Thüringen, Hanau, Hamburger Wahl: In diesen Tagen läuft die Debatte um unser politisches System, um die grundsätzliche Ausrichtung der deutschen Politik heiß, ja sie droht zu überhitzen. Gibt es in Deutschland eine manifeste rechtsextremistische Gefahr? Wird die Gesellschaft gespalten in liberale, weltoffene Demokraten einerseits und Anhänger eines autokratischen Staatsmodells mit völkischer Ausrichtung? Und nicht zuletzt: Wer darf oder muß welche dieser Zuschreibungen für sich in Anspruch nehmen? Fragen über Fragen. Und nur die Propaganda-Abteilungen der Parteien und der Medien scheinen darauf Antworten zu haben, ja drängen sie den Bürgern regelrecht auf. Eine nüchterne Analyse tut not.
Die Bestandsaufnahme
Zunächst ein Blick auf die aktuellen Wahlumfragen. Die Sonntagsfrage der Institute Kantar (Emnid) vom 29.2.2020 und Forsa vom 1.3.2020 sehen die Parteien des linken Lagers (SPD, Grüne, die Linke) bei 49 %, die Parteien des bürgerlichen Lagers, zu denen ich ausdrücklich die AfD zähle – was nachstehend zu begründen sein wird – bei 43,5 %. Das heißt, daß uns eine rot-rot-grüne Bundesregierung ins Haus stünde, würde demnächst der Deutsche Bundestag neu gewählt. Ein Menetekel in dieser Hinsicht sollte das Ergebnis der Hamburger Bürgerschaftswahl sein. Die bürgerlichen Parteien kamen dort zusammen auf lediglich 21,4 %. Bemerkenswert ist, daß Politik und Medien einhellig die Linke umstandslos für wählbar und koalitionsfähig halten, die AfD hingegen nicht nur kategorisch ausgrenzen, sondern zwischenzeitlich unverblümt als „Nazis“ bezeichnen, genau genommen diffamieren. Das bedeutet allerdings, daß angesichts stabiler Umfrageergebnisse um die 12 % für die AfD, was ja auch in etwa ihrem Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2017 entspricht, eine bürgerliche Mehrheit im Deutschen Bundestag ausgeschlossen ist, eine linke Mehrheit indessen sogar auf längere Sicht zu erwarten ist. Nachdem nun einmal in Koalitionen keine Partei ihre Programmatik ungeschmälert durchsetzen kann, vielmehr auch die kleineren Koalitionspartner ihnen wichtig erscheinende Programmpunkte durchsetzen können, sollte man sich an und für sich ausrechnen können, was dies mittelfristig für Deutschland bedeutet.
Die Linke
Zunächst muß man sich vor Augen halten, daß es sich bei dieser Partei nicht etwa um die Nachfolgerin der SED handelt, wie das in Politik und Medien konstant fehlerhaft kommuniziert wird. Vielmehr handelt es sich dabei um die SED. Sie ist niemals aufgelöst worden. Sie hätte auch sonst ihr Milliardenvermögen verloren. Ungeachtet dessen, daß in der Tat erhebliche Beträge seinerzeit an die Regierung der noch existierenden DDR geflossen sind, ist der Verbleib eines großen Teils des auf damals rund 10 Milliarden DM geschätzten Parteivermögens ungeklärt. Man hat es offenbar sehr geschickt verstanden, die diversen Vermögensverschiebungen – Stichwort: Putnik-Deal – zu verschleiern. Das alles setzte in rechtlicher Hinsicht voraus, daß die Partei eben nicht aufgelöst, sondern unter anderem Namen fortgeführt wurde. Zunächst wurde der Name in PDS geändert, dann in PDS/WASG und später in den aktuellen Namen „die Linke“. Mithin steht diese Partei in der Tradition von Walter Ulbricht und Erich Honecker. Es nimmt nicht wunder, daß bis heute eine eindeutige Distanzierung vom Unrechtsstaat DDR ausgeblieben ist. Selbst der nette Herr Ramelow, Liebling der deutschen Medien, konnte sich dazu bis heute nicht verstehen.
Das Ziel: Eine andere Republik
Natürlich muß man auch betrachten, welche grundsätzlichen politischen Ziele dieser Partei verfolgt. Sie tritt ganz offen für eine grundlegende Änderung unseres Wirtschaftssystems ein. Sie kritisiert nicht lediglich den Kapitalismus, der uns nun einmal seit 1949 Wohlstand und sozialen Frieden garantiert, sie will ihn abschaffen. Abschaffen will sie auch die Bundeswehr. Natürlich soll Deutschland dann auch aus der NATO austreten. Ihr Verhältnis zu Russland ist jedenfalls konträr zu dem, was alle anderen Parteien in Deutschland wollen. Vor allem aber ist die Ablösung des Kapitalismus zugunsten einer sozialistischen Wirtschaftsordnung, wie auch immer sie im einzelnen ausgestaltet sein würde, nicht ohne erhebliche Eingriffe in die parlamentarische Demokratie, wie sie unser Grundgesetz nun einmal verbindlich festlegt, durchführbar. Demgemäß stehen Teile dieser Partei unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Von den 27 offiziellen Arbeitsgemeinschaften der Partei werden sieben, und zwar nicht die unwichtigsten, vom Verfassungsschutz beobachtet. Darunter die Kommunistische Plattform, die sich nach Darstellung der Verfassungsschutzbehörden am deutlichsten zum Kommunismus sowie zu marxistisch-leninistischen Traditionen bekennt und unsere Gesellschaftsordnung nicht anerkennt. Zu den Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes gehören auch die neomarxistische „Sozialistische Linke“, die Arbeitsgemeinschaft „Cuba Si“, die vom grundsätzlichen Systemwechsel träumenden Gruppen „Antikapitalistische Linke (AKL)“ und „Geraer sozialistischer Dialog“. Zu den der Partei nahestehenden Gruppen gehören etwa die DDR-Nostalgiker des marxistischen Forums wie auch die trotzkistische Vereinigung namens „Marx 21“. Besonderes Augenmerk verdient die Zeitung „Junge Welt“, die mit ca. 24.000 verkauften Exemplaren eines der wichtigsten Medien der ganz linken Szene ist. Laut Verfassungsschutz bekennt sich diese Zeitung nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit, was in Anbetracht der vorsichtigen Behördendiktion doch recht vielsagend ist.
Und das soll eine demokratische, für unser Land arbeitende Partei sein? Wer das ernsthaft vertritt, ist politisch, vielleicht auch überhaupt, nicht zurechnungsfähig.
Die AfD und ihr „Flügel“:
Das Parteiprogramm der AfD ist zutiefst bürgerlich. Man kann es ja nachlesen. Nicht wenige politische Kommentatoren formulieren schlicht und einfach, es entspreche im Wesentlichen dem, was bis 2005 in den Programmen der CDU und der CSU festgelegt war. Das nimmt auch nicht weiter Wunder, wenn man bedenkt, daß die Gründer der AfD im Wesentlichen ehemalige CDU-Mitglieder waren, teilweise sogar in hohen Staatsämtern wie Alexander Gauland, der es immerhin zum Staatssekretär in Hessen gebracht hatte. Auch Bernd Lucke und Jörg Meuthen waren zuvor Mitglieder der CDU. Sie sind ja allesamt wegen der von Frau Merkel eingeleiteten Linksverschiebung aus der CDU ausgetreten und haben die Alternative gegründet, die entgegen der Merkel’schen Selstanpreisung ihrer Politik als „alternativlos“ genau deswegen notwendig geworden war. Das Problem der AfD ist ihr sogenannter Flügel mit seinem Vormann Björn Höcke und seinem Vordenker Götz Kubitschek. Nicht zu Unrecht wird dieser Gruppierung eine völkische Ideologie nachgesagt. Unbeschadet dessen, daß es ein Programm des sogenannten Flügels, der ja nicht einmal eine offizielle Parteiorganisation ist, nicht gibt, lassen sich doch aus Äußerungen seiner führenden Mitglieder entsprechende Schlussfolgerungen ableiten.
Höckes Welt
So muß sich Björn Höcke sicherlich an Zitaten aus seinem autobiografischen und wohl auch programmatischen Buch: „Niemals zweimal in denselben Fluß“ messen lassen. Hier eine Auswahl:
„Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert, davon bin ich überzeugt.“ Wem fällt da nicht der „Führer“ ein? Und wer soll wohl seinen Lesern aktuell dazu einfallen?
„Die Überwindung des Parteigeistes und die enge Verbindung mit den neutralen, sachkompetenten staatlichen Institutionen halte ich für entscheidend bei der Lösung der anstehenden Probleme. Bis dahin ist es die Aufgabe der AfD, eine unüberhörbar parlamentarische Stimme und Vertretung der Volksopposition im Land zu sein.“ Das klingt nun wirklich so ähnlich wie die grundsätzliche Kritik Hitlers am parlamentarischen System der Weimarer Republik in seinem programmatischen Buch „Mein Kampf“. Das Zitat kann wohl auch nicht anders verstanden werden, als daß er die parlamentarische Demokratie nur so lange nutzen will, bis ein anderes System ohne politische Parteien „neutral und sachkompetent“, wie er meint, die Probleme des Landes löst. Bei Hitler liest sich das so: „Man wird diese ebenso unsinnige wie gefährliche menschliche Verirrung am ehesten und auch am leichtesten verstehen, sobald man den demokratischen Parlamentarismus im Vergleich bringt mit einer wahrhaften germanischen Demokratie.“(S.95) Und, um seiner Verachtung Ausdruck zu verleihen : „Die Demokratie des heutigen Westens ist der Vorläufer des Marxismus, der ohne sie gar nicht denkbar wäre. Sie gibt erst dieser Weltpest den Nährboden, auf dem sich dann die Seuche auszubreiten vermag. In ihrer äußeren Ausdrucksform, dem Parlamentarismus, schuf sie sich noch eine Spottgeburt aus Dreck und Feuer, bei der mir nur leider das Feuer im Augenblick ausgebrannt zu sein scheint (S.85).“
Weiter mit Höcke: „Ein paar Korrekturen und Kniffe werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, daß wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen, dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.“ Deutlicher kann man eigentlich kaum ausdrücken, daß man einen grundsätzlichen Systemwechsel hin zu einem autoritären System anstrebt, was mit der verächtlichen Bezeichnung „Schutthalden der Moderne“ unterstrichen wird. Denn damit wird unsere demokratische, marktwirtschaftliche und liberale Gesellschaftsordnung insgesamt als „Schutt“ definiert. Schutt indessen muß bekanntlich entsorgt werden. Was aber kann die Alternative dazu sein? Jedenfalls kein demokratisches System, wie es unser Grundgesetz unveränderlich (Art. 79 Abs. 3 GG) festschreibt.
„Die Weißen und die Schwarzen setzten sich vor ihrer Amerikanisierung aus mehreren hochdifferenzierten Völkern mit eigenen Identitäten zusammen. Jetzt sind sie in einer Masse aufgegangen. Diesen Abstieg sollten wir Europäer vermeiden und die Völker bewahren.“ Das ist unverblümter Rassismus. Denn es wird damit als verderblich für die Nationen angesehen, wenn sich Menschen unterschiedlicher Rassen vereinigen und Nachkommen zeugen. Das sind seines Erachtens dann keine Völker mehr, sondern es handelt sich dabei dann wohl nur noch um amorphe Massen, was in seinen Augen eben ein Abstieg wäre.
„Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen“. Die Konsequenz daraus kann ja dann wohl nur sein, diejenigen Deutschen aus der Nation auszuschließen, die entweder nicht-deutscher Herkunft sind, oder aus der von ihm abgelehnten Vermischung stammen. Abgesehen davon, daß dies mit dem in unserer Verfassung an erster Stelle genannten Schutz der Menschenwürde – nicht dem Schutz der Würde allein der genetisch Deutschen – unvereinbar ist, sollte man erst gar nicht darüber nachdenken, wie derartiges praktisch umzusetzen wäre. Wieviele Menschen aus dem eigenen Umfeld müßte jeder von uns dann ausschließen?
