„Hart aber fair“ von und mit Frank Plasberg ist eine politische Talkshow mit hohem Unterhaltungs- und wenigstens mittlerem Informationswert. Das hat sich am vergangenen Montag geändert. Vielleicht war es dem Wunsch des Moderators geschuldet, seine politische Zuverlässigkeit zu unterstreichen – schließlich verdient er sein Geld im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – die Gelegenheit zu nutzen, den eigentlich zur Diskussion von Wahlkampfthemen eingeladenen Alexander Gauland vorzuführen. Deswegen wurde das Studio kurzerhand zum Tribunal umfunktioniert. Statt die Diskussion zu beginnen, erdreistete sich der Moderator, den eingeladenen Gast erst einmal zum Thema Anstand zu befragen. Denn Gauland hatte wenige Tage zuvor auf einer Wahlkampfveranstaltung die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Frau Özoguz, hart kritisiert, weil sie öffentlich behauptet hatte, mit Ausnahme der deutschen Sprache könne Sie eine spezifisch deutsche Identität nirgends erkennen(!). Gauland gab kräftig heraus und empfahl ihr, in die thüringische Provinz zu reisen und sich umzuschauen, danach werde sie nie mehr wiederkommen, und man könne sie nach Anatolien entsorgen. Während die absolut unglaubliche Äußerung der Politikerin Özoguz, die immerhin Mitglied der deutschen Bundesregierung ist, völlig ohne Beanstandung blieb, meinte Plasberg Gauland wegen seiner Äußerung moralisch und juristisch maßregeln zu müssen. Die Verteidigung Gaulands, immerhin habe im vergangenen Wahlkampf ein SPD-Politiker danach gerufen, die deutsche Bundeskanzlerin Merkel zu entsorgen, ließ der Großinquisitor nicht gelten. Ebensowenig den Hinweis des Angeklagten, schließlich habe ein öffentlich-rechtlicher Komiker die AfD-Politikerin Weidel als Nazischlampe bezeichnet, ohne daß dies für ihn strafrechtliche Folgen gehabt habe.
Nun müssen wir in der Tat feststellen, daß die politische Kultur in Deutschland auf einem Tiefpunkt angelangt ist. Auf der einen Seite können Grimassenschneider und Faxenmacher, die uns im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als Kabarettisten oder Satiriker präsentiert werden, rechtlich folgenlos Politiker und andere Zeitgenossen mit Kübeln von Schmutz überschütten und in kaum zitierfähiger Fäkalsprache gröbste Beleidigungen bundesweit verbreiten. Auf der anderen Seite zeigt man mit den Fingern auf einen Politiker, dessen Sprachgebrauch in dieser Hinsicht weit hinter dem zurückbleibt, was uns sonst so zugemutet wird. Natürlich liegt das alleine daran, daß im einen Falle im Sinne der herrschenden politischen Weltanschauung gepöbelt und gekübelt wird, was das Zeug hält, und im anderen Falle mal jemand von der Gegenseite hineingegrätscht ist. Wenn zwei das gleiche tun, ist das noch lange nicht das gleiche, wie jeder weiß. So muß man sich nur einen Augenblick vorstellen, ein konservativer Publizist oder ein Politiker der Partei des Herrn Gauland nenne etwa Frau Wagenknecht eine Kommunistenschlampe, oder etwa Frau Nahles eine Sozischlampe. Die öffentliche Entrüstung gäbe tagelang Stoff für die Medien ab. Der oder die betreffende hätte mit Sicherheit mit einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und mit großer Wahrscheinlichkeit auch mit einer Verurteilung zu rechnen. Denn hier hätte man es ja nicht mit Kunst in der Form der Satire zu tun, sondern mit einer strafbaren Äußerung. Daran zeigt sich im übrigen, wie falsch es ist, derartige Pöbeleien von Zeitgenossen, die sich als Künstler ausgeben, unter die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit zu rechnen. Ob indessen ein „rechter“ Satiriker sich in diesem Falle vor der Verfolgung durch die Strafjustiz sicher fühlen dürfte, wage ich zu bezweifeln. Denn nach der Befindlichkeit weiter Kreise in unserer Gesellschaft, die ja nun nicht ohne Einfluß auf das Denken von Juristen bleibt, ist es nicht ausgeschlossen, daß man in diesem Falle einer solchen Äußerung den Charakter der Satire und mithin der Kunst absprechen würde.
Unabhängig davon, ob man die zitierte Äußerung des Herrn Gauland für angemessen, unhöflich, unmoralisch oder Wahlkampfgetöse hält: die Umfunktionierung einer politischen Talkshow zu einer Verhandlung vor dem Tribunal der politischen Korrektheit ist eine Zumutung sowohl für den eingeladenen Gast, als auch für den Zuschauer, soweit er noch nicht politisch indoktriniert ist. Angesichts der Zusammensetzung der Diskussionsrunde konnte sich Plasberg auch sicher sein, daß sie die Funktion des Tribunals zuverlässig wahrnehmen werde. Sie war ohnehin schon nach dem Muster fünf (mit Plasberg) gegen einen zusammengestellt worden. Röttgen von der CDU und Trittin von den Grünen vertraten die etablierte Politik, für die Gaulands Partei mindestens Schmutzkonkurrenz wenn nicht gar die getarnte Wiedergeburt der NSDAP ist. Eine langjährige ARD-Korrespondentin und eine unbedarfte, aber wegen ihrer Mitgliedschaft in einer Juso Hochschulgruppe in die Riege passende 22-jährige Politologiestudentin boten im Verbund mit den erwähnten Politikern die Gewähr dafür, daß Gauland zur Schnecke gemacht werden würde. Allein, der Gast tat dem Tribunal nicht den Gefallen, als reuiger Angeklagter aufzutreten. Vielmehr wies er selbstbewußt die sachlich unhaltbaren Anschuldigungen des Gerichtspräsidenten Plasberg und seiner Richterkollegen zurück. Auch ließ er in der anschließenden Debatte über die ursprünglich auf der Tagesordnung stehenden Sachthemen keinerlei Zerknirschung erkennen.
Die Annahme liegt nicht fern, daß ein nicht unerheblicher Anteil der Fernsehzuschauer erkannt hat, welches üble Spiel da inszeniert wurde. Herrn Gauland und seiner Partei dürfte die Sendung nicht geschadet haben, eher im Gegenteil.