Der Aufreger der Woche war zweifellos die entgleiste Dikussion zwischen dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj und dem amerikanischen Präsidenten Trump (unterstützt von seinem Vizepräsidenten J.D.Vance) am vergangenen Freitag. Bemerkenswert nicht nur inhaltlich, sondern auch wegen der Rezeption in den deutschen Medien.
Die Ausgangssituation:
Voraufgegangenen waren ersichtlich Verhandlungen zwischen der Ukraine und den USA über ein Rohstoffabkommen. Es sollte dazu ein Rahmenvertrag geschlossen werden, der offenbar unterschriftsreif vorlag. Davon war in diesem Gespräch die Rede, und zwar daß dieser Vertrag anschließend unterzeichnet werden solle. Danach sollten die besonders wertvollen Rohstoffe des Landes wie Lithium, Kobalt, Titan und die sogenannten Seltenen Erden gemeinsam gefördert und der Verkaufserlös zur Hälfte in einen Fonds eingezahlt werden, der zum Wiederaufbau der Ukraine dienen sollte, und zur anderen Hälfte den USA gehören. Damit sollten die finanziellen Aufwendungen der USA für die Vertreidigung der Ukraine letztlich bezahlt werden. Nach den Vorstellungen der USA, die bis dahin aber offenbar auch von der Ukraine geteilt wurden, sollte das der erste Schritt zu einem Waffenstillstand sein. Zu diesem Zwecke reiste Selenskyj nach Washington und wurde von Trump und Vance im Oval Office empfangen. Der zunächst unverbindlich freundliche Gedankenaustausch entwickelte sich dann überraschend ganz anders.
Das Ausmaß der Ukraine-Hilfe
Selenskyj lobte zwar eingangs die USA wegen ihrer militärischen Unterstützung der Ukraine. Der finanzielle Wert der militärischen, finanziellen und humanitären Unterstützung seitens der USA beläuft sich seit Kriegsbeginn auf 114 Milliarden €, wobei die Länder der EU mit insgesamt 132 Milliarden € noch mehr beigetragen haben. Pro Kopf der Bevölkerung sind die Amerikaner bisher mit 340 €, die Europäer mit 260 € dabei. Militärisch von Bedeutung sind dabei vor allem die Lieferung modernster Waffensysteme, noch mehr jedoch die Nutzung von US-amerikanischen Satellitensystemen wie Starlink und ISTAR. Damit werden die ukrainischen Streitkräfte in die Lage versetzt, Ziele wie Truppenansammlungen und schwere Waffen auf große Distanz zielsicher zu bekämpfen. Ohne diese Hilfestellung hätten die Ukrainer dem russischen Angriff auf Dauer nicht standhalten können. Diese Systeme werden aber auch nicht etwa von ukrainischen Soldaten bedient, sondern von den amerikanischen Mitarbeitern dieser Firmen. Die USA greifen damit direkt auf Seiten der Ukraine in den Krieg ein.
Warum muß Selenskyj bei dieser Gelegenheit die Themen Kriegsschuld und zusätzliche militärische Sicherheiten ansprechen?
Im weiteren Verlauf des Gesprächs kam Selenskyj überraschend auf den Beginn des Krieges zurück und forderte vor allem militärische Sicherheiten im Falle eines Waffenstillstandes, die in erster Linie von den USA kommen sollten. Als Selenskyj anklagend in Richtung Russland sagte: „Sie sind in unser Territorium eingedrungen“ antwortete Trump: „Dieser Krieg hätte nie anfangen sollen. Wenn ich Präsident gewesen wäre, hätte das nie begonnen.“ Er sagte aber auch, daß er weiter Waffen für die Ukraine bereitstellen werde. Zum Thema Sicherheit fuhr er fort: „Aber es wäre denkbar, daß wir Sicherheit in anderer Form geben. Wir haben dort Arbeiter, die graben werden. Graben, graben nach den Seltenen Erden. Sobald dieser Deal abgeschlossen ist, ist er (gemeint: der Krieg) vorbei. Russland wird nicht zurückkehren wollen… Ich glaube wirklich, daß dieser Deal das Ende des Krieges sein wird.“
Haben die USA wirklich die russische Postion übernommen?
Die deutschen Medien behaupten, die Amerikaner hätten in diesem Gespräch zu den Ursachen des Krieges die russische Position übernommen. Indessen ließen die amerikanischen Gesprächspartner des ukrainischen Präsidenten keinen Zweifel an der Kriegsschuld der Russen. So Vizepräsident Vance unter anderem: „Und dann marschierte Putin in die Ukraine ein und zerstörte einen erheblichen Teil des Landes.“ Das ist wohl alles andere, als der russische Standpunkt zu den Ursachen des Krieges. Auch den einschlägigen anklagenden Worten Selenskyjs über die Rolle Russlands in diesem Krieg widersprachen die Amerikaner nicht.
