Immer wenn du meinst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her. Diese treuherzige Volksweisheit meinte ja damals, als die Worte noch so verstanden wurden, wie sie ohne Interpretation, genauer, Hineingeheimnissen, gemeint und zu verstehen waren, die Hoffnung, ja Lebenserfahrung, daß selbst aussichtslos erscheinende Situationen letztendlich im Guten aufgelöst werden würden. Recht war eben Recht, Unrecht war eben Unrecht. Regierung, Polizei und Verwaltung arbeiteten verlässlich daran, daß Schaden von den Bürgern des Landes abgewendet wurde. Doch Lummerland ist abgebrannt. Der gute alte Vater Staat hat abgedankt. An seine Stelle ist der Leviathan des Staatsphilosophen Thomas Hobbes getreten. Er will unser Denken und Tun bestimmen. Was er nicht will, sind freie Bürger. Was er will, ist die Unterwerfung unter seinen Willen und den Gruß seines Gesslerhuts. Wie anders soll man die folgenden Nachrichten aus dem Staate Absurdistan verstehen?
3,4 cm Terrorgefahr
Bekanntlich hat unsere fantastische Innenministerin unter dem Eindruck der tödlichen Messerattacke eines Islamisten in Mannheim Messerverbotszonen in den deutschen Innenstädten eingeführt. Offenbar sind demnach die Polizeibeamten angewiesen, auch das Mitführen von kleinen Schweizer Messern mit einer Klingenlänge von 3,4 cm als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen und natürlich diese furchterregenden Mordwerkzeuge zu beschlagnahmen. Offensichtlich ist in der Ausführungsverordnung nicht nach Klingenlänge differenziert worden, wie das ansonsten allgemein im Waffenrecht der Fall ist. Gewöhnliche, nicht zu arrentierende Taschenmesser und feststehende Messer bis zu einer Klingenlänge von 12 cm dürfen außer in den sogenannten Messerverbotszonen überall mitgeführt werden. Der Schutz der Bevölkerung vor messerschwingenden Islamisten indessen gebietet wohl, auch solche Messerchen unter das Mitführungsverbot fallen zu lassen, von denen nicht einmal in den Händen eines Terroristen wirklich eine Gefahr ausgehen kann. Jeder Spazierstock ist in den Händen eines entschlossenen Täters gefährlicher, als solche Federmesser, mit denen man zwar Briefe öffnen, aber nicht einmal problemlos Orangen schälen kann.
Glauben Sie nicht? Derzeit geht ein Video vom Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen viral durch das Internet. Dort kann man sehen, wie eine Polizeistreife eine ältere Dame anhält und auffordert, einen Blick in ihre Handtasche werfen zu können, um eventuell mitgeführte Waffen festzustellen und zu beschlagnahmen. Tatsächlich findet sich in der Handtasche ein kleines Schweizer Messer. Der Polizeibeamte stellt auch fest, daß die Klinge etwa so lang ist wie ein kleiner Finger. Allerdings muß er die Dame darüber belehren, daß sie damit gegen das Messerverbot an diesem Ort verstoßen hat. Das Messer muß er leider beschlagnahmen und der Dame überdies ankündigen, daß sie demnächst einen Bußgeldbescheid in ihrem Briefkasten vorfinden wird.
Ich selbst habe vor kurzem Gelegenheit gehabt, die Handhabung des Messerverbots durch die bayerische Polizei überprüfen zu können. Letzte Woche war ich mit meiner Frau in der Stadt, um Weihnachtseinkäufe zu erledigen. Spontan wollte sie dann noch auf den Christkindlesmarkt. Wie man weiß, ist auch dieser Bereich in Nürnberg Messerverbotszone. Nun hängt an meinem Schlüsselbund die Miniaturausführung des Schweizer Messers mit einer Klingenlänge von immerhin 3,4 cm. Ich konnte mir also vorstellen, daß die Polizei angewiesen ist, auch solche Mordwaffen zu konfiszieren und wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz ein Bußgeldverfahren gegen den Besitzer einzuleiten. Also sprach ich die vor dem Weihnachtsmarkt diensthabenden Polizeibeamten an und zeigte ihnen meinen Schlüsselbund mit dem kleinen Schweizer Messer vor, verbunden mit der Frage, ob ich dieses Messer auf den Christkindlesmarkt mitnehmen dürfe, oder aber die Beamten freundlicherweise bereit wären, dieses Messer während meines Besuchs auf dem Christkindlesmarkt in ihre Obhut zu nehmen. Das bejahten die Beamten recht freundlich, wobei man ihnen ansah, was sie von dieser Vorschrift hielten.
Natürlich ist es völlig klar. Der Gewinn an an innerer Sicherheit dieses unterschiedslose Verbotes für uns von Messern aller Art in bestimmten Bereichen ist glatt null. Abgesehen davon, daß die Einhaltung dieser Vorschrift durch die Bevölkerung praktisch nicht kontrolliert werden kann, geht von einem Großteil der davon betroffenen Messer keinerlei ernsthafte Gefahr aus. Es wäre auch jedem Juristen, schon dem blutigsten Berufsanfänger, durchaus möglich eine derartige Vorschrift mit der nötigen Differenzierung zu versehen. Man müsste nur die Länge der Klinge in die Vorschrift schreiben, etwa 12 cm aufwärts. Das ist auch für jeden Polizeibeamten mit Leichtigkeit zu überprüfen. Notfalls führt er eben einen Maßstab von der erlaubten Länge mit sich, den er kurz an die Klinge des zu begutachtenden Messers hält. Warum im Übrigen die eingangs besagte ältere Dame kontrolliert wurde, hat natürlich den Hintergrund, daß Polizeibeamte in solchen Situationen sich dem Vorwurf des sogenannten racial profiling aussetzen, wenn sie solche Menschen überprüfen, die eben so aussehen, wie derartige Attentäter aus dem vorderen Orient eben im Allgemeinen aussehen. Also kontrollieren wir erst einmal drei ältere Damen mit offensichtlich biodieutschem Aussehen, und erst dann schauen wir uns einen jungen Mann von orientalischem Aussehen an.
Majestätsbeleidigung 2.0
Der Leviathan ist nicht nur allgewaltig. Er regelt nicht nur alle Lebensbereiche. Er ist auch außerordentlich ehrpusselig. Der nun unrühmlich im Meer der bundesdeutschen Geschichte versunkenen Ampelkoalition war es vorbehalten, die moderne Version der Majestätsbeleidigung unter Strafe zu stellen. Sie führte 2021 eine Änderung des § 188 StGB ein, wonach nicht nur wie bisher unwahre und ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über Inhaber politischer Ämter strafbar sind, sondern auch bloße Beleidigungen, dazu noch zum Schutze völlig bedeutungsloser Politiker wie etwa Gemeinderäte. Es bedarf für die Strafverfolgung nicht einmal eines Strafantrages seitens des Verletzten. Vielmehr ist auch eine an sich harmlose, jedoch möglicherweise verletzende Äußerung über einen einfachen Gemeinderat, von Ministern ganz zu schweigen, von Amts wegen durch Polizei und Staatsanwaltschaften zu verfolgen und vor Gericht zu bringen. Das ist eben der juristische Hintergrund von „Habeck-Gate“ bzw. der sogenannten Schwachkopf Affäre. Offensichtlich sind die Staatsanwaltschaften auch angewiesen, hier auch bis in den Bagatellbereich hinunter alles zu verfolgen, was an Unbotmäßigkeiten dieser Art bekannt wird. Und offensichtlich entblöden unsere Politiker sich letztlich auch nicht, bloße Geschmacklosigkeiten strafrechtlich verfolgen zu lassen.
Die Weiterverbreitung des sogenannten Schwachkopf-Memes durch einen unterfränkischen Rentner hat ja sogar dazu geführt, daß das Amtsgericht Bamberg auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bamberg einen Durchsuchungsbeschluss gegen den Mann erlassen hat, der dann auch nach allen Regeln der polizeilichen Kunst ausgeführt wurde, natürlich morgens um 6:00 Uhr. Und vor kurzem ist bekannt geworden, daß auf den Strafantrag der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern ein Strafbefehl gegen einen Ingenieur erlassen worden ist, der diese fantastische Politikerin in einer an sie gerichteten E-Mail Märchenerzählerin genannt und ihr vorgeworfen hat, den Menschen dummes Zeug zu verkaufen. Im Strafbefehl wurde eine Geldstrafe in Höhe von immerhin 3.000,00 € festgesetzt. Weil der gute Mann nicht formgerecht Einspruch dagegen eingelegt hatte, wurde der Strafbefehl auch rechtskräftig. Und weil der „Täter“ nicht zahlen wollte, wurde er an seinem Arbeitsplatz verhaftet und zur Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Tagen in eine JVA verbracht. Anschließend, wenig überraschend, verlor er auch seinen Job.
Was wird hier bezweckt?
Was mich als Rechtsanwalt angesichts dieser Fälle schon die Augenbrauen hochziehen und die Stirn in Falten legen lässt, ist die offensichtliche Unprofessionalität der beteiligten Staatsanwälte und Richter. Wir haben eigentlich alle das gleiche im Studium gelernt. Auch § 188 StGB, der Tatbestand der Majestätsbeleidigung unserer Zeit, setzt zunächst einmal das Vorliegen einer Beleidigung im Sinne von § 185 StGB voraus. Dieser Tatbestand ist ganz sicher in den Fällen der sogenannten Formalbeleidigung von der Qualität des „berühmten“ A-Worts gegeben. Sowohl die Märchentante als auch der Schwachkopf erfüllen diesen Tatbestand bei weitem nicht. Wenn derartiges gleichwohl von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen und ein Haftbefehl beim zuständigen Amtsgericht beantragt wird, dann kann dies nur auf einer Weisung von ganz oben beruhen, wonach jegliche harsche Kritik an Politikern, gleichgültig ob Formalbeleidigung oder nicht, eben zu verfolgen ist. Und es gibt dann offensichtlich auch Richter, die dies entweder unbesehen durchwinken oder zumindest innerlich nicht ganz unabhängig sind, und sei es nur mit dem Hintergedanken des persönlichen Fortkommens. Natürlich wird jeder der beteiligten Richter und Staatsanwälte diesen Verdacht entrüstet von sich weisen, und jeder Justizminister entrüstet darauf hinweisen, daß wir schließlich in einem Rechtsstaat leben. Wirklich?
Der Unterschied zwischen einem Souverän und einem Kleingeist
Angesichts der Böhmermann/Erdogan Affäre wurde in Deutschland vielfach zu Recht verlangt, eine so antiquierte Strafvorschrift wie den § 188 StGB auch in der damaligen Form ersatzlos zu streichen. Die Majestätsbeleidigung sei eben doch ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Wie wir wissen, fand das in Berlin keinen Widerhall. Vielmehr wurde der Tatbestand der Majestätsbeleidigung erheblich ausgeweitet. Die Weisheit der seinerzeitigen Ampelkoalition hat nun jedem Amtsträger vom Gemeinderat bis zum Bundespräsidenten ein wenig Majestätsgefühl beschert. Und das wird offenbar freudig angenommen und „Riesenpolitiker“ (Franz Josef Strauß über Jürgen Möllemann) wie Agnes Strack-Zimmermann, Robert Habeck, Annalena Baerbock und Manuela Schwesig treten Lawinen von Strafanträgen über Deutschland los. Ein wirklicher Souverän im Wortsinn geht mit Schmähungen seiner Person anders um. Friedrich der Große gibt uns Beispiel und Maßstab. Es wurde ihm eines Tages von seinen Höflingen zugetragen, daß an den Ästen der Alleebäume der Prachtstraßen in Berlin Plakate voller Schmähungen des Königs hingen. Und sie erbaten seine Befehle, was nun zu geschehen habe. Zu ihrem großen Erstaunen verfügte der König knapp: „Niedriger hängen!“ Ja, warum denn, fragten die Höflinge. Die Antwort des Königs: „Damit sich die Leute nicht so die Hälse verrenken müssen.“
Der Abstand zwischen einem wirklichen Souverän, der eben auch souverän handelt, und bundesrepublikanischen Politikern unserer Zeit könnte nicht größer sein. Wir sollten uns indessen daran erinnern, daß der Souverän unseres Landes das Volk ist, und die sich als souverän wähnenden Politiker unsere Diener sind. Vielleicht spricht sich das auch noch bei unseren Gerichten herum. Art 20 GG wird ja nun im Jurastudium eingehend behandelt. Fazit für heute: Wir haben immerhin ein Gleichgewicht. Fachliche Unfähigkeit und fehlende Souveränität halten sich bei der Mehrheit unserer Politiker die Waage.
Armes Deutschland!