Ungeachtet dessen, daß es in dieser Szene durchaus höchst gefährliche Narren gibt, denen man dann wenigstens ihre legalen Waffen wegnehmen muß, ohne damit verhindern zu können, daß sie illegal aufrüsten, sorgen die sogenannten Reichsbürger immer wieder für skurrile Situationen. Man hat sich ja schon daran gewöhnt, daß sie staatliche Zahlungsaufforderungen aller Art ignorieren, und vor allem die Vollstreckungsgerichte mit einer Unzahl von völlig unsinnigen Rechtsbehelfen belästigen. Sie meinen ja, in einem Land zu leben, dessen Behörden ihnen nichts zu sagen haben, weil sie Bürger eines anderen Landes seien, nämlich des Deutschen Reiches. An der Theorie vom Fortbestand des Deutschen Reiches ist allerdings nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lediglich richtig, daß es am 8. Mai 1945 nicht untergegangen ist. Weder hat die deutsche Reichsregierung kapituliert – kapituliert hat nur die Wehrmacht –, noch gingen selbst die Alliierten von der sogenannten debellatio aus, also dem völligen Aufhören jeglicher Staatlichkeit des besiegten Landes. Zwar hatte es keine Regierung mehr, nachdem diese zehn Tage nach Kriegsende verhaftet worden war. Die Behörden auf unterer Ebene indessen arbeiteten, ja sogar die Gerichte. Die Alliierten beauftragten sie sogar, Verbrechen der Nazis strafrechtlich zu verfolgen, was sie auch in großem Umfang taten. Dies parallel zu den von den Alliierten selbst durchgeführten Prozessen, wie etwa denen von Nürnberg. Das Deutsche Reich existierte auf einer kleineren Fläche fort, nachdem ihm große Gebiete gewissermaßen amputiert worden waren. Eine demokratisch zustande gekommene verfassungsgebende Versammlung gab ihm dann 1949 auch eine neue Verfassung, sodaß in der Tat die Bundesrepublik Deutschland nicht etwa bloßer Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, sondern mit ihm identisch. So kann man die Rechtslage kurz zusammenfassen.
Das ist eigentlich so simpel und so völlig klar, und vor allem unter Juristen völlig unumstritten, daß eine solche Szene wie die Reichsbürger erst gar nicht entstehen dürfte. Es handelt sich demgemäß auch regelmäßig um Leute ohne irgendeine juristische Ausbildung, insbesondere nicht zum Volljuristen. Solche Leute können natürlich auch krause Gedanken in ihren Gehirnen wälzen und ihren Wahn in einer Scheinwelt ausleben, einschließlich Wappen, Fahne und Regierung. Im allgemeinen ist das skurril und wird vom Rest der Welt mit achselzuckendem Lächeln abgetan. Nur manchmal, wie leider vor nicht langer Zeit im fränkischen Georgensgmünd, muß dann auch einmal ein Polizeibeamter sterben, weil einer dieser – wohl nicht im medizinischen Sinne, aber tatsächlich – Gestörten geschossen hat.
Ein ganz besonders bizarrer Fall aus der Szene wurde vor kurzem vor dem Sozialgericht Bremen verhandelt. Einer dieser Reichsbürger, der allerdings erstaunlicherweise vor Gericht erklärte, keiner zu sein, hatte gegenüber dem Versorgungsamt Bremen geltend gemacht, das deutsche Reich bestehe fort, Deutschland sei besetztes Gebiet, die Bundesrepublik Deutschland sei ein Pseudostaat, ein Verwaltungskonstrukt, und er selbst sei Kriegsgefangener. Als Kriegsgefangener habe er aber nach der Haager Landkriegsordnung Anspruch darauf, so behandelt zu werden wie die Soldaten der Besatzungsarmee. Damit war die Bundeswehr gemeint. Somit habe er Anspruch auf Sold mindestens wie ein einfacher Soldat, also nach seiner Berechnung auf 1.955,27 € monatlich. (Da lag er nicht ganz richtig. Galt nämlich gem. Art. 23 HLKO nur für Offiziere, und das nur bis zum Inkrafttreten des III. Genfer Übereinkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 12.08.1949. Aber als Reichsbürger ist man da schon mal großzügig.) Das Versorgungsamt lehnte natürlich ab, sodaß die Sache vor dem Sozialgericht landete. Das wurde dann für den wackeren Reichsbürger teuer. Das Sozialgericht erklärte sich für unzuständig und wies die Klage mit dem Bemerken ab, es sei nur der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Man sei eben nicht zuständig. Weil die Klage derartig mutwillig war, wurde der Kläger auch in die Verfahrenskosten verurteilt. Das machte beim angenommenen Streitwert von 11.731,63 € allein für die Gerichtskosten schon mal schlappe 801,00 € aus. Ob sich die Behörde anwaltlich hat vertreten lassen, oder gar der Kläger auch, ist hier nicht bekannt. Dann wäre es um ein mehrfaches teurer geworden.
Der Reichsbürger wird jetzt reichlich Gelegenheit haben, weitere Kosten zu produzieren. Wenn er sich gegen die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten wehrt, kann er ja reichlich unbegründete Rechtsmittel einlegen. Wenn er dem Hinweis des Sozialgerichts folgt, und nun vor dem Verwaltungsgericht klagt, wird es weiter hübsch teuer. Die Frage ist eigentlich nur, ob und gegebenenfalls ab welchem Zeitpunkt eine ärztliche Untersuchung des Mannes auf seine Prozeßfähigkeit angeordnet werden muß. Das wird er dann erst gar nicht verstehen. Aber vielleicht trifft er dann später in einer gut gesicherten Anstalt einige Mitglieder der Reichsregierung wieder.