Warum ist das falsch?

Am 24.2.2022 hat Russland die Ukraine angegriffen. Damit hat es ein Verbrechen nach Art. 5 Abs. 1 d) des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs begangen. Ich habe das in meinem Buch „Tatort Ukraine“ ausführlich dargelegt. Zwar gehört Russland nicht zu den Unterzeichnern dieses Statuts. Indessen ändert das nichts daran, daß der Angriffskrieg (die Aggression, wie es im Statut heißt) nicht nur nach dem Briand-Kellogg-Pakt vom 27.8.1928 und Art. 1 Nr. 1 der UN Charta kein erlaubtes Mittel der Politik, sondern nach dem oben zitierten Art. 5 Absatz 1 d) des Römischen Statuts auch strafbar ist. Russland ist dem Römischen Statut nicht beigetreten. Eine Strafverfolgung wegen dieses Verbrechens durch den Internationalen Strafgerichtshof ist deswegen derzeit nicht möglich. Wohl aber wegen der vielfältigen Kriegsverbrechen, die von Russland in diesem Krieg seither zu verantworten sind.

Berechtigte russische Interessen?

In der politischen Debatte ist indessen vielfach, etwa von Politikern der AfD, aber auch anderen Stimmen aus dem rechten politischen Spektrum unseres Landes zu hören, man müsse ungeachtet dessen doch über die wahren Ursachen dieses Krieges sprechen. Gemeint sind damit die Sicherheitsinteressen Russlands, das zum Beispiel ein NATO-Mitglied Ukraine als Bedrohung wahrnehmen würde. Verwiesen wird auch darauf, daß offensichtlich die USA seit Jahren daran arbeiten, mit teilweise fragwürdigen Methoden die Ukrainer davon zu überzeugen, daß sie im westlichen Lager besser aufgehoben wären, als in ihrer seitherigen Neutralität. Letztendlich sind wohl aus diesem Grund die Friedensbemühungen in Gestalt der Minsker Abkommen vom 5.9.2014 und 12.2.2015 gescheitert. Das ist jedoch der sprichwörtliche Schnee von gestern. Indessen wird unverdrossen gefordert, statt die Ukraine weiter militärisch zu unterstützen und damit den Krieg zu verlängern, solle man doch Friedensverhandlungen führen.

Interessen versus Recht

Nun ist es immer richtig, den Frieden anzustreben. Indessen kann es nicht richtig sein, einen Frieden um jeden Preis zu wollen. Vor allem aber lässt der Hinweis auf die aus russischer Sicht berechtigten, aus neutraler Sicht verständlichen Sorgen über eine Veränderung der geostrategischen Lage den entscheidungserheblichen Punkt außer Betracht. Auch die schärfsten Kritiker der militärischen Unterstützung des Abwehrkampfs der Ukraine räumen ein, daß der russische Angriff völkerrechtswidrig war. Das ist aber der entscheidende Gesichtspunkt. Das völkerrechtliche Verbot des Angriffskrieges kennt keine Ausnahme. Wohl gemerkt, des Angriffskrieges. Ersichtlich aus diesem Grunde hat Russland ja zu Beginn des Krieges erklärt, der militärischen Bedrohung durch die Ukraine begegnen zu müssen. Ganz offensichtlich ist das jedoch ohne tatsächliche Grundlage. Angriffsvorbereitungen der Ukraine gab es nicht, insbesondere stand ein solcher Angriff nicht unmittelbar bevor. Nur das hätte unter dem Gesichtspunkt des Präventivkrieges einen Angriff völkerrechtlich zulässig gemacht. Nicht einmal die Voraussetzungen eines Präemptivkrieges, der einem Staat möglicherweise das Recht gibt, schon dann militärisch gegen den Nachbarn einzuschreiten, wenn dieser militärisch so mächtig zu werden droht, daß man über kurz oder lang von ihm erfolgreich angegriffen werden könnte, nicht einmal das war gegeben.

Die rote Linie

Russland hat eben am 24.2.2022 die rote Linie des Völkerrechts überschritten. Damit wurden alle Überlegungen zu legitimen Sicherheitsinteressen des Landes gegenstandslos. Das blendet die Debatte in Deutschland über die Notwendigkeit von Friedensbemühungen statt der Unterstützung des angegriffenen Landes völlig aus. Diese Unterstützung findet im Übrigen völkerrechtlich ihre Grundlage darin, daß natürlich einem Mitglied der Vereinten Nationen das Recht zusteht, sich gegen einen völkerrechtswidrigen bewaffneten Angriff zu verteidigen. Das liegt im Falle der Ukraine unzweifelhaft vor. Somit ist auch die militärische, auf jeden Fall aber die logistische Unterstützung dieser Landesverteidigung durch Drittstaaten wie Deutschland völkerrechtlich zweifellos zulässig.

Die Rechtslage

Die Außerachtlassung dieses Gesichtspunkts liefe letztendlich darauf hinaus, den Rechtsbruch hinzunehmen und im Wege eines Friedensvertrages zu heilen. Das ist in der Geschichte natürlich immer wieder vorgekommen. Die drastischen Gebietsveränderungen in Europa nach 1945, insbesondere zulasten Deutschlands, sind nur ein Beispiel. Doch selbst unter der Voraussetzung, daß Deutschland einen völkerrechtlich nicht erlaubten Angriffskrieg gegen Polen und Russland geführt hat, war die anschließende Landnahme durch die Sieger nicht gerechtfertigt. Indessen wird man auf dieser Erde kaum eine Grenze finden, die nicht das Ergebnis kriegerischer Auseinandersetzungen ist.

Die Anerkennung der Ergebnisse eines Angriffskrieges kann nur dann toleriert werden, wenn das nicht zu verhindern und nicht zu ändern ist. Solange indessen die militärische Option besteht, den Aggressor zurückzuweisen, besteht damit die Möglichkeit, das Völkerrecht durchzusetzen. Daran muss uns allen gelegen sein, denn auch insoweit gilt der römische Grundsatz: iustitia fundamentum regnorum.