Der politische Sprachgebrauch in Deutschland war bis zu diesem Wochenende klar. Das seriöse politische Spektrum begann links außen, womit noch nicht einmal die Partei gemeint ist, welche sich „Die Linke“ nennt, und endete in der Mitte, wo sich merkwürdigerweise fast alle anderen verorten. Rechts davon begann das Reich der Finsternis. Rechts war gleichbedeutend mit rechtsradikal oder gar rechtsextrem, auf jeden Fall rassistisch, faschistisch und was es sonst für politische Ekeldenominationen gibt.
Möglicherweise wird das jetzt anders. Horst Seehofer hat auf dem CSU-Parteitag seine Partei als eine Partei der gesellschaftlichen Mitte verortet, die auch das demokratische Spektrum rechts von der Mitte umfasse. Sie sei eine Partei, die sich Mitte-rechts einordnet. Rechts ist also nicht mehr böse? Ein demokratisches Spektrum rechts von der Mitte? Gehört Deutschland jetzt also doch zu Europa? Diese spöttische Frage ist angebracht, denn überall sonst in Europa gibt es ganz selbstverständlich Parteien rechts von der Mitte, ohne daß sie aus dem Club der Anständigen ausgeschlossen wären. Parteien rechts der Mitte führen Mitte-Rechts-Koalitionen oder stellen den Kern der parlamentarischen Opposition. Selbst am rechten Rand des demokratischen Spektrums (natürlich von der Mitte aus gesehen, und nicht von außen) angesiedelte Parteien sind Teil des normalen parlamentarischen Betriebes. Der Blick in das Halbrund des Plenarsaales zeigt ja auch, daß die Bestuhlung nicht in der Mitte aufhört. Natürlich wäre für Deutschland zu wünschen, daß dies bei uns künftig genauso ist. Die Ausgrenzung eines erheblichen Prozentsatzes der Wähler bzw. der von diesen Wählern bevorzugten Politiker hat ja de facto zu einer Linksverschiebung des politischen Systems in Deutschland geführt, was inhaltlich auch zum Beispiel bei der CDU durchschlägt. Von daher wäre die Einordnung Seehofers nichts anderes als die Rückkehr zur Normalität. Rückkehr, weil diese Sichtweise früher einmal auch in Deutschland völlig unstrittig war.
Wasser in den von Herrn Seehofer kredenzten Wein der Hoffnung auf normale Zeiten muß jedoch gießen, wer die Medienlandschaft dieses Landes betrachtet. Die politischen Journalisten ordnen sich nach einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahre 2009 zu 73 % im linken politischen Spektrum ein (SPD 24 %, Grüne 42 %, die Linke 7 %). Eine Untersuchung der FU Berlin im Auftrage des Deutschen Journalistenverbandes im Jahre 2010 ergab, daß die Befragten sich grundsätzlich links von der Mitte einstuften, wobei ein Drittel angab, keiner Partei nahe zu stehen, 46,6 % allerdings auch den linken Parteien nahe zu stehen. In beiden Umfragen gaben aber nur 9 % bzw. 14 % an, den Unionsparteien nahe zu stehen. Die FDP erfreut sich 12 % bzw. 7,4 % Zustimmung unter den politischen Journalisten. Die AfD gab es zum Zeitpunkt dieser Umfragen noch nicht. Betrachtet man sich die Berichterstattung in den Medien, so wird man politische Journalisten, die erklären, dieser Partei nahe zu stehen, so selten finden wie weiße Elefanten.
Es bedarf keiner prophetischen Gaben vorherzusagen, daß Seehofer und seine Partei ab jetzt einem wahren publizistischen Trommelfeuer ausgesetzt sein werden. Die Nazikeule wird geschwungen werden, daß es nur so eine Art hat. Versuche, ihn und seine Parteifreunde durch Fangfragen aufs politische Glatteis zu führen, Unterstellungen, heimlich bereits an rechten Bündnissen zu arbeiten, Verschwörungstheorien aller Art und was an Unappetitlichkeiten sonst so vorstellbar ist, werden die Kommentarspalten der Zeitungen füllen und von den üblichen Verdächtigen in ARD und ZDF mit dramatischem Tremolo in der Stimme vorgetragen werden. Wer etwa einen auch nur diplomatisch-höflichen Umgang mit Politikern wie Victor Orbán oder gar Norbert Hofer übt, wird sich der übelsten Unterstellungen erwehren müssen. Man darf gespannt sein, wie standfest Seehofer und seine Parteifreunde sein werden.
Allerdings sollte man nicht nur auf die veröffentlichte, sondern vielmehr auf die öffentliche Meinung achten. In der oben erwähnten Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009 über die politischen Präferenzen der Journalisten zeigt sich ein signifikantes Auseinanderklaffen der Überzeugungen von Bevölkerung einerseits und politischen Journalisten andererseits. Besonders krass ist dies bei der Vorliebe für die Unionsparteien bzw. die Grünen. Bekundeten im Falle der Unionsparteien 36 % der befragten Bürger, diesen Parteien nahe zu stehen, waren es bei den politischen Journalisten nur 14 %. Erklärten 11 % der befragten Bürger, den Grünen nahe zu stehen, war dies bei den politischen Journalisten ganze 42 %. Ein Blick in die Kommentarspalten der Internet-Ausgaben unserer Zeitungen wie auch auf die Leserbriefseiten der gedruckten Medien zeigt das noch deutlicher. Auch gilt es inzwischen als ausgemacht, daß die rückläufigen Auflagen gerade der großen meinungsbildenden Blätter in Deutschland ihre Ursache nicht zuletzt im Auseinanderklaffen der politischen Präferenzen von Lesern einerseits und Journalisten andererseits haben. Dazu paßt auch, daß nur bei der kleinen, wie ich aber meine feinen Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit ein gegenläufiger Trend festzustellen ist. Sie hat ihre Auflage im dritten Quartal 2016 im Vergleich zum dritten Quartal 2015 um 18 % gesteigert. Alle diese Entwicklungen zeigen jedem, der nicht völlig vernagelt ist, daß es mit der Ausgrenzung der demokratischen Rechten in Deutschland ein Ende haben muß. Auch wenn die offensichtlich mehrheitlich linken politischen Journalisten noch so zetern: die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter.