Die gemeinsame europäische Armee

Wir haben Jean-Claude Juncker schon viel zu verdanken. Rettungspakete für Banken und europäische Schuldenstaaten im Wege der unbegrenzten Geldvermehrung, aber auch die Erkenntnis, daß man in der Politik lügen muß. Nun also die gemeinsame europäische Armee. Denn damit, so der Lordsiegelbewahrer des europäischen Friedensprojekts namens Euro, damit könne man den Russen doch endlich zeigen, was eine Harke ist. Dieses Sammelsurium europäischer Kleinarmeen macht doch niemandem Angst, eine Europäische Armee aber, das wäre doch was, da spielte man doch in der gleichen Liga wie die Russen, vielleicht sogar wie die Amerikaner oder die Chinesen! Und die politische Union Europas bekommt man da doch gleich mit, denn es bleibt ja von der Souveränität der Staaten praktisch nichts mehr übrig, wenn ihre Streitkräfte in einer gemeinsamen europäischen Armee aufgehen. Bei soviel Europaseligkeit können die deutschen Politiker natürlich nicht zurückstehen. Unisono verkünden die Verteidigungsministerin und der SPD-Verteidigungsexperte begeistert ihre Zustimmung. Es ist erreicht!

Oder doch nicht? Ja, eher doch nicht. Blicken wir zunächst einmal zurück und stellen mit Ben Akiba fest: „Alles schon mal dagewesen!“ Anfang der 50er Jahre entwickelte man in den Gründerstaaten der EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft – wer kann sich daran noch erinnern?) Benelux-Länder, Frankreich, Italien und Deutschland den Gedanken, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu schaffen, selbstverständlich mit einer gemeinsamen Armee. Das hätte vor allem aus der Sicht der Franzosen den Vorteil gehabt, daß man zwar deutsche Soldaten, aber keine deutsche Armee bekommen hätte, natürlich alles unter vorwiegend französischer Führung. Das scheiterte dann 1954 in der französischen Nationalversammlung, der selbst diese Konstruktion noch zu viel Preisgabe französischer Souveränität bedeutete. Man beließ es dann bei der NATO, in die nun auch die Deutschen (west) mit einer eigenen Armee, allerdings in die Bündnisstruktur voll integriert, aufgenommen werden durften, aus der Sicht der USA aufgenommen werden mußten. Die NATO hat dann auch den Russen, pardon, Sowjets gezeigt was eine Harke ist. Das Ergebnis ist bekannt. Wir haben den kalten Krieg gewonnen, ohne daß wir auch nur einen Schuß abgeben mußten. Darauf dürfen wir stolz sein.

Warum wir nach diesen positiven Erfahrungen außer der NATO eine Neuauflage, neudeutsch wohl „relaunch“ der EVG brauchen, um den Russen zeigen zu können, was eine Harke ist, bleibt im Dunkeln. Zumal unsere braven europäischen Politiker in Sachen Rußland fest an der Seite der USA stehen, so fest wie damals, als es gegen die Sowjetunion ging. Die war bekanntlich deutlich größer und mächtiger als Rußland alleine, weil ja noch all die anderen „Sowjetrepubliken“ einschließlich der von den USA so heißgeliebten Ukraine dazugehörten, und man überdies noch seine sozialistischen Bruderarmeen in der DDR, Polen, CSSR usw. ins Treffen schicken konnte. Völlig außen vor bleibt, daß wir ja schon jetzt funktionierende europäische Verteidigungsstrukturen neben der NATO haben. Da wäre z.B. EUFOR. Diese militärische Organisation bewältigt Aufgaben wie Friedensmissionen im ehemaligen Jugoslawien und in Afrika. Da gibt es multinationale europäische Großverbände wie das Eurokorps oder das multinationale Korps Nord-Ost. Da gibt es in kleinerem Rahmen seit vielen Jahren die deutsch-französische Brigade. Die Reihe kann beliebig fortgesetzt werden. Gemeinsamer Nenner all dieser Organisationsformen ist, daß Kräfte gebündelt werden, um Aufgaben bewältigen zu können, die eine Nation alleine nicht oder nur sehr schwer bewältigen kann.

Allerdings unterscheiden sich all diese Formen der militärischen Zusammenarbeit und Integration von einer gemeinsamen europäischen Armee, wie sie bisher nur in den Träumen von Einheitseuropäern wie Juncker existiert, in einem entscheidenden Punkt: Es handelt sich jeweils um Truppenteile einer nationalen Armee, die einem multinationalen Kommando unterstellt oder in einen Großverband des Partnerstaates eingegliedert werden. Letzteres ist z.B. aktuell bei der deutschen Division Schnelle Kräfte (DSK) der Fall, der eine niederländische Brigade organisch eingegliedert worden ist. Allerdings könnte das jederzeit wieder rückgängig gemacht werden. Vor allem aber bleiben diese Soldaten niederländische Soldaten, sind also disziplinarisch und laufbahnrechtlich nach wie vor dem Verteidigungsministerium der Niederlande unterstellt und tragen demgemäß niederländische Uniformen, haben niederländische Dienstgradbezeichnungen und werden auf ihren König und nicht etwa Herrn Juncker vereidigt. Wie sollte es auch anders sein?

Von allen Bedenken gegen die gemeinsame europäische Armee dürfte zunächst einmal die damit notwendig verbundene Aufgabe der Souveränität das schwerwiegendste sein. Vor allem daran ist ja seinerzeit die EVG in der französischen Nationalversammlung gescheitert. Im deutschen Bundestag wäre sie nicht gescheitert, weil eben Deutschland im Gegensatz zu Frankreich damals nicht souverän war. Noch heute ist das leicht daran zu erkennen, daß diejenigen Artikel unserer Verfassung, die Regelungen über die Streitkräfte enthalten, offensichtlich nachträglich eingefügt sind, weil sie nach ihrer Ordnungszahl angehängte Buchstaben aufweisen (z.B. Art.  12a, 45a, 87a, 87b usw.). Seine Politiker und Meinungsfürsten legten infolge ihrer mentalen Kastration durch die Sieger des II. Weltkrieges auch gar keinen Wert mehr auf Souveränitätsrechte. Für Franzosen undenkbar, damals wie heute. Daß etwa Briten, Italiener oder Spanier auch nur daran denken könnten, einen Kernbereich der Staatssouveränität abzugeben, den die eigene Armee neben der eigenen Finanzhoheit und der  eigenen Polizei nun einmal darstellt, ist schlechterdings nicht vorstellbar. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahrhundert, und wohl auch nicht in einem der nächsten.

Kommen wir zum Praktischen. Eine gemeinsame europäische Armee müßte ja nun einmal alles einheitlich organisieren. Die Soldaten dieser Armee müßten ja in jeder Kompanie und auf jedem Kriegsschiff dienen können, egal aus welchem Land (oder schon aus welcher Region?) sie auch kämen. Also zuallererst eine gemeinsame Sprache im Dienst. Welche? In der NATO funktioniert das mit englisch in den Stäben. Ein aus Franzosen, Italienern, Polen, Esten und Deutschen bestehender Infanteriezug, in dem die Verständigung in englischer Sprache wirklich funktioniert, ist schwer , eigentlich gar nicht vorstellbar. Und überhaupt: Wieso englisch? Machen die Briten denn mit?  Und wenn, wie klein ist deren Anteil? Wieso nicht französisch? (Deutsch natürlich nicht. Könnten sich deutsche Politiker nicht vorstellen). Wieso nicht polnisch? Oder italienisch? Oder tschechisch? Oder spanisch? Vielleicht als Kompromiß Esperanto? Kann doch keiner! Halt! Gehen wir zu den europäischen Wurzeln. Latein! Die Römer haben doch eine prima Armee gehabt, den Drill erfunden und die Taktik. Ja, und wenigstens die europäischen Offiziere haben doch in der Schule Latein gelernt, jedenfalls manchmal. Darauf bauen wir dann auf: Statt eines harten, preußisch-metallischen: „Kompanie: Stillgestanden! Rechts um! Im Gleichschritt: Marsch!“ ertönt es klassisch-kultiviert: „Milites: state! ad dextram! aequatis passibus: pergite!“ Die nationalen Uniformen kommen ins Museum. Die gemeinsame europäische Uniform entwirft ganz im europäischen Geist der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld. Die militärische Strenge des Uniformschnitts weicht der zivilen Eleganz. Die maskuline Erscheinung des Soldaten verschwindet endgültig, weil die natürlich endlich in angemessener Quote (50%) vorhandenen Soldatinnen in Uniformen, die endlich auch die weibliche Anatomie ausreichend berücksichtigen, für ein mehr feminines Erscheinungsbild der Armee sorgen. Nicht alles werden wir vom römischen Vorbild übernehmen. Der schwere Marschtritt der Legionen wird abgelöst von der tänzerischen Eleganz, mit der die SoldatInnen bzw. Soldat_innen, bzw. Soldatxxx sich ganz gendermainstreamig auf dem Gefechtsfeld bewegen. Natürlich wird auch das Durcheinander der Dienstgradbezeichnungen abgeschafft. Wer blickt denn da noch durch, wenn in der Luftwaffe der Major bei den  Franzosen Commandant und bei den Briten Squadron Leader heißt? Auch hier: Zurück zu den Wurzeln! Der Centurio erhält seine Befehle vom Tribunus und der vom Legatus.

Ach ja. Billiger soll es natürlich auch werden. Einheitliches Material. Einheitliche Ausrüstung. Wo konzentriert sich die Rüstungsindustrie? Natürlich in Frankreich. Schon wegen des Exports in Krisenregionen. Für die deutsche Politik wunderbar. Keine deutschen Waffen in Unterdrückerhände. Alles wird gut. Mit dem bißchen Monopol werden wir dann auch noch fertig werden. Die europäische Rüstungsindustrie lassen wir doch nicht die Preise diktieren! Lieber kaufen wir dann nicht so viel. Wird ja eh alles friedlicher, wenn wir dann den Russen gezeigt haben, was eine Harke ist. Die Personalkosten? Na ja. Europäisch eben. Wie in Brüssel. Soldat wird ein sehr attraktiver Beruf! Der Gefreite dürfte dann ca. 5.000,00 € monatlich bekommen. Der Porsche-Händler neben der Kaserne macht glänzende Geschäfte. Wer das nicht glaubt, der schaue sich einmal die Gehälter bei der Europäischen Union an. Aber das muß es uns doch wert sein, nicht wahr? Und wenn dann auch noch die Leistung der Europäischen Armee im Sternenkranz das Niveau der Europäischen Kommission erreicht haben wird, ist der Friede endgültig garantiert. Denn mit dieser Armee wird man keinen Krieg mehr führen können.

Zuletzt noch einmal Latein. Impossiblile erat, satiram non scribere. (Es war unmöglich, keine Satire zu schreiben.)

 

3 Gedanken zu „Die gemeinsame europäische Armee

  1. Johna445

    Some genuinely great information, Glad I discovered this. Good teaching is onefourth preparation and threefourths theater. by Gail. eadfggccekgc

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