Die Debatte um die „geplatzte“, tatsächlich aufgeschobene Wahl von drei Nachfolgern ausscheidender Richter des Bundesverfassungsgerichts wirft Fragen auf, die weit über die Eignung oder Nichteignung der beiden von der SPD nominierten Kandidatinnen Prof. Brosius-Gersdorf unf Prof. Kaufhold hinausgehen.
Die fragwürdigen Positionen der Kandidatinnen
Frau Professor Brosius-Gersdorf ist vor allem wegen ihrer Haltung zur Abtreibung kritisiert worden, meines Erachtens zu Recht. Sie hat zwar nicht expressis verbis gefordert, die Abtreibung bis zum Geburtstermin zu erlauben. Indessen hat sie gefordert, die Abtreibung für straffrei zu erklären, also § 218 StGB gänzlich zu streichen. Dies, um rechtlich zweifelsfrei die Bezahlung durch die Krankenkassen zu gewährleisten, denn ansonsten bestünde ja ein nicht aufzulösender Wertungswiderspruch zwischen staatlichen Leistungen für die Abtreibung und deren grundsätzlicher Strafbarkeit. Allerdings steht das Lebensrecht des ungeborenen Kindes grundsätzlich zur Disposition, wenn es nicht strafrechtlich geschützt ist, sondern das Ob und die Zeit der Abtreibung nur noch verwaltungsrechtlich geregelt werden. Sie hat aber auch erklärt, es gebe gute Gründe dafür, daß die Menschenwürdegarantie erst ab der Geburt Geltung haben sollte. Betrachtet man diese Positionen, so muss man feststellen, daß in ihren Augen das Lebensrecht des ungeborenen Kindes mindestens infrage steht, jedenfalls bei der Abwägung mit Belangen seiner (künftigen) Mutter. Daß sie auch andere fragwürdige Positionen vertritt, so etwa muslimischen Juristinnen das Tragen eines Kopftuches im Gerichtssaal zu gestatten – ein klarer Verstoß gegen das staatliche Neutralitätsgebot -, sei am Rande erwähnt.
Frau Professor Kaufhold ist in der Vergangenheit als, sagen wir einmal, engagierte Klimaschützerin hervorgetreten. Allein schon das ist schlecht mit der Neutralität vereinbar, die ein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts auszeichnen sollte. In einem Vortrag an der Ludwig-Maximilians-Universität in München am 29.11.2023 hat sie zur Rolle von Parlamenten und Gerichten unter anderem folgendes geäußert: „Ein häufig thematisiertes Defizit von Parlamenten mit Blick auf Klimaschutz ist die Tatsache, daß sie auf Wiederwahl angewiesen sind. In der Folge tendieren sie wohl dazu, unpopuläre Maßnahmen nicht zu unterstützen. Gerichte auf der anderen Seite sind unabhängig. Damit eignen sie sich zunächst einmal besser, unpopuläre Maßnahmen anzuordnen.“ Das ist doch ein eigenartiges Verständnis des demokratischen Rechtsstaats. Demokratisch vom Wählerwillen legitimierte Beschlüsse der Parlamente müssen eben notfalls durch Gerichtsentscheidungen korrigiert werden, wobei Gerichte wohl nicht nur über Recht und Unrecht zu entscheiden haben, sondern Anordnungen treffen sollen, die gewährleisten, daß etwa Klimaschutzziele durchgesetzt werden, die von der Mehrheit der Bürger nicht oder nicht so gewünscht werden. Frau Kaufhold war auch an der Formulierung des geplanten Berliner Vergesellschaftungsgesetzes betreffend die Enteignung von großen Wohnungsunternehmen mit dem Ziel „bezahlbarer“ Mieten beteiligt. Das Verständnis der Frau Professor für Grundrechte, insbesondere das Grundrecht auf Eigentum, ist doch wohl recht eigenartig.
Neue Kandidatinnen?
Möglicherweise wird die SPD eine oder beide Kandidatinnen austauschen. Doch was geschieht dann? Offensichtlich ist die SPD daran interessiert, sehr weit links stehende Juristen in das Verfassungsgericht zu entsenden, auch mit Blick auf die informellen Koalitionspartner Grüne und Linke. Warum? Nun ja, das desaströse Ergebnis der Bundestagswahl mit 16,4 % wird derzeit noch verschlimmert durch Umfragewerte von um die 13 %. Das Wählerpotenzial links mit 12 % die Grünen, 12 % Die Linke und 4 % BSW will man wohl im wesentlichen für sich gewinnen. Da scheint eine stramm linke Politik angezeigt. Wenn man dafür im Parlament keine Mehrheit hat, dann muss es wohl das Bundesverfassungsgericht richten.
Das erklärt die Nominierung zweier politisch offenbar sehr weit links stehender Juristinnen. Ihre fachliche Qualifikation, beide haben Lehrstühle für Verfassungsrecht inne, steht außer Frage. Indessen möchte ich keine von beiden auf dem Stuhl eines Richters in Karlsruhe sehen. Ihre Vorstellungen über Demokratie und Rechtsstaat, Grundrechte und Freiheit sind doch weit von Geist und Buchstaben des Grundgesetzes entfernt.
Was kann denn erwartet werden?
Indessen muss man natürlich auch sehen, was denn zu erwarten wäre, wenn die SPD andere Kandidatinnen oder auch zur Abwechslung einmal Kandidaten, ins Rennen schicken würde. Auch hier würde die Union selbstverständlich zustimmen, da sei der Koalitionsfriede vor. Wesentlich andere juristische und politische Vorstellungen dürften diese neuen Kandidaten auch nicht haben. Denn die akademische Wellt driftet immer weiter nach links, davon ist leider die Juristerei nicht ausgenommen. Mit anderen Worten: die geplante Linksverschiebung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird eintreten, ob Frau Brosius-Gersdorf und Frau Kaufhold die rote Robe anziehen oder nicht. Denn die Union wird in jedem Falle mitwirken, sie will ja unbedingt an der Macht bleiben. Die Option, schlicht und einfach die Seiten zu wechseln und eine Koalition mit der AfD einzugehen – Union und AfD hätten derzeit mit zusammen 360 Mandaten von 630 eine stabile Mehrheit im Deutschen Bundestag – , existiert leider nicht. Das verhindert der schon pathologische Hass von Friedrich Merz und seinen Paladinen gegen die AfD. Verstärkt wird dieser Hass offensichtlich noch durch die Einsicht, daß ein Verbot dieser Partei durch das Bundesverfassungsgericht keinesfalls zu erwarten wäre. Der Marsch in die linke Republik wird zwar von der SPD dirigiert, die doppelt so große Union trottet indessen in ihr Schicksal ergeben mit. Finis Germania.