Die fränkische Universitäts- und Siemensstadt Erlangen kann man getrost als wohlhabendes, bildungsbürgerliches und deswegen links-grünes Biotop betrachten. Wenig überraschend wird sie von einem SPD-Oberbürgermeister mit der Unterstützung eines mehrheitlich links-grünen Stadtrates regiert. Darauf kommen wir noch zurück. Nun wurde im Stadtrat am 16.1.2025 der Haushalt für das laufende Jahr behandelt und letztendlich beschlossen. Dazu leisteten jeweils die Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen einen Redebeitrag. So auch für die AfD der Stadtrat Siegfried Ermer. Natürlich werden in einer derartigen Rede grundsätzliche Dinge angesprochen, in diesem Falle auch eine Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der SPD in der Haushaltsrede des vergangenen Jahres, wonach es sich bei der AfD angeblich um eine „offen nationalsozialistische Partei“ handele. Nicht fehlen durfte dann auch die Behandlung der unsäglichen Correctiv-Recherche über das angebliche Geheimtreffen finsterer rechter Gesellen in Potsdam. Herr Ermer erlaubte sich dann darauf hinzuweisen, daß es in einer Demokratie eine demokratische Rechte wie eine demokratische Linke gebe. Was die NSDAP angehe, als deren Nachfolger im Geiste seine Partei von dem Fraktionsvorsitzenden der SPD diffamiert worden war, erlaubte sich der Stadtrat Ermer dann den Hinweis auf die Selbstzuschreibung führender Nazis eine linke Partei zu sein, zum Beispiel seitens Joseph Goebbels, und zitierte aus der Gauzeitung der Berliner NSDAP vom 6.12.1931: „Der Idee der NSDAP entsprechend sind wir die deutsche Linke. Nichts ist uns verhasster als der rechtsstehende nationale Besitzbürgerblock.“ Das führte zu nachgerade hysterischen Reaktionen bei den anderen Parteien, die geschlossen den Sitzungssaal verließen und der Aussage des Oberbürgermeisters Florian Janik, derartige Nazi-Parolen werde er auf keinen Fall dulden. Na jka, Linke haben es nicht so mit der Meinungsfreiheit, außer mit ihrer eigenen.
Tatsächlich deutet ja schon der Name „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei“ auf einen sozialistischen Bestandteil der Parteiideologie hin. Bereits das 25-Punkte-Programm der NSDAP vom 24.2.1920 enthält eine Reihe von Punkten, die man nicht anders als sozialistisch bezeichnen kann, etwa „Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens. Brechung der Zinsknechtschaft!“ Oder „wir fordern die Verstaatlichung aller (bisher) bereits vergesellschafteten (Trust) Betriebe. „Gemeinnutz vor Eigennutz“. Zwar sah Hitler zweifellos im „Bolschewismus“ seinen Hauptgegner. Jedoch rühmte er sich, die „Reaktion“, also die bürgerlich-aristokratischen und nationalkonservativen Kräfte nicht weniger erfolgreich beseitigt zu haben als die „Rotfront“. Die Nazis betrachteten den Kapitalismus, den sie mit dem Liberalismus, der Demokratie und dem sogenannten Finanzjudentum assoziierten, als ihren Gegner. Daß die eliminatorische Rassenideologie das prägende und von anderen Ideologien unterscheidende Element des Nationalsozialismus war, ist natürlich unstreitig. Indessen waren die gesellschaftspolitischen Vorstellungen Hitlers und seiner Anhänger gleichmacherisch, also sozialistisch.
Daß Hitler vor und während des Krieges sich die sogenannten Ruhrbarone als Träger der Kriegswirtschaft nutzbar machte, steht nicht wirklich im Widerspruch dazu. Denn offensichtlich benutzte er diese „Kapitalisten“ einfach nur für seine Zwecke. Die Auffassung, daß die Nationalsozialisten eben auch tatsächlich nicht nur nach ihrer Selbstzuschreibung, sondern nach ihren gesellschaftspolitischen Vorstellungen (auch) Sozialisten gewesen seien, ist keineswegs eine rechte Verschwörungstheorie, wie die halbgebildeten Flachdenker im Erlanger Stadtrat meinen. Vielmehr hat etwa Arnulf Baring, der über jeden Verdacht, ein Rechtsextremer zu sein, Zeit seines Lebens erhaben war, dies immer wieder vertreten. Und auch der britische Historiker Brendan Simms, der 2019 eine vorzügliche Hitlerbiographie vorgelegt hat, betätigt in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung am 15.2.2022 genau diese Einschätzung.
Der Vorfall im Erlanger Stadtrat am 16.1.2025 wirft ein Schlaglicht auf das Verständnis der nur nach ihrer Selbstzuschreibung Demokraten von Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit nach unserem Grundgesetz. Schon der Ansatz einer differenzierten Darstellung muß unterbunden werden. Dabei spielt es keine Rolle, daß es selbstverständlich auch nicht strafbar ist, einen Autor wie Joseph Goebbels zu zitieren, um eine politische Einschätzung der NSDAP zu begründen. Daß dies natürlich fernab der einschlägigen Vorschriften im Strafgesetzbuch einzuordnen ist, spielt natürlich auch keine Rolle.
Wenn man aber weiß, daß der Oberbürgermeister Florian Janik offensichtlich ein, sagen wir einmal, etwas gebrochenes Verhältnis zu Recht und Gesetz hat, dann kann man den Vorgang einordnen. Diesem Spezialdemokraten hat das Verwaltungsgericht Ansbach zweimal hintereinander untersagen müssen, in seiner amtlichen Eigenschaft über die AfD herzuziehen. Das hat seinen Furor im Kampf gegen die vermeintlichen Epigonen der NSDAP nicht zu dämpfen vermocht. Zum einen hat er, wie gesagt, ein Jahr nach der ersten Verurteilung zur Unterlassung solcher Diffamierungen in amtlicher Eigenschaft erneut, diesmal sogar im Internet, die AfD diffamiert. Nachdem ihm dies vom Verwaltungsgericht verboten worden war, löschte er nicht umgehend diesen Eintrag auf seiner Internetseite, sondern ließ ihn noch tagelang stehen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof setzte dann auch wegen dieser hartnäckigen Missachtung eines gerichtlichen Verbots ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € gegen die Stadt Erlangen fest. Denn nach der Rechtslage in Bayern haftet eben die Gemeinde für derartige Eskapaden ihres Bürgermeisters. Auch für die in solchen Prozessen angefallenen Kosten. Die Erlanger Steuerzahler haben allen Grund, sich bei ihrem famosen Oberbürgermeister zu bedanken.
Wir fassen zusammen: Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistet die Meinungsfreiheit. Danach kann jeder allen Orts und zu jeder Zeit sagen, was er auch immer will, solange er nicht gegen die Strafgesetze verstößt. Dieses Grundrecht ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für eine Demokratie schlechthin konstituierend. Den rechtlich völlig unbedenklichen Redebeitrag in einer Gemeinderatssitzung abzuschneiden, zeugt von einer erheblichen Fehlvorstellung des betreffenden Oberbürgermeisters von Demokratie und Recht.
Was noch schwerer wiegt, ist daß die Presse in ihrer Berichterstattung ausschließlich die Sichtweise des Spezialdemokraten Janik zugrunde gelegt hat, über die Hintergründe und die Rechtslage jedoch kein Wort verloren hat. Vielmehr hat man den Vorgang begeistert für den allfälligen „Kampf gegen rechts“ instrumentalisiert. Die regionale Presse tat sich hier natürlich besonders hervor. Die offenbar für Erlangen im allgemeinen und die dortige AfD im besonderen zuständige Reporterin zeichnet sich nicht nur dadurch aus, daß sie offenbar die Fähigkeit besitzt, über Vorgänge zu berichten, bei denen sie nicht anwesend war. Vielmehr kann man ihr einen besonders ausgeprägten Furor im Kampf gegen die AfD bescheinigen. Angesichts der von ihrem Verlag propagierten Haltung kann man wohl pronostizieren, daß ihr Arbeitsplatz dort sehr sicher ist.