In diesen Tagen ist der Verfassungsschutzbericht 2015 veröffentlicht worden. Für alle Medien von Tagesschau bis zum Provinzblatt natürlich eine Spitzenmeldung. Denn offenbar ist es zu einem enormen Anstieg rechtsextremistisch motivierter Straftaten gekommen, natürlich vor allem gegen Flüchtlinge, um der Einfachheit halber diesen Begriff zu übernehmen, der leider so oft irreführend gebraucht wird. Nach der Tagesschau und dann am nächsten Morgen nach Lektüre der Zeitungen mußte man den Eindruck gewinnen, daß in Deutschland die große Gefahr von „rechts“ ausgeht. Seinen Teil dazu trug der Bundesinnenminister bei, als er mit staatsmännischem Blick und dramatischem Tremolo in der Stimme nicht nur nahezu ausschließlich die rechtsextremistisch motivierten Straftaten schilderte, sondern es sich nicht verkneifen konnte oder wollte, die immerhin ausdrücklich als demokratische Partei außerhalb des Beobachtungsradars der Verfassungsschützer genannte AfD davor zu warnen, Rechtsextremisten in ihren Reihen zu dulden. Daß dies so überflüssig wie der sprichwörtliche Kropf war, muß hier nicht eigens betont werden.
Wenn Politik auf Statistik trifft und sie für ihre Zwecke instrumentalisiert, ist es immer gut, die Statistiken selbst zu lesen. Der Verfassungsschutzbericht steht ja nun einmal im Internet. Und wer lieber ein Buch von 318 Seiten Umfang in die Hand nimmt, kann es vom Amt beziehen. Auf Seite 26 des Berichts werden für das Jahr 2015 immerhin 21.933 Straftaten mit rechtsextremistisch motiviertem Hintergrund angegeben. Auf Seite 31 hingegen nur 5.620 Straftaten mit linksextremistisch motiviertem Hintergrund. Auf den ersten Blick also nur ein gutes Viertel von dem, was auf der rechten Seite festzustellen ist. Doch man muß genauer hinsehen.
Der Verfassungsschutzbericht unterscheidet zwischen Gewalttaten und sonstigen Straftaten. Und hier ergibt sich ein ganz anderes Bild. Unter Gewalttaten zählt er Tötungsdelikte einschließlich Versuch, Körperverletzungen, Brandstiftungen, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Landfriedensbruch, gefährliche Eingriffe in den Bahn-, Luft-, Schiffs-und Straßenverkehr, Freiheitsberaubung, Raub, Erpressung, Widerstandsdelikte und Sexualdelikte. Allesamt also Straftaten aus dem Kernbereich des Strafgesetzbuches. Und hier liegen die Linksextremisten vorn mit 1.608 zu 1.408 derartiger Straftaten im Jahr 2015. Auch wenn man dann weiter die Straftaten Sachbeschädigung und Nötigung/Bedrohung hinzuzählt, liegen die Linksextremisten mit 3.423 Delikten insgesamt gegenüber 3.094 Delikten bei der rechtsextremen Konkurrenz deutlich vorne. Was die Statistik indessen in der Gesamtzahl völlig verändert, sind die Propagandadelikte und die sogenannten anderen Straftaten, insbesondere Volksverhetzung. Propagandadelikte und Volksverhetzung kommen bei den Linksextremisten überhaupt nicht vor, schlagen aber bei den Rechtsextremisten mit 12.154 (Propagandadelikte) und 6.676 (andere, insbesondere Volksverhetzung) sehr deutlich zu Buche. Nun handelt es sich dabei um Delikte, die Linksextremisten nach unserem Strafgesetzbuch überhaupt nicht begehen können. Denn unser Strafgesetzbuch verbietet ausschließlich die Propaganda für solche politischen Gruppen oder Parteien, die sich entweder direkt oder zu mindestens nahezu direkt als Nachfolger, Nachahmer oder Geistesverwandte des Nationalsozialismus zeigen. Am linken Rand gibt es vergleichbare Delikte nicht. Denn so wie das Zeigen nationalsozialistischer Embleme wie Hakenkreuz oder SS-Runen strafbar ist, ist das Zeigen kommunistischer Embleme wie Hammer und Sichel oder des Sowjetsterns straflos.