„Überlegung über ein Zusammengehen oder Koalieren mit Teilen des politischen Establishments setzt deren Läuterung und prinzipielle Neujustierung voraus. Das ist erst zu erwarten, wenn das Altparteienkartell unter der steigenden Krisenlast zerbrochen ist.“ Das heißt nichts anderes, als daß in absehbarer Zeit eine politische Zusammenarbeit mit den anderen Parteien ausgeschlossen wird. Dazu paßt natürlich nicht, daß man in Thüringen einen FDP-Politiker zum Ministerpräsidenten gewählt hat. Jedoch wird klar, daß Höcke mit anderen erst dann zusammenarbeiten will, wenn diese sich seiner Ideologie grundsätzlich angeschlossen haben. Auch damit zeigt sich, daß er nicht demokratiefähig ist. Denn in der Demokratie sind Diskurs und Kompromiß Wesensmerkmale politischen Handelns.
Nähe zu Pegida
Es geht auch nicht an, – im Übrigen trotz entgegenstehender Beschlusslage seiner Partei – auf Pegida-Veranstaltungen aufzutreten. Nicht besser wird das dadurch, daß auch andere Wirrköpfe wie Andreas Kalbitz das tun. Es mag ja sein, daß viele Teilnehmer von Pegida-Demonstrationen in ihrem schlichten Weltbild überzeugt davon sind, den nicht hinweg zu diskutierenden Problemen unseres Landes mit dem radikalen Islam dadurch erfolgreich entgegentreten zu können, daß sie sich – in der Regel friedlich und schweigend – bei diesen Demonstrationen zeigen. Denn gerade die Führungsfigur von Pegida, Lutz Bachmann, sollte eigentlich jedem derart zuwider sein, daß man sich unter keinen Umständen gemeinsam mit ihm zeigt. Abgesehen davon, daß er mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt worden ist, etwa weil er Flüchtlinge als „Viehzeug“, „Dreckspack“ und „Gelumpe“ bezeichnet hat, decken seine kriminellen Aktivitäten beträchtliche Teile des Strafgesetzbuches ab – Körperverletzung, Einbruch, Diebstahl, Drogenhandel. Dem Mann sind deswegen auch die Gefängnisse nicht nur von außen vertraut. Wer als Politiker hier auftritt, stellt sich nun einmal nicht nur physisch in eine Reihe mit einem multikriminellen Schreihals.
Deutschland den Deutschen?
Keine Option für die AfD können auch die sozialpolitischen Vorstellungen Höckes sein. Eine Rente nur für Deutsche ist von Verfassungs wegen absolut ausgeschlossen. Es ist auch nicht vorstellbar, daß jemand ohne deutschen Paß auf der einen Seite jahrzehntelang Beiträge in die Rentenversicherung leistet, und dann auf der anderen Seite anschließend keine oder möglicherweise nur geringere Leistungen aus der Rentenversicherung erhält.
