Heute, am 1. Dezember 2018, hat George Bush sen. das Zeitliche gesegnet. Wir Deutschen verdanken ihm und Michail Gorbatschow die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Insbesondere George Bush sen. hat sich damals gegen die beiden anderen westlichen Siegermächte Frankreich und Großbritannien durchgesetzt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, daß die Sowjetunion unter Gorbatschow nach offizieller Beendigung des Kalten Krieges keine Einwände dagegen hatte, daß sich die Bundesrepublik Deutschland und der Satellitenstaat der Sowjetunion namens DDR vereinigten. George Bush sen. indessen war der Überzeugung, daß damit nur zusammenwachsen würde, was zusammen gehört, um das berühmte Wort Willy Brandts zu zitieren. Daß dies aber auch zum Nutzen und Frommen seines Landes geschehen werde, war jeoch das ganz natürliche Motiv seiner Entscheidung, diese Entwicklung zu fördern.
Anders indessen François Mitterrand und Margret Thatcher. Beide kamen mental wie intellektuell aus den Schützengräben der beiden Weltkriege nicht heraus. War es im Falle Frankreichs die jahrhundertelange Rivalität zwischen den Erben Karls des Großen, die mit der Teilung des Reichs in den Verträgen von Verdun 843 n.Chr. begonnen hatte, so war es im Falle Großbritanniens die jahrhundertelang gepflegte Politik des British Empire auf dem Kontinent, wonach es im vitalen Interesse Großbritanniens lag, dort keine Macht so stark werden zu lassen, daß sie in der Lage wäre, Großbritannien ihre Bedingungen zu diktieren (Winston Churchill). Die einzige Macht auf dem Kontinent, die dazu potentiell in der Lage war, das war über die Jahrhunderte Deutschland, insbesondere in der Form der staatlichen Einigkeit des deutschen Sprachraumes.
Und so wollte Margret Thatcher ihr Veto gegen die Wiedervereinigung Deutschlands einlegen, das doch weder völkerrechtlich noch machtpolitisch begründbar war. François Mitterrand war etwas klüger und knüpfte seine Zustimmung letztendlich daran, daß Deutschland als Wirtschaftsmacht durch die Einführung des Euro seine nationale Handlungsfreiheit aufgeben würde. Doch sowohl Frankreich als auch Großbritannien übersahen dabei, daß auch sie selbst durch die Mitgliedschaft in EU und NATO schon längst ihre Eigenständigkeit verloren hatten, von dem Großmachtstatus, den sie noch vor dem Ersten Weltkrieg hatten, ganz abgesehen. Denn mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 und der russischen Oktoberrevolution im gleichen Jahr, die aus dem bis dato rückständigen Zarenreich eine aggressive Weltmacht werden ließ, verschwand die Weltmachtstellung europäischer Staaten. Insofern muß das Verhalten Mitterrands und Thatchers als nostalgische Theatervorstellung eingeordnet werden.
George Bush sen. indessen hatte erkannt, daß ein wiedervereinigtes Deutschland in der Weltordnung nach dem Kalten Krieg für die USA eine wichtige Rolle spielen konnte. Ein wirtschaftlich starkes, politisch stabiles, militärisch jedoch via NATO unter Kontrolle der USA stehendes Deutschland mit über 80 Millionen Einwohnern war im Interesse der USA. Wirtschaftlich als Absatzmarkt, politisch als beeinflußbarer und daher verlässlicher Verbündeter und militärisch als Truppensteller. Nicht naiver Altruismus, sondern kühles politisches Kalkül ließ George Bush sen. seine Entscheidung für die Wiedervereinigung Deutschlands treffen. Damit zeigte er sich als Realpolitiker im Sinne von Charles de Gaulle, der wie andere große europäische Politiker vor ihm die Maxime beherzigte: Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen.
Requiescat in pace!
Lieber Herr Thesen,
wir verdanken die Wiedervereinigung Helmut Kohl, Präsident Bush und letztlich auch Gorbatschow, der jedoch mit dem Rücken an der Wand stand und kaum Spielraum hatte. Wichtig war die NATO-KONFERENZ in London, in der Bush Thatcher und Mitterrand dazu brachte, der deutschen Einheit zuzustimmen. Es geht nicht nur um Interessen, Bush sah die deutsche Einheit auch empathisch, alles nachzulesen in Sternstunde der Diplomatie von Zelikow und Rice. Ihr Nachruf bleibt unvollständig, solange nicht in einem historischen Vergleich zwischen dem großen Präsidenten Bush und dem charakterloser, unfähigen Rüpel Trump auf den desaströsen Niedergang der US – Administration eingegangen wird. Trump zerstört auch alles, was Bush am Herzen lag, auch und vor allem eine kofliktfreie Zusammenarbeit mit Deutschland.
Schade, dass Sie 2019 nicht in Russland dabei sind.
Besten Gruß Ihr K.Wiegner
Lieber Herr Wiegner,
ich habe bewußt in diesem Nachruf davon abgesehen, George Bush sen. mit einem seiner Vorgänger oder Nachfolger zu vergleichen. Denn ich denke, daß der Verstorbene in seinem Nachruf alleine stehen soll. Seine Taten werden gewürdigt, oder, wenn es denn sein muß, kritisiert oder gar verurteilt. Als Deutscher habe ich mich auch auf seine herausragende Leistung zu unserem Vorteil beschränkt. Seine sonstigen Erfolge oder auch Mißerfolge sollen seine Landsleute beurteilen, ihnen steht das zu. Es mag sein, daß er die Deutschen geschätzt hat, vielleicht sogar eine Prise Bewunderung für ihre Aufbauleistung nach dem Krieg und ihre kulturellen Leistungen über die Jahrhunderte dabei war. Indessen durfte er sich davon bei seinen großen politischen Entscheidungen nicht leiten lassen. Wir alle müssen doch dann, wenn wir Verantwortung für das Ganze tragen, und sei es nur ein winziges Quentchen, ausschließlich sachlich urteilen und entscheiden. Wenn dann einmal die Entscheidung auch gemäß unserer Empathie oder Antipathie ausfällt, dann kann dabei auch ein Glücksgefühl entstehen. So mag es bei George Bush sen,. gewesen sein, als er sich dafür entschied, Helmut Kohl bei seinen Bemühungen um die Wiedervereinigung Deutschlands zu unterstützen.
Beste Grüße nach Hamburg
Ihr
Rainer Thesen