Die Realsatire um das Sturmgewehr G 36 der Bundeswehr hat nun einen neuen Schauplatz. Waren es bisher Stellungnahmen der Ministerin und ihres Hauses einerseits und Gegendarstellungen des Herstellers Heckler & Koch andererseits, zeigt uns das Bühnenbild nun einen Gerichtssaal. Zivilrechtlich geht es einfach darum, daß das Bundeswehr-Beschaffungsamt in Koblenz Gewährleistungsforderungen gegen Heckler & Koch erhoben hat. Der Waffenhersteller hat dagegen vor dem Landgericht Koblenz Klage erhoben mit dem Antrag festzustellen, daß die Waffe den vertraglich festgelegten Anforderungen entspricht und in diesem Sinne keinen Mangel aufweist. Darüber hinaus bringt Heckler & Koch vor, eine Umfrage unter 200 Soldaten habe ergeben, daß es im Einsatz nie Probleme mit dieser Waffe gegeben habe. Sowohl die deutschen Soldaten als auch die Soldaten anderer Armeen seien mit der Waffe sehr zufrieden. Dem kann ich aus eigener Erfahrung und nach vielen Gesprächen mit Soldaten nur zustimmen.
In der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Koblenz hat nun der Richter darauf hingewiesen, daß Heckler & Koch das G 36 schon seit den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts an die Bundeswehr ausliefere. Erst 2011 seien jedoch Beanstandungen laut geworden. Als der Einsatz in Afghanistan mit extremen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht hinzugekommen sei und sich womöglich die Anforderungen erweitert hätten, sei dies bei weiteren Bestellungen des G 36 bei Heckler & Koch nicht thematisiert worden. Stattdessen sei der Vertrag so geschlossen worden, wie er in der Vergangenheit immer geschlossen worden sei. Für den Juristen bedeutet das schlicht und einfach, daß der Besteller kein anderes Gewehr gekauft hat, als dasjenige, das seines Erachtens den Anforderungen nicht genügt. Ein Mangel im Rechtssinne liegt somit nicht vor. Die mündliche Verhandlung soll nun am 2. September dieses Jahres fortgesetzt werden. Bis dahin will das Bundeswehr-Beschaffungsamt ein neues Gutachten vorlegen, das die behaupteten Defizite bei der Treffsicherheit untermauern soll. Erfahrene Anwälte wissen, wie derartige Gutachten zu Stande kommen. Man wird bei dem Sachverständigen vorstellig. Der stellt zwei Fragen. Die erste lautet: „Was darf es denn kosten?“ Wenn diese Frage im Sinne des Sachverständigen richtig beantwortet wird, stellt er die zweite Frage. Diese lautet: „Was soll denn drin stehen?“ Natürlich wird sich das Ministerium mitsamt seiner nachgeordneten Behörde auch damit wiederum lächerlich machen. Derartige Gutachten liegen ja schon vor und sind Grundlage der Gewährleistungsforderungen der Behörde. Sie sind jedoch, worauf der Vorsitzende Richter zutreffend hingewiesen hat, für die Entscheidung des Rechtsstreits völlig unerheblich. Denn es geht ja gar nicht darum, ob das G 36 unter bestimmten äußeren Bedingungen, etwa im Dauerfeuer-Modus wie ein Maschinengewehr nicht treffsicher ist. Es geht ganz alleine darum, ob das Gewehr den vertraglichen Anforderungen entspricht. Diese vertraglichen Anforderungen beschreiben aber ganz offensichtlich nur das, was ein Sturmgewehr können muß. Es muß eine definierte Präzision bei der Schußabgabe einzeln oder in kurzen Feuerstößen, das sind 3-4 Schuß im automatischen Nachlademodus, erfüllen. Das natürlich unter ebenfalls vertraglich definierten äußeren Bedingungen. Wenn es mehr können soll, also etwa auch eine definierte Präzision bei Dauerfeuer, also etwa 50-60 Schuß im automatischen Nachlademodus, das auch mehrmals hintereinander, dann wird es auch entsprechend teurer. Diese Anforderungen hat die Bundeswehr ebenso wie andere Armeen bisher jedenfalls nicht an ein Sturmgewehr gestellt. Denn dafür gibt es ja nun Maschinengewehre, die neben den Sturmgewehren geführt werden.
Eine beliebte Talkshow im deutschen Fernsehen wird von ihrem Moderator gern mit dem Spruch: „Wo Politik auf Wirklichkeit trifft“ beworben. Im Gerichtssaal trifft nun die Scheinwelt der Politik auf die Wirklichkeit. Ehrgeizige Ministerialbeamte werden dort weiterhin wider besseres Wissen argumentieren, weil nun einmal nicht sein darf was nicht sein kann. Die Ministerin hat sich nun einmal aus dem Fenster gelehnt und kann nach den Spielregeln der Politik vor dem Absturz nicht etwa dadurch bewahrt werden, daß sie wieder hinter die Brüstung zurücktritt und erklärt, fachlich und sachlich unzutreffenden Berichten ihrer Beamten aufgesessen zu sein, sondern sie muß sich nun tapfer weiter blamieren. Wenn dann die Gerichte diesem Spuk endgültig ein Ende gemacht haben werden, wird sie natürlich auf die Unabhängigkeit der Gerichte verweisen. Der Steuerzahler wird dann 167.000 neue Sturmgewehre mit der Charakteristik eines Maschinengewehrs bezahlen. Möglicherweise ist dieses Geld dann nicht einmal zum Fenster hinausgeworfen, denn nach einem Vierteljahrhundert kann man ja eine Neubeschaffung auf höherem technischen Niveau durchaus vertreten. Die Soldaten bekommen dann, bildlich gesprochen, statt eines Audi A 6 einen Porsche. Der politischen Posse hingegen, die hier gespielt wird, hätte es nicht bedurft. Denn derartige Possen werden auf der politischen Bühne ohnehin in großer Zahl geboten.