Verschwörungstheorien haben in der seriösen Debatte nichts verloren
Typisch für ihn ist auch seine verschwörungstheoretische Rhetorik. So hat er noch am 13.7.2019 erklärt: „Die sogenannte Einwanderungspolitik, die nichts anderes ist, als eine von oben verordnete multikulturelle Revolution, die nichts anderes ist, als die Abschaffung des deutschen Volkes.“ Das ist Verschwörungstheorie in Reinkultur. Denn diese Aussage ist ohne jeden Beleg. Eine „von oben verordnete“ multikulturelle Revolution und Abschaffung des deutschen Volkes (!) müßte ja irgendwo dokumentiert sein, etwa in entsprechenden regierungsamtlichen Beschlüssen. Es gibt sie natürlich nicht. Etwas anderes sind natürlich die Auswirkungen der in der Tat desaströsen Einwanderungspolitik, insbesondere seit dem Herbst 2015. Diese objektiv für unser Land gefährliche, weil unkalkulierbare wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Folgen verursachende Politik hat Helmut Schmidt jahrelang immer wieder kritisiert. Allerdings ohne völkische und verschwörungstheoretische Begründungen. So hat er beispielsweise am 20.4.2004 in der „Zeit“ erklärt, die multikulturelle Gesellschaft sei eine „Illusion von Intellektuellen“. Am 11.6.2005 sagte er, wir müssten eine weitere Zuwanderung aus fremden Kulturen unterbinden. Die Zuwanderung von Menschen aus dem Osten Anatoliens oder aus Schwarzafrika löse das Problem der Überalterung unserer Gesellschaft nicht, schaffe nur „ein zusätzliches dickes Problem“. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Gerade die Problematik der Integration von Menschen aus völlig anderen Kulturen, insbesondere aus der islamischen Welt, hat er stets warnend angesprochen. Das aber ist etwas völlig anderes, als die Problematik in der „Fremdrassigkeit“ zu sehen, um Höckes Sichtweise auf den Punkt zu bringen.
Das alles wird nicht etwa dadurch abgemildert, daß derartiger Unfug auch anderswo anzutreffen ist. Der niederbayerische Lokalpolitiker von der CSU, der sich auf den Unterarm tätowieren ließ „Arbeit macht frei“, mag dafür ein Beispiel sein. Ein Beispiel aber auch dafür, daß es in Deutschland weithin an politischer Bildung mangelt. Denn dieser Zeitgenosse wollte der Polizei tatsächlich weismachen, dieses Tattoo habe mit den Nazis nichts zu tun.
Politischer Radikalismus schließt die Koalitionsfähigkeit aus
Es ist aber auch die hitlereske Diktion und der Duktus seiner Reden, die weite Teile nicht nur der Publizistik, sondern tatsächlich auch der Wähler abschrecken. Überhaupt scheint in der radikalen Rhetorik einer Reihe von Vertretern des Flügels, wie etwa Stephan Brandner, von Psychopathen wie Wolfgang Gedeon ganz abgesehen, ein massives Akzeptanzproblem der AfD zu liegen. Dies schließt auf Dauer sowohl die Koalitionsfähigkeit als auch Wahlergebnisse jenseits der 15 % aus. Das bedeutet aber auch, daß rein rechnerisch das bürgerliche Lager nur dann eine Chance auf politische Führung in diesem Lande haben kann, wenn es ohne die AfD eigene parlamentarische Mehrheiten, sprich knapp 50 % oder mehr der Wählerstimmen gewinnt. Auch das ist völlig unrealistisch. Die Konsequenz daraus kann nur sein, diesen sogenannten Flügel innerparteilich erfolgreich zurückzudrängen und seine Kandidaten für die Parlamente eben durchgehend nicht zum Zuge kommen zu lassen, sodaß sie sich am Ende frustriert von dieser Partei abwenden. Sie mögen sich dann ja mit den letzten verbliebenen NPD-Anhängern verbrüdern und nach dem vierten Bier Hitler für den Bau der Autobahnen loben, und nach dem sechsten Bier für den Rest. Diesen Weg sind die Delegierten des jüngsten Parteitages der baden-württembergischen AfD erfolgreich gegangen. Figuren wie Räpple und Spaniel fielen regelmäßig durch, im Ergebnis wurde kein einziger Vertreter des sogenannten Flügels in den Landesvorstand gewählt.
Würde indessen der sogenannte Flügel die Partei dominieren, wäre sie für weiteste Teile der deutschen Wählerschaft eben nicht mehr wählbar. Höchstwahrscheinlich würde sie dann ebenso in die Bedeutungslosigkeit abrutschen, wie es bei der NPD der Fall war, die ja dann letztendlich aus diesem Grunde vom Bundesverfassungsgericht trotz offensichtlicher Verfassungsfeindlichkeit mangels Gefahr für die demokratische Ordnung nicht verboten wurde. Ob jedoch der Teil ihrer Wähler, der dann politisch heimatlos würde, bei Union, FDP und Freien Wählern sein Kreuz machen würde, ist fraglich. Zumindest müßten dann vor allem die Unionsparteien ihre Kriegsrhetorik gegen die AfD einstellen, denn diese Rhetorik trifft natürlich nicht nur die Partei, sondern auch ihre Wähler. Wer jedoch etwa von Herrn Söder als „Nazi“ beschimpft wird, wird ihn wohl kaum wählen.
Die Beschädigung der Demokratie
Was wir derzeit erleben, ist eine massive Beschädigung unserer demokratischen Grundlagen. Dabei ist zunächst in gebotener Kürze – in gebotener Kürze, weil dazu schon sehr viel geschrieben worden ist – auf die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten einzugehen. Es ist und bleibt ein massiver Eingriff in das demokratische System und ein leider nicht vor die Gerichte getragener Angriff auf unser Grundgesetz, wenn auf Befehl der nicht zuständigen Bundeskanzlerin ein demokratisch gewählter Ministerpräsident zum Rücktritt genötigt wird. Es ist aber auch eine Beschädigung der Demokratie, wenn eine in allen Parlamenten vertretene, vom hierfür allein zuständigen Bundesverfassungsgericht nicht verbotene, wenn auch in Teilen (Flügel!) nicht verfassungskonforme Partei und damit auch ihre ca. 6 Millionen Wähler in übelster Weise verleumdet werden. Es geht einfach nicht an, selbst Flügel-Politiker mit Hitler und der NSDAP gleichzusetzen. Das tut man jedoch, wenn man diese als „Nazis“ beschimpft. Nota bene ist das auch eine nicht hinzunehmende Verharmlosung des historischen Nationalsozialismus, von dem sich nichts, aber auch gar nichts, in der AfD-Programmatik wiederfindet. Wer etwas anderes behauptet, kennt die Geschichte nicht, oder er lügt. Absolut unerträglich ist es jedoch, wenn der offensichtlich psychopathische Massenmörder von Hanau gewissermaßen auf das Konto der AfD gebucht wird. Zwar findet sich in seinen wirren Äußerungen auch rassistisches Gedankengut, jedoch noch sehr viel mehr an Abstrusitäten. Es geht nicht darum, ob dieser Mann irre oder rechtsextrem war. Er war wohl beides, und ersichtlich hatte er weder Freunde noch Unterstützer. Alle Journalisten und Politiker, die gleichwohl seine Tat als Frucht der AfD-Politik darstellen, sagen vorsätzlich die Unwahrheit. Sie müssen sich demgemäß als Lügner und Verleumder bezeichnen lassen.
Die Diebe rufen „Haltet den Dieb!“
Es geht einfach nicht an, wenn der Vorsitzende der Grünen, und sei es beim politischen Aschermittwoch in Bayern, in Richtung auf die AfD und ihre Sympathisanten poltert: „Fangen wir mit den Nazis an. Bringen wir sie hinter Schloss und Riegel!“ Es geht nicht an, daß Unionspolitiker von Merz bis Söder zwischenzeitlich durchgehend von „Nazis“ sprechen, wenn sie die AfD meinen. Es geht nicht an, daß ein journalistisches Schreiberlein wie ein gewisser Sebastian Pertsch schon am 16.7.2015 auf Twitter formuliert: „Kann man diese rechten Arschlöcher nicht mal ausbürgern, für ein Jahr nach Mali schicken, zurückholen, in ein Asylheim stecken und anzünden?“ Das ist der unverhohlene Aufruf zum Pogrom. Die absolut unchristliche Haltung der Kirchen gegenüber der AfD und ihren Wählern zeigt sich etwa in der Äußerung des Kommunikationsdirektors des Erzbistums Köln, Ansgar Mayer, nach der Bundestagswahl 2017: „Tschechien, wie wär’s: Wir nehmen euren Atommüll, ihr nehmt Sachsen?“ Wie die Verantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Medien denken, zeigt sich daran, daß sie nach wie vor den politischen Sudelexperten Jan Böhmermann gewähren lassen. Dem fiel nach der Landtagswahl 2019 in Sachsen ein: „Das einzige, was dieses Bundesland noch retten kann, ist eine Koalition aus RAF und Royal Air Force.“ Mit RAF ist natürlich die früher zutreffend Baader-Meinhof-Bande genannte Terrorgruppe gemeint, die in den siebziger Jahren eine Blutspur durch Deutschland gezogen hat. Die Erwähnung der Royal Air Force in diesem Zusammenhang kann ja nichts anderes heißen, als nach der Wiederholung der Bombardierung Dresdens am 2. Februar 1945 zu rufen. Hassrede und Hetze sind halt zweierlei, je nachdem ob sie von links oder von rechts kommen. Da nimmt es nicht Wunder, wenn in der Süddeutschen Zeitung vom 6.2.2020 die Frage aufgeworfen wird: „Soll ein Kind Flötenstunden bei einer Musikstudentin bekommen, deren Mutter in der AfD aktiv ist?“ Und da nimmt es nicht Wunder, daß diese von Politik und Medien geschürte Pogromstimmung sich in vielfältigen Angriffen auf Politiker der AfD und deren Familien, sogar Drohungen gegen den gewählten Thüringer Ministerpräsidenten und seine Familie, aber auch in massiven Drohungen gegen Vermieter von Hallen und sonstigen Räumlichkeiten äußert, die ihre Immobilien an die AfD zur Durchführung von Parteitagen vermieten wollen. Deswegen kann der Berliner Landesverband dieser Partei den turnusmäßigen Parteitag mangels Räumlichkeiten nicht durchführen. Wenn das nicht eine Beschädigung der Demokratie ist, ab wann kann man dann davon sprechen?
Was wir wirklich brauchen
Die derzeitige politische Debatte in Deutschland ist hysterisch, neurotisch und mittelfristig geeignet, die Demokratie schwer zu beschädigen. Es ist auf allen Seiten nicht nur verbale Abrüstung, sondern ein Insichgehen und Nachdenken über die Grundlagen unseres Zusammenlebens erforderlich. Politische Gegensätze sind der Demokratie wesenseigen, wie überhaupt unterschiedliche Meinungen auf allen Gebieten normal sind. Befürwortung wie Ablehnung der Asylpolitik unserer Regierung, Befürwortung wie Ablehnung der Europapolitik unserer Regierung, Befürwortung wie Ablehnung der von unserer Kanzlerin unterstützten Geldpolitik der europäischen Notenbank, um nur drei große Bereiche der Politik zu benennen, sollten ebenso als das selbstverständliche Recht eines jeden Teilnehmers an der politischen Diskussion verstanden werden, wie man seinen Arbeitskollegen, Freunden und Nachbarn zubilligt, über das Opernwerk Richard Wagners, den FC Bayern oder die französische Küche unterschiedlicher Auffassung zu sein. Ebensowenig wie es angeht, daß etwa im Sinsheimer Fußballstadion sogenannte Fußball-Fans, die in keinem Stadion der Welt etwas zu suchen haben, sondern in die geschlossene Psychiatrie gehören, Transparente hochstrecken, auf denen der Mäzen der TSG Hoffenheim auf das Übelste beleidigt wird, geht es an, die AfD und damit auch ihre Wähler als „Nazis“ zu beleidigen. Immerhin war der Nationalsozialismus die übelste Periode der deutschen Geschichte. Seine Opfer, auch unter der deutschen Bevölkerung, zählen nach Millionen, sein Schrecken wirkt bis heute nach, weswegen es für den Betroffenen schlimmer ist, als Nationalsozialist verdächtigt zu werden, denn als Kinderschänder. Erst wenn Ruhe eingekehrt ist, und mit jedem, aber auch wirklich jedem Teilnehmer am politischen Diskurs auf Augenhöhe gesprochen wird, erst dann werden wir wieder in einer Demokratie leben, wie sie sich die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes vorgestellt haben.