Wenn man also den Verfassungsschutzbericht 2015 liest und sich dabei seines eigenen Verstandes bedient, dann kommt man zu einem ganz anderen Ergebnis, als es Politik und Medien dem geneigten Publikum einreden wollen. Insbesondere im Bereich der Gewalttaten, und das ist ja nun der wirklich gefährliche Bereich, liegen die Linksextremisten mit 1.608 zu 1.408 Delikten deutlich vor den Rechtsextremisten. Vor allem ist ihre Steigerungsrate in diesem Bereich von 2014 auf 2015 ebenfalls erschreckend. Waren es bei Ihnen 2014 noch 995 Delikte, so waren es 2015 deren 1.608. Ihre Konkurrenz von rechtsaußen war 2014 mit 990 derartigen Delikten dabei, 2015 mit 1.408, wie erwähnt. Also ist auch der Anstieg dieser Straftaten links weitaus besorgniserregender als rechts.
Daß Politik und Medien den Eindruck zu erwecken suchen, die größere Gefahr für unser Land gehe von den Rechtsextremisten aus, hat sicherlich Gründe. Ein Grund liegt auf der Hand. Im Bereich des Rechtsextremismus haben die Ermittlungsbehörden durchaus immer wieder Erfolge. Offenbar ist diese Szene doch mit nachrichtendienstlichen und kriminalpolizeilichen Mitteln besser zu überwachen als die linksextremistische Szene. Diese zeichnet sich offensichtlich dadurch aus, daß sie sich zwar immer wieder ihrer Gewalttaten im Internet brüstet. Dies allerdings auf einem Portal (indymedia.linksunten), dessen Server irgendwo in obskuren Gegenden dieser Erde stehen, und die Ermittlungsbehörden deswegen nicht feststellen können, wer die Hintermänner sind. Es fällt ja auf, daß in diesem Bereich so gut wie keine Anklagen und Verurteilungen zu registrieren sind. Offenbar ist es den Ermittlungsbehörden nicht einmal möglich, in der linksradikalen Szene der besetzten Häuser in Hamburg, Berlin und Leipzig erfolgreich zu ermitteln. Es scheint nicht möglich zu sein, dort wirklich erfolgreich V-Leute anzusetzen. Von diesen Mißerfolgen spricht man als Bundesinnenminister eben nicht so gerne. Vor allem aber ist klar, und das zeigt ja der völlig überflüssige Warnhinweis des Ministers an die AfD, daß es den etablierten Parteien ebenso wie den ihnen zugeneigten Journalisten, und das sind eigentlich alle, darum geht, den ungeliebten neuen Mitbewerber beim Publikum zu diskreditieren. Wir Deutschen hegen zurecht ein tiefes Mißtrauen gegenüber Leuten, die uns die Hitlerei in Reinform oder auch in neuen Varianten verkaufen wollen. Das gilt im übrigen auch für deren Konkurrenz von links außen. Aber die Politik hat nun einmal die erfolgreiche neue Konkurrenz im Visier. Sie in die Nähe des Rechtsextremismus zu rücken, erscheint daher offenbar zweckmäßig. Skrupel hat man in der Politik ja ohnehin nur höchst selten. Somit wird fleißig diffamiert. Ziel ist es, die Begriffe Populismus und rechtsradikal miteinander verschmelzen zu lassen. Der große Politikwissenschaftler Lord Ralf Dahrendorf, dieser Wanderer zwischen Deutschland und Großbritannien, hat in diesem Zusammenhang einmal bissig bemerkt: ein Populist ist ein politischer Konkurrent, dessen Richtung einem nicht paßt.
Zitat aus der Wiki-Seite von Indymedia:
„Indymedia Deutschland wurde für den Förderpreis Medienkompetenz des Grimme-Instituts nominiert und erhielt einen Preis der Rosa-Luxemburg-Stiftung“.
Wer hätte das gedacht!