Recht und Politik – zwei Welten begegnen sich

Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Das ist so in Art. 20 des Grundgesetzes festgelegt. Eine Änderung dieses Grundsatzes, egal mit welcher Mehrheit, ist nach Art. 79 Abs. 3 des Grundgesetzes ausgeschlossen. Ausprägung dieses Grundsatzes ist unter anderem, daß die Richter unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, Art. 97 Abs. 1 des Grundgesetzes.

Die Verfassung lebt

Angesichts der politischen Verwerfungen in unserem Lande erscheint es angebracht, auf diesen tragenden Grundsatz unserer Verfassung hinzuweisen und weiter darauf, daß es sich dabei auch nicht lediglich um hehre Verfassungslyrik handelt, sondern daß dies auch in der Realität so ist. Allerdings muß leider auch gesagt werden, daß die überwiegende Mehrheit der Akteure in Politik und Medien das anders sieht, wenngleich diese Leute es selbstverständlich empört zurückweisen, wenn man ihnen diesen Spiegel vorhält. Denn sie, denen es um nichts anderes als die Macht geht, halten sich gern die Larve der Rechtsstaatlichkeit vor das hässliche Gesicht des Machtmenschen.

Der Brandstifter ruft nach der Feuerwehr

Einer der übelsten Demokratieheuchler dieser Art ist der bayerische Ministerpräsident Söder. Er gehört zu denen, die den politischen Gegner statt mit sachlichen Argumenten zu widerlegen gerne als Rechtsextremisten und damit Verfassungsfeind diffamieren. Das erspart natürlich die politische Auseinandersetzung in der Sache, die ja immer das Risiko in sich birgt, Teile der Wählerschaft eben nicht zu überzeugen und damit dem politischen Gegner den Raum zu geben, der ihm in unserer rechtsstaatlichen Verfassungsordnung zusteht. Dazu gehört auch das Mittel der Übertreibung bis hin zur glatten Lüge. So wird ganz aktuell in Richtung der Leute, die mit den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen von Bund und Ländern aus den unterschiedlichsten Gründen so nicht einverstanden sind, die Warnung ausgesprochen, da könne sich ein „zunehmend aggressiver und sogar gewalttätiger Corona-Mob aus dem Umfeld der AfD“ bilden. Sogar eine Art Corona-RAF. Gerade diesen Begriff muß man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die RAF, seinerzeit auch Baader-Meinhof-Bande genannt, zog in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts eine Blutspur durch Deutschland mit dem Ziel, den demokratischen Rechtsstaat durch eine kommunistische Diktatur zu ersetzen. Solches Gerede kann man als politische Wahnvorstellung einstufen, im vorliegenden Falle muß man es jedoch als eiskalte Taktik und Meinungsmanipulation bewerten. Natürlich darf auch der Sturm von ebenso fanatischen wie dummen Anhängern des abgewählten amerikanischen Präsidenten auf das Capitol in diesem Zusammenhang nicht fehlen. Wenn es den Teufel real nicht gibt, muß er halt an die Wand gemalt werden. Die von den Medien täglich indoktrinierten Bürger werden’s schon glauben.

Mit der Unverfrorenheit des abgebrühten Politikers ruft dieser selbsternannte Verteidiger einer weit und breit nicht angegriffenen Demokratie nach dem Verfassungsschutz, der den Teufel beobachten soll, den er höchstpersönlich gerade eben an die Wand gemalt hat. Daß ihm eine weitestgehend gleichförmig aufgestellte Presse, die eine Gleichschaltung, wie sie in Diktaturen üblich ist, deswegen entbehrlich macht, nicht widerspricht, sondern begeistert zustimmt, gehört leider zur Lebenswirklichkeit unserer Tage. Eine wirklich auch geistig-innerlich freie, gerne auch regierungskritische Presse hatten wir im vor-Merkel’schen Deutschland. Heute haben wir die Propaganda-Abteilungen der Mainstream-Politik.

Nur die Gerichte schützen die Grundrechte

Man kann tatsächlich nur hoffen, daß die Politik nun endlich ihre Drohung wahr macht, die AfD und möglicherweise auch solche diffusen Gruppierungen wie die sogenannte Querdenker-Bewegung förmlich zu beobachten. Denn wenn dann dagegen geklagt wird, hört das dumme Geschwätz auf und die juristische Beurteilung des Sachverhalts beginnt. Das kann ich aus meiner Erfahrung als Anwalt sagen, und führe nachstehend auch Fälle aus meiner Praxis auf. Die Gerichte werden dann die Einschätzung der Verfassungsschutzbehörden überprüfen, ob die jeweils als Verdachtsfall einer verfassungsfeindlichen Organisation beobachtete Partei oder Gruppe tatsächlich verfassungsfeindliche Aktivitäten betreibt oder nicht. Nur das würde die Beobachtung durch den Verfassungsschutz rechtfertigen, denn nur dann sieht das Gesetz dies auch vor. Die Meinung des politisch Andersdenkenden indessen ist insoweit ohne Belang. Selbst die Kritik an einem Bestandteil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung muß als bloße Kritik unberücksichtigt bleiben. Anders ist es nur dann, wenn diese Kritik verbunden ist mit der Ankündigung konkreter Aktivitäten zur Beseitigung dieses Verfassungsgrundsatzes oder mit der Aufforderung zu solchen Aktivitäten. Weiteres qualifizierendes Merkmal der Bestrebung in diesem Sinne ist das Hinzutreten finalen Handelns (Agitation, vorbereitende Handlungen, Gewalttaten). Bestrebungen gehen über politische Meinungen hinaus, da allein die Gesinnung des politisch Andersdenkenden den Verfassungsschutz nicht zu interessieren hat.

Aus der aktuellen Rechtsprechung

Das ist auch nicht etwa bloß meine private Rechtsauffassung, sondern das hat das Verwaltungsgericht München in einem Urteil vom 17.07.2020 so formuliert. Mit dieser Entscheidung hat es den bayerischen Verfassungsschutz in seine Schranken gewiesen. Dieses Amt hat – sicher nicht ohne politischen Einfluß – einen Verein, der sich mit zeitgeschichtlichen Themen befaßt, als „geschichtsrevisionistisch“ und damit auch rechtsextremistisch eingestuft, beobachtet und dies auch in seinem Verfassungsschutzbericht so veröffentlicht. Die Rechtsfindung erfolgte in diesem Falle ausschließlich auf der Grundlage offener Quellen, also ohne Auswertung von Informationen, die nur mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlangt werden können. Es gibt eben einen himmelweiten Unterschied zwischen politisch nicht genehmen Meinungen einerseits und verfassungsfeindlichen Umtrieben andererseits. Hier greift eben der Grundsatz der Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 des Grundgesetzes. Der Schutz dieses Grundrechts wird, wie auch eine Reihe von anderen Fällen in den letzten Jahren zeigen, ausschließlich von den Gerichten gewährleistet. Gerade weil sie die verfassungsrechtlich garantierte Unabhängigkeit besitzen, sind sie in der Lage, Entscheidungen zu fällen, die der Politik nicht gefallen, und tun es auch.

Es muß also in jedem Falle vom Gericht geprüft werden, ob von der Organisation, die gegen ihre Beobachtung durch den Verfassungsschutz klagt, tatsächlich Bestrebungen zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung ausgehen. Bloß vom politischen Mainstream abweichende Meinungen indessen können niemals die Einstufung als verfassungsfeindliche Organisation rechtfertigen. Denn, wie gesagt, allein die Gesinnung des politisch Andersdenkenden hat den Verfassungsschutz nicht zu interessieren.

Von den kleinen Schmutzeleien

Wie bedenkenlos die herrschende politische Klasse bereit ist, geltendes Recht zu brechen, um auf diesem Wege die politische Arbeit der verhassten Konkurrenz zu behindern, zeigen auch aktuelle Entscheidungen der bayerischen Verwaltungsgerichte zum Kommunalverfassungsrecht. Nach den Kommunalwahlen in Bayern stand jeweils die Konstituierung der Gemeinde- und Kreisräte an. Wie auch in den Bundes- und Landesparlamenten gibt es dort Ausschüsse, die teilweise nicht nur Beschlüsse der Gemeinderäte vorbereiten, sondern als beschließende Ausschüsse an deren Stelle treten. Die AfD, die nun im politischen System unseres Landes die Rolle des Parias besetzt und von den übrigen Parteien ausgegrenzt wird wie ein Pestkranker, diese Partei hatte in vielen Städten, Gemeinden und Landkreisen Mandate errungen.

Die Kommunalpolitiker der etablierten Parteien in den Kommunalparlamenten nahmen sich dann ein Beispiel an ihren großen Vorbildern aus dem Deutschen Bundestag, die ja bis heute entgegen parlamentarischem Brauch der AfD den Posten eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages verweigern. Mit diversen Geschäftsordnungstricks stellte man sicher, daß den Vertretern jener Partei mit dem höllischen Schwefelgeruch kein Sitz in den Ausschüssen zufiel. Dabei war man durchaus phantasievoll. Ansonsten politisch sich spinnefeind gegenüberstehende Kleinstparteien bildeten sogenannte Ausschussgemeinschaften, die dann zahlenmäßig vor den Jüngern Luzifers rangierten, und so die entscheidenden Ausschußsitze besetzen konnten. Daß die jeweiligen Wähler sich eine solche Kumpanei bei der Wahl nicht hatten träumen lassen, hatte dabei natürlich keine Rolle zu spielen. Eine weitere Stellschraube am Manipulationsapparat ist das Zählverfahren, von denen es drei gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. In einem Falle verstieg man sich sogar dazu, zwei verschiedene Zählverfahren je nach zu besetzendem Gremium anzuwenden, alles mit dem ganz offen kommunizierten Ziel, diesen angeblichen Antidemokraten den Einzug in die Ausschüsse der Kommunalparlamente zu verwehren, was natürlich deren politische Arbeit und damit einhergehend, deren Wahrnehmung als Politiker in der Öffentlichkeit erheblich beeinträchtigt.

Wie der Herr, so das Gescherr

Natürlich waren auch die Parteisoldaten des selbsternannten Feldherrn im Krieg gegen den erklärten Verfassungsfeind, Generalfeldmarschall Markus Söder, tschädderedäng, hier an vorderster Stelle zu finden. Indessen riefen die Jünger des Satans die Verwaltungsgerichte an und fanden dort auch je nach Sach- und Rechtslage Gehör. Die in der Geschäftsordnung des Gemeinderats getroffenen Organisations- oder Verfahrensregelungen sind nämlich nach allgemeiner Auffassung der Gerichte willkürlich und daher unzulässig, wenn sie sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richten und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgen, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten. Auch das ist ein Zitat aus einer Entscheidung eines bayerischen Verwaltungsgerichts.

Die Parteisoldaten des Herrn Söder und seiner Kollegen aus der politischen Oberklasse unseres Landes müssen sich jetzt zum Beispiel in Nürnberg wohl oder übel mit der Sachpolitik ihrer „Schmutzkonkurrenz“ auseinandersetzen und den Bürgern dieser Stadt jeweils im einzelnen erläutern, warum ihre eigenen politischen Rezepte besser sind als die jener Satansjünger. Man nennt das auch Demokratie.

Videant iudices (frei übersetzt: die Richter sollen sehen und entscheiden)

Derartiges sollte sich auch herumsprechen. Denn es ist zum einen wichtig, daß die Bürger unseres Landes weiterhin Vertrauen in den Rechtsstaat setzen können. Nichts kann dieses Vertrauen mehr stärken, als Entscheidungen der Gerichte, die der politisch motivierten Willkür Einhalt gebieten. Und es ist zum anderen wichtig, daß die Grundlagen unserer Demokratie nicht zur Disposition der Politik stehen, sondern unter dem Schutz der unabhängigen Gerichte.



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