Ist es diplomatisch, die Diplomatie des Gesprächspartners in Frage zu stellen?
Zum Eklat kam es vielmehr deswegen, weil Selenskyj im Zusammenhang mit den Vorstellungen Trumps über die Beendigung des Krieges durch eben das vorbereitete Rohstoffabkommen die amerikanische Diplomatie abfällig kommentierte: „Über was für eine Diplomatie spricht J. D.?“ Es dürfte nachvollziehbar sein, daß der amerikanische Vizepräsident daraufhin Selenskyj zurechtwies. „Herr Präsident, Herr Präsident, bei allem Respekt. Ich finde es respektlos von Ihnen, ins Oval Office zu kommen und zu versuchen, vor den amerikanischen Medien zu verhandeln“, sagte Vance. „Gerade jetzt, wo Sie herumlaufen und Wehrpflichtige an die Front zwingen, weil Sie Personalprobleme haben, sollten Sie Präsident (Trump) dafür danken, daß er versucht, die Situation zu verbessern.“
Muß man nicht in schwieriger Lage auch einmal altes Denken überwinden?
Der Gedanke, den Krieg nicht mit den üblichen militärischen Mitteln zu beenden, sondern dadurch, daß die Vorkommen wertvoller Mineralien auf dem gesamten Gebiet der Ukraine von den USA und der Ukraine gemeinsam ausgebeutet werden, selbstverständlich unter Einsatz amerikanischer Firmen und deren Arbeitern, ist sicherlich ungewöhnlich und neuartig. Trump betont jedoch auch in diesem Gespräch, er sei eben ein Geschäftsmann und mache „Deals“. Indessen ist die Überlegung nicht abwegig, daß der Reflex daraus die Unmöglichkeit der Fortführung des Krieges seitens Russland sein muß, denn die Fortführung des Krieges würde bedeuten, daß amerikanische Firmen und deren Mitarbeiter unter Beschuss geraten könnten. Die Vorkommen dieser Bodenschätze sind recht gleichmäßig über das gesamte Staatsgebiet der Ukraine verteilt. Des weiteren hatte Trump ja angedeutet, daß vorher der Waffenstillstand eintreten würde, denn er hatte ausgeführt, daß danach die Russen nicht mehr ins Land kommen würden, weil dort die amerikanischen Arbeiter die Seltenen Erden abbauen. Diesen Gedanken hatten die Ukrainer jedenfalls bis zu diesem Termin nicht als abwegig angesehen, vielmehr an dem unterschriftsreifen Text des Abkommens mitgewirkt. Wenn dann überraschend der ukrainische Präsident zusätzlich militärische Sicherheiten von den USA fordert, dann gehört dies ganz sicherlich nicht zu den üblichen diplomatischen Gepflogenheiten.
Es dürfte tatsächlich für Russland mehr als problematisch sein, den Krieg fortzusetzen, wenn das Kriegsgebiet inzwischen teilweise von amerikanischen Firmen in Beschlag genommen worden ist, um dort Mineralien abzubauen. Das Risiko, eben diese US-Bürger zu beschießen und damit eine militärische Reaktion der USA auszulösen, dürfte auch für einen Diktator vom Schlage Putins zu hoch sein. Und es ist ganz sicherlich nicht diplomatisch, von den USA, die sich doch bereits erheblich militärisch in der Ukraine engagieren, wie oben ausgeführt, zu verlangen, militärische Garantien zu geben, was ja nichts anderes heißt, als gegebenenfalls mit eigenen Truppen in Kampfhandlungen mit russischen Streitkräften zu treten. Das Verhalten des ukrainischen Präsidenten in diesem Falle war sicherlich, zurückhaltend ausgedrückt, suboptimal. Verständlich, daß die ukrainische Botschafterin während dieses Gesprächs die Hände vor das Gesicht geschlagen hat. Politik und Medien in Deutschland haben aber auch offensichtlich keine zielführenden Vorschläge, wie man diesen Krieg beenden kann. Natürlich muß die Ukraine bei der Verteidigung militärisch unterstützt werden, weil es sonst Friedensverhandlungen nicht geben kann. Indessen kann es auch nicht sein, daß damit lediglich der militärische status quo ad infinitum aufrechterhalten wird. Ohne Gebietsverluste für die Ukraine wird es wohl nicht abgehen. Das ist keine Frage des Rechts, sondern der Vernunft. Und es ist in der Menschheitsgeschichte noch nie vorgekommen, daß ein Aggressor nach erheblichen Erfolgen in einem Krieg plötzlich das Recht respektiert und sich deswegen wieder zurückgezogen hat.