Die Brandmauer-Politik in Deutschland ist ja nicht nur mehr als fragwürdig, sie bringt auch absonderliche Begebenheiten mit sich.
Aus dem Rathaus zu Schilda
So jüngst in Kiel. Dort hat sich eine Eulenspiegelei ganz eigener Art begeben. Im Bauausschuss des Stadtrates hatten die Grünen einen Antrag eingebracht, wonach ein bisheriger Beschluss zur Umgestaltung einer Straße zurückgenommen werden sollte. Also leicht erkennbar eine völlig unpolitische Angelegenheit, denn schwarze, grüne, rote oder blaue Straßen gibt es nicht. SPD und CDU stimmten gegen den Vorschlag, jedoch ging er mit sieben Stimmen durch. Davon kamen vier von den Grünen, je einer vom SSW, Fraktion Die Linke/Die Partei und, Teufel auch, von der AfD. Das wurde von den Grünen dann heftig bedauert. So etwas dürfe nicht passieren. Das sei ein schwerer Fehler! Seitens der CDU erging der Vorwurf an die Grünen, wenn man keine gemeinsamen Beschlüsse mit der AfD fassen wolle, müsse man das im Vorfeld organisieren, damit das nicht passieren kann.
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!
Das ist die Brandmaurerei in Reinkultur. Es ist völlig gleichgültig, zu welchen Themen welche Beschlüsse gefasst werden. Sie dürfen auf keinen Fall zustande kommen, wenn das nur mit den Stimmen der Satansjünger möglich ist. Vielleicht sollte der wackere Vertreter von CDU/SPD/FDP/Grüne/Linke in der Kantine den bereits bestellten Espresso zurückgehenlassen, sobald er bemerkt, daß am Nebentisch ein Vertreter der AfD ebenfalls einen Espresso bestellt hat. Wie sollen sich denn die Diener des Wahren, Guten und Schönen in den selbsternannten demokratischen Parteien verhalten, wenn etwa die dringend notwendige Finanzierung einer baufälligen Brücke beschlossen werden soll, und bekannt wird, daß die AfD-Fraktion zustimmen will, weil es eben nötig ist, und es ohne sie auch nicht geht? Soll dann die Finanzierung nicht beschlossen und die baufällige Brücke dann eben leider Gottes gesperrt werden? Letzteres kann ja die Verwaltung alleine ohne Gemeinderatsbeschluss.
Das Krankheitsbild
Das ist nichts anderes als eine behandlungsbedürftige psychische Störung aus dem Bereich der Phobien. Das Portal Psylex definiert die einschlägige psychische Erkrankung namens Dextrophobie als Angst vor Dingen, die sich auf der rechten Seite befinden. Man könne allerdings auch die Angst vor rechten Parteien und Gesinnungen hier aufführen. Die Psychotherapie hält Behandlungsmöglichkeiten bereit. Die Methode der Wahl ist hier die kognitive Verhaltenstherapie. Sie hilft dem Patienten sich über seine Gedanken, Einstellungen und Erwartungen klar zu werden. Das Ziel ist, falsche und belastende Überzeugungen zu erkennen und zu verändern. Herr Merz auf der Couch des Therapeuthen, eine reizende Vorstellung, nicht wahr? Haben wir eigentlich genug Therapeuthen für die Vielzahl von Patienten?
In der Tat liegt es nahe, hier von einer psychischen Störung, und zwar einer kollektiven Störung, zu sprechen. Wer bei klarem Verstand ist, kann sich nicht so verhalten, denn es gibt keinen sachlichen Grund dafür. Jenen Spezialdemokraten muß man wohl sagen, daß nach unserer Verfassung alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht, Art. 20 Abs. 3 Satz 1 GG. In unserer repräsentativen Demokratie übt das Volk diese Staatsgewalt durch Wahlen und Abstimmungen aus. Die gewählten Abgeordneten sind somit die nicht nur legitimen, sondern die gesetzlichen Vertreter des Souveräns namens Volk. Sie alle haben den Willen des Volkes umzusetzen. Dieser geht ja auch dahin, daß alle gewählten Volksvertreter die gleichen Rechte und Pflichten haben. Klassisch organisieren sich diese Volksvertreter in den gesetzgebenden Körperschaften – Parlamenten – in die jeweilige Regierung tragende und sie als Opposition kontrollierende Fraktionen. In Gemeinderäten gibt es genau genommen nicht einmal das. Beschlüsse werden dort nach Sachgesichtspunkten, gegebenenfalls auch mit wechselnden Mehrheiten, gefasst. Weder für die gesetzgebenden Körperschaften – Parlamente – noch für die Gemeinderäte ist von Verfassungs wegen vorgesehen, daß es gewählte Abgeordnete erster und zweiter Klasse gibt, wobei nur die erstgenannten Mehrheitsbeschlüsse fassen und parlamentarische Ämter wie Präsidenten oder Ausschussvorsitze besetzen dürfen, letztere indessen zwar Sitz und Stimme im Plenum haben, aber für die politische Willensbildung im Hause so wichtig sind, wie die Polsterung der Bestuhlung. Das ist auch die Arroganz der Macht. Diesen scheinheiligen Pharisäern muß man allerdings auch sagen, daß die Arroganz die Zwillingsschwester der Ignoranz ist, oder, mit einem schönen alten deutschen Sprichwort: Dummheit und Stolz wachsen auf dem selben Holz.
Dieser Umgang mit dem Wählerwillen ist auch verräterisch
Dieses Verhalten der übrigen Parteien gegenüber dem ungeliebten Neuling ist nicht nur verfassungswidrig. Es ist auch eine Missachtung, ja sogar Verachtung der Wähler. Man bedeutet ihm, daß er wählen kann wen auch immer, indessen die Wahl von Abgeordneten der AfD eine Wahl zweiter Klasse ist. Man könnte auch sagen, daß es eben Wähler erster und zweiter Klasse gibt. Die einen haben ein in der praktischen Auswirkung unbeschränktes Wahlrecht, die anderen indessen ein nur beschränktes Wahlrecht, denn sie können nur Abgeordnete zweiter Klasse wählen.
Eine demokratisch tragfähige Begründung für dieses Verhalten gibt es natürlich nicht. Die Ausrede der etablierten Politiker lautet ja bekanntlich, man habe als Abgeordneter doch die freie Wahl, und sei nur seinem Gewissen unterworfen, auch was die Wahlen innerhalb des Hohen Hauses, etwa zur Vizepräsidentin oder zum Ausschussvorsitzenden angehe. Nun wissen jedenfalls die Juristen unter ihnen, daß es nicht nur den Buchstaben der Verfassung, sondern auch ihren Geist gibt. Deswegen gab es ja auch bis zum Einzug der Teufelsanbeter in die Parlamente auch ungeschriebene Regeln, an die sich alle gehalten haben. Eine politische Partei kann nur aus dem politischen Spiel genommen werden, wenn sie vom Bundesverfassungsgericht verboten wird. Ein solcher Antrag könnte ja mit der übergroßen Mehrheit der übrigen Parteien jederzeit beim Bundesverfassungsgericht gestellt werden. Man tut es bekanntlich nicht, weil man von der übergroßen Mehrheit der Juristen stets hört, daß ein solches Verfahren wohl aussichtslos sei. Die Aufklärung über die Rechtslage scheint nicht zu genügen. Es muß offensichtlich erst einmal der Gang zum Psychotherapeuten beschritten werden, damit nach dem Heilungserfolg Normalität in die deutsche Politik einkehren kann.