Professor Matthias Jahn gehört zu den angesehenen und bekannten Strafrechtslehrern in Deutschland. Und deswegen hat das Juristenportal LTO mit ihm über den angeblichen Hitlergruß des amerikanischen Multimilliardärs Elon Musk gesprochen, der derzeit die Gemüter vor allem in der linken Filterblase der deutschen Gesellschaft erhitzt. Anlass war der neueste Klamauk der für ihre zumeist geschmacklosen und häufig strafbaren Aktionen bekannten Gruppe, die sich „Zentrum für politische Schönheit“ nennt. Diese Zeitgenossen hatten ein Foto, das Herrn Musk mit schräg zur Seite ausgestrecktem Arm zeigt, auf ein Gebäude seiner Tesla-Fabrik in Brandenburg projiziert, und vor dem Firmennamen auch das Wort „Heil“ auf diese Weise plaziert, so daß nun dort zu lesen war: Heil Tesla“. Ersichtlich wollen diese fanatischen Kämpfer gegen rechts den ihnen verhassten Unternehmer Musk als Sympathisanten des Nationalsozialismus denunzieren.
Der Schnellschuss des Professors
LTO Interessierte nun, ob sich die Beteiligten, vor allem Herr Musk, hier wegen Verstoßes gegen § 86a StGB strafbar gemacht haben können, eine Strafvorschrift, die unter anderem das Zeigen des sogenannten Hitlergrußes mit Geld- bzw. Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bedroht. Nach Sachlage könnte der Vorgang für die Akteure des sogenannten Zentrums für politische Schönheit durchaus diese Konsequenz haben. Indessen war von größerer Bedeutung offenbar die Frage, inwieweit sich Herr Musk nach dieser Vorschrift strafbar gemacht haben könnte. Denn das interessiert sowohl das durchaus im links anwerfenden Mainstream schwimmende Juristenportal als auch offenbar den Herrn Professor. Nachstehend ein Ausschnitt aus dem Interview:
Hat Elon Musk denn einen Hitlergruß gezeigt? Er sagte vorher „my heart goes out to you“ und behauptet, mit der Armbewegung dem Publikum nur sein Herz zugeworfen zu haben.
Was Musk behauptet, würde ein deutscher Strafrichter wohl als Schutzbehauptung verbuchen. Typischerweise lassen sich Beschuldigte dahingehend ein, das sei ja gar nicht so gemeint, sondern von den Zuschauern falsch verstanden. Es ist hier eindeutig zu sehen, dass Musk seine rechte Hand zum sogenannten deutschen Gruß erhebt. Hier haben die Gerichte schon vielfach entschieden, dass das unter § 86a StGB fällt.
Die kenntnisfreie Beurteilung des Sachverhalts
Interessant ist, daß Matthias Jahn in diesem Interview einräumt, den Bericht über den Auftritt von Herrn Musk vor seinen Anhängern, der ihn dabei zeigt, wie er die rechte Hand auf sein Herz legt und dann dann mit einer schwungvollen Geste weg nach rechts oben bis nahe zur Streckung des Arms seitwärts führt, was offensichtlich den theatralischen Worten: „Mein Herz geht hinaus zu euch“ die dazu passende Geste folgen lässt, nicht gesehen zu haben, sondern nur ein Foto. Das ist nicht nur interessant, sondern so bemerkenswert wie bedenklich. Herr Professor Jahn ist zweifellos ein herausragender Strafrechtler, aber eben Wissenschaftler. Seine strafrechtlichen Schriften sind lesenswert. Das ist aber Wissenschaft, und nicht Strafrechtspraxis. Der praktisch in der Justiz tätige Jurist, Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter, lernt von Beginn an den Merksatz: die Arbeit des Juristen beginnt am Sachverhalt. Will heißen: bevor ich juristische Überlegungen anstelle, muß ich erst einmal genau wissen, was wirklich geschehen ist und dann erst dieses Geschehen an den infrage kommenden Rechtsvorschriften messen. Das bedeutet auch, daß das Ergebnis der Rechtsprüfung immer dann falsch sein muß, wenn der vom Juristen zugrunde gelegte Sachverhalt nicht zutrifft.
Wie es wirklich war, damals und heute
Der vorliegende Fall ist ein Paradebeispiel dafür. Wenn man sich das Video der Rede von Herrn Musk und die hier zu beurteilende Szene anschaut, so hat das natürlich keinerlei Ähnlichkeit mit dem sogenannten Hitlergruß. Schon diese Bezeichnung ist ja falsch. Im Dritten Reich hieß dieser Gruß „deutscher Gruß“. Ihn hatten sich die Nationalsozialisten kurzerhand bei Mussolini und den Faschisten abgekupfert, wo er „römischer Gruß“ hieß. Der Gruß wurde so ausgeführt, daß der rechte Arm aus seiner nach unten hängenden Position in einer raschen Bewegung ausgestreckt nach vorne bis etwa in Augenhöhe gehoben wurde, wobei die Handfläche nach unten zeigte. Was Herr Musk gezeigt hat, hat damit nicht einmal eine Ähnlichkeit.
Der juristische Kardinalfehler
Nun sind nach § 86a StGB auch solche Kennzeichnungen – darunter fallen auch Gesten wie der sogenannte deutsche Gruß – strafbar, die der verbotenen zum verwechseln ähnlich sind. Wohl gemerkt, zum verwechseln ähnlich. Denn es gilt im Strafrecht das sogenannte Analogieverbot, wonach ein Straftatbestand exakt beschreiben muß, was strafbar ist und was nicht (nulla poena sine lege certa et stricta) was in Art. 7 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes und in § 1 des Strafgesetzbuches auch so festgelegt ist. Deswegen wird bei der Auslegung dieser Strafvorschrift die Annahme einer strafbaren Verwendung einer Geste, die der verbotenen zum verwechseln ähnlich ist, nur sehr zurückhaltend erfolgen dürfen. Im vorliegenden Falle ist die Geste des Herrn Musk alles andere als zum verwechseln ähnlich. Die Auffassung des Juristen Matthias Jahn, jeder Strafrichter würde es für eine Schutzbehauptung des Angeklagten halten, würde er diese Geste so erläutern, wie sie tatsächlich gezeigt und auch gemeint war, ist vom Sachverhalt nicht gedeckt. Ganz im Gegenteil. Die Staatsanwaltschaft müsste auf eine entsprechende Anzeige hin nach Inaugenscheinnahme des Videofilms von der Veranstaltung das Verfahren umstandslos nach § 170 Abs. 2 StPO einstellen, weil nicht einmal der Anfangsverdacht einer Straftat besteht.
Alles schon mal dagewesen
Ähnliches hatten wir doch in Bayern vor einigen Jahren. Ein Politiker der AfD streckte während einer Ansprache seinen rechten Arm schräg, leicht angewinkelt und mit offener Handfläche nach vorn seinem Publikum zu. Allzu eifrige Strafverfolger mussten dann darauf hingewiesen werden, daß dies die typische Geste des römischen Redners während einer Ansprache an sein Volk oder seine Soldaten war, die adlocatio. Eine Statue des Augustus in den vatikanischen Museen zeigt ihn bei eben dieser adlocatio. Wer diese Geste, und noch mehr die des Herrn Musk für eine dem sogenannten Hitlergruß zum verwechseln ähnliche Geste hält, muß wohl unter der Zwangsvorstellung leiden, sogenannte Rechte neigten zur Hitlerverehrung. Das Wörtchen Heil findet sich in vielen Wortverbindungen, unter anderem Heilmittel, Heilbehandlung und Heilanstalt. So mancher, der nun nach der Bestrafung des Herrn Musk verlangt, benötigt wohl, was damit beschrieben wird. Sollte Herr Professor Jahn inzwischen das Originalvideo gesehen haben, dürfte er sich wohl über sich selbst ärgern, und zwar vor allem darüber, daß er eine Grundregel der juristischen Arbeit missachtet hat.