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Rezensionen

Was zu Solingen wirklich zu sagen ist

Wer sich von dem ganzen Müll erholen will, den er in den öffentlich-rechtlichen Medien und den Mainstream Zeitungen vorgesetzt bekommt, kann wieder durchatmen, wenn er den nachstehenden Artikel von Alexander Wendt gelesen hat. Am besten natürlich auf seinem Blog Publico oder auf Tichys Einblick, denn da findet man noch viel mehr Gescheites. Wer den nachstehenden Text gelesen und verstanden hat, weiß, was zu tun ist. Zum Beispiel am 1. September 2024.

Das Land des zwanghaften Lügens

Deutschland hat sich – wie 2015 vorausgesagt – drastisch verändert. Zum schlechten. Es ist das Werk eines Milieus, das nicht zugeben will, gescheitert zu sein. Deshalb ist nach Solingen vor dem nächsten Messermord.

Von Alexander Wendt  Posted on   In Politik & Gesellschaft  7  11

Ein Detail am Ort des Anschlags in Solingen kommt nur auf einer Amateuraufnahme groß ins Bild: metallumgitterte gefüllte Wassertanks, die leichter transportable Variante zu den Betonblocks, die in Deutschland heute jede Fläche von Massenveranstaltungen begrenzen.

Im Volksmund heißen die Sperren Merkellego. Produkte wie diese Bezeichnung stammen von 2016, dem Jahr des LKW-Attentats auf Weihnachtsmarktbesucher am Berliner Breitscheidplatz. Merkellego heißen die Fahrzeugsperren nur in der inoffiziellen Kommunikation. Die korrekte Bezeichnung dafür – Betonsperren – taucht medial nur sehr selten auf. Es gehört zu den vielen unausgesprochenen Übereinkünften des institutionellen Deutschlands, weder die Merkelsteine selbst zu erwähnen noch die Tatsache, dass es eine Zeit gab, in der Volksfeste diese panzersperrenähnlichen Abschirmklötze nicht brauchten.

Auf dem Fronhof in Solingen, dem Platz, auf dem die Stadt das „Fest der Vielfalt“ feierte, fuhr bekanntlich kein LKW in die Menge, sondern ein Messerträger spazierte zwischen den Sperrblocks auf das Gelände, tötete drei Menschen und verletzte weitere acht. Gegen Attentäter, die zu Fuß kommen, um in Hälse zu stechen, gibt es bis jetzt noch keine symbolische Maßnahme, die Sicherheit simuliert. Aber die politisch-mediale Debatte dazu nimmt, um es in der Sprache der dazugehörigen Journalisten zu sagen, gerade Fahrt auf. Das Verdrängungsorgan Süddeutsche Zeitung kannte schon kurz nach dem Anschlag den schuldigen Teil: „Und wieder ein Messer“.

In der ausschließlich technisch geführten Diskussion reichen die Vorschläge von der Ausweitung von Messerverbotszonen über Eingangskontrollen bis zu dem Vorschlag des grünen Bundestagsabgeordneten Marcel Emmerich, jetzt flächendeckend gegen Messer vorzugehen, um damit ein Zeichen zu setzen.

Die gleichen Leute wissen natürlich, dass nicht die Messer zustechen, sondern seine Träger. Deshalb weist der Polizeipräsident von Wuppertal, Markus Röhrl, die Bürger aus gegebenem Anlass noch einmal darauf hin, dass das eigentliche Risiko nicht Messer heißt, sondern öffentlicher Raum, zumindest für den Personenkreis, der weder über Fahrbereitschaftslimousinen noch Personenschützer verfügt:„Jeder muss mit sich ausmachen, ob er zu Festivitäten geht, ob er zu Fußballspielen geht, ob er im öffentlichen Personennahverkehr unterwegs ist.“

Auf der parallellaufenden Tonspur erklärt NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, was Politiker seiner Sorte nach größeren Anschlägen und Ausschreitungen wie Silvester 2015/16  in Köln immer wieder erklären: „Wir werden unsere Art zu leben verteidigen.“ Wobei ihm die Textbausteine, die offenbar nicht ganz so stabil stehen wie die Merkelschen Großpoller, ein bisschen verrutschten: „Der Anschlag von Solingen hat unser Land ins Herz getroffen.“ Aber: „Unser Land wankt nicht.“

Innenministerin Nancy Faeser beherrscht das Schiefsprechen ähnlich gut wie Wüst, kümmert sich aber schon um die eigentliche Gefahr, nämlich die Instrumentalisierung des Anschlags von Solingen: „Meine Botschaft an alle, die jetzt Hass säen wollen – lassen Sie sich nicht davon beeindrucken.“ Unvermeidlich gesellt sich der Bundespräsident mit der Aufforderung dazu, jetzt zusammenzustehen. Um die diversen Wortmeldungen einmal übersichtlich zusammenzufassen:

Wir verteidigen unsere Art zu leben mit Merkelblöcken bei jeder Kleinstadtfeier, mit Polizeigroßaufgebot und Frauenschutzzonen zu jedem Silvester, mit Waffenverbotszonen und demnächst Kontrollschleusen an jeder blockumstellten und wahrscheinlich bald auch abgegitterten Dorfkirmes, jedenfalls, solange es Leute gibt, die immer noch meinen, zu ihrer Art zu leben würde es auch gehören, überhaupt Festivitäten dieser Art zu besuchen. Zweitens: Nach den Anschlägen vom Breitscheidplatz, von Würzburg, von Brokstedt, Dresden, Mannheim und vielen Orten durch messerstechende Muslime besteht die eigentliche Gefahr darin, dass jetzt jemand Hass sät. Lassen Sie sich also nicht beeindrucken, auch dann nicht, wenn der Stahl in Ihrer Nähe aufblitzt. Denn der schadet Ihnen vielleicht, eine verkehrte Reaktion nützt aber nur den Falschen. Drittens und letztens: Stehen Sie zusammen – aber meiden Sie größere Menschenansammlungen.

Bei der Behauptung in den staatsnahen Medien, die Fachleute stünden vor einem Rätsel, woher der Anstieg der Messergewalt in Deutschland kommt, handelt es sich um ein kleines Element und für sich genommen unbedeutendes in einem strukturellen Lügengeflecht.

In einem Land, in dem sich etablierte Medien, Gewerkschaften, Kirchen und Politiker 2015 zu einer Einheitsfront unterhakten, um einen begeisterten Konsens der Gesellschaft über die schrankenlose Masseneinwanderung zu fingieren, können die Beteiligten von damals heute gar nicht anders, als zwanghaft zu lügen. Nur eine wirklich kleine Minderheit lehnte 2015 die Aufnahme von Migranten samt und sonders ab. Aber eine Mehrheit, die allerdings nicht zu Wort kam, betrachtete das Experiment mit Skepsis, die Grenzen eines Landes faktisch aufzugeben (Merkel: „Wir haben es nicht in der Hand, wie viele zu uns kommen“), und Hunderttausende unbesehen ins Land zu lassen, hauptsächlich junge muslimische Männer aus den gewalttätigsten Zonen der Erde. Und kaum jemand außerhalb eines wiederum sehr kleinen Milieus auf der anderen Seite des politischen Spektrums betrachtete diesen Zustrom als Schwungmasse, um die Verhältnisse in Deutschland selbst grundstürzend zu ändern. Es lohnt sich, jetzt noch einmal die zentralen Sätze aus Katrin Göring-Eckardts berühmter Rede vom Dezember 2015 in Halle zu hören.

Dort sagte sie nicht nur: „Und ja, unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch, und ich sag euch eins: Ich freu mich drauf.“ Sondern auch den eigenartigen Satz, sie sehe das so, „weil ich schon einmal eine friedliche Revolution erlebt habe. Die hier könnte die sein, die das Land besser macht.“ Im Gegensatz zu der anderen? Und überhaupt: Eine Migration, deren Verlauf nur die Migranten selbst bestimmen, als Revolution zur Verbesserung der eigenen Gesellschaft? Ein paar Sätze weiter rief Göring-Eckardt damals zur Bekräftigung in den Saal: „Für dieses neue Land, dieses bessere Land, dafür kämpfen wir.“

Einem kleinen Zirkel, dessen Mitglieder nie etwas mit der alten Bundesrepublik anfangen konnten, erschien Merkels Migrationsentscheidung damals als fantastischer Aufbruch in einen immerwährenden Karneval der Kulturen, bei dem es nicht nur weniger deutsch zugehen sollte, sondern auch weniger westlich. Die Vision hieß seinerzeit „Regenbogengesellschaft“, definiert als „ein bisschen Kirchentag, ein bisschen Antifa“, wie es Cordt Schnibben 2015 in seinem programmatischen Text „Abschwellender Bocksgesang“ schrieb.

Im Vorspann dieses Textes hieß es: „Es geht nicht nur um Flüchtlinge, es geht darum, in welchem Land wir leben wollen.“ Genauer gesagt: Es ging ihm und seinen Gesinnungskameraden nie um die Flüchtlinge selbst, sondern ihre Wirkung auf die von ihm abgelehnte deutsche Mehrheitsgesellschaft, in Schnibbens Worten, „die Ängstlichen, Zyniker und trüben Tassen“. Bei jemandem mit seiner Biografie überrascht diese Logik nicht: Kind eines bis 1945 und darüber hinaus fanatisch nationalsozialistischen Elternpaars, Eintritt in die DKP, einjähriges Studium der Gesellschaftswissenschaften am Franz-Mehring-Institut in Ostberlin, Karriere bei Zeit und Spiegel, heute einer der Leute im Hintergrund bei Correctiv.

Diese wie gesagt winzige, allerdings mit einem privilegierten Öffentlichkeitszugang ausgestattete Kaste von Leuten, die 2015 einer großen Umwälzung Deutschlands durch junge Männer aus Syrien, Afghanistan und Nordafrika entgegenfieberte, fühlte sich seinerzeit als überlegene Avantgarde. Sie bildete den heißen Kern, alle anderen, Unternehmen, die vom Fachkräftewunder erzählten, ein Medienunternehmen, das „Refugees welcome“-Sticker ausgab, opportunistische Politiker, die sie sich ansteckten, die gruppierten sich um diesen Kern und redeten sich ein, diese Allianz stünde repräsentativ für das ganze Land. Dass sie das nicht tat, konnte schon 2015 eigentlich jeder an den Schimpftiraden Schnibbens gegen die trüben Tassen ablesen, und an dem touretteartigen Verdammungstext eines Autors der Süddeutschen, der 2015 Folgendes zu Papier brachte:

„Ihr heimatliebenden Zustandsbewahrer, empathielosen Wüteriche, wunderlichen Nicht-Neger, aufrechten Stehpinkler, verkrampften Gutmenschen-Schlechtfinder. Ihr deutschen Kosten-Nutzen-Denker. Ihr besorgten Patrioten. Ihr IchbinkeinNaziaber-Sager, Ihr IchkenneauchnetteTürken-Kartoffeln, ihr unkorrekten Pegidisten, ihr nationalen Oberlehrer. Es ist 2015. Und ihr kommt aus euren Löchern ans Licht gekrochen.“

Eine Zeitung, die 2015 jeden, der den Zustrom nicht ansatzlos bejubelte, als Wüterich und Lochbewohner betrachtete, kann gar nicht anders, als sich 2024 noch dümmer zu stellen als unbedingt nötig: „Und wieder ein Messer.“
Der entscheidende Punkt liegt darin, dass sich die 2015-Vision der Katrin Göring-Eckardt verwirklicht hat, und zwar so sehr, dass auch das schmale Bündnis Merkel-Göring-Eckardt-Schnibben-Süddeutsche nicht daran vorbeikommt: Deutschland hat sich verändert, und zwar drastisch.

Die wirkungsvollste Änderung betrifft den öffentlichen Raum. Jeder, der in den frühen Neunzigern als Tourist nach New York kam, erhielt von Einheimischen Ratschläge, nicht jenseits der soundsovielten Straße herumzulaufen (die Angaben schwankten je nach Ratgeber). Reisende in San Francisco sollten bestimmte Ecken des Dolores Park meiden; irgendwann gab es entsprechende Tipps auch für Berlin. Kein zurechnungsfähiger weiblicher Mensch und auch sonst niemand spaziert heute nachts durch den Görlitzer Park oder an den Wochenenden in der Gegend rund um die Warschauer Brücke. Mit Warnungen dieser Art kann jeder noch leben. Das Besondere an der deutschen Gegenwartslage besteht darin, dass die Aufteilung in Unsicherheitszonen und den Rest keinen Sinn mehr ergibt. Tödlich kann ein Spaziergang im abendlichen Dresden ausgehen, wo der gerade aus dem Gefängnis entlassene syrische Islamist Abdullah al Haj Hasan am 4. Oktober 2020 den Spaziergänger Thomas Lips erstach und dessen Lebensgefährten schwer verletzte, tödlich die Fahrt im norddeutschen Regionalexpress, wo der gerade aus der Haft entlassene Palästinenser Ibrahim A. am 25. Januar 2020 zwei Menschen erstach und drei weiteren schwere Wunden zufügte. Tödlich kann der Bummel in der Innenstadt von Würzburg sein, wo der Somalier Abdirahman Jibril A. am Nachmittag des 25. Juni 2021 drei Frauen mit dem Messer tötete und auf fünf weitere Menschen einstach. Für einen Polizisten tödlich und für mehrere andere Personen mit schweren Verwundungen endete der Angriff des Afghanen Sulaiman Ataee auf dem Marktplatz von Mannheim am 31. Mai 2024. Einer ukrainischen Frau, die am 10. Juni 2024 am frühen Nachmittag in der Sonne am Frankfurter Mainufer saß, kostete der Aufenthalt auf der Parkbank fast das Leben – ein 19-jähriger Afghane stach ihr mehrfach ohne erkennbaren Anlass mit einem Cuttermesser in den Hals.

Dazu kommen Taten, die anders als in Solingen, Mannheim und Dresden keine klar terroristischen Züge tragen. Beispielsweise der Messerangriff eines Syrers auf ein vierjähriges Mädchen in Wangen am 4. April 2024, die Tötung eines jungen Mannes im Kurpark von Bad Oeynhausen am 23. Juni 2024 durch einen 18-jährigen syrischen Asylbewerber mit umfangreicher Polizeiakte, die Tötung eines Familienvaters auf dem Bahnhof von Uelzen am 13. Juli 2024 durch den 18-jährigen Marokkaner (NDR: „Tödlicher Treppensturz“).

Wie alle anderen aufgeführten Täter besaß auch dieser Migrant keinen Asylstatus, durfte aber trotzdem in Deutschland bleiben. Es gibt mittlerweile eine Rangfolge der gefährlichsten Bahnhöfe Deutschlands (Hamburg, Hannover, Frankfurt). Das bedeutet allerdings nicht, dass es nicht auch jeden beliebigen Reisenden zu jeder Stunde an jedem Krähwinkelbahnhof treffen kann. Aus der Statistik lassen sich zwar besonders gefährliche Plätze herausfiltern, aber keine garantiert harmlosen Orte für Normalbürger in Deutschland. Metropole oder ruhige Kleinstadt, Festwiese oder Kurpark, Stadtzentrum oder Zugabteil, nachts oder tagsüber – überall und immer kann eine Zufallsbegegnung dazu führen, dass jemand nicht mehr nach Hause zurückkehrt. Es gibt kein Muster, an dem man sein Verhalten so ausrichten könnte, dass man unbehelligt bleibt. Es gibt keine friedlichen Zonen, kein Grundgefühl der Sicherheit. In einem Land, in dem Mitglieder des tonangebenden Milieus ständig vor einem ‚Generalverdacht‘ warnen, herrscht eine Generalunsicherheit. Jeder in diesem tonangebenden Milieu und außerhalb erst recht kennt diesen Zustand. Wobei die einen die Verantwortung dafür tragen, während die anderen ihn nur erleiden. Jeder weiß, dass unsere Art zu leben nicht mehr existiert, nämlich ein Leben in einem einigermaßen zivilisierten Land, in dem es weder Sperrklötze rund um Volksfeste noch Ausweiskontrollen in Berliner Schwimmbädern gab, und in dem es sich bei mitgeführten Messern in aller Regel um Andenken aus der Schweiz handelte.

Der Aufruf eines mit Limousine und Personenschützern ausgestatteten Hendrik Wüst, das imaginäre Wir sollte sich seine Art zu leben nicht nehmen lassen, gehört zu dem zwanghaften Lügen, das mittlerweile die gesamte politisch-mediale Zone durchdringt. Nach dem Totschlag in Bad Oeynhausen erklärte Innenministerin Nancy Faeser, die deutsche Gesellschaft habe sich um den Täter nicht genug gekümmert, er habe „außer der Flüchtlingsunterkunft nichts anderes gekannt“. Nichts davon stimmt. Der Totschläger lebte in einer regulären Wohnung, er erhielt einen Sprachkurs und, obwohl nicht politisch verfolgt, einen Aufenthaltsstatus. Genau hier, in dem kontrafaktischen Geplapper einer Ministerin, in deren Zuständigkeitsbereich die innere Sicherheit fällt, zeigt sich das Phänomen des zwanghaften Lügens: Es fließt seinen Urhebern nach dem Muster der Pseudologia fantastica ganz locker von den Lippen.

Jemand, der bleiben darf, obwohl der Asylartikel des Grundgesetzes für ihn gar nicht gedacht ist, der hier Geld und eine Wohnung bekommt, schlägt jemanden aus nichtigstem Anlass tot? Dann muss der Grund in der mangelnden Anstrengung der Gesellschaft liegen. Denn ein kollektives Eliteversagen in der Migrationspolitik kommt als Ursache von vornherein nicht in Frage. An die Seite von Faeser, die dazu aufruft, sich von dem Anschlag in Solingen nicht beeindrucken zu lassen, an die Seite von Olaf Scholz, der ein schärferes Waffenrecht und im Übrigen nicht ein Viertel und nicht neunzig Prozent, sondern die ganze Härte des Gesetzes für den Täter fordert, tritt die SPD-Vorsitzende Saskia Esken mit der Aussage, aus dem Messermassaker könnten wir „nicht viel lernen“. Schließlich sei der Zustecher von Solingen nicht polizeibekannt gewesen. Sondern nur ausreisepflichtig; Eigentlich sollte er 2023 nach Bulgarien abgeschoben werden, wo er die EU zuerst betrat, dann tauchte er vorübergehend unter, solange die Überstellungsfrist von 18 Monaten lief, danach wieder auf – und durfte unbehelligt weiter in Solingen wohnen.

Der Mörder von Dresden kam frisch aus dem Gefängnis, wo er wegen Aktivitäten für den IS saß, der Mörder von Brokstedt ebenfalls gerade aus der Haft wegen Gewalttaten, zu dem angeblich schlecht behandelten Totschläger von Bad Oeynhausen existierte schon vor der Tat eine lange Polizeiakte. Der Iraker, der 2018 zusammen mit anderen Asylbewerbern in Chemnitz einen Mann erstach und zwei andere schwer verletzte, hatte schon vorher eine Messerstraftat begangen, seinen Asylantrag lehnte die Behörde ab, sogar seinen Duldungsstatus besaß er zum Zeitpunkt, als er tödlich zustach, nicht mehr. Seit Jahren wiederholt sich das immergleiche Muster. Auch in der medialen Reaktion. Nach dem Massaker in Solingen holte die ARD sofort einen Fernsehexperten vor die Kamera, der über traumatisierte Flüchtlinge dozierte, , während er Normalbürger in diesem Land offenbar für erfreulich robust und traumaresistent hält. Der Evangelische Pressedienst wiederum klingelte den Universalexperten Andreas Zick aus Bielefeld an, der schon nach den linksextremen Ausschreitungen zu G20 in Hamburg meinte: „Ideologie spielt kaum eine Rolle“. Nach Solingen warnte der Narrativspender erwartungsgemäß vor der „Instrumentalisierung des Anschlags“ – also dem bekanntermaßen Schlimmsten, was überhaupt passieren kann – und gleichzeitig vor einer Zunahme von „fremdenfeindlicher Gewalt“.

Auch diese Phrase von einer unterstellten „Fremdenfeindlichkeit“ gehört zum Reich der zwanghaften Lüge: Erstens stellt es noch keine Feindlichkeit dar, ein Problem zu diagnostizieren. Und zweitens haben weder Alteingesessene noch gut integrierte Zugewanderte ein Problem mit Chinesen, Japanern, Vietnamesen, Brasilianern, Spaniern oder Dänen, die in Deutschland leben. Es gibt auch eine große Zahl von Menschen, die aus muslimischen Ländern stammen und gerade deshalb hier leben – so jedenfalls ihre ursprüngliche Absicht –, um sich fanatischer Religionsausübung und Alltagsgewalt nicht auszusetzen. Auf der medialen Seite verkörpert kaum jemand den Typus des Zwangslügners so perfekt wie Gabor Halasz, Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, der sofort nach dem vorerst letzten Mehrfachmord im immergleichen Schema weiß, dass eine restriktivere Einreisekontrolle und eine Abschiebung abgelehnter und vor allem krimineller Migranten „entweder nur sehr schwer oder gar nicht umsetzbar ist“. Er weiß es schon, bevor es die politischen Verantwortlichen überhaupt versuchen – wobei: Sie versuchen es unter anderem auch deshalb nicht, weil sie sich der Unterstützung solcher öffentlich-rechtlichen Unterstützungsjournalisten sehr sicher sein können.

Stattdessen schlägt der ARD-Mann vor: „Wir nehmen uns Zeit. Setzen uns zusammen. Und gehen wirklich an die Ursachen des Islamismus ran.“ Wobei er an anderer Stelle feststellt, dass der Islamismus „nicht automatisch“ etwas mit dem Islam zu tun hat. Nicht dass das Narrativ noch in die verkehrte Richtung läuft, den Falschen Wasser auf die Mühlen etc. etc.

Dabei befinden sich Halasz und sein Milieu an dieser Stelle gar nicht weit von einem wichtigen Realitätspunkt entfernt. Sie scheinen es zu spüren und zucken instinktiv zurück. Nicht irgendeine Einwanderung verändert seit 2015 die Gesellschaft drastisch. Sondern die Migration aus dem islamischen Krisengürtel. Eine alternde, schon weitgehend abgerüstete, permissive und individualistische Gesellschaft trifft auf junge testosterongeladene Männer, sehr viele davon aus zerrütteten Ländern und Zonen permanenter Kriege.
Es kommen Männer, die nie eine zivile Ordnung erlebten, dafür aber eine simplizistische Überlegenheitsideologie in ihren Köpfen mitschleppen. Und diejenigen, die aus Weltgegenden stammen, in denen Gewalt als selbstverständliches Mittel und ein unbewaffneter Mann als lächerliche Erscheinung gilt, treffen eben nicht zu hunderten oder tausenden ein, sondern zu Hunderttausenden, zu Millionen. Selbst eine Gesellschaft, die sehr viel stabiler und selbstbewusster wäre als die deutsche, würde sich nach einer derart extremen Veränderung nicht mehr wiedererkennen. In der Welt, aus der diese jungen Männer stammen, gehört der Gebrauch von Waffen und die Anwendung von Gewalt zum Selbstverständnis. Sie stellt in der Regel nicht das letzte, sondern das erste Mittel dar. Vor allem dann, wenn sie sich mit einem ganz bestimmten Verständnis der Religion als Überlegenheits- und gleichzeitig Todesideologie verbindet. Fast gleichzeitig mit dem Attentat in Solingen fand im französischen La Grande-Motte ein Anschlag auf die dortige Synagoge statt. Und unmittelbar nach Solingen eine Islamistenkundgebung mit IS-ähnlichen Fahnen vor einer Kirche in Nürnberg. Diese Art systematischer Landnahme ereignet sich auch anderswo im Westen, beispielsweise in London, wo es 500 Moscheen gibt, was Muslime aber nicht davon abhält, demonstrativ direkt vor der Westminster Abbey zu beten.
An den Schulen in NRW und in anderen westdeutschen Bundesländern können so genannte Scharia-Polizisten Mädchen ziemlich ungehindert vom Staat dazu anhalten, sich züchtig zu kleiden und andere islamische Vorschriften zu befolgen.

Das Faeser-Steinmeier-Halasz-Konsortium, das es erklärtermaßen für unmöglich hält, Grenzen zu kontrollieren und Migranten ohne Aufenthaltsberechtigung abzuschieben, behauptet gleichzeitig, diese von ihm geprägte schwache und in Selbstvorwürfen ertränkte Gesellschaft könnte die Gewalt- und Sittenvorstellungen aus hunderttausenden jungen Muslimen im Westen irgendwie heraustherapieren.

Schlangenölverkäufer wirken im Vergleich zu diesen Gestalten seriös. Zwangslügner belügen in erster Linie sich selbst. Und es drängt sich der Gedanke auf, dass sie als einzige ihre Zwangslügen noch glauben. Das müssen Gescheiterte auch, um weitermachen zu können. Gerade dann, wenn sie über ihr Scheitern genau Bescheid wissen. Sie wissen, dass sie die Gesellschaft drastisch zum Schlechten verändert haben. Und dass sich diese Auswirkungen nur dann wenigstens mildern ließen, wenn sie, diese Funktionselite, komplett abtreten würde.
Am 29. November wird die Stadt Solingen den Preis „Die schärfste Klinge“ an die Journalistin Dunja Hayali vom ZDF verleihen, und zwar für „Toleranz, Vielfalt, Mut, Haltung“.

Nach den Landtagswahlen im Osten werden diese Begriffshülsen klappern wie nie zuvor. Es geht also weiter und weiter und weiter. Vorerst jedenfalls.


Dieser Text erscheint auch auf Tichys Einblick.

Ich kann die Bücher und Artikel von Alexander Wendt nur jedem dringend empfehlen, jedenfalls jedem, der sein Gehirn auch nutzen will.


Wer einmal lügt,

dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Dieses Sprichwort ist uns allen von Kindesbeinen an geläufig. Die Wahrheit ist eben ein hohes Gut und die Glaubwürdigkeit eines Menschen macht einen großen Teil seiner Persönlichkeit aus. Das muß auch so sein, denn vieles, was gesagt und geschrieben wird, können wir im Einzelnen nicht nachprüfen. Deswegen brauchen wir ein Urvertrauen in die Wahrhaftigkeit der Menschen, mit denen wir zu tun haben. Deswegen gehen wir davon aus, daß Antworten auf unsere Fragen stets wenn schon nicht objektiv richtig, so doch wenigstens aufrichtig gegeben werden. Wäre es anders, müßten wir stets davon ausgehen, daß Antworten auf unsere Fragen im Zweifel unrichtig sind, ja sogar in voller Absicht die Unwahrheit gesagt wird. So könnte unser Leben nicht funktionieren. Denn wir müßten einen erheblichen Teil unserer Zeit mit Recherchen verbringen, statt produktiv zu arbeiten. Wieviel Zeit müßten wir etwa damit vergeuden, die Meldung eines Untergebenen über von ihm geleistete Tätigkeiten nachzuprüfen oder die Angaben eines Herstellers über das verbaute Material in einem Gerät zu überprüfen?

Ehrlich war gestern

Doch die Zeiten haben sich offenbar geändert. Jedenfalls in der Politik. Erst vor kurzem ist bekannt geworden, daß die Beamten im Bundeswirtschaftsministerium keineswegs im vergangenen Frühjahr dem Minister erklärt haben, die Laufzeit der verbliebenen drei Kernkraftwerke könne aus technischen Gründen nicht verlängert werden. Genau das aber hat Herr Habeck zur Begründung seiner Entscheidung angeführt, diese Kraftwerke vom Netz zu nehmen. Das heißt, der Minister hat uns belogen. Das erstaunliche daran ist, daß nach Bekanntwerden der Lüge ein Rücktritt des Ministers nicht erfolgt, nicht einmal ernsthaft gefordert worden ist, sieht man von den ebenso erwartbaren wie in der Sache berechtigten Rücktrittsforderungen der AfD ab. Doch diese Partei kann erklären und fordern was sie will, in der Bundesrepublik Absurdistan darf sie ja nicht mitspielen.

Es ist nichts so fein gesponnen…

Doch das ist eine Petitesse gegen den Skandal, der nunmehr mit der Veröffentlichung der Protokolle des Robert-Koch-Instituts betreffend die Corona-Maßnahmen bekannt geworden ist. Es hätte schon größtes Misstrauen der Öffentlichkeit auslösen müssen, daß der Bundesgesundheitsminister sich zunächst geweigert hat, diese Akten Journalisten zur Einsichtnahme zu überlassen, und dann, als er gerichtlich dazu verpflichtet worden war, erst einmal in großem Umfang geschwärzte Protokolle vorlegen ließ. Auch das mußte dann gerichtlich gerade gebogen werden. Bezeichnend für das Meinungsklima in Deutschland ist es im übrigen, daß der Kläger jenes Verfahrens von den „staatstragenden“ Medien unseres Landes als „rechter“ Journalist diffamiert wird. Diffamiert sage ich, weil im Sprachgebrauch unserer classe politique inzwischen die Unterscheidung zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextrem aufgehoben worden ist. Damit wird gewissermaßen die Volksfront-Strategie der Dreißigerjahre des vergangenen Jahrhunderts wieder aufgelegt, wonach die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen liberale und bürgerliche Politiker in ihrem Kampf gegen rechte Parteien, bzw. das, was sie für rechts hielten, einzubinden suchten. Damit wurden die politischen Kräfte rechts der Sozialdemokratie entscheidend geschwächt, denn so konnten Mehrheiten rechts der Sozialdemokratie nicht entstehen.

…es kommt doch ans Licht der Sonnen.

Doch zurück zu den RKI-Protokollen. Es handelt sich dabei um die Protokolle der Sitzungen des Robert-Koch-Instituts im Zeitraum Januar 2020 bis April 2021. Man hat offenbar sehr akribisch protokolliert, denn es handelt sich dabei um 2515 Blatt DIN A 4. Die Protokolle für den Zeitraum Mai 2021 bis Juli 2023 sind noch nicht veröffentlicht. Auf den Inhalt darf man gespannt sein. Denn aus den nunmehr im Wesentlichen nicht mehr geschwärzten Protokollen für den Zeitraum Januar 2020 bis April 2021 geht glasklar hervor, daß wir von der Bundesregierung schamlos belogen worden sind. Unsere Politiker haben seinerzeit bekanntlich stets erklärt, die von ihnen ergriffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung beruhten auf den Empfehlungen der Wissenschaft, insbesondere des Robert-Koch-Instituts. Abgesehen davon, daß es „die“ Wissenschaft nicht gibt (wenn ein Politiker von „der“ Wissenschaft spricht, will er betrügen), sondern nur unterschiedliche Meinungen und Empfehlungen verschiedener Wissenschaftler, hat sich nun herausgestellt, daß die Wissenschaftler des Robert-Koch Instituts keineswegs empfohlen haben, was anschließend von der Bundesregierung angeordnet worden ist. Das gilt ganz besonders für die Quarantänemaßnahmen (Lockdown). Uns allen sollte noch der sogenannte Inzidenzwert in Erinnerung sein, der zur Begründung, Verschärfung oder aber auch Lockerung von Quarantänemaßnahmen angeführt wurde. Natürlich erklärte der Bundesgesundheitsminister stets, insoweit den Empfehlungen des RKI zu folgen. Das war eine Lüge.

Der Beweis

So diskutierte am 5. Mai 2020 der Krisenstab des RKI über weitere Vorgaben aus der Politik und hielt fest: „Indikatoren bereitzustellen wird aus fachlicher Sicht weitgehend abgelehnt, jedoch werden diese nachdrücklich von politischer Seite eingefordert (eine diesbezügliche Weisung ist jedoch nicht erfolgt). Die genannte Inzidenz kommt aus einer Diskussion zwischen BM Braun und BM Spahn.“ Und weiter: „Kommt das RKI der politischen Forderung nicht nach, besteht das Risiko, daß politische Entscheidungsträger selbst Indikatoren entwickeln und/oder das RKI bei ähnlichen Aufträgen nicht mehr einbinden.“ Also waren die sogenannten Inzidenzwerte als Begründung für die Einschränkung von Grundrechten, und nichts anderes wurde doch damals verfügt, eine Erfindung der Politik ohne fachliche Begründung der zuständigen Wissenschaftler. Man sperrte die Bürger weg, schloss die Schulen und Kindergärten, ließ Menschen in Pflegeheimen sterben, ohne sich von ihren Angehörigen verabschieden zu können, legte die Wirtschaft des Landes lahm und ließ die Polizei Rentner von Parkbänken verscheuchen, nur weil man als gottähnlicher Feldherr im Krieg gegen die Pandemie wahrgenommen werden wollte. Anders kann die Hybris dieser Politiker nicht erklärt werden. Denn es liegt natürlich auf der Hand, daß ein Politiker, der den Naturgewalten trotzt und eine solche Seuche besiegt, auch der richtige Mann (halt, wir sind in Deutschland: Politiker m/w/d) ist, auch alle anderen Probleme des Landes zu lösen. Wer erinnert sich nicht an Markus Söder, Maske mit bayerischem Staatswappen im Gesicht, stolz wie der Gockel auf dem Mist vor laufender Kamera immer härtere Lockdowns verkündend?

Verräterisch ist auch der Eintrag vom 13. März 2020: „Herr Spahn hat angeordnet, daß eine Passage zu Schulschließungen in die Kriterien für die Risikoeinschätzung von Großveranstaltungen eingefügt wird.“ Also folgt nicht, wie man das eigentlich erwarten sollte, der Minister den Empfehlungen seiner beamteten Wissenschaftler, sondern er weist sie an, seine eigenen Vorstellungen über die Pandemiebekämpfung als ihre wissenschaftlichen Empfehlungen auszugeben. Ein solches Verhalten ist mit „verlogen“ nur unzureichend charakterisiert.

Von Diktaturen lernen…

Hatte man schon damals angesichts der rigiden Maßnahmen der Bundesregierung den Eindruck, unsere Grundrechte seien nichts mehr wert, wir lebten temporär in einem autoritären System, so wird nun auch deutlich, warum. Denn man orientierte sich an China. Zwar hatte man selbst noch am 25. Februar 2020 festgestellt, daß es keine Evidenz für Quarantäne von Gebieten gebe, so heißt es im Protokoll vom 3. März 2020: „Maßnahmen, von denen sich in China gezeigt hat, daß sie wirksam sind, könnten als Handlungsempfehlungen/-Optionen vorgeschlagen werden.“ Hätte es für Politiker in einem Land mit demokratischer, freiheitlicher Verfassung nicht näher gelegen, statt sich an einer Diktatur zu orientieren, den Umgang eines zweifellos demokratischen Staates, dazu noch in Europa und nicht am anderen Ende der Welt, mit dem Krankheitserreger zu studieren. Bekanntlich ist Schweden sehr gut durch die Pandemie gekommen, allerdings ohne schwere Grundrechtseinschränkungen wie die Pflicht zur Impfung, dazu noch mit einem nicht endgültig zugelassenen Impfstoff, die Pflicht zum Tragen lästiger Gesichtsmasken und die unsäglichen Lockdowns.

Geradezu als Symbol der Corona-Zeit kann die Gesichtsmaske gelten. Doch weniger als Symbol für wissenschaftsbasierte Pandemiebekämpfung, denn als Symbol der Folgsamkeit. Man gehorcht eben, und das ist weithin sichtbar. Zu diesem Thema heißt es jedoch im Protokoll der Sitzung vom 30. Oktober 2020: „Die breite Nutzung von FFP 2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, etwa auch zum Schutz von Risikogruppen (gemäß der Forderung eines Gérard Krause und einer kassenärztlichen Vereinigung), sei nicht evidenzbasiert: „Für gesunde junge Menschen ist passende FFP 2-Maske wegen des erheblichen Atemwegswiderstandes unangenehm zu tragen, dies ist Pflegeheimbewohnern nicht zuzumuten.“ Ich erinnere mich gut daran, daß es seinerzeit häufiger Äußerungen von Fachleuten in diesem Sinne gegeben hat. Stets wurden sie von der Politik mit dem Argument weggewischt, das seien unseriöse Akteure. Nun, wohl ebenso unseriös wie die Wissenschaftler des RKI, die im Oktober 2020 auch die Maskenpflicht für Grundschüler kritisch gesehen haben.

Der größte Streitpunkt war seinerzeit die Impfung. Die von der Bundesregierung mit Nachdruck empfohlenen und für viele Milliarden erworbenen Impfstoffe hatten nur eine vorläufige Zulassung. Indessen wurde die Impfung als wirksamstes Mittel gegen die Pandemie landauf, landab angepriesen. Im RKI war das offenbar anders. Am 8. Januar 2021 heißt es dazu: „Impfstoffwirkung ist noch nicht bekannt. (…) Dauer des Schutzes ist ebenfalls unbekannt.“ Es überrascht nicht weiter, daß dann auch die teils erheblichen Nebenwirkungen verschwiegen wurden. Man war sich offenbar im klaren darüber, daß man keine Übersicht über die Nebenwirkungen gewinnen konnte. So heißt es im Protokoll vom 19. Februar 2021: „Wenn niedergelassene ÄrztInnen (sic!) impfen, sind zeitnahe Infos über das Schicksal der Impflinge unwahrscheinlich. Wird das Monitoring dann eingestellt? Wie soll dann vorgegangen werden?“

Die Kritiker lagen richtig

Die wenigen renommierten Wissenschaftler wie Hendrik Streek, Alexander Kekulé oder Klaus Stöhr, die den Mut hatten, gegen den Strom zu schwimmen, wurden als Abweichler, Schwurbler und was dergleichen Schimpfworte mehr sind, diffamiert. Klaus Stöhr sagt nun zu Recht, das RKI sei teilweise Erfüllungsgehilfe politischer Interessen gewesen. Hendrik Streek wundert sich nur darüber, daß es erst der Freigabe der RKI-Protokolle brauchte, damit eine Diskussion über die Notwendigkeit der mit vielen Freiheitseinschränkungen verbundenen Maßnahmen geführt werden kann. Virologe Alexander Kekulé, der damals als einer der wenigen Kritik übte, wird ebenfalls deutlich: „Die Politik hat sich in Hinterzimmern den vertraulichen Rat einzelner ,Experten‘ geholt und dann Kraft Wassersuppe entschieden.“ Die Inzidenz von 50 sei „die Kombination der Daumenpeilung von Politikern, ungenannten Beratern und einem politischen Tauziehen zwischen den Staatskanzleien“ gewesen: „Eine wissenschaftliche Begründung gab es nicht.“

Ich selbst habe hier seinerzeit des Öfteren meine Zweifel an den Maßnahmen der Politik formuliert. So etwa am 8. August 2021 einen Artikel des Chefredakteurs der NZZ, Erik Gujer, wiedergegeben, am 14. August 2021 das Thema unter der Überschrift „Eine halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge“ behandelt und am 6 .Januar 2022 über die Nebenwirkungen der Impfung geschrieben. Von alledem ist nichts zurückzunehmen.

Die Konsequenz

Wir haben es mit einem Skandal zu tun, den wir in einer solchen Dimension in Deutschland noch nicht hatten. Denn wir müssen feststellen, daß unsere gewählten Politiker ihre Ämter dazu missbrauchen, sich zu profilieren bzw. ihre ideologischen Vorgaben umzusetzen und wahrheitswidrig behaupten, ihr Handeln sei wissenschaftlich gerechtfertigt, ja sogar empfohlen. Die Lüge wird zum Handlungsmuster der Politik. Da kann man es schon beinahe lustig finden, daß der Bundeskanzler hinsichtlich seiner ganz offensichtlichen Verwicklung in den Cum-Ex Skandal sich angeblich an nichts erinnern kann, worüber inzwischen schon Witze gemacht werden. In einer moralisch halbwegs intakten Gesellschaft müßten solche Politiker umgehend zurücktreten. Der nahezu gleich große Skandal liegt darin, daß die Mainstream Medien diesen Vorgang entweder dröhnend beschweigen oder peinlich schönreden. Auch insoweit leben wir in einer verkommenen Republik. Was hätte wohl ein Rudolf Augstein angesichts eines solchen Skandals geschrieben, wie hätte er so etwas angeprangert? Wie wäre ein Hanns Joachim Friedrichs mit solchen Nachrichten umgegangen? Mit welchen Worten hätte ein Peter Scholl-Latour das gegeißelt? Doch wir haben in Deutschland im Wesentlichen keinen unabhängigen Journalismus mehr. Nicht etwa, daß es hier ein Verhältnis von Über-und Unterordnung gäbe. Nein. Politik und Medien marschieren im Gleichschritt, weil sie gleich denken. Inzwischen haben wir ja Äußerungen aus den Medien zuhauf, wonach nicht mehr die Berichterstattung zur Information der Bürger ihre Aufgabe sei, sondern die Propagierung der „richtigen“ Politik.

Für uns Bürger kann es daraus nur eine Konsequenz geben. Wir, das Volk, wir sind der Souverän. So steht es in unserer Verfassung. Diese Verfassung ist großartig. Sie ermöglicht auch Veränderungen. Deswegen haben wir das allgemeine, gleiche und freie Wahlrecht. Machen wir davon Gebrauch und wählen diese verlogenen Machtpolitiker nicht mehr. Das sind offensichtlich alle angeblich staatstragenden Parteien, Union, SPD, FDP, Grüne. Denn sie alle waren an den hier besprochenen Entscheidungen beteiligt. Sie alle haben uns angelogen. Natürlich wird man fragen, wen sollen wir denn dann wählen? Es bleiben halt nur die, die wir außerhalb dieser großen Lügenkoalition haben. Man mag einwenden, diese Leute hätten keine Erfahrung, es befänden sich darunter irrlichternde Sonderlinge und ganz offensichtlich keinem höheren Amt gewachsene Angehörige des intellektuellen Prekariats. Mag sein. Jedoch können Neulinge lernen, Ungeeignete werden persönlich scheitern, aber auch Unbekannte überraschend vernünftig agieren. Nicht zuletzt können alle Regierungsmitglieder auf hoch qualifizierte und erfahrene Beamte zurückgreifen, was die Gewähr dafür bietet, daß jedenfalls der größte Unfug unterbunden wird.

Lieber ehrliche Amateure als gerissene Schwindler!

Buchempfehlung

Es ist zwar eine abgegriffene Phrase, Bücher als unbedingt lesenswert zu empfehlen. Mir fällt indessen im vorliegenden Fall nichts Besseres ein. Die größte intellektuelle Umweltverschmutzung unserer Zeit ist der Wokismus. Schon darin, daß die allermeisten Leute gar nicht wissen, was dieser Begriff bedeuten soll, liegt bereits sein Wesen als Theorie des Absurden. Der Begriff stammt ja aus dem englischen. Woke heißt eben erwacht. Als erwacht fühlen sich die tonangebenden linken Intellektuellen in Universitäten, Verlagen und politischen Zirkeln. Das Gegenteil sind dann eben alle anderen, die gerade nicht erkennen, was auf dieser Welt wichtig ist, und wie sie daher zu gestalten ist.

Alexander Wendt hat sich nun intensiv und ausgiebig mit diesem Phänomen auseinandergesetzt und dazu ein Buch mit dem Titel „Verachtung nach unten“ vorgelegt, dessen Untertitel „Wie eine Moralelite die Bürgergesellschaft bedroht – und wie wir sie verteidigen können“ recht gut seinen Inhalt zusammengefasst. Es geht eben um abstruse Theorien wie die, daß Weiße nicht nur kein Recht haben, über andere Rassen überhaupt nur zu sprechen, ja nicht einmal bei persönlicher Integrität etwa Schwarzen Gerechtigkeit widerfahren lassen können, weil sie eben als Weiße von einem gewissermaßen genetischen Rassismus geprägt sind, und zwar unabänderlich (White supremacy). Zu den bizarren Auswüchsen dieser Ideologie gehört es, daß etwa ein weißer Facharbeiter grundsätzlich zu den Unterdrückern gehört, eine Staatssekretärin mit arabisch-muslimischem Hintergrund jedoch immer zu den Unterdrückten. Wendt weist auch auf die vielen Widersprüchlichkeiten dieser woken Ideologie hin wie etwa der, daß Lehren des Islam wie die Minderwertigkeit der Frau gegenüber dem Mann und die Verworfenheit der Juden als Rasse zu akzeptieren sind, weil sie eben in einer Kultur zu Hause sind, die der abendländischen, „weißen“ Kultur entgegengesetzt ist. Ausgerechnet diejenigen, denen bei uns schon der Feminismus nicht ausreicht, weil er die Existenz von nur zwei biologischen Geschlechtern, biologischen Geschlechtern überhaupt, voraussetzt, ausgerechnet die propagieren eine Art Höherwertigkeit des Islam. Das sind nur zwei Beispiele der vielen Absurditäten dieser derzeit dominierenden Lehre in den Geisteswissenschaften, die von Politik und Medien verbreitet wird.

Der Autor analysiert auch mit faszinierender Präzision das Personal dieser Ideologie. Nahezu zu 100 % stammen deren Verfechter aus dem Bildungsbürgertum und finanzstarken Kreisen. Wir kennen ja in Deutschland den familiären Hintergrund der Protagonistinnen von Fridays for Future, bei denen es sich um junge Damen aus Milliardärs- und Multimillionärsfamilien handelt. Vor allem arbeitet Wendt heraus, mit welcher Arroganz diese Priesterkaste der Erleuchteten dem zahlenmäßig weit überwiegenden Teil der Menschheit gegenübertritt. Man blickt aus den teuren Stadtwohnungen und luxuriösen Villen voller Verachtung auf die Leute herab, die buchstäblich im Schweiße ihres Angesichts ihren Lebensunterhalt erarbeiten müssen, und allein schon deswegen nicht einmal die Zeit haben, sich mit politischen und gesellschaftlichen Theorien überhaupt nur zu befassen. Geradezu ikonisch ist in diesem Zusammenhang das berühmte Wort der seinerzeitigen amerikanischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton vom basket of deplorables, ziemlich genau übersetzt also vom „Korb der Erbärmlichen“.

Dabei bleibt der Autor aber nicht stehen. Er bietet einen außerordentlich lehrreichen Blick auf die Entwicklung der europäischen Geistesgeschichte, insbesondere Demokratiegeschichte. Dem Leser wird somit ermöglicht, nachzuvollziehen, was eigentlich den Wert der persönlichen Freiheit ausmacht, wie sehr sie die Grundlage der Demokratie ist, und warum sich diese Gesellschaftsordnung so fundamental von allen anderen in der Geschichte und auf dieser Erde unterscheidet.

Schließlich zeigt Wendt auch den Weg dazu auf, diese Irrlehre zu überwinden, wobei er schon Anhaltspunkte dafür aufzeigen kann, daß diese dabei ist, an ihren eigenen Widersprüchen zu zerbrechen, was allerdings leider nur sehr langsam vonstatten geht. Wer das Buch gelesen hat, hat jedenfalls das Rüstzeug, zum einen selbst zu erkennen, wo und wann einem diese verderbliche Ideologie entgegentritt, und zum anderen mit schlagenden Argumenten diesem Unfug entgegenzutreten. Ich halte es geradezu für eine Bürgerpflicht, jedenfalls für diejenigen, die das intellektuelle Rüstzeug dafür mitbringen, dieses Buch zu lesen und sich mit seinen Argumenten der Bekämpfung des Wahnsinns zu widmen.

Alexander Wendt, Verachtung nach unten, Lau Verlag 2024, ISBN 978-3-95768-259-8

Der Blick über den Tellerrand

Der Gaza-Krieg, um einmal diesen unpräzisen, jedoch allgemeinverständlichen Begriff zu benutzen, ist tatsächlich nur eine weitere Eskalation eines Konflikts, der älter ist als der Staat Israel, und der nur dann gelöst werden kann, wenn insbesondere auf palestinensicher Seite Vernunft den – religiös grundierten – Fanatismus ersetzt. Einen auf offenbar profunder Kenntnis der Geschichte beruhenden Überblick gibt der Autor dieses Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung. Ich kann die Lektüre dieses Artikels nur dringend empfehlen. Er bestätigt im Übrigen eindrucksvoll das Kernargument für die Befassung mit der Geschichte: Nur wer weiß, was geschehen ist, versteht, was heute geschieht, und kann die Zukunft gut gestalten.

Das Narrativ der Dekolonialisierung ist gefährlich und falsch – es beschreibt weder die Gründung Israels noch die Tragödie der Palästinenser richtig

Israel hat den Gazastreifen nicht kolonialisiert. Die Hamas hat dort einen homophoben, antisemitischen Einparteistaat eingerichtet.

Der Frieden im israelisch-palästinensischen Konflikt war schon vor dem barbarischen Angriff der Hamas am 7. Oktober und der militärischen Reaktion Israels schwer zu erreichen. Jetzt scheint er fast unmöglich. Doch die Form eines solchen Friedens ist klar wie nie: Letztlich geht es um eine Verhandlung zur Schaffung eines sicheren Israel neben einem sicheren palästinensischen Staat.

Ungeachtet der enormen Komplexität und der Herausforderungen, die mit dem Erreichen einer solchen Zukunft verbunden sind, sollte eine Wahrheit für jeden anständigen Menschen offensichtlich sein: Die Tötung von 1400 Menschen und die Entführung von mehr als 200 Personen, unter ihnen zahlreiche Zivilisten, waren zutiefst falsch.

Der Hamas-Angriff glich einem mittelalterlichen mongolischen Raubzug, bei dem es um Schlachtung und menschliche Trophäen ging – nur dass er in Echtzeit aufgezeichnet und in den sozialen Netzwerken veröffentlicht worden ist. Doch seit dem 7. Oktober haben westliche Akademiker, Studenten, Künstler und Aktivisten die Morde einer terroristischen Sekte, die ein antijüdisches Völkermordprogramm verkündet, geleugnet, entschuldigt oder sogar gefeiert. Manches davon geschieht in aller Öffentlichkeit, manches hinter der Maske von Humanität und Gerechtigkeit und manches in verschlüsselter Form. Am bekanntesten ist der Slogan «Vom Fluss bis zum Meer», der die Tötung oder Deportation von neun Millionen Israeli implizit gutheisst. Es scheint merkwürdig, dass man das sagen muss: Das Töten von Zivilisten, alten Menschen, sogar von Babys ist immer falsch. Aber heute muss man es sagen.

Die Mythologie der Entkolonialisierung

Wie können gebildete Menschen eine solche Gefühllosigkeit rechtfertigen und eine solche Unmenschlichkeit gutheissen? Hier sind alle möglichen Dinge im Spiel, aber ein Grossteil der Rechtfertigung für das Töten von Zivilisten basiert auf einer modischen Ideologie, der «Entkolonialisierung», die, wenn man sie für bare Münze nimmt, die Verhandlung zweier Staaten – die einzige wirkliche Lösung für diesen Jahrhundertkonflikt – ausschliesst und die ebenso gefährlich wie falsch ist.

Ich habe mich immer über die linken Intellektuellen gewundert, die Stalin unterstützten, und über jene aristokratischen Sympathisanten und Friedensaktivisten, die Hitler entschuldigten.

Die heutigen Hamas-Apologeten und Grausamkeitsverweigerer mit ihren roboterhaften Anprangerungen des «Siedlerkolonialismus» stehen in derselben Tradition. Aber sie sind noch schlimmer: Sie haben reichlich Beweise für das Abschlachten von alten Menschen, Jugendlichen und Kindern, aber im Gegensatz zu jenen Dummköpfen der 1930er Jahre, die langsam zur Wahrheit fanden, haben sie ihre Ansichten kein Jota geändert.

Der Mangel an Anstand und Respekt vor dem menschlichen Leben ist erstaunlich: Fast unmittelbar nach dem Hamas-Angriff tauchte eine Legion von Leuten auf, die das Gemetzel herunterspielten oder leugneten, dass es überhaupt Greueltaten gegeben hat, als ob die Hamas nur eine herkömmliche Militäroperation gegen Soldaten durchgeführt hätte. Die Leugner des 7. Oktober befinden sich wie die Holocaust-Leugner in einer besonders dunklen Ecke.

Das Narrativ der Entkolonialisierung hat die Israeli in einem Masse entmenschlicht, dass ansonsten rationale Menschen die Barbarei entschuldigen, leugnen oder unterstützen. Es besagt, dass Israel eine «imperialistisch-kolonialistische» Macht ist, dass Israeli «Siedlerkolonialisten» sind und dass die Palästinenser das Recht haben, ihre Unterdrücker zu beseitigen. Was das bedeutet, haben wir am 7. Oktober alle gelernt. Israeli werden als «weiss» oder «weiss-angepasst» und Palästinenser als «people of colour» dargestellt.

Marxistische Theorie und sowjetische Propaganda

Diese Ideologie ist gerade in der akademischen Welt mächtig. Ihre ernsthafte Infragestellung aber längst überfällig. Es ist eine giftige, historisch unsinnige Mischung aus marxistischer Theorie, sowjetischer Propaganda und traditionellem Antisemitismus aus dem Mittelalter und dem 19. Jahrhundert. Ihr aktueller Motor ist jedoch die neue Identitätsanalyse, die die Geschichte durch ein Konzept der Rasse betrachtet, welches auf die amerikanische Erfahrung zurückgeht. Das Argument lautet, dass es für die «Unterdrückten» fast unmöglich ist, selbst rassistisch zu sein, genauso wie es im Umkehrschluss für einen «Unterdrücker» unmöglich ist, Gegenstand von Rassismus zu werden.

Juden können also nicht unter Rassismus leiden, weil sie als «weiss» und privilegiert gelten; während sie keine Opfer sein können, können sie andere, weniger privilegierte Menschen ausbeuten. Dem Narrativ entsprechend tun sie dies im Westen durch die Sünden des «ausbeuterischen Kapitalismus», im Nahen Osten durch den «Kolonialismus».

Diese linke Analyse mit ihrer Hierarchie der unterdrückten Identitäten – und ihrem einschüchternden Jargon, einem Hinweis auf ihren Mangel an sachlicher Strenge – hat in weiten Teilen der akademischen Welt und der Medien traditionelle universalistische linke Werte ersetzt. Dazu gehören auch internationale Standards des Anstands, der Achtung des menschlichen Lebens und der Sicherheit unschuldiger Zivilisten. Doch wenn diese unbeholfene Analyse mit den Realitäten des Nahen Ostens kollidiert, verliert sie jeden Bezug zu den historischen Fakten.

In der Tat bedarf es eines erstaunlichen Sprungs ahistorischer Verblendung, um die Bilanz des antijüdischen Rassismus in den zwei Jahrtausenden seit dem Fall des Judäischen Tempels im Jahr 70 n. Chr. zu ignorieren. Schliesslich steht das Massaker vom 7. Oktober in einer Reihe mit den mittelalterlichen Massentötungen von Juden in christlichen und islamischen Gesellschaften, den Chmelnizki-Massakern in der Ukraine von 1640, den russischen Pogromen von 1881 bis 1920 – und dem Holocaust. Sogar der Holocaust wird heute manchmal – wie von der Schauspielerin Whoopi Goldberg – als «nicht rassistisch» missverstanden, ein ebenso ignoranter wie abstossender Ansatz.

Entgegen dem Narrativ der Entkolonialisierung ist der Gazastreifen technisch gesehen nicht von Israel besetzt – nicht im üblichen Sinne von Soldaten vor Ort. Israel evakuierte den Streifen 2005 und räumte seine Siedlungen. Im Jahr 2007 ergriff die Hamas die Macht und tötete ihre Fatah-Rivalen in einem kurzen Bürgerkrieg. Die Hamas errichtete einen Einparteistaat, der die palästinensische Opposition in seinem Gebiet unterdrückt, gleichgeschlechtliche Beziehungen verbietet, Frauen unterdrückt und sich offen für die Tötung aller Juden einsetzt.

Eine sehr seltsame Gesellschaft für Linke

Natürlich haben einige Demonstranten, die «Vom Fluss bis zum Meer» skandieren, vielleicht keine Ahnung, was sie da fordern; sie sind unwissend und glauben, dass sie einfach nur «Freiheit» befürworten. Andere leugnen, dass sie für die Hamas sind, und bestehen darauf, dass sie einfach für die Palästinenser sind, haben aber das Bedürfnis, das Massaker der Hamas als verständliche Reaktion auf die israelisch-jüdische «koloniale» Unterdrückung darzustellen. Wieder andere sind bösartige Leugner, die den Tod israelischer Zivilisten herbeisehnen.

Die Giftigkeit dieser Ideologie ist inzwischen offensichtlich. Einst angesehene Intellektuelle haben schamlos darüber debattiert, ob 40 Babys zerstückelt wurden oder ob einer geringeren Zahl lediglich die Kehle durchgeschnitten oder sie lebendig verbrannt wurden. Studenten reissen jetzt regelmässig Plakate von Kindern ab, die als Geiseln der Hamas gehalten werden. Es ist schwer, diese herzlose Unmenschlichkeit zu verstehen. Unsere Definition von Hassverbrechen wird ständig erweitert, aber wenn dies kein Hassverbrechen ist, was ist es dann? Was geschieht in unserer Gesellschaft? Irgendetwas ist schiefgelaufen.

In einer weiteren rassistischen Wendung werden die Juden nun der Verbrechen beschuldigt, die sie selbst erlitten haben. Daher die ständige Behauptung eines «Völkermordes», obwohl kein Völkermord stattgefunden hat oder beabsichtigt war. Israel hat zusammen mit Ägypten eine Blockade über den Gazastreifen verhängt, seit die Hamas die Macht übernommen hat, und hat den Streifen als Vergeltung für regelmässige Raketenangriffe selbst regelmässig bombardiert.

Nachdem die Hamas und ihre Verbündeten mehr als 4000 Raketen auf Israel abgefeuert hatten, führte der Gazakrieg 2014 zu mehr als 2000 palästinensischen Todesopfern. Mehr als 7000 Palästinenser, unter ihnen viele Kinder, sind nach Angaben der Hamas bisher in diesem Krieg gestorben. Das ist eine Tragödie – aber es ist kein Völkermord, ein Wort, das durch seinen metaphorischen Missbrauch inzwischen so abgewertet wurde, dass es bedeutungslos geworden ist.

Ich sollte auch sagen, dass die israelische Herrschaft über die besetzten Gebiete im Westjordanland meiner Meinung nach unannehmbar, unhaltbar und ungerecht ist. Die Palästinenser im Westjordanland müssen seit 1967 eine harte, ungerechte und unterdrückerische Besatzung ertragen. Siedler unter der schändlichen Regierung Netanyahus haben Palästinenser im Westjordanland schikaniert und verfolgt: 146 Palästinenser im Westjordanland und in Ostjerusalem wurden im Jahr 2022 und mindestens 153 im Jahr 2023 vor dem Hamas-Anschlag getötet, und mehr als 90 seitdem. Nochmals: Dies ist entsetzlich und inakzeptabel, aber kein Völkermord.

Eine Tragödie, ja, aber kein Völkermord

Obwohl es einen starken Instinkt gibt, dies zu einem «Völkermord» zu machen, ist es keiner: Die Palästinenser leiden unter vielen Dingen: militärischer Besatzung, Einschüchterung und Gewalt durch Siedler, korrupter politischer Führung, herzloser Vernachlässigung durch ihre Brüder in mehr als zwanzig arabischen Staaten, der Ablehnung von Kompromissplänen durch den verstorbenen Palästinenserführer Yasir Arafat, die die Schaffung eines unabhängigen palästinensischen Staates vorgesehen hätten, und so weiter. Nichts von alledem stellt einen Völkermord oder etwas, das einem Völkermord ähnelt, dar.

Das israelische Ziel in Gaza ist es – unter anderem aus praktischen Gründen –, die Zahl der getöteten palästinensischen Zivilisten zu minimieren. Die Hamas und gleichgesinnte Organisationen haben im Laufe der Jahre mehr als deutlich gemacht, dass es in ihrem strategischen Interesse liegt, die Zahl der palästinensischen Opfer zu maximieren.

Wenn wir von Zahlen sprechen, bedenken Sie: Die jüdische Weltbevölkerung ist aufgrund der Shoah immer noch kleiner als im Jahr 1939. Die palästinensische Bevölkerung ist gewachsen, und sie wächst weiter. Das Schrumpfen der Bevölkerung ist ein offensichtliches Zeichen für Völkermord. Insgesamt wurden seit 1860 etwa 120 000 Araber und Juden im Konflikt um Palästina und Israel getötet. Im Gegensatz dazu wurden im syrischen Bürgerkrieg seit seinem Beginn im Jahr 2011 mindestens 500 000 Menschen, hauptsächlich Zivilisten, getötet.

Wenn die Ideologie der Entkolonialisierung, die an unseren Universitäten als Geschichtstheorie gelehrt und auf unseren Strassen als selbstverständlich richtig gepriesen wird, die gegenwärtige Realität stark verfälscht, spiegelt sie dann die Geschichte Israels so wider, wie sie es zu tun vorgibt? Das tut sie nicht. In der Tat beschreibt sie weder die Gründung Israels noch die Tragödie der Palästinenser richtig. Laut den Dekolonialisatoren ist und war Israel immer ein illegitimer Freistaat, weil es vom britischen Imperium gefördert wurde und weil einige seiner Gründer in Europa geborene Juden waren.

In diesem Narrativ ist Israel zweifach beschmutzt: mit dem gebrochenen Versprechen des imperialen Britannien, den Arabern die Unabhängigkeit zu geben, und mit dem gehaltenen Versprechen, eine «nationale Heimstätte für das jüdische Volk» zu unterstützen, wie es in der Balfour-Erklärung von 1917 heisst. Dabei geht gerne vergessen: Das angebliche Versprechen an die Araber war in Wirklichkeit ein zweideutiges Abkommen von 1915 mit dem Scherifen Hussein von Mekka, der wollte, dass seine haschemitische Familie die gesamte Region beherrscht. Zum Teil erhielt er dieses neue Reich nicht, weil seine Familie viel weniger regionale Unterstützung hatte, als er behauptete. Dennoch übergab Grossbritannien der Familie schliesslich drei Königreiche – Irak, Jordanien und Hedschas, ein Gebiet im heutigen Saudiarabien.

Die Versprechen der Imperien

Die imperialen Mächte – Grossbritannien und Frankreich – machten verschiedenen Völkern alle möglichen Versprechen, um dann doch die eigenen Interessen voranzustellen. Die Versprechen an die Juden und die Araber während des Ersten Weltkriegs waren typische Beispiele dafür. Danach wurden den Kurden, den Armeniern und anderen Völkern ähnliche Versprechen gemacht, von denen keines in Erfüllung ging.

Aber die zentrale Aussage, dass Grossbritannien die arabischen Versprechen verraten und die jüdischen unterstützt hat, ist unvollständig. In den 1930er Jahren wandte sich Grossbritannien gegen den Zionismus, und es strebte von 1937 bis 1939 einen arabischen Staat an, ohne dass es einen jüdischen gäbe. Es war eine bewaffnete jüdische Revolte von 1945 bis 1948 gegen das imperiale Grossbritannien, die den Staat zustande brachte.

Die Existenz Israels ist diesem Aufstand und dem internationalen Recht und der Zusammenarbeit zu verdanken, an die die Linke einst glaubte. Die Idee eines jüdischen «Heimatlandes» wurde in drei Erklärungen Grossbritanniens, Frankreichs und der Vereinigten Staaten vorgeschlagen und dann in einer Resolution des Völkerbundes vom Juli 1922 verkündet. Die britischen «Mandate» über Palästina und den Irak wurden entsprechend den französischen «Mandaten» über Syrien und Libanon geschaffen. Im Jahr 1947 beschlossen die Vereinten Nationen die Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in zwei Staaten, einen arabischen und einen jüdischen.

Auch die Ausgliederung solcher Staaten aus diesen Mandaten war keine Ausnahme. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gewährte Frankreich den neu geschaffenen Nationalstaaten Syrien und Libanon die Unabhängigkeit. Grossbritannien schuf auf ähnliche Weise den Irak und Jordanien. Die meisten Länder der Region, mit Ausnahme Ägyptens, wurden von imperialen Mächten entworfen.

Auch das kaiserliche Versprechen getrennter Heimatländer für verschiedene Ethnien oder Sekten war nicht einzigartig. Die Franzosen hatten den Drusen, Alawiten, Sunniten und Maroniten unabhängige Staaten versprochen, sie aber schliesslich in Syrien und Libanon zusammengefasst. Alle diese Staaten waren von 1517 bis 1918 «Vilayets» und «Sanjaks» (Provinzen) des von Konstantinopel aus regierten türkisch-osmanischen Reiches.

Das Konzept der «Teilung» wird im Narrativ der Entkolonialisierung als böser imperialer Trick betrachtet. Bei der Schaffung von Nationalstaaten im 20. Jahrhundert, die in der Regel aus untergegangenen Imperien hervorgegangen sind, war dies jedoch völlig normal. Und leider war die Gründung von Nationalstaaten häufig von Bevölkerungstausch, grossen Flüchtlingsströmen, ethnischer Gewalt und Kriegen geprägt. Man denke nur an den griechisch-türkischen Krieg von 1921/22 oder die Teilung Indiens im Jahr 1947. Auch in diesem Sinne war Israel-Palästina keine Ausnahme.

Heiliges Land und Heimat

Im Zentrum der Entkolonialisierungsideologie steht die Einstufung aller Israeli, historisch und gegenwärtig, als «Kolonialisten». Dies ist schlichtweg falsch. Die meisten Israeli stammen von Menschen ab, die zwischen 1881 und 1949 in das Heilige Land eingewandert sind. Sie waren nicht völlig neu in der Region. Das jüdische Volk hat tausend Jahre lang judäische Königreiche regiert und im Jerusalemer Tempel gebetet und war dann in den folgenden zweitausend Jahren in geringerer Zahl immer wieder dort präsent.

Mit anderen Worten: Die Juden sind im Heiligen Land beheimatet, und wenn man an die Rückkehr von Menschen im Exil in ihre Heimat glaubt, dann ist die Rückkehr der Juden genau das. Selbst diejenigen, die diese Geschichte leugnen oder sie als irrelevant für die heutige Zeit betrachten, müssen anerkennen, dass Israel heute die einzige Heimat von neun Millionen Israeli ist. Die meisten leben dort seit vier, fünf oder sogar sechs Generationen.

Als Vergleich: Die meisten Einwanderer, die beispielsweise in das Vereinigte Königreich oder die Vereinigten Staaten einwandern, werden im Laufe ihres Lebens als Briten oder Amerikaner angesehen. Die Politik in beiden Ländern ist voll von prominenten Führungspersönlichkeiten – Suella Braverman und David Lammy, Kamala Harris und Nikki Haley –, deren Eltern oder Grosseltern aus Indien, Westafrika oder Südamerika eingewandert sind. Keiner würde sie als «Siedler» bezeichnen.

Doch israelische Familien, die seit einem Jahrhundert in Israel leben, werden als «Siedlerkolonialisten» bezeichnet, die aus diesem Grund verstümmelt und gar ermordet werden dürfen. Und entgegen der Ansicht der Hamas-Apologeten rechtfertigt die ethnische Zugehörigkeit von Tätern oder Opfern niemals Greueltaten. Es ist bestürzend, dass es oft selbsternannte «Antirassisten» sind, die jetzt genau dieses Morden nach ethnischer Zugehörigkeit rechtfertigen, manchmal gar befürworten.

Die Linken sind der Meinung, dass Migranten, die vor Verfolgung fliehen, willkommen geheissen werden sollten und ihnen erlaubt werden sollte, sich anderswo ein Leben aufzubauen. Fast alle Vorfahren der heutigen Israeli sind vor Verfolgung geflohen.

Der Anspruch der Palästinenser

Auch wenn die «Siedlerkolonialisten»-Erzählung nicht stimmt, so ist es doch wahr, dass der Konflikt das Ergebnis der brutalen Rivalität und des Kampfes um Land zwischen zwei ethnischen Gruppen ist, die beide das Recht haben, dort zu leben. Als immer mehr Juden in die Region zogen, fühlten sich die palästinensischen Araber, die dort seit Jahrhunderten lebten und die eindeutige Mehrheit darstellten, durch diese Einwanderer bedroht. Der Anspruch der Palästinenser auf das Land wird nicht angezweifelt, ebenso wenig wie die Authentizität ihrer Geschichte oder ihr legitimer Anspruch auf einen eigenen Staat.

Ursprünglich strebten die jüdischen Einwanderer jedoch keinen Staat an, sondern wollten lediglich in dem vagen «Heimatland» leben und wirtschaften. 1918 traf sich der Zionistenführer Chaim Weizmann mit dem haschemitischen Prinzen Faisal bin Hussein, um über die Juden zu sprechen, die unter dessen Herrschaft als König von Grosssyrien lebten. Der heutige Konflikt war nicht unvermeidlich. Er wurde zu einem solchen, als sich die Gemeinschaften weigerten, miteinander zu teilen und zu koexistieren, und dann zu den Waffen griffen.

Noch absurder als das Etikett «Kolonisator» ist das «Weisssein»-Trophema, das der Schlüssel zur Ideologie der Entkolonialisierung ist. Auch hier gilt: einfach falsch. In Israel gibt es eine grosse Gemeinschaft äthiopischer Juden, und etwa die Hälfte aller Israeli – das sind etwa fünf Millionen Menschen – sind Mizrachim, Nachkommen von Juden aus arabischen und persischen Ländern, Menschen aus dem Nahen Osten. Sie sind keine weissen Europäer, sondern seit vielen Jahrhunderten, ja Jahrtausenden Einwohner von Bagdad und Kairo und Beirut, die nach 1948 vertrieben wurden.

Ein Wort zum Jahr 1948, dem Jahr des israelischen Unabhängigkeitskrieges und der palästinensischen Nakba, zu Deutsch: Katastrophe, die im Dekolonialisierungsdiskurs als ethnische Säuberung bezeichnet wird. In der Tat kam es auf beiden Seiten zu heftiger ethnischer Gewalt, als arabische Staaten in das Gebiet eindrangen und zusammen mit palästinensischen Milizen versuchten, die Gründung eines jüdischen Staates zu verhindern. Sie scheiterten. Und was sie letztlich verhinderten, war die Gründung eines palästinensischen Staates, wie er von den Vereinten Nationen vorgesehen war.

In den Gebieten, die die arabische Seite eroberte, etwa Ostjerusalem, wurde jeder Jude vertrieben. Denn die arabische Seite strebte die Tötung oder Vertreibung der gesamten jüdischen Gemeinschaft an – auf genau die mörderische Art und Weise, die wir am 7. Oktober gesehen haben.

In diesem brutalen Krieg haben die Israeli tatsächlich einige Palästinenser aus ihren Häusern vertrieben. Andere flohen vor den Kämpfen, wieder andere blieben und sind jetzt israelische Araber, die in der israelischen Demokratie das Stimmrecht haben. Zusammen mit den Drusen machen die Araber heute etwa 25 Prozent der Bevölkerung aus.

Etwa 700 000 Palästinenser verloren damals ihr Zuhause. Das ist eine enorme Zahl und eine historische Tragödie. Ab 1948 verloren etwa 900 000 Juden ihr Zuhause in islamischen Ländern, und die meisten von ihnen zogen nach Israel. Diese Ereignisse sind nicht direkt miteinander vergleichbar, und ich möchte nicht einen Wettbewerb der Tragödien oder eine Hierarchie der Opferschaft aufstellen. Aber die Vergangenheit ist viel komplizierter, als die Entkolonialisierer glauben machen wollen.

Aus diesem Wirrwarr ist ein Staat entstanden, Israel, und einer nicht, Palästina. Seine Gründung ist längst überfällig.

Christen, Kreuzritter und Koran

Es ist bizarr, dass ein kleiner Staat im Nahen Osten im Westen so viel leidenschaftliche Aufmerksamkeit erregt, dass Schüler durch kalifornische Schulen laufen und «Free Palestine» rufen. Aber das Heilige Land nimmt in der westlichen Geschichte einen besonderen Platz ein. Es ist in unser kulturelles Bewusstsein eingebettet, dank der hebräischen und der christlichen Bibel, der Geschichte des Judentums, der Gründung des Christentums, dem Koran und der Entstehung des Islams sowie den Kreuzzügen, die alle zusammen dafür gesorgt haben, dass sich die Menschen im Westen an seinem Schicksal beteiligt fühlen.

Der britische Premierminister David Lloyd George, der eigentliche Architekt der Balfour-Erklärung, pflegte zu sagen, dass die Namen der Orte in Palästina «mir vertrauter waren als die der Orte an der Westfront». Diese besondere Verbundenheit mit dem Heiligen Land wirkte sich zunächst zugunsten der jüdischen Rückkehr aus, in letzter Zeit jedoch gegen Israel. Menschen aus dem Westen, die darauf erpicht sind, die Verbrechen des euro-amerikanischen Imperialismus aufzudecken, aber nicht in der Lage sind, Abhilfe zu schaffen, haben sich, oft ohne wirkliche Kenntnis der tatsächlichen Geschichte, um Israel und Palästina als das weltweit anschaulichste Beispiel für imperialistische Ungerechtigkeit geschart.

Die offene Welt der liberalen Demokratien – oder der Westen, wie man ihn früher nannte – ist heute durch eine gelähmte Politik, kleinliche, aber bösartige kulturelle Fehden über Identität und Geschlecht und Schuldgefühle über historische Erfolge und Sünden polarisiert.

Eine Schuld, die auf bizarre Weise dadurch gesühnt wird, dass man Sympathie für die Feinde unserer demokratischen Werte zeigt und sie sogar anzieht. In diesem Szenario sind westliche Demokratien immer schlechte Akteure, heuchlerisch und neoimperialistisch, während ausländische Autokratien oder Terrorsekten wie die Hamas Feinde des Imperialismus und damit aufrichtige Kräfte des Guten sind.

In diesem auf den Kopf gestellten Szenario ist Israel eine lebende Metapher und Busse für die Sünden des Westens. Das Ergebnis sind eine intensive Betrachtung Israels und die Art und Weise, wie es beurteilt wird, wobei Massstäbe angelegt werden, die selten von einer Nation im Krieg erreicht werden, auch nicht von den Vereinigten Staaten.

Aber das Narrativ der Entkolonialisierung ist viel schlimmer als eine Studie über Doppelmoral; es entmenschlicht eine ganze Nation und entschuldigt, ja feiert sogar den Mord an unschuldigen Zivilisten. Wie die letzten zwei Wochen gezeigt haben, gilt die Entkolonialisierung in vielen unserer Schulen und vermeintlich humanitären Einrichtungen sowie unter Künstlern und Intellektuellen als autorisierte Version der Geschichte.

Mit seiner autoritären Erzählung von Bösewichten und Opfern hat ein solches Narrativ aber nur in einer Landschaft Bestand, in der ein Grossteil der realen Geschichte unterdrückt wird und in der alle westlichen Demokratien bösgläubige Akteure sind. Obwohl dem Narrativ das Raffinement der marxistischen Dialektik fehlt, zwingt es mit seiner selbstgerechten moralischen Gewissheit einer komplexen, unlösbaren Situation einen moralischen Rahmen auf, den manche vielleicht als tröstlich empfinden.

An dieser Stelle eine Warnung: Wann immer Sie ein Buch oder einen Artikel lesen, in dem der Begriff «Siedlerkolonialist» verwendet wird, haben Sie es mit ideologischer Polemik zu tun, nicht mit Geschichte.

«Eine erfundene Vergangenheit kann niemals benutzt werden», schrieb James Baldwin. «Sie zerbricht und zerbröckelt unter dem Druck des Lebens wie Lehm.» Letztlich ist diese ideologische Erzählung eine moralische und politische Sackgasse. Sie führt zu Gemetzel und Stillstand. Selbst wenn das Wort Entkolonialisierung nicht vorkommt, ist diese Ideologie in die parteiische Medienberichterstattung über den Konflikt eingebettet und durchzieht die jüngsten Verurteilungen Israels.

Die Freude der Studenten aus Harvard, der University of Virginia und anderen Universitäten an dem Gemetzel, die Unterstützung der Hamas durch Künstler und Schauspieler sowie die abfälligen Äusserungen der Verantwortlichen einiger der berühmtesten Forschungseinrichtungen Amerikas zeugen von einem schockierenden Mangel an Moral, Menschlichkeit und grundlegendem Anstand.

Tilda Swintons Brief

Ein besonders abstossendes Beispiel war ein offener Brief, der von Tausenden von Künstlern unterzeichnet wurde, unter ihnen berühmte britische Schauspieler wie Tilda Swinton und Steve Coogan. Darin wurde vor drohenden israelischen Kriegsverbrechen gewarnt und der Casus Belli, das Abschlachten von 1400 Menschen, völlig ignoriert.

Die Journalistin Deborah Ross schrieb in einem eindringlichen Artikel in der «Times», sie sei «zutiefst erschüttert», dass der Brief «keine Erwähnung der Hamas» und keine Erwähnung der «Entführung und Ermordung von Babys, Kindern, Grosseltern, jungen Menschen, die friedlich auf einem Friedensfestival tanzten» enthalte. «Das Fehlen von grundlegendem Mitgefühl und Menschlichkeit, das ist es, was mich so unglaublich zu Boden gebracht hat. Ist das so schwer? Die palästinensischen Bürger zu unterstützen und mit ihnen zu fühlen – und gleichzeitig den unbestreitbaren Horror der Hamas-Angriffe anzuerkennen?» Dann fragte sie diese thesenhafte Parade der moralischen Nichtigkeiten: «Was soll so ein Brief bringen? Und warum sollte ihn jemand unterschreiben?»

Der israelisch-palästinensische Konflikt ist verzweifelt schwer zu lösen, und die Rhetorik der Entkolonialisierung macht einen Verhandlungskompromiss, der der einzige Ausweg ist, noch unwahrscheinlicher.

Hamas will keine Zweistaatenlösung

Seit ihrer Gründung im Jahr 1987 hat die Hamas mit der Ermordung von Zivilisten jede Chance auf eine Zweistaatenlösung zunichtegemacht. Mit ihren Selbstmordattentaten auf israelische Zivilisten wollte sie 1993 das Zwei-Staaten-Abkommen von Oslo zerstören, in dem Israel und Palästina anerkannt wurden. Diesen Monat haben die Hamas-Terroristen ihr Gemetzel entfesselt, um einen Frieden mit Saudiarabien zu untergraben, der die palästinensische Politik und den Lebensstandard verbessert und den sklerotischen Rivalen der Hamas, die Palästinensische Autonomiebehörde, gestärkt hätte.

Zum Teil dienten sie Iran, um die Ermächtigung Saudiarabiens zu verhindern, und ihre Greueltaten waren natürlich eine spektakuläre Falle, um eine Überreaktion Israels zu provozieren. Höchstwahrscheinlich geht ihr Wunsch in Erfüllung, aber dafür missbrauchen sie auf zynische Weise unschuldige Palästinenser als Opfer für politische Zwecke, ein zweites Verbrechen an der Zivilbevölkerung. Ebenso macht die Ideologie der Entkolonialisierung, die das Existenzrecht Israels und das Recht seines Volkes auf ein sicheres Leben leugnet, einen palästinensischen Staat unwahrscheinlicher, wenn nicht gar unmöglich.

Das Problem des Westens ist lösbar

Das Problem in unseren Ländern ist leichter zu lösen: Die zivile Gesellschaft und die schockierte Mehrheit sollten sich jetzt durchsetzen. Die radikalen Verrücktheiten der Studenten sollten uns nicht allzu sehr beunruhigen; Studenten sind immer von revolutionären Extremen begeistert. Aber die unanständigen Feiern in London, Paris und New York City und der offensichtliche Widerwille der Verantwortlichen an den grossen Universitäten, die Morde zu verurteilen, haben gezeigt, wie teuer es ist, dieses Thema zu vernachlässigen und zuzulassen, dass die «Entkolonialisierung» unsere Hochschulen kolonialisiert.

Eltern und Studenten können auf Universitäten ausweichen, die nicht von Zweideutern geleitet und von Leugnern und Leichenfledderern bewacht werden; Spender können ihre Grosszügigkeit massenhaft zurückziehen, und das beginnt in den Vereinigten Staaten. Philanthropen können die Finanzierung von humanitären Stiftungen zurückziehen, die von Leuten geleitet werden, die Kriegsverbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen rassisch ausgewählte Opfer, unterstützen.

Das Publikum kann sich leicht entscheiden, keine Filme mit Schauspielern zu sehen, die das Töten von Kindern ignorieren; die Studios müssen sie nicht engagieren. Und in unseren Akademien ist diese giftige Ideologie, der die Böswilligen und Dummen, aber auch die Modernen und Wohlmeinenden folgen, zu einer Standardposition geworden. Sie muss ihre Seriosität einbüssen, ihre fehlende Authentizität als Geschichte. Ihre moralische Nichtigkeit ist für alle sichtbar geworden.

Wiederum müssen Wissenschafter, Lehrer und unsere Zivilgesellschaft sowie die Institutionen, die Universitäten und Wohltätigkeitsorganisationen finanzieren und regulieren, eine giftige, unmenschliche Ideologie infrage stellen, die keine Grundlage in der realen Geschichte oder Gegenwart des Heiligen Landes hat und die ansonsten rationale Menschen dazu berechtigt, die Zerstückelung von Babys zu entschuldigen.

Selbst der saudische Staatsmann Prinz Turki bin Faisal verurteilt die Hamas

Israel hat viele harte und schlimme Dinge getan. Die Regierung Netanyahu, die schlechteste in der Geschichte Israels, ist ebenso unfähig wie unmoralisch und fördert einen maximalistischen Ultranationalismus, der sowohl inakzeptabel als auch unklug ist. Jeder hat das Recht, gegen die Politik und die Handlungen Israels zu protestieren, aber nicht, Terrorsekten, die Tötung von Zivilisten und die Verbreitung eines bedrohlichen Antisemitismus zu fördern.

Die Palästinenser haben berechtigte Beschwerden und haben viel brutale Ungerechtigkeit ertragen müssen. Die Palästinensische Autonomiebehörde, die 40 Prozent des Westjordanlandes beherrscht, ist marode, korrupt, unfähig und allgemein verachtet – und ihre Führer sind ebenso miserabel wie die Israels.

Die Hamas ist eine teuflische Mördersekte, die sich unter der Zivilbevölkerung versteckt, die sie auf dem Altar des Widerstands opfert – wie gemässigte arabische Stimmen in den letzten Tagen offen erklärt haben, und zwar viel schärfer als die Apologeten der Hamas im Westen. «Ich verurteile kategorisch, dass die Hamas Zivilisten ins Visier nimmt», erklärte der langjährige saudische Staatsmann Prinz Turki bin Faisal letzte Woche in bewegenden Worten. «Ich verurteile die Hamas auch dafür, dass sie einer israelischen Regierung, die sogar von der Hälfte der israelischen Öffentlichkeit gemieden wird, den höheren moralischen Rang einräumt. Ich verurteile die Hamas dafür, dass sie den Versuch Saudiarabiens sabotiert, eine friedliche Lösung für die Notlage des palästinensischen Volkes zu finden.»

In einem Interview mit Khaled Meshaal, einem Mitglied des Hamas-Politbüros, hob die arabische Journalistin Rasha Nabil hervor, dass die Hamas ihre eigenen Leute für ihre politischen Interessen opfert. Meshaal argumentierte, dass dies nur der Preis des Widerstands sei: «Dreissig Millionen Russen sind gestorben, um Deutschland zu besiegen», sagte er.

Nabil ist ein Beispiel für westliche Journalisten, die es kaum wagen, die Hamas und ihre Massaker infrage zu stellen. Nichts ist herablassender und sogar orientalistischer als die Romantisierung der Schlächter der Hamas, die viele Araber verachten. Die Leugnung ihrer Greueltaten durch so viele im Westen ist ein Versuch, aus einer Organisation, die Babys zerstückelt und die Körper ermordeter Mädchen schändet, akzeptable Helden zu machen. Dies ist ein Versuch, die Hamas vor sich selbst zu retten. Vielleicht sollten die Hamas-Apologeten des Westens auf gemässigte arabische Stimmen hören anstatt auf eine fundamentalistische Terrorsekte.

Die Greueltaten der Hamas machen sie, wie den Islamischen Staat und al-Kaida, zu einer nicht tolerierbaren Abscheulichkeit. Israel hat wie jeder andere Staat das Recht, sich zu verteidigen, aber es muss dabei sehr vorsichtig vorgehen und die Verluste unter der Zivilbevölkerung so gering wie möglich halten, und es wird selbst bei einem vollständigen militärischen Einmarsch schwer sein, die Hamas zu vernichten. In der Zwischenzeit muss Israel seine Ungerechtigkeiten im Westjordanland eindämmen – oder es riskiert, sich selbst zu zerstören –, denn schliesslich muss es mit gemässigten Palästinensern verhandeln.

Der einzige Weg

So nimmt der Krieg einen tragischen Verlauf. Während ich diese Zeilen schreibe, sterben durch die Bombardierung des Gazastreifens jeden Tag palästinensische Kinder, und das ist unerträglich. Während Israel immer noch seine Verluste betrauert und seine Kinder begräbt, beklagen wir die Tötung israelischer Zivilisten ebenso wie die Tötung palästinensischer Zivilisten. Wir lehnen die Hamas ab, die böse und unfähig ist, zu regieren, aber wir verwechseln die Hamas nicht mit dem palästinensischen Volk, dessen Verluste wir ebenso beklagen wie den Tod aller Unschuldigen.

Im weiteren Verlauf der Geschichte können manchmal schreckliche Ereignisse befestigte Positionen erschüttern: Anwar Sadat und Menachem Begin schlossen nach dem Jom-Kippur-Krieg Frieden; Yitzhak Rabin und Yasir Arafat schlossen nach der Intifada Frieden. Die teuflischen Verbrechen des 7. Oktober werden nie vergessen werden, aber vielleicht werden Israeli und Palästinenser in den kommenden Jahren, wenn die Hamas zerschlagen und der Netanyahuismus nur noch eine katastrophale Erinnerung ist, die Grenzen ihrer Staaten, die durch 75 Jahre des Tötens und durch das Gemetzel der Hamas an einem Wochenende erschüttert wurden, in gegenseitiger Anerkennung ziehen. Es gibt keinen anderen Weg.

Simon Sebag Montefiore ist der Autor mehrerer historischer Bücher. Dazu gehören «Jerusalem. Die Biographie» (2011) und «Die Welt. Eine Familiengeschichte der Menschheit» (2023). Dieser Artikel erschien zuerst am 27. Oktober im amerikanischen Magazin «The Atlantic».

Der größte Lump im ganzen Land…

das ist und bleibt der Denunziant. Dieses Zitat wird dem Dichter unserer Nationalhymne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben. Es paßt auch gut zu ihm. Indessen dürfte es im sozialdemokratischen Milieu der 1880er Jahre entstanden sein. In diesem prägnanten jambischen Versmaß wurde der Satz erstmals in der Zeitschrift Der Sozialdemokrat Nr. 24 vom 10.6.1886 veröffentlicht, so Gerald Krieghofer auf falschzitate blogspot.com. Wie dem auch sei, der Spruch ist nun rund 150 Jahre später aktueller denn je.

Das Verpetzer-Gesetz

Denn die Ampelkoalition, die ja sonst wirklich nichts auf die Reihe kriegt, hat uns nun mit einem Gesetz, selbstverständlich mit entsprechender Ausführungsverordnung, beglückt, das zum Schutz unseres Staates so notwendig ist, wie seinerzeit die Staatssicherheit der DDR gegen staatsfeindliche Umtriebe. Es handelt sich um das Hinweisgeberschutzgesetz. Dieses Gesetz regelt nicht mehr und nicht weniger als die Behandlung von Hinweisen auf wirkliche oder auch nur eingebildete Missstände, Rechtsverstöße etc. Dazu muß natürlich eine gesetzliche Regelung getroffen werden, die nicht nur die sogenannten Whistleblower vor Repressalien schützt, was ja sicherlich in dem einen oder anderen Falle sinnvoll sein kann, denken wir etwa an Edward Snowden. Wenig überraschend beruht das Ganze auch auf einer europäischen Richtlinie, die indessen wohl nirgends sonst in Europa so umgesetzt worden ist, wie in Deutschland. Nur ganz böse Zungen werden dann gleich sagen, daß dies deswegen nicht weiter verwundert, weil wir in unserer Vergangenheit doch schon die Gestapo und die Stasi hatten, und deswegen wissen, wie man so etwas macht. Doch leider ist gerade dieser Gedanke nicht abwegig.

Was ist nun Gesetz?

Schauen wir uns also dieses Hinweisgeberschutzgesetz vom 31.Mai 2023 näher an. Wir finden dort unter anderem diese Regelung des Anwendungsbereichs der Vorschrift:

§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Äußerungen von Beamten und Beamtinnen, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.

Es geht also nicht allein um den Schutz solcher Hinweisgeber, die über Geheimnisverrat im sicherheitsrelevanten Bereich etwa der Streitkräfte oder auch sicherheitsempfindlicher Teile der Industrie ihre Vorgesetzten oder die zuständigen Behörden informieren, sondern es geht eben auch um das Denunziantentum im klassischen Sinne, nämlich die Gesinnung des politisch Andersdenkenden. Denn um nichts anderes geht es vielfach im verfassungsschutzrelevanten Bereich. In den letzten Jahren hat sich der Verfassungsschutz ja leider immer mehr zu einem Kampfinstrument der politischen Mehrheit gegen die oppositionelle Minderheit entwickelt. § 60 des Bundesbeamtengesetzes ebenso wie § 8 des Soldatengesetzes, um die einschlägigen Rechtsvorschriften zu benennen, verlangen nun einmal von Beamten und Soldaten, daß sie in ihrem Verhalten jederzeit die Gewähr dafür bieten, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Über §§ 46 und 71 des Deutschen Richtergesetzes gilt diese Vorschrift auch für unsere Richter. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist auch nicht auf den öffentlichen Dienst beschränkt. Auch der missgünstige Angestellte, der seinem Kollegen in der Firma ein Bein stellen will, fällt unter dieses Gesetz. Wie wir wissen, geht es dabei heute nicht mehr allein um die im Gesetz über den Verfassungsschutz geregelten Tatbestände. Nicht nur die Bekämpfung der demokratischen Grundordnung und Bestrebungen gegen den unbedingten Schutz der Menschenwürde, sondern auch die sogenannte verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, was nach der Praxis des Verfassungsschutzes nahezu jede Kritik an den Inhabern politischer Ämter und ihrem Handeln einschließt, rufen den Verfassungsschutz auf den Plan. Ferner wird die Definition dessen, was als verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet werden kann, immer weiter zulasten der Meinungsfreiheit ausgeweitet. Das führt derzeit dazu, daß es etwa als Bestrebung gegen den Schutz der Menschenwürde gewertet wird, wenn man die Förderung der eigenen Kultur und Traditionen in Deutschland verlangt und darauf hinweist, daß es ja nun einmal jenseits der juristischen Definition des Staatsvolkes ein deutsches Volk gibt, wie im Übrigen auch ein polnisches, französisches, kurdisches und jüdisches Volk jenseits der staatsrechtlichen Gegebenheiten. Und daß dies nicht im geringsten eine gewissermaßen inzidente Herabwürdigung der nicht ethnisch Deutschen bedeutet. Indessen stellt der Haldenwang’sche Verfassungsschutz genau diese hirnrissige Behauptung auf. Man kann also darauf warten, daß der Hinweis auf die biologische Tatsache, daß es nur zwei Geschlechter gibt, als Angriff auf die Menschenwürde gewertet wird.

Des Pudels Kern

Ich erinnere daran, daß die Antifa-Freundin auf dem Sessel des Bundesinnenministers im Dezember vergangenen Jahres angeregt hat, die Beweislast für die Verfassungstreue im Sinne der Beamtengesetze umzukehren. Nicht mehr der Staat müsse beweisen, daß Beamte, Soldaten und Richter nicht die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Vielmehr müsse der betreffende Staatsdiener beweisen, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt mit der Folge, daß der Staat nicht mehr das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Verdächtigen durchzuführen habe, sondern einfach durch Disziplinarverfügung den Betroffenen aus dem Dienst entfernen könne. Das habe den Vorzug, daß das schnell gehe, und nicht die Entlassung des enttarnten Verfassungsfeindes erst nach jahrelangem gerichtlichen Verfahren möglich sei. Zu Recht kam die Ministerin damit nicht durch. Indessen hat man ja nun einen Ausweg gefunden, die Beweislage des Staates insoweit wesentlich zu verbessern. Denn wenn erst einmal das gesetzlich geförderte Denunziantentum Fahrt aufgenommen haben wird, werden auch die gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen die echten und noch viel mehr die behaupteten Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst zügig über die Bühne gehen. Material hat man ja nun dank der Erschließung neuer Erkenntnisquellen in Hülle und Fülle.

Ein weites Feld für Schnüffler, Spitzel und Sykophanten

Somit kann jede kritische Äußerung im Kollegenkreis erst die Prüfung, dann die Beobachtung des Verfassungsschutzes und damit verbunden den öffentlichen Pranger nach sich ziehen. Mußte man bisher vor allem als Beamter oder Soldat mit Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in Leserbriefen oder im Rahmen öffentlicher Diskussionen vorsichtig sein, so gilt dies ab sofort auch für das Gespräch in der Kantine und den Plausch auf dem Flur, auf dem Betriebsausflug in geselliger Runde, an der Hotelbar oder in der Kneipe, ja auch beim Grillen auf derTerrasse im Kreis der Freunde und, ja sogar der Familie. Dabei müssen dann die Leute, die ihre Freunde, Kollegen und Verwandten beim Verfassungsschutz anschwärzen, keinesfalls mit irgendwelchen Nachteilen für sich selbst rechnen, nicht einmal dann, wenn die Anschuldigungen gegen ihre Opfer sich als haltlos erweisen. Denn insoweit regelt das Gesetz:

§ 33 Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen

(1) Die §§ 35 bis 37 sind auf hinweisgebende Personen anwendbar, sofern

  1. diese intern gemäß § 17 oder extern gemäß § 28 Meldung erstattet haben oder eine Offenlegung gemäß § 32 vorgenommen haben,
  2. die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  3. die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.

Die Regelung erinnert nun doch zu sehr an die Stasi unseliger Zeiten. Jedenfalls legt das der nachfolgende Gesetzestext nahe:

Statut des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. Juli 1969:

(1)
Das MfS führt den Kampf gegen die Feinde in enger Zusammenarbeit mit den Werktätigen und mit Unterstützung aufrechter Patrioten. Auf der Grundlage des Vertrauens und der bewussten Verantwortung der Bürger ist die revolutionäre Massenwachsamkeit in der Deutschen Demokratischen Republik weiter zu erhöhen. Das MfS stützt sich dabei auf eine breite gesellschaftliche Basis, um die Sicherheit der Staats- und Gesellschaftsordnung in noch größerem Umfang zu gewährleisten und zu einer weitgehenden Reduzierung und Ausschließung störender und hemmender Faktoren der Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen beizutragen.
(2)
Das MfS erfüllt die Abwehr- und Aufklärungsaufgaben unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden.

Mielke redivivus?

Die Ausführungsverordnung ist unterzeichnet von Justizminister Dr. Marco Buschmann. Der Mann gehört der FDP an. Das F in FDP steht für frei. Man ist versucht, an den Neusprech bei George Orwell zu denken. Frei bedeutet eben nicht mehr frei, sondern unfrei. Die höchste Form der Freiheit ist eben die Unterwerfung.

Zugegeben. Das Hinweisgeberschutzgesetz und seine Ausführungsverordnung sind besser formuliert, also perfekter, als die Gesetze der DDR. Einen kleinen Mangel hat das Gesetz noch. Es fehlt die Regelung der Entlohnung für die Verpetzer. Indessen ist das kein Trost. „Horch und Guck“ feiert fröhliche Urständ im besten Deutschland, das wir je hatten. ARD und ZDF senden aus dem Denunziantenstadl. Beachtet ihr nicht den Haltungszwang, dann holt euch bald der Haldenwang!


Frieden um jeden Preis?

Es ist an der Zeit, die Debatte um Krieg und Frieden, um Panzerlieferungen und Verhandlungsangebote, um Kriegstreiber und Friedenstauben zu beenden.

Die Lage

Es stehen sich unversöhnlich die Befürworter der Politik des Westens, der die Ukraine mit der Lieferung von Waffen und der Ausbildung ihrer Soldaten daran unterstützt einerseits, und die Befürworter einer Verhandlungslösung, die von den Regierungen der Ukraine und der NATO-Staaten jedoch nicht angestrebt werde, gegenüber. Dabei gewinnt diese Debatte an Schärfe dadurch, daß hier, wie in Deutschland leider inzwischen üblich, die Sachargumente moralisch vergiftet werden. Die jeweilige Gegenseite liegt halt nicht nur falsch, nein, sie steht im Solde der Mächte der Finsternis. Befürworter von Friedensverhandlungen betreiben die Propaganda Russlands, Befürworter von Rüstungslieferungen an die Ukraine betreiben das Geschäft der amerikanischen Wirtschaft, deren Vasallen die Regierungschefs von Washington bis Berlin sind.

Was ist zu tun?

So kommen wir nicht weiter. Wir müssen nüchtern die Fakten betrachten. Fangen wir meinetwegen mit der Rolle des Westens, angeführt von der amerikanischen Administration an. Die USA haben ein massives Interesse daran, die Ukraine und nicht nur sie in den westlichen Wirtschaftsraum und auch in die NATO aufzunehmen. Es ist das natürliche Bestreben jeder Großmacht schon immer gewesen, ihren Einflussbereich immer mehr auszuweiten. Dazu ist historisch wie auch gegenwärtig jedes Mittel recht. Im Falle der Ukraine ist es in der Tat so, daß die USA seit 2004 auch mit unlauteren Mitteln, Intrigen, Bestechungen und vielleicht sogar Manipulationen an der Herauslösung dieses Landes aus dem Einflussbereich Russlands gearbeitet haben. Was von den Kritikern der US-amerikanischen Kritik hierzu vorgetragen wird, ist in der Sache im allgemeinen auch zutreffend. Doch kann man dabei nicht stehen bleiben. Die rote Linie der Politik ist die Gewaltanwendung. Unterhalb dieser Schwelle ist eben alles erlaubt, und soweit hier juristische Grauzonen, auch Verbotszonen, betreten werden, kann dem nur mit juristischen Mitteln begegnet werden. Eine manipulierte Wahl kann eben auf dem dafür eingerichteten Rechtsweg angefochten werden, Bestechung wird von den zuständigen Gerichten abgeurteilt, wenn denn auch Anklage erhoben wird. Eine auf zweifelhaftem Wege zustande gekommene politische Entscheidung kann nur auf demokratischem Wege korrigiert werden, indem sie rückgängig gemacht wird bzw. eine andere Entscheidung an ihre Stelle gesetzt wird. So und nicht anders sind nun einmal die Spielregeln seit der Aufklärung. Das ist der parlamentarische Rechtsstaat. Er kann Gewalt nur zur Durchsetzung des Rechts im Inneren nach den dafür aufgestellten Regeln ausüben, und zur Verteidigung gegen den Angriff von außen, der ja immer Rechtsbruch ist.

Die Souveränität der Staaten

Es ist daher völlig gleichgültig, ob die Ukraine ausschließlich aus eigenem Antrieb ihrer Bevölkerung ohne Einflussnahme von außen, oder unter dem massiven Einfluss von außen sich dazu entschieden hat, sich politisch und wirtschaftlich ins westliche Lager zu begeben und die Mitgliedschaft in EU und NATO anzustreben. Es ist einfach das gute Recht eines jeden Volkes, über sein Schicksal, seine Gesellschaftsordnung, seine Bündnisse selbst zu bestimmen. Niemand, insbesondere nicht frühere Verbündete oder gar Kolonialherren, hat das Recht, eine solche Entscheidung mit Gewalt zu korrigieren und dieses Land dann militärisch zu unterwerfen.

Berechtigte und vorgeschobene Interessen

Es ist demnach auch völlig gleichgültig, ob diese Entwicklung die Sicherheitsinteressen Russlands, seien sie legitim oder übergriffig, beeinträchtigt. Es mag sein, daß diese Entwicklung in der Tat die Sicherheitsinteressen Russlands berührt. Indessen kann dies weder rechtlich noch politisch einen tragfähigen Grund dafür abgeben, in die Ukraine einzumarschieren und sie unterwerfen zu wollen. Daran ändern auch einschlägige Rechtsverstöße der USA in der Vergangenheit nichts. Wer Unrecht tut, kann sich zu seiner Verteidigung nicht darauf berufen, andere täten das ja auch. In rechtlicher Hinsicht genügt der Hinweis auf die UN-Charta und die Verträge zwischen beiden Staaten, die einen solchen Angriff schlicht verbieten. In politischer Hinsicht ist es nun einmal so, daß Russland die Osterweiterung der NATO nicht nur hingenommen, sondern sich sogar vertraglich insoweit gebunden hat, etwa in der NATO-Russland Grundakte, die es am 27.5.1997 unterzeichnet hat. Auf dieser Grundlage wurde am 28.5.2002 der NATO-Russland Rat ins Leben gerufen. Der russische Präsident hieß damals bereits Vladimir Putin. Polen, Ungarn und Tschechien waren bereits am 12.3.1999 der NATO beigetreten. Noch 2001 zeigte sich Putin indifferent gegenüber dem Beitritt der baltischen Staaten zur NATO. 2004 widersprach Russland dem Beitritt Bulgariens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens sowie der baltischen Staaten zur NATO nicht. Wenn also heute der Angriff auf die Ukraine mit dem Argument gerechtfertigt wird, man könne der Ausweitung des westlichen Einflussgebiets auf dieses Land aus Sicherheitsgründen nicht mehr untätig zusehen, so ist das nicht glaubhaft. Tatsächlich hat Russland historisch schon immer ein erhebliches Interesse an der Ukraine gehabt. Schon nach dem Sieg Russlands in der Schlacht von Poltawa 1709 begann die nachhaltige Russifizierung des Landes. Sie setzte sich fort in den Zentralisierungsmaßnahmen Katharinas der Großen und der kulturellen Assimilierung der Ukraine an Russland unter Alexander II. Die mehrfachen Äußerungen Putins, die russische Erde wieder einsammeln zu wollen, sprechen eine deutliche Sprache. Nicht die zweifellos legitimen Sicherheitsinteressen, sondern die traditionell großrussische Politik bestimmten Putins Entschluss zum Angriff.

Verlängern wir nur den Krieg?

Auf den ersten Blick einleuchtend sein mag das Argument Sahra Wagenknechts, die Lieferung von Waffen an die Ukraine verlängere nur den Krieg. Besonders perfide sei es, der Ukraine jeweils nur so viel an Waffen und Munition zu liefern, daß sie sich der russischen Angriffe erwehren könne. Das verlängere den Krieg auf unabsehbare Zeit und koste täglich Hunderte von Menschen das Leben. Frau Wagenknecht und ihre Anhänger müssen sich indessen fragen lassen, was die Alternative wäre. Auch Frau Wagenknecht und ihre Anhänger bestreiten nicht, daß Russland völkerrechtswidrig diesen Krieg führt. Die Konsequenz muß ja sein, daß dem Opfer dieses völkerrechtswidrigen Angriffs Beistand geleistet werden darf, nach richtiger Ansicht sogar geleistet werden muß. Die Alternative wäre also, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen und der Eroberung des Landes durch die russischen Streitkräfte tatenlos zuzusehen. Der Friede wäre dann da. Allerdings wohl auch der Friede des Friedhofs. Will man das?

Eher berechtigt scheint die Kritik zu sein, daß nur so viel Unterstützung geleistet wird, daß die Ukraine sich weiterer Angriffe erwehren kann, nicht jedoch so viel, daß sie den Angreifer aus dem Lande werfen und auf diese Weise einen gerechten Frieden erreichen kann. Indessen ist letzteres unrealistisch. Die personelle und materielle Überlegenheit Russlands gegenüber der Ukraine ist so groß, daß die Umkehr dieser Verhältnisse ausgeschlossen ist. Es ist leider in der Tat nur möglich, die Ukraine militärisch in einem Maße zu unterstützen, durch Lieferung von Waffen, Ausrüstung und Munition sowie Ausbildung ihrer Soldaten an westlichen Waffensystemen, daß sie in den Stand gesetzt wird, der russischen Übermacht standzuhalten. Das ist militärisch selbstverständlich auch aus der Unterzahl möglich, wie die Militärgeschichte immer wieder bewiesen hat. Ausgeschlossen indessen ist in aller Regel der militärische Sieg über den Gegner aus der Unterzahl. Allenfalls einzelne Schlachten können einmal mit viel Können und noch mehr Kriegsglück aus der Unterzahl gewonnen werden, niemals jedoch ein Krieg. Und somit bleibt die bittere Erkenntnis, daß dieser Krieg wohl noch geraume Zeit dauern wird, nämlich so lange, bis auch Russland trotz seiner gewaltigen personellen und materiellen Ressourcen nicht mehr weiterkämpfen kann, jedenfalls nicht mehr weiter mit dem Ziel, das Land zu erobern.

Wann kommt der Tag, an dem die Waffen schweigen?

Das wird dann die Stunde der Friedensverhandlungen sein. Denn zu Verhandlungen ist nur bereit, wer einsehen musste, daß er auf anderem Wege sein Ziel nicht mehr erreichen kann. Wer dann welche Kompromisse eingehen wird, können wir heute nicht wissen. Vor allem aber ist es nicht unsere Sache, in der Art eines Kindermädchens den Ukrainern erklären zu wollen, wann und mit welchem Ziel sie in Verhandlungen mit Russland eintreten sollen. Und es ist auch nicht unsere Sache, Russland etwa bedeuten zu wollen, welche Teile der Ukraine es behalten kann oder überhaupt unter welchen Bedingungen Russland Frieden schließen soll.

Was ist eigentlich unser Interesse?

Und schlussendlich sei an den klassischen Satz von Charles de Gaulle erinnert. Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Weder Russland noch die Ukraine noch die USA oder Frankreich sind Freunde Deutschlands wie das in zwischenmenschlichen Beziehungen erstrebenswert ist. Mit Staaten hat man gute oder schlechte Beziehungen, man verfolgt seine Interessen, jedenfalls wenn man seine Gedanken beisammen hat. Unser Interesse kann es nach Sachlage nur sein, gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zu der Weltmacht zu haben, die unser Leben in Freiheit und Wohlstand wenn nicht garantiert, so doch am wenigsten gefährdet. Das ist in absehbarer Zukunft nur mit guten Beziehungen zu den USA und den übrigen westlichen Demokratien möglich. Selbstverständlich sind entsprechend gute Beziehungen auch zu anderen großen Spielern auf der politischen Bühne wie China, Indien, Brasilien etc. wünschenswert. Selbstverständlich sind auch Handel und Wandel mit Russland in Zukunft wieder aufzunehmen, wohlwissend, daß eine Anlehnung an ein autokratisches System weder im Falle Russlands noch im Falle Chinas erstrebenswert sein kann.

Vor allem aber ist es notwendig, die Debatte nüchtern, sachlich und ohne Schaum vor dem Mund zu führen.

Was hat er denn gesagt?

Dr. Hans-Georg Maaßen liegt der CDU quer, und die linksgrüne Mehrheit in den Medien gönnt ihm nur ein Plätzchen in der Hölle, natürlich da, wo sie am heißesten ist. Denn er hat etwas über die CRT (Critical Race Theory) gesagt. Und zwar kritisch. Obendrein hat er darauf aufmerksam gemacht, daß es in Deutschland Leute gibt, die  voller Hoffnung darauf blicken, daß infolge des demographischen Wandels, der vom Geburtenrückgang bei den Einheimischen und der Zuwanderung aus dem vorderen Orient und Afrika befeuert wird, die autochthonen Deutschen verschwinden werden. Auch die Agglomeration von Kapital bei wenigen Reichen im globalen Maßstab sei ein Problem. Das darf man nicht. Denn kritisch und links ist ok, kritisch und rechts ist böse.

Das seien nun einmal rechtsradikale Verschwörungstheorien. Schon der Gebrauch des Begriffs „Rasse“ missachte die Menschenwürde. Also sei das rassistisch. Zusammen mit der Erwähnung von schwerreichen Familien offenbare das auch antisemitische Züge in seinem Denken. Damit hat sich Maaßen aller Vergehen schuldig gemacht, die zur Verdammung in den politischen Orkus führen. Der Ausschluss aus der CDU ist dann die notwendige Folge.

Wie ist es denn gewesen?

Nun muß man in solchen Fällen erfahrungsgemäß erst einmal prüfen, was der Delinquent in wirklich gesagt hat. Wir kennen das ja aus der Causa Hohmann. Diesem Politiker wurde zur Last gelegt, am 3. Oktober 2003 eine antisemitische Rede gehalten zu haben. In seinen Betrachtungen zur leidvollen Geschichte der Juden in Deutschland und den Untaten der Nationalsozialisten hatte er unter anderem die rhetorische Frage gestellt, ob man die Juden mit Blick auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Palestinänsern als „Tätervolk“ betrachten könne, um diese Frage gleich mit Nachdruck zu verneinen. Indessen berichteten die Medien durchweg wahrheitswidrig und zitierten verkürzend und deswegen objektiv falsch aus dieser Rede, Hohmann habe die Juden als Tätervolk bezeichnet. Daraufhin setzte das übliche Kesseltreiben gegen den Abgeordneten ein, wobei sich Angela Merkel als Großinquisitorin gerierte. Hohmann musste natürlich gehen, auch aus der CDU. Dabei nützte es ihm nichts, daß er bei den Gerichten erfolgreich gegen diese Verleumdungen geklagt hatte, und auch nicht, daß die zuständige Staatsanwaltschaft ebenfalls nichts Unrechtes an seinen Ausführungen finden konnte. Denn wenn die Empörungsmaschinerie der politischen Klasse unseres Landes erst einmal angeworfen ist, dann läuft sie eben und zerstückelt ihr Opfer. Für die Medien und die Politik ist ohnehin nicht die objektive Wahrheit maßgeblich, sondern maßgeblich ist allein, wie Medien und Politik einen Sachverhalt sehen und bewerten.

Politiker und Mainstream-Journalisten können an dieser Stelle aufhören zu lesen. Denn wir wollen erst einmal prüfen, was Herr Maaßen wirklich gesagt hat, und weiter, ob seine Aussagen auch sachlich zutreffend sind.

Rassismus?

Beginnen wir mit dem Hauptauftreger. Er hat ja „Rasse“ gesagt. Noch mehr, er hat dem rot/grünen Establishment in Deutschland den Spiegel vorgehalten. Da gibt es ja nicht wenige, die sich rassistisch über die Deutschen äußern. Dazu gehören prominente Politiker wie die Integrationsbeauftragte (!) der Bundesregierung, Ferda Ataman oder auch Wissenschaftler, die sich mit Zuwanderung, Integration und der dadurch bedingten Gesellschaftsveränderung allgemein befassen, wie etwa Naika Foroutan. Doch lesen wir die einschlägige Passage. Alexander Wallasch fragt nach den Gründen für die offensichtlich zu großen Problemen führenden Migrationspolitik.

Alexander Wallasch: Und warum wird diese Migrationspolitik fortgesetzt, obwohl jedermann sieht, was sie für einen Schaden anrichtet?

Hans-Georg Maaßen: Die Antwort ist einfach, auch wenn sie uns erschaudern lässt. Diese verantwortlichen Politiker und Haltungsjournalisten wollen die Folgen der Migrationspolitik. Sie wollen die Massenzuwanderung, weil sie ihre Ideologie umsetzen wollen und weil sie Deutschland und das deutsche Volk hassen.

Sie sagen mittlerweile ganz offen, um was es geht. Die deutschen „Weißbrote“ oder „Kartoffeln“ – damit sind wir Deutschen gemeint – werden in fünfzig bis hundert Jahren gar nicht mehr existieren, und es sei gut, daß Migranten zu uns kommen, damit es diese „Weißbrote“ nicht mehr gebe.

Das ist Rassismus, der gegen die einheimischen Deutschen betrieben wird. Vor einem solchen Rassismus würde uns in jedem anderen Land der Welt die Genfer Flüchtlingskonvention von 1953 schützen. Wenn hier nun von Politikern und Haltungsjournalisten behauptet wird, ein Rassismus gegen Weiße oder gegen Deutsche gebe es nicht, dann bedeutet dies, daß politische Verfolgung aus rassischen Gründen gegen Weiße erlaubt ist, und dies ist nichts anderes, als uns abzusprechen, daß wir gegenüber Migranten gleichwertige Menschen sind.

Dieses Denken ist Ausdruck einer grün-roten Rassenlehre, nach der Weiße als minderwertige Rasse angesehen werden und man deshalb arabische und afrikanische Männer ins Land holen müsse. Diese grün-rote Rassenlehre ist in den Köpfen der sogenannten Antideutschen entstanden, einer linksextremistischen politischen Sekte, der mittlerweile viele grüne und auch sozialdemokratische Politiker anhängen.“

Der real existierende Rassismus der Linken

So weit das Zitat. Vor allem der Begriff der Rassenlehre führt bei unseren politisch korrekten Zeitgenossen geradezu zur Schnappatmung. Indessen ist das nichts anderes als die deutsche Übersetzung der vor allem in den USA virulenten und an den dortigen Universitäten gelehrten „critical race theory (CRT)“. Man kann sich mit dieser ebenso unwissenschaftlichen wie gesellschaftsvergiftenden Theorie durchaus relativ rasch vertraut machen. Hier genügt schon der Wikipedia-Eintrag, der im Allgemeinen als Quelle ja vorsichtig zu betrachten ist. Denn auch anderweitig finden sich genügend Belege gleichen Inhalts. Zitat daraus: 

„In der Tradition der kritischen Theorie sieht sich die CRT auch als Theorie sozialen Wandels. Als kritische Theorie versteht sich die CRT aber auch deshalb, weil sie die eigene Einbettung in rassistische Strukturen zu reflektieren versucht und die Norm wissenschaftlicher Neutralität als unerreichbar und nicht erstrebenswert verwirft. CRT geht davon aus, dass Wissen stets politisch ist, und dass Forschung, die race ignoriert, weder objektiv noch neutral sei, sondern selbst durch diese Auslassung Position beziehe…CRT geht davon aus, dass race sozial konstruiert ist und keine biologische Kategorie sei. Das Recht trage zur Entstehung und Aufrechterhaltung von race bei, etwa durch die Klassifizierung von Menschen in Kategorien wie „Schwarz“ oder „Weiß“. Auch wenn race keine biologische oder naturwissenschaftliche Kategorie sei, habe die entsprechende Kategorisierung weitreichende Folgen für die Gesellschaft. Fragen, die in der CRT behandelt (und von unterschiedlichen Theoretikern jeweils unterschiedlich beantwortet) werden, sind zum Beispiel, wie genau durch das Recht race hervorgebracht wird, wie durch das Recht Rassismus verteidigt wurde oder wie das Recht zur Reproduktion von Ungleichheit beitrage. Als Beispiele für die Bedeutung von Recht und Gerichten für die Konstruktion von race werden beispielsweise Gerichtsprozesse herangeführt, in denen explizit über die race von Individuen entschieden wurde, etwa wenn Sklaven vor Gericht feststellen lassen wollten, dass sie weiß seien und somit fälschlicher- und illegalerweise versklavt worden seien. In der Gegenwart seien beispielsweise Immigrationsgesetze an der Konstruktion von race beteiligt. Struktureller Rassismus ist Teil der gesellschaftlichen Normalität. Rassismus wird in der Theoriebildung der CRT nicht als Ausnahme, sondern als Norm betrachtet, die tief in gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen verankert sei und die People of Color regelmäßig erführen. Weil Rassismus die Interessen von weißen Eliten (materiell) und weißen Angehörigen der Arbeiterklasse (psychologisch) voranbringe, gebe es wenig Interesse an seiner Beseitigung seitens Weißer. Im Umkehrschluss entstünden Fortschritte bei der rechtlichen Gleichbehandlung nur, wenn die Interessen von Schwarzen mit den Interessen von Weißen, zum Beispiel durch eine veränderte sozioökonomische Situation, übereinstimmten (interest convergence). Die ungleiche Verteilung von Reichtum, Macht und Ansehen in den USA lasse sich nicht alleine durch unterschiedliche Leistungen der entsprechenden Gruppen erklären. Rassismus wird entsprechend nicht primär als falsches Handeln oder Denken von Individuen betrachtet und analysiert, sondern auf der Ebene von gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen. Deshalb vertreten Critical Race Theorists auch die präskriptive Annahme, dass Systeme, die zur Unterdrückung von People of Color beitragen, benannt und bekämpft werden müssen. In der Tradition der Kritischen Theorie sieht sich die CRT auch als Theorie sozialen Wandels. Als kritische Theorie versteht sich die CRT aber auch deshalb, weil sie die eigene Einbettung in rassistische Strukturen zu reflektieren versucht und die Norm wissenschaftlicher Neutralität als unerreichbar und nicht erstrebenswert verwirft. CRT geht davon aus, dass Wissen stets politisch ist, und dass Forschung, die race ignoriert, weder objektiv noch neutral sei, sondern selbst durch diese Auslassung Position beziehe.“

Mit anderen Worten schreibt diese Theorie den Weißen die genetische Eigenschaft zu, Unterdrücker der nichtweißen Rassen zu sein. Das klassische Merkmal des Rassismus ist es jedoch, Menschen Eigenschaften, insbesondere negative Eigenschaften allein aufgrund ihrer Abstammung zuzuschreiben, so wie es die Nationalsozialisten bezüglich der Juden taten. Und genau das tut die CRT. Auf nichts anderes weist Maaßen hin, wenn er von einer rot/grünen Rassenlehre spricht, die den Weißen minderwertige Eigenschaften zuschreibt. Nicht Maaßen ist der Rassist. Rassisten sind alle, die etwa autochthone Deutsche als geborene Unterdrücker von Afrikanern und Orientalen bezeichnen. Rassisten sind auch alle, die es begrüßen, wenn sih die ethnische Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung und des deutschen Staatsvolks zu Lasten der herkunftsdeutschen Bevölkerung verändert. Rassistisch ist es auch, wenn in diesem Zusammenhang abwertende Vokabeln wie „Kartoffeln“ und „Weißbrote“ für ethnisch Deutsche gebraucht werden.

Kann man der Politik unterstellen, die ethnische Umgestaltung der deutschen Gesellschaft durch Zuwanderung aus dem Orient und Afrika anzustreben?

Man empört sich darüber, daß Maaßen unverblümt den verantwortlichen deutschen Politikern attestiert, die ethnische Umgestaltung der deutschen Gesellschaft durch Zuwanderung aus dem Orient und Afrika anzustreben. Das sei doch eine Verschwörungstheorie, eine infame Unterstellung, für die in Wirklichkeit nichts spreche. Nun muß man auch einen solchen Vorwurf auf seine Stichhaltigkeit untersuchen. Die Tatsache des demographischen Wandels kann objektiv nicht in Abrede gestellt werden. Die „eingeborenen“ Deutschen bekommen weniger Kinder, als sie durch den Tod voraufgegangener Generationen verlieren. Also nimmt die autochthone Bevölkerung in Deutschland ab. Zwangsläufig wird somit der Anteil der Zugewanderten aus anderen Ländern, vor allem aus dem Orient und Afrika, immer größer. Wenn eben jährlich nahezu 1 Million Menschen zuwandern und bleiben, dann verändern sie nach und nach die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung. Das ist so, auch wenn linksgrüne Zeitgenossen bestreiten, daß es Ethnien überhaupt gibt. Hinzu kommt, daß gerade die Zuwanderer aus jenen Regionen der Erde, von denen wir hier sprechen, auch in Deutschland sehr viel mehr Kinder bekommen, als die einheimischen Deutschen. Die Politik sowohl der derzeitigen Bundesregierung als auch des größten Teils der Opposition (Unionsparteien, Die Linke) stellt sich der ungeregelten Zuwanderung nicht entgegen, sondern fördert sie sogar objektiv durch das Bereithalten im internationalen Maßstab üppiger Sozialleistungen für Zuwanderer und die Verunmöglichung der Abschiebung nicht als solche anerkannter Asylbewerber und Flüchtlinge durch extrem humanitaristische Rechtsvorschriften.

Als Jurist prüft man, wenn man die Verantwortlichkeit eines Menschen für eine Handlung untersucht, erst einmal den sogenannten objektiven Tatbestand. Das heißt, man stellt fest, was tatsächlich abgelaufen ist. Der objektive Tatbestand der Gesellschaftsveränderung im Sinne der ethnischen Zusammensetzung des deutschen Staatsvolkes mittels Einbürgerung von Zuwanderern ist unbestreitbar gegeben. Als Jurist prüft man dann weiter den sogenannten subjektiven Tatbestand, also die Frage, ob die handelnde Person die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes auch gewollt hat. Am deutlichsten ausdifferenziert ist der Prüfungsmaßstab naturgemäß im Strafrecht, wo es ja um die Prüfung individueller Schuld geht. Vorsätzliches Handeln wird ja bekanntlich härter bestraft, als bloß fahrlässiges Handeln. Vorsatz bedeutet allerdings nicht immer, daß der eingetretene Erfolg unbedingt gewollt ist. Das wäre Absicht oder direkter Vorsatz. Indessen gibt es auch den sogenannten bedingten Vorsatz. Der Täter weiß, was er tut, weiß welche Folgen das haben kann und nimmt das dennoch billigend in Kauf. Als Beispiel hierfür mag der berühmte Ku‘ damm-Raser Mord gelten. Wer auf einer innerstädtischen Straße ein illegales Autorennen durchführt und dabei billigend in Kauf nimmt, daß Unbeteiligte zu Schaden kommen, handelt eben mit bedingtem Vorsatz, auch wenn er es nicht ausdrücklich beabsichtigt, daß Dritte zu Schaden kommen.

Auf die hier untersuchte Problematik übertragen bedeutet das nichts anderes, als daß man prüfen muß, ob die von der Politik bewusst nicht verhinderte, vielmehr durchaus geförderte Veränderung der ethnischen Zusammensetzung der deutschen Bevölkerung und auch des deutschen Staatsvolkes auch in dem Sinne gewollt ist, daß man dies mindestens billigend in Kauf nimmt. Das muß man bejahen, denn man kann nicht unterstellen, daß Bundeskanzler, Bundesminister, Abgeordnete des Deutschen Bundestages und weitere Akteure auf der politischen Bühne nicht wissen, was sie tun. Der Vorwurf, diese Gesellschaftsveränderung mindestens billigend in Kauf zu nehmen, ist durchaus begründet. Wenn Herr Maaßen das so sagt, dann kann man ihm jedenfalls nicht den Vorwurf machen, insoweit von der Wirklichkeit nicht gedeckte Verschwörungstheorien zu verbreiten. Nein, leider ist das die Wirklichkeit.

Beispiele aus Deutschland

Dieser Vorwurf des Juristen und früheren Spitzenbeamten Maaßen gegen das politische Establishment unseres Landes ist auch keineswegs aus der Luft gegriffen. Eine prominente Stimme aus der deutschen Literaturszene, der als Kind iranischer Eltern 1986 nach Deutschland gekommene Autor Behzad Karim Khani,  äußert sich nach Tiraden über die Deutschen als eine „Raub- und Aneignungsgemeinschaft“, die auf Kosten importierter Gastarbeiter ihren Wohlstand generiert hätten, erfreut darüber, daß die Deutschen absehbar verschwinden und „wir Migranten dieses Land wohl erben“. Dergleichen ist leider in jüngerer Zeit vor allem von Publizisten mit Migrationshintergrund öfter zu hören. Ähnlich hat sich bereits 2011 der Publizist Deniz Yüksel in der Hauspostille der Grünen, der taz, geäußert. Nach der sachlich zutreffenden Beschreibung der demographischen Entwicklung stellt er zufrieden fest: „Der baldige Abgang der Deutschen aber ist Völkersterben von seiner schönsten Seite. Eine Nation, deren größter Beitrag zur Zivilisationsgeschichte der Menschheit darin besteht, dem absolut Bösen Namen und Gesicht verliehen und …den Krieg zum Sachwalter und Vollstrecker der Menschlichkeit gemacht zu haben…diese freudlose Nation also kann gerne dahinscheiden.“ Nun hat er das später als Satire bezeichnet. Indessen spricht nicht nur seine politische Verortung, unter anderem als langjähriger Mitherausgeber der linksextremen Zeitschrift „Jungle World“, sondern auch das Medium, in dem er hier veröffentlicht hat, gegen die Behauptung der Satire. Ist es doch gerade von vielen prominenten Grünen überliefert, daß sie entweder mit Deutschland nichts anfangen können (Robert Habeck) oder auch schon einmal auf Demonstrationen hinter Transparenten herlaufen, auf denen zu lesen ist: „Deutschland du mieses Stück Scheiße“ (Claudia Roth).

Der allfällige Antisemitismusvorwurf

Das klassische Totschlagsargument in Deutschland ist bekanntlich der Vorwurf, sich antisemitisch geäußert zu haben. Und diesem Vorwurf kann man sich leicht aussetzen, wenn man ohnehin politisch missliebig geworden ist. Dann werden nämlich Äußerungen, die überhaupt nicht die Juden als Volk oder Religionsgemeinschaft zum Gegenstand haben, als Antisemitismus, selbstverständlich getarnter Antisemitismus, denunziert. Beispielhaft hierfür ist das Verdikt des derzeitigen Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes Stephan Kramer: „Als Co-Autor schrieb Maaßen unter anderem im Magazin „Cato“ einen Essay mit dem Titel „Aufstieg und Fall des Postnationalismus“ und verwendete darin die Bezeichnung der „Wirtschaftsglobalisten“. Dies sei ein rechtsextremer Code, analysiert Kramer, „darin sind sich unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Bundeszentrale für politische Bildung einig“. Auch die Begriffsverwendung der „neuen Weltordnung“ unterstützt die Vorstellung, es gäbe eine totalitäre globale Regierung durch eine internationale Elite, die die Menschheit versklaven und aussaugen würde“. Das seien eben „klassische antisemitische Stereotype“ erklärt Kramer. Und damit steht er nicht allein. Dieses Argumentationsmuster ist dadurch gekennzeichnet, daß Worten eine andere Bedeutung unterlegt wird, als die, die sie nicht nur nach allgemeinem Sprachverständnis, sondern auch nach semantischen Kriterien haben. Man könnte das als lächerliche Spökenkiekerei abtun, wäre es nicht bereits zur Arbeitsmethode der Verfassungsschutzbehörden geworden. Dabei ist etwa der zutreffende Hinweis darauf, daß es eine Agglomeration von Kapital in den Händen weniger, und zwar mit zunehmender Tendenz gibt, mitnichten eine Spitze gegen jüdische Unternehmer. Schon ein flüchtiger Blick in die Listen der reichsten Menschen der Welt zeigt, daß sich darunter keineswegs vorwiegend Juden befinden. Weder Bernard Arnault, Jeff Bezos, Elon Musk, Warren Buffett noch Bill Gates, um nur einige wenige Beispiele zu nennen, sind Juden. Von den vielen chinesischen, indischen und arabischen Milliardären ganz zu schweigen. Dieses Argumentationsmuster ist aber auch deswegen so abwegig, weil heute niemand mehr, insbesondere nicht Leute unter 70 Jahren mit Begriffen wie Hochfinanz, die von den Nationalsozialisten als stigmatisierende Bezeichnungen für den angeblich bestimmenden Einfluss der Juden auf die Weltwirtschaft benutzt worden sind, etwas anfangen kann. Würde heute jemand wirklich mit solchen Zuschreibungen die Juden diffamieren wollen, müsste er sein Ziel verfehlen. Man kann ja einmal den Lackmustest machen und beliebige jüngere Leute fragen, wen Herr Maaßen denn mit dieser Formulierung gemeint habe. Ich bin mir sicher, daß so gut wie keiner der Befragten antworten würde, da gehe es doch um die Juden. Es ist also nichts als pure Böswilligkeit und der Mangel an wirklichen Argumenten, der den politischen Gegner, besser gesagt den politischen Feind, dazu bringt jemanden wie Hans-Georg Maaßen antisemitische Äußerungen in den Mund zu legen.

Die nützlichen Idioten

Wir erleben also erneut das klassische Argumentationsmuster der in Deutschland leider inzwischen dominierenden politischen Linken. Dazu gehört seit Jahren auch die CDU/CSU. Die Unionsparteien halten es ja für politisch überlebenswichtig, sich dem linksgrünen Mainstream als Koalitionspartner anzudienen. Daß man damit die Rolle des nützlichen Idioten angenommen hat, der in absehbarer Zeit natürlich nicht mehr gebraucht wird, und deswegen endgültig im Orkus der Geschichte verschwinden wird, das kann ein auf das politische Überleben in den nächsten 20-30 Jahren fixierter Karrierist gelassen hinnehmen. Denn mit einer solchen Persönlichkeitsstruktur kann man leichten Herzens sagen: „Nach mir die Sintflut“. Und wenn man sich an Diffamierungen eines Menschen beteiligt, die nichts weniger als seinen sozialen Tod herbeiführen sollen, dann gehört das eben zum politischen Geschäft. Warum tanzt er auch aus der Reihe?




Die Verfassungsfeindin

Die unverbrüchliche Treue unserer Innenministerin zum Grundgesetz beweist sie bekanntlich unter anderem dadurch, daß sie mit der Antifa sympathisiert. Das zeigt ihr Beitrag im Antifa-Magazin der linksextremistischen VVN-BdA aus dem Jahr 2021. Diese Organisation wird bekanntlich vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft.(Verfassungsschutzbericht 2020, Seite 258. Auch im Verfassungsschutzbericht 2021 wird diese Organisation im Zusammenhang mit dem Linksextremismus, wenn auch nur noch umschreibend, erwähnt). Was sie von den Freiheitsgrundrechten der Bürger hält, kann man unter anderem daran ablesen, daß sie offensichtlich den Präsidenten des Bundesamtes für den Verfassungsschutz, Haldenwang, bei seinem Kreuzzug gegen politisch nicht korrekte Meinungsäußerungen unterstützt. Der glatte Verfassungsbruch indessen wäre es, wenn sie ihre Ankündigung wahrmachen würde, die Beweislast umzukehren, wenn es um die Prüfung der Verfassungstreue von Beamten, Richtern und Soldaten geht. Das hat sie am 16.3.2022 im Deutschen Bundestag erklärt. Wörtlich: „Wir wollen insbesondere im Disziplinarrecht und wahrscheinlich auch im Beamtenrecht eine Möglichkeit schaffen, die Beweislast umzukehren.“. Inhaltsgleich äußerte sie sich am 7.12.2022 in der Talkshow Maischberger. 

Ein neues Kampfmittel „gegen rechts“

Natürlich ist das ihrem verbissen geführten „Kampf gegen rechts“ geschuldet, der sich aus der in Deutschland wohl weitverbreiteten Psychose einer hypertrophen Dextrophobie speist. Die wiederum kommt Leuten sehr zupass, denen es gar nicht um die Bekämpfung des wirklichen Rechtsextremismus geht, sondern um die Zurückdrängung aller bürgerlich-konservativen Strömungen um so die linksgrüne Dominanz auszubauen. Und dazu wäre es zweifellos nützlich, könnte man im öffentlichen Dienst einfach nach Gusto Mitarbeiter unter dem Vorwand rechtsextremistischer Gesinnung entlassen. Sie müssten ja dann vor den Verwaltungsgerichten klagen und dabei den Beweis führen, daß sie keine verfassungsfeindliche Gesinnung haben. Nicht nur, daß dies durch die Instanzen Jahre dauert, während derer sie natürlich kein Gehalt bekommen, sondern auch, daß dieser Beweis wohl nicht immer zu führen sein wird, mindestens aber in den Augen des einen oder anderen Gerichts nicht ausreichend erbracht wird. Die wirkliche Rechtslage, die natürlich auch auf den Grundentscheidungen der Verfassung für die Meinungsfreiheit und die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums beruht, ist genau gegenteilig. Wenn der Staat meint, einem seiner Bediensteten eine verfassungsfeindliche Einstellung attestieren zu können, dann muß er das auch beweisen, und zwar im disziplinargerichtlichen Verfahren, das er gegen diesen Beamten, Richter oder Soldaten anstrengt. Und hier gilt darüber hinaus dann auch der Zweifelssatz. Wenn also nicht zweifelsfrei nachgewiesen wird, daß der betreffende Bedienstete, sei es Beamter, Richter oder Soldat, verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, dann ist zu seinen Gunsten anzunehmen, daß er dies gerade nicht tut mit der Folge, daß er nicht entlassen werden kann. Natürlich läuft das Gehalt während der Dauer des Verfahrens weiter.

Doch es regt sich Widerstand

Das erklärt, warum die Äußerungen der Verfassungsministerin (!) In der Öffentlichkeit und den sozialen Netzwerken einen solchen Wirbel gemacht haben. Das ist umso mehr verständlich, als sie vor kurzem ja auch einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der die anlasslose und massenhafte Überwachung von E-Mails und Chatrooms vorsieht. Glücklicherweise stoßen diese Bestrebungen der Antifa-Freundin auf dem Sessel der Bundