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Die Konsequenz

Politische Strafverteidigung war schon immer Politik mit den Mitteln des Rechts. Man nutzt das Forum, das der Gerichtssaal unserer Zeit bietet, in der Art und Weise des Forum Romanum, auf dessen Rostra der römische Jurist seine Klienten verteidigte und politische Reden hielt.  überhaupt waren die Grenzen zwischen politischer Agitation einerseits und der eigentlichen Verteidigung des Angeklagten nicht selten fließend bis gar nicht erkennbar. So etwa der Prozeß gegen die Mörder des Clodius, die Cicero aus politischem Kalkül so geschickt verteidigte, daß sie freigesprochen wurden, was bei Fulvia, der Witwe des Ermordeten, einen derart unbändigen Haß gegen ihn ausgelöst hatte, daß sie sich der Überlieferung nach bei einem Festbankett den Kopf des ermordeten Cicero bringen ließ, um dessen Zunge mit einer Haarnadel zu durchbohren. Wenige Beispiele aus der Geschichte sollten genügen. Der von Oliver Cromwell gegen Charles I. angestrengte Hochverratsprozeß und das Tribunal gegen Danton in der französischen Revolution stehen uns vor Augen, wie die Affäre Dreyfus und die stalinistischen Schauprozesse, aber auch der brillante Strafverteidiger Hans Litten, der den Zeugen Adolf Hitler in arge Erklärungsnöte brachte, was ja nun sein eigentliches Ziel war.

Der Prozeß, der publikumswirksame zumal, bietet nun einmal die perfekte Bühne für die Propagierung politischer Ziele. Nicht von ungefähr ist der Berufsstand des Juristen in den Reihen der Politiker auch heute weit überrepräsentiert, vergleicht man  die Juristenquote iin der Politik mit ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung. Gerade unsere Zeit, die man mit Fug und Recht das Zeitalter der Medien nennen könnte, bietet sich dafür an, Prozesse  zu Tribunalen mit politischer Zielrichtung umzufunktionieren. Wir haben das in den letzten Jahrzehnten nicht selten gesehen. Erinnert sei  an die ursprünglich Bader-Meinhof- Prozesse genannten Verfahren gegen linksextreme Terroristengruppen. Die Verteidiger in diesen Verfahren, nicht selten gleichzeitig politische Sympathisanten ihrer Mandanten, versuchten stets über die klassische Strafverteidigung hinaus die politischen Ziele  ihrer Mandanten mit den Mitteln des Prozesses und der Berichterstattung darüber medial breit zu vertreten.

Wir erleben heute natürlich ebenfalls politische Prozesse, und zwar solche, welche die politischen Debatten unserer Zeit widerspiegeln. Mit zu den umstrittensten Politikfeldern gehört die Flüchtlingsproblematik, insbesondere im Zusammenhang mit der überproportionalen Kriminalität dieser Bevölkerungsgruppe, untrennbar verbunden, aber auch instrumentalisiert im Rahmen des allgegenwärtigen „Kampfs gegen Rechts“. In dieser Gemengelage findet derzeit vor dem Landgericht Chemnitz, allerdings im Gebäude des Oberlandesgerichts Dresden, der Prozeß gegen einen syrischen Flüchtlinge statt, dem zur Last gelegt wird, am 26. August 2018 gemeinsam mit einem flüchtigen Mittäter am Rande des Chemnitzer Stadtfestes den Tischler Daniel Hillig im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung erstochen zu haben. Doch haben wir seit diesem Tage erlebt, daß die Aufmerksamkeit der Medien und  des linken politischen Spektrums, also von CDU bis Linke, weniger dem Opfer und seinen Angehörigen, schon gar nicht den weiteren lediglich schwer verletzten Opfern, sondern der sogenannten Instrumentalisierung der Tat durch „Rechte“ gilt. Die Mär von der Hetzjagd  auf Ausländer hat nicht etwa die Urheberin dieser Mär, sondern  den Präsidenten  des Verfassungsschutzes, der eben diese Mär als solche entlarvt hatte, sein Amt gekostet. Folgerichtig geht es im laufenden Strafprozeß auch vor allen Dingen darum, den „Kampf gegen Rechts“ im Gerichtssaal und vor den laufenden Fernsehkameras zu führen.

Diese Situation bietet  für die Verteidigerin des Angeklagten, eine aufstrebende junge Anwältin, die sich bereits in der  arabischen „Community“ einen Namen gemacht hat, die Chance, sich endgültig als Verteidigerin des Rechtsstaates und mutige Kämpferin gegen „Rechts“ zu profilieren. Was war zu tun? Zunächst einmal feuert man die ganz große Kanone ab und beantragt, das Verfahren an das Landgericht eines anderen Bundeslandes zu verweisen, weil man doch die Befürchtung hegen muß, daß die Richter des Landgerichts Chemnitz „rechtes“ Gedankengut teilen könnten. Natürlich hatte dieser Antrag nicht den Hauch einer Chance. Doch die Jeanne d‘ Arc der Demokratie ließ nun die Hakenbüchsen Reihenfeuer schießen und stellte den Antrag, daß sowohl die Berufsrichter als auch die Schöffen einen Fragenkatalog zu ihren politischen Einstellungen beantworten sollten. Der Katalog enthält Fragen wie etwa: Sind Sie Mitglied der AfD? Sympathisieren Sie mit Pro Chemnitz? Haben Sie sich öffentlich zu der sogenannten Flüchtlingskrise geäußert? Wie ist Ihre Einstellung zu Flüchtlingen? Haben Sie nach den Vorfällen in Chemnitz an Kundgebungen teilgenommen? Haben Sie Kränze oder Blumen an dem Gedenkstein niedergelegt? Diese Fragen, so die Verteidigerin, müßten gestellt werden, damit sie prüfen könne, „ob das Gericht ordentlich besetzt sei“. Es bestehe doch die Besorgnis, daß Richter und Schöffen aus dem Raum Chemnitz dem Verfahren nicht unvoreingenommen gegenüberstünden. Der offenbar mit der Situation völlig überforderte Staatsanwalt erklärte dann eingeschüchtert, das Bundesverfassungsgericht lasse Fragen nach dem persönlichen Hintergrund des Gerichts nur in Grenzen zu, Fragen zur allgemeinen Weltanschauung – hier konkret zu Flüchtlingen – gingen zu weit. Fragen in Bezug auf den Rest, also eine Mitgliedschaft in der AfD oder die Teilnahme an Demos, sehe auch er als gerechtfertigt an.

Nun muß sich der Staatsanwalt keine Sorgen machen. Das Gericht wird nach der Strafprozeßordnung diesen Fragenkatalog nicht zulassen. Richter sind auch nicht befangen, weil sie dieser oder jener Partei, Religion oder Weltanschauungsgemeinschaft angehören, nicht einmal wenn sie zu allgemein interessierenden Themen publizistisch tätig geworden sind. Wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden können sie nur dann, wenn sie den Eindruck erwecken, im konkreten Falle einem Prozeßbeteiligten, etwa dem Angeklagten gegenüber, voreingenommen zu sein.

Der Sachverhalt ist indessen symptomatisch für das politische Klima dieses Landes. Über den Vorgang wurde zwar in den Zeitungen berichtet, jedoch eher lustlos und um der Chronistenpflicht zu genügen. Es regt offenbar niemanden in den Medien auf, wenn der durchsichtige Versuch unternommen wird, die Justiz zu politisieren dergestalt, daß Richter auf ihre politische Gesinnung überprüft und in der Konsequenz dann natürlich je nach Ergebnis aus dem Verfahren genommen werden. Kurz gesagt, „rechte“ Richter darf es nicht geben. Das läßt sich natürlich auch auf andere Prozesse als Verfahren gegen mutmaßliche Straftäter erstrecken. Wie wäre es denn, wenn etwa in einem Verfahren, in dem es um politische Meinungsäußerungen geht, mit der gleichen Systematik vorgegangen werden würde?  Nehmen wir an, ein nationalkonservativer Journalist, ein Politiker der AfD oder ein streitbarer Professor äußern sich hart am Rande des nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässigen über die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Wäre es da nicht zweckmäßig, auf die Besetzung der Richterbank mittels Gesinnungs-TÜV Einfluß zu nehmen? War nicht in der DDR der „Klassenstandpunkt“ und war nicht im Dritten Reich die „Treue zum Führer“ Auswahlkriterium für die Besetzung der Richterbank? Es hat ja auch funktioniert, gottlob nicht allzu lange. Diese Erfahrung müssen wir nicht noch einmal machen, darum auch hier: principiis obsta!