestages entgegen allen parlamentarischen Regeln dieser Partei das ihr zustehende Amt eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages konstant verweigerte, und dann in der laufenden Legislaturperiode diese undemokratische Haltung sich noch versteifte und man ihr nun auch die Ämter der Ausschussvorsitzenden nicht gab, indem man einfach ihre Kandidaten nicht wählte, so war mit dieser den demokratischen Gepflogenheiten hohnsprechenden Verhaltensweise im Deutschen Bundestag noch lange nicht Schluß. Vielmehr weigert man sich nun auch noch mit der übergroßen Mehrheit des Hauses, der dieser Partei nahestehenden politischen Stiftung die ihr nach dem für alle geltenden Verteilungsschlüssel zustehenden Finanzmittel zuzuweisen. Und gewissermaßen als Krone des Ganzen läßt man auch den Verfassungsschutz diese Partei als sogenannten Verdachtsfall verfassungsfeindlicher Bestrebungen beobachten, was dann natürlich auch bekannt gemacht werden muß. Letzteres ist, nota bene, überhaupt der Sinn der Beobachtung einer politischen Partei als Verdachtsfall ebenso wie ihre Einstufung als gesichert verfassungsfeindlich. Die meisten anderen Staaten dieser Erde haben so etwas nicht.

Der Fall

Es mag dieses politische Grundrauschen sein, das nun auch eine Oberstaatsanwältin in München dazu bewogen hat, strafrechtliche Ermittlungen gegen den bayerischen AfD-Politiker Bystron aufzunehmen und den Deutschen Bundestag zu ersuchen, die parlamentarische Immunität des Abgeordneten aufzuheben, was natürlich auch geschehen ist, weil einer solchen Bitte der Staatsanwaltschaft grundsätzlich entsprochen wird. Doch was hat dieser Abgeordnete getan, daß die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen ihn aufgenommen hat? Der Mann soll öffentlich den Hitlergruß gezeigt haben. Derartiges hat von Amts wegen die Staatsanwaltschaften zu interessieren, denn es handelt sich um eine Straftat nach § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen), wobei Abs. 2 dieser Vorschrift ausdrücklich auch Grußformen erwähnt. Darauf steht Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Nun ist es von vornherein kaum vorstellbar, daß ein erfahrener Politiker, dazu noch mit einem abgeschlossenen Politologiestudium, sich als Sympathisant des Nationalsozialismus zeigt, zum einen, weil man annehmen muß, daß derartiges einem solchen Menschen absolut fremd sein dürfte, und zum anderen weil ein Mann mit diesem Hintergrund und dieser Lebenserfahrung, selbst wenn er Sympathien für die Hitlerei hätte, nicht so – sit venia verbo – dämlich sein kann, in aller Öffentlichkeit während einer Rede an die Bevölkerung den Hitlergruß zu zeigen. Dennoch meint eine leibhaftige Oberstaatsanwältin, genau das sei geschehen. Wie kommt sie darauf? Glücklicherweise ist die Szene im Internet für jedermann einsehbar. Hier: https://www.youtube.comwatch?v=5CwQUxrzy5c

Der Verfall der politischen Kultur

Ja, man reibt sich die Augen und kratzt sich am Kopf. Wie kann jemand auf die Idee kommen, diese Geste des Politikers als Hitlergruß zu identifizieren? Wenn diese Geste überhaupt ein historisches Vorbild hat, dann findet man es in den vatikanischen Museen in Gestalt der Statue des Augustus von Primaporta. Die Geste des Kaisers ist jedenfalls früheren Schülern humanistischer Gymnasien als adlocutio bekannt. Sie steht ikonographisch für die Haltung des Feldherrn während seiner Ansprache an seine Soldaten vor der Schlacht. Dieses „Vorwärts!, Aufwärts!“ paßt natürlich auch immer wieder als Geste zur Unterstreichung politischer Parolen.

Wie kann es denn sein, daß eine bayerische Oberstaatsanwältin aufgrund dieses Sachverhalts ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat? Die Unterstellung, es handele sich um den sogenannten Hitlergruß, ist abenteuerlich, abwegig, abstrus, um in der Wortwahl (noch) höflich zu bleiben. Eine Erklärung kann dies sicherlich nicht in mangelhafter intellektueller Ausstattung oder fehlender beruflicher Qualifikation und/oder Erfahrung haben. Als seit Jahrzehnten in Bayern praktizierender Rechtsanwalt weiß ich ja, daß die bayerische Justiz bei der Auswahl ihrer Bewerber für die Laufbahn der Richter und Staatsanwälte (das ist in Bayern eine Laufbahn, man ist mal Richter, mal Staatsanwalt) sehr wählerisch ist, vor allem gute Examensnoten verlangt. Ohne zwei Prädikatsexamina geht da nichts. Der Rang eines Oberstaatsanwalts ist auch schon die zweite Beförderungsstufe in der staatsanwaltlichen Hierarchie. Nach Staatsanwalt und Staatsanwalt als Gruppenleiter kommt dann eben das Amt des Oberstaatsanwalts, verbunden mit der Leitung einer Abteilung einer Staatsanwaltschaft. Die Dame ist also mit Sicherheit hoch qualifiziert. Es gibt also zwei Möglichkeiten:

Die Wahnvorstellung

Entweder sie ist ganz privat absolut davon überzeugt, daß es sich bei der AfD um eine verfassungsfeindliche, rechtsextreme Partei handelt, die mit allen Mitteln bekämpft werden muß. Eine solche Überzeugung können Menschen durchaus gewinnen, gerade wenn sie den Umgang der Politik mit dieser Partei, insbesondere den Missbrauch des Verfassungsschutzes als Fortsetzung der Politik  gegen die „Schmutzkonkurrenz“ mit anderen Mitteln zur Kenntnis nehmen und es für einen Beweis demokratischer Tugend halten, den „Kampf gegen Rechts“ mit allen Mitteln zu führen, auch ohne in rechtlicher Hinsicht besonders pingelig zu sein. Frei nach dem Motto, wo gehobelt wird, da fallen Späne. Juristen sollten zwar nüchtern und sachlich urteilen. Indessen leben Juristen nicht im luftleeren Raum, sondern auch sie werden durch ihre Umwelt geprägt. Man spricht dabei auch vom Vorverständnis des Juristen, auf dessen Grundlage er seine juristischen Erwägungen anstellt. Bei der Dauerberieselung mit diesem AfD-Bashing kann dann schon einmal der Fehlschluss generiert werden, Politiker dieser Partei neigten zum Nationalsozialismus und eine solche Geste könne dann nur als Hitlergruß gemeint sein.

Beflissenes Radfahren

Oder aber wir haben es hier mit dem klassischen Fall des vorauseilenden Gehorsams zu tun. Man weiß, was die politische Führung gerne sieht. Man könnte das auch Radfahrerei nennen („Herr Hauptmann, ich weiß was, im Keller brennt Licht! Herr Hauptmann ich weiß noch was, ich hab’s schon ausgemacht!“). Auch das wäre nicht unbedingt dazu angetan, diese Oberstaatsanwältin als Zierde ihres Standes zu betrachten.

Der demokratische Rechtsstaat verkommt zur Ochlokratie

Man mag von der AfD halten was man will. Jedenfalls programmamatisch und in den Äußerungen ihrer führenden Politiker findet man nichts, was die Beurteilung als extremistisch rechtfertigen könnte. Natürlich gibt es auch Figuren in dieser Partei, die sich besser auf das Plakate kleben und Prospekte verteilen beschränken sollten, weil eben ihr Denkvermögen offensichtlich auch beschränkt ist, was dann dazu führt, daß sie gelegentlich Sentenzen absondern, die nur für den politischen Müllhaufen taugen. Natürlich gibt es auch Führungsfiguren wie den unsäglichen Höcke, die einfach nicht begreifen, daß schon ihre Art zu reden und sich zu geben die meisten Leute einfach abstößt, selbst wenn im Einzelfall inhaltlich von Rechtsextremismus nicht entfernt die Rede sein kann. Doch das ist hier nicht das Thema. Das Thema ist, daß unsere Demokratie zu verludern droht, wenn das Recht dazu missbraucht wird, den politischen Gegner klein zu halten, weil die Wähler, diese Vollpfosten, es einfach nicht geschnallt haben. Da muß man als Demokrat doch nachhelfen, nicht wahr? Und da  schlüpft dann eine Oberstaatsanwältin in die Rolle des Büttels. Ganz nach dem Vorbild des famosen Verfassungsschutzpräsidenten Haldenwang, der sich als beflissener Büttel seiner Antifa-Freundin auf dem Stuhl der Innenministerin zeigt. Denn in Deutschland herrscht der Haltungszwang, und das kontrolliert Herr Haldenwang. Da kann man in der Münchner Staatsanwaltschaft offenbar nicht abseits stehen. Die klassischen politischen Organisationsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie beschreiben den aktuellen Zustand unseres Landes nicht mehr. Vielmehr sind wir nun wohl in der Ochlokratie angekommen.


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