Verfassungsfeind Verfassungsschutz

Das Abschiedsgeschenk der Innenministerin Nancy Faeser für die Bürger unseres Landes – die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ durch ihren Verfassungsschutz – kann nicht unkommentiert bleiben. In der Presseerklärung des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 2.5.2025 heißt es zur Begründung:

Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar. Es zielt darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern nicht als gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes.

Das ist eine Presseerklärung, nicht die amtliche Begründung.

Rechtsstaatswidrige Geheimniskrämerei

Mehr als diese dürre Begründung erfahren wir nicht, außer, daß dieser Einstufung ein Gutachten zugrunde liegen soll, das etwa 1100 Seiten umfasst. Dieses Gutachten wird der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht, auch nicht der dadurch rechtlich belasteten Partei. Das ist mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Man stelle sich einmal vor, die Staatsanwaltschaft erhebe gegen jemanden Anklage wegen Betruges, oder wegen Mordes. Die Anklageschrift und die zugrundeliegenden Ermittlungsakten werden jedoch nur dem Gericht, nicht aber dem Angeklagten und seinem Verteidiger zugänglich gemacht. Man muß nur 1 Minute Jura studiert haben, um zu erkennen, daß ein solches Verfahren in einem Rechtsstaat nicht möglich ist. Vielmehr erinnert das an Franz Kafkas „Prozess“. Das Buch beginnt mit den Worten: „Jemand mußte Josef K. verleumdet haben …“. Wir wissen, daß Josef K. niemals erfahren hat, welches Vergehen er begangen haben soll, von den Beweismitteln hierfür ganz abgesehen. Nachdem ich beruflich leider mit der Arbeitsweise der Verfassungsschutzbehörden vertraut bin, weiß ich auch, daß sie ihre Akten in einem gerichtlichen Verfahren natürlich vorlegen müssen. Das tun sie dann auch, allerdings werden diese Berichte in großem Umfang geschwärzt, sodaß weder das Gericht noch die Klagepartei vollständig über den Akteninhalt aufgeklärt werden. Nach der Verwaltungsgerichtsordnung gibt es dann ein besonderes Verfahren, in dem auf Antrag der Klagepartei von einem Oberverwaltungsgericht geprüft und entschieden werden muß, ob und in welchem Umfang diese Akten dann wieder zu entschwärzen sind. Das ist eine Besonderheit, und nicht die einzige, die unser Verfassungsschutzrecht auszeichnet, wobei es sich dabei um eine fragwürdige Auszeichnung handelt. Natürlich wird der erwähnte Verfassungsschutzbericht zur angeblichen Verfassungsfeindlichkeit der AfD bereits in wenigen Tagen bekannt werden. Denn in der geschwätzigen Berliner politischen Community bleibt ja nichts lange geheim. Irgendjemand wird also auch diese Information durchstechen, wie das so schön heißt.

Grundlage für die Einstufung des Verfassungsschutzes ist also offensichtlich allein das in dieser Partei angeblich vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis. Darin soll nach Auffassung der Verfassungsschutzjuristen ein Verstoß gegen die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, und zwar konkret die in Art. 1 Abs. 1 GG besonders geschützte Menschenwürde aller deutschen Staatsbürger, die nicht Deutsche im Sinne dieses ethnisch-abstammungsmäßigen Volksverständnisses sind, zu erblicken sein. Nach dem kruden Verfassungsverständnis der politischen Klasse unseres Landes, deren Kettenhund nun einmal der Verfassungsschutz ist, ist Deutscher eben nur und ausschließlich jeder Mensch mit deutscher Staatsangehörigkeit, sei er nun Kind aus einer Familie, die seit Jahrhunderten in Deutschland lebt, oder sei er eben erst eingebürgert worden. Sie alle sind eben Mitglieder des deutschen Staatsvolks. Über dieses Staatsvolk hinaus gibt es demnach kein deutsches Volk.

Es fehlt schlicht die Tatsachengrundlage der rechtlichen Bewertung

Bereits diese tatsächliche Annahme ist schlicht und einfach falsch. So gibt es zweifellos deutsche Staatsbürger, die ethnisch keine Deutschen sind. Ihre ethnische Eigenart wird auch vom deutschen Staat geschützt und gefördert. Das ist teilweise in den Landesverfassungen, etwa von Schleswig-Holstein oder Sachsen-Anhalt, ausdrücklich so geregelt. Es betrifft die ethnischen Minderheiten der Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma sowie die Juden. So gibt es ethnisch Deutsche, auch Auslandsdeutsche genannt, in vielen Ländern dieser Erde. Sie werden von der Bundesregierung ausdrücklich ideell und finanziell gefördert, um den Erhalt der deutschen Sprache in ihren Siedlungsgebieten und ihr Kulturleben sicherzustellen. Umgekehrt gibt es auch ethnisch deutsche Minderheiten in anderen Ländern, die dort als solche staatsrechtlich anerkannt sind. Ein Beispiel ist die deutsche Minderheit in Belgien, die ebenso wie die Flamen und Wallonen eine staatsrechtliche und kulturelle Selbständigkeit hat. Ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis gibt es jedoch auch in vielen anderen Staaten dieser Erde. Man kann sagen, daß dieses Volksverständnis auf der Welt vorherrschend ist. Blicken wir etwa auf Italien, das den italienischen Staatsbürgern mit deutschem Volkstum in Südtirol besondere Minderheitenrechte einräumt. Es gibt auch Staaten, in denen es ganz ersichtlich mehrere Volksgruppen gibt, die gleichwohl allesamt Staatsbürger sind. Hier fallen der staatsrechtliche und der ethnisch-abstammungsmäßige Volksbegriff auseinander. Belgien habe ich schon erwähnt. Das gleiche gilt für die Schweiz. Auch Russland und China sind Staaten, in denen Staatsbürger unterschiedlicher Volksgruppen leben und als solche anerkannt werden, selbst wenn sich das in Verfolgung und Unterdückung zeigt, wie im Falle der Uiguren. Gerade in Asien gibt es diese Konstellation häufig, denken wir an Indien oder Sri Lanka. Eine Besonderheit stellt das Volksverständnis der Juden dar. Nach ihrem Selbstverständnis fallen Religion und ethnische Volkszugehörigkeit zusammen. Überflüssig zu sagen, daß es der Schutz der Menschenwürde gebietet, eine solche Auffassung zu respektieren. Sie führt eben dazu, daß dann Volk und Staatsvolk zwei verschiedene Dinge sind, was ja gerade an der Rechtslage im Staate Israel deutlich wird. Staatsbürger sind dort sowohl ethnische Juden als auch ethnische Araber. Andererseits sind jüdische Staatsbürger anderer Länder eben keine Staatsbürger Israels, von Doppelstaatlern einmal abgesehen. In der Lebenswirklichkeit gibt es eben entgegen der Auffassung unserer politischen Klasse und ihres Verfassungsschutzes durchaus auf dieser Erde weit überwiegend ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis, das sich teilweise geographisch und personell mit dem jeweiligen Staatsvolk deckt. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß schon aus diesem Grunde die Bewertung des deutschen Verfassungsschutzes, wonach ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis eine Verletzung der Menschenwürde und somit eine verfassungsfeindliche Bestrebung darstellt, als abwegig einzustufen ist.

Die zutreffende Beschreibung ist eben verfassungsrechtlich neutral

So sieht das im Übrigen auch das Oberverwaltungsgericht Münster, das im Verfahren der AfD gegen den Verfassungsschutzbericht, in dem sie als Verdachtsfall verfassungsfeindlicher Bestrebungen eingestuft worden ist, es eben für rechtlich unbedenklich erklärt hat, wenn man den Begriff des Volkes ethnisch-abstammungsmäßig, ergänzend auch kulturell, definiert. Nach Ausführungen zum Staatsangehörigkeitsrecht, das aus der Sicht der Verfassung unabhängig von der ethnischen Herkunft ist, führt das Gericht wörtlich aus und bezieht sich dabei auch auf die Rechtsprechung zweier anderer Oberverwaltungsgerichte:

„Das schließt es nicht aus, auch bei deutschen Staatsangehörigen „ethnisch-kulturelle“ Gemeinsamkeiten oder Unterschiede in den Blick zu nehmen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um rechtliche Kategorisierungen und ist die Zugehörigkeit zu einer „ethnisch-kulturellen“ Gruppe daher nicht objektiv bestimmbar, sondern hängt von dem jeweiligen Begriffsverständnis ab. Dementsprechend ist auch die deskriptive Verwendung eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“ im Rechtssinn weder richtig noch falsch, sondern eine von persönlichen Wertungen abhängige Zustandsbeschreibung, die zum Beispiel soziologische, ethnologische oder historische Differenzierungen einbeziehen kann. Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar ist allerdings die Verknüpfung eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“ mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt wird. (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 14. September 2023 – 10 CE 23.796 –, juris, Rn. 105; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 19. Juni 2020 – OVG 1 S 55/20 –, NVwZ-RR 2021, 39, juris, Rn. 34 ff.).“

Die Flucht in verschwörungstheoretische Begründungen

Es ist also mit unserer Verfassung absolut vereinbar, den Begriff des Volkes ethnisch-abstammungsmäßig bzw. ethnisch-kulturell zu definieren. Den von der AfD vertretenen Volksbegriff als rechtsextremistisch und damit verfassungsfeindlich einzustufen, ist juristisch schlicht und einfach falsch, abgesehen davon, daß „rechtsextremistisch“ keine juristische Begriffsbestimmung ist. Demgemäß behauptet das Bundesamt für Verfassungsschutz auch zur Begründung seines juristischen Verdikts, dieses Volksverständnis ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen. Das ist eine bloße Behauptung ohne jeden Beleg. Ganz im Gegenteil erklärt die AfD dazu in ihrer Erklärung zum deutschen Staasvolk und zur deutschen Identität:

„Als Rechtsstaatspartei bekennt sich die AfD vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Unabhängig davon, welchen ethnisch-kulturellen Hintergrund jemand hat, wie kurz oder lange seine Einbürgerung oder die seiner Vorfahren zurückliegt, er ist vor dem Gesetz genauso deutsch wie der Abkömmling einer seit Jahrhunderten in Deutschland lebenden Familie, genießt dieselben Rechte und hat dieselben Pflichten. Staatsbürger erster und zweiter Klasse gibt es für uns nicht.

Gleichwohl ist es ein völlig legitimes politisches Ziel, welches sowohl dem Geist als auch den Buchstaben des Grundgesetzes entspricht, das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen. Damit befinden wir uns im Einklang mit dem Bundesverwaltungsgericht, welches in einem Urteil ausdrücklich festgestellt hat, dass die Wahrung der geschichtlich gewachsenen nationalen Identität als politisches Ziel nicht gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstößt.“

Die Behauptung des Verfassungsschutzes, das ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis der AfD ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen, sie einer nicht verfassungskonformen Ungleichbehandlung auszusetzen und ihnen damit einen rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen, ist also nicht nur beleglos, sondern kontrafaktisch. Man könnte das ganze auch eine krude Verschwörungstheorie nennen. Einem Geheimdienst, der etwas taugt, sollte derartige Spökenkikerei fremd sein. Geradezu hilflos wirkt der Versuch der Verfassungsschützer in dem vom Oberverwaltungsgericht Münster entschiedenen Falle, den programmatischen Erklärungen der Partei ihre Ernsthaftigkeit dadurch abzusprechen, daß sie angeblich repräsentative gegenteilige Aussagen von Funktionären und Mitgliedern anführt. Diese rechtfertigen aber nur in seltenen Fällen eine derartige Interpretation. Man blickt wohl auf das sogenannte zweite NPD-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2017. Doch damals hat die NPD nicht nur eindeutig verfassungsfeindliche programmatische Aussagen getätigt, sondern es wurde eine Unzahl Äußerungen von Parteimitgliedern und Funktionären jeder Stufe nachgewiesen, deren Verfassungsfeindlichkeit außer Frage steht. Das ist hier nicht der Fall, weswegen man voraussichtlich auch in dem sogenannten Gutachten über 1100 Seiten derartiges nicht lesen wird.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen

Ich habe in der Überschrift formuliert „Verfassungsfeind Verfassungsschutz“. Das ist zugegebenermaßen starker Tobak. Doch ist diese Bewertung mit Blick auf unsere Verfassung zwingend. Zu den nach Art. 79 Abs. 3 GG auch mit verfassungsändernder Mehrheit unveränderlichen Verfassungsgrundsätzen („Ewigkeitsgarantie“) gehören die in Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze. Gemäß Art. 20 Abs. 2 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus und wird in Wahlen und Abstimmungen ausgeübt. Nach Art. 19 Abs. 2 GG darf in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen soweit diese nach ihrem Wesen auf diese anwendbar sind. Für die Grundrechte aus Art. 2 (freie Ausübung der Persönlichkeitsrechte), Art. 5 (Meinungsfreiheit) und 8 (Versammlungsfreiheit) trifft das zu. Die Existenz politischer Parteien hängt geradezu davon ab, daß sie diese Grundrechte auch ausleben können. Besonders geschützt ist eben das Wesensmerkmal eines demokratischen Staates dahingehend, daß das Volk die Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen ausübt. Deren Ergebnisse sind also absolut zu respektieren und können insbesondere nicht in ihrem Wesensgehalt angetastet werden. Demgemäß legt gerade das Gesetz über die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes in § 4 (Begriffsbestimmungen) fest, daß zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne dieses Gesetzes unter anderem zählt das Recht auf Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition. Erklärtes Ziel der Einstufung der AfD als verfassungsfeindlich ist jedoch, wenn nicht schon ihre Existenz zu zerstören, so doch ihre politische Arbeit insbesondere in den Parlamenten zu behindern. Aus diesem Grunde verweigert man ihr ja seit Jahren die üblichen Ämter in den Parlamenten wie die Mitgliedschaft im Präsidium oder den Vorsitz in Parlamentsausschüssen. Damit wird das Recht auf Ausübung einer parlamentarischen Opposition eingeschränkt. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht erst jüngst entschieden, daß ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch der AfD auf Wahl ihrer Abgeordneten in diese Ämter nicht besteht, weil die Abgeordneten eben nur ihrem Gewissen unterworfen sind und deswegen wählen oder auch nicht wählen können, wen sie wollen. Das sagt aber nichts darüber aus, ob damit nicht auch diese Abgeordneten gegen Geist und Buchstaben der Verfassung verstoßen. Auch die Praxis der Parteien CDU/CSU-SPD-Grüne-Linke-FDP, von sich als „demokratische Parteien“ und damit im Umkehrschluss denknotwendig von der AfD als undemokratische Partei zu sprechen, missachtet das Recht des Volkes, seine Repräsentanten in den Parlamenten frei zu wählen. Denn damit wird dem Wahlvolk klargemacht, daß seine Stimme nur dann im verfassungsmäßig garantierten Umfang zählt, wenn Politiker sogenannter demokratischer Parteien gewählt werden. Wer eben etwas anderes wählt, ist jedenfalls als Wähler Staatsbürger zweiter Klasse, ebenso wie das Politik und Verfassungsschutz hinsichtlich des Volksverständnisses der AfD dieser Partei unterstellen und davon faseln, sie betrachte deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund als Staatsbürger zweiter Klasse.

Conclusio

Es ist also festzuhalten, daß die Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ nicht nur juristisch abwegig ist, sondern ihrerseits verfassungsfeindlich genannt werden muß.