Faktenfreie Empörung

Matteo Salvini gehört für die politisch korrekten Moralathleten, Richtigmeiner und Verteidiger der Menschenrechte zweifellos zu den Dunkelmännern Europas. In der Rangfolge der Teufelsanbeter kommt er wohl gleich nach Victor Orbán und Alexander Gauland. Nicht überraschend ist die Empörung groß, wenn seine Flüchtlingspolitik tatsächlich zu einer deutlichen Verringerung der Einwanderung in Italien führt. Soeben erst hat er nicht ohne – aus meiner Sicht berechtigten – Stolz darauf hingewiesen, daß die Zahl der illegalen Einwanderer in Italien mit nur noch 262 Personen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres um rund 95 % niedriger liegt, als im gleichen Zeitraum des Jahres 2018, wo noch 5.247 illegale Einwanderer gezählt wurden. Im Jahre 2018 ist im Vergleich zum voraufgegangenen Jahr die Zahl der Einwanderer um insgesamt 80,4 % gesunken, die Abschiebungen in den ersten beiden Monaten dieses Jahres liegen viermal so hoch wie die Zahl der Einreisenden. Zu berücksichtigen ist bei diesen Zahlen, gerade für 2018, daß die derzeitige Koalition, zu der wesentlich Salvinis Lega Nord gehört, erst am 1. Juni 2018 die Regierungsarbeit aufgenommen hat.

Die Bekanntgabe dieser Zahlen hat in Italien Proteste der üblichen Verdächtigen ausgelöst. In Deutschland werden wir diese Zahlen vielleicht nur einmal in der Tagesschau gehört haben, und dann nicht mehr. Denn damit führt Salvini den Beweis, daß der Zuzug von Flüchtlingen, egal welchen rechtlichen Status sie haben oder zugebilligt bekommen, durchaus massiv eingeschränkt werden kann. Bekanntlich hat Italien seine Grenzen für Bootsflüchtlinge geschlossen. Von italienischen Schiffen aufgegriffene, je nach Lesart auch gerettete Personen werden grundsätzlich nicht in Italien aufgenommen, sondern entweder in aufnahmewilligen Ländern angelandet oder wieder nach Nordafrika zurückgeführt.  Wir Deutschen indessen müssen weiter damit leben, daß die Bundeskanzlerin und ihre Paladine faktenwidrig behaupten, man könne die deutschen Grenzen, von den europäischen Außengrenzen ganz zu schweigen, nicht so sichern, daß der Zuzug von Flüchtlingenaller Art, insbesondere der Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge signifikant zurückgeht.

Um die Flüchtlingspolitik der italienischen Regierung zutreffend einzuordnen, muß ein vergleichender Blick auf die Situation in Europa und darüber hinaus geworfen werden. Einen gewissen Anhaltspunkt für die Belastung der jeweiligen Staaten  mit Migranten bietet die Statistik des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bezüglich der Asylanträge in Europa und ausgewählten sonstigen Staaten. Diese Statistik muß man natürlich auch interpretieren, denn die bloße Zahl sagt wenig, wenn sie zum Beispiel nicht in ihrer Dynamik betrachtet wird. Nur dann erkennen wir, ob es eine Entwicklung in dieser oder jener Richtung gibt. Beispielhaft greifen wir die  Zahlen für die Monate Januar und August 2018 heraus. Hier liegt die Zahl der Asylanträge in Deutschland im Januar bei 19.095, im August bei 16.565. Das ist ein Rückgang um knapp 14 %. In Italien suchten im Januar 2008 genau 6.825 Personen Asyl, im August nur noch 2.370, ein Rückgang um nahezu zwei Drittel. Die italienische Politik wurde wohl sehr konsequent durchgeführt, denn ein Rückgang um ca. 95 % bei den illegalen Einwanderern innerhalb eines Jahres ist wirklich sehr beachtlich.

Einen Hinweis auf die Attraktivität von Zielländern für Asylsuchende geben auch die Antragstellerzahlen, ins Verhältnis gesetzt zur Einwohnerzahl des Landes. So kam eben in Deutschland im Januar 2018 auf 4.997,89 Einwohner ein Asylbewerber, in Österreich auf 8.160,93  Einwohner, in Frankreich  auf 6.735,57 Einwohner, in Spanien auf  12.051,61 Einwohner, in Großbritannien auf deren 21.435, in Australien auf 10.517,32, in Norwegen auf 17.823,73 Einwohner, in den USA auf 40.886,27 Einwohner, bei unseren Nachbarn in Tschechien auf 78.370,37 Einwohner, bei unseren Nachbarn in Polen auf 135.607,14 Einwohner, in Neuseeland auf 133.166,67 Einwohner, und in Ungarn auf 391.240 Einwohner je ein Asylantragsteller.

Diese großen Unterschiede müssen Ursachen haben. Wenn die Zahl der Einwohner eines Landes  pro Antragsteller von knapp 50 % mehrals in Deutschland wie in Frankreich bis hinauf zu dem rund 78-fachen wie es in Ungarn der Fall ist differiert, dann kann das nicht lediglich an der Entfernung oder der mehr oder weniger schönen Landschaft liegen. Vielmehr gibt das einen klaren Hinweis darauf, wie die verschiedenen Länder schon die Einreise von Migranten kontrollieren, mehr noch darauf, welche  sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen sie ihnen bieten. Ganz offensichtlich gehört Deutschland zu den besonders attraktiven Zielländern wie eben auch Luxemburg, wo auf nur 2.568,12 Einwohner ein Antragsteller kommt, oder auch Schweden, bei dem das Verhältnis mit 5112,53 pro Antragsteller ähnlich ist wie in Deutschland. Eines aber kann man mit Sicherheit nicht sagen. Es ist eben halt kein Ausweis von Demokratie und Anerkennung der Menschenrechte, wenn in einem Lande die Antragsquote hoch ist, in einem anderen niedrig bis verschwindend gering.  Denn daß zum Beispiel in Norwegen etwa dreieinhalb mal mehr Einwohner auf einen Antragsteller kommen als in Deutschland, kann auf keinen Fall daran liegen, daß Norwegen etwa weniger demokratisch wäre oder gar den Menschenrechten eine geringere Bedeutung beimäße. Und wenn im Mutterland der Menschenrechte, dort, wo mit der Virginia Declaration of Rights 1776 erstmals die Menschenrechte verbindlich formuliert worden sind, gut acht mal mehr Einwohnerauf einen Asylbewerber kommen, wie in Deutschland, dann kann man nicht ernsthaft behaupten, eine restriktive Migrationspolitik verletze die Menschenrechte. Vielmehr muß man dann feststellen, daß es in anderen Ländern im Gegensatz zu Deutschland eine verantwortungsvolle Politik gibt, welche die ureigenste Aufnahme eines jeden Staates,  für seine Bürger zu sorgen, an die erste Stelle setzt, und erst danach im Rahmen der gesellschaftlichen und ökonomischen Möglichkeiten humanitären Aufgaben nachkommt. Dies vor dem Hintergrund der sicherlich  bedauerlichen Tatsache, daß die Zahl der Menschen, die unter humanitären Erwägungen Aufnahme in geordneten, sicheren und wohlhabenden Ländern finden müßten, die Aufnahmekapazitäten dieser Länder  um ein Vielfaches übersteigt. Niemandem wäre geholfen, stattdessen würde sich das Diktum von Peter Scholl Latour bewahrheiten, wonach eine Stadt, die halb Kalkutta aufnimmt, dann selbst zu Kalkutta wird.

Wer Salvini, Orbán und andere umsichtige Politiker beschuldigt, die Menschenrechte mit Füßen zu treten, argumentiert faktenfrei. Wer, wie die Bundeskanzlerin und ihre Bewunderer behauptet, man könne die Grenzen unseres Landes und/oder die europäischen Außengrenzen nicht schließen, um unerwünschte Migranten von der Einreise abzuhalten, argumentiert ebenfalls faktenfrei. Quod erat demonstrandum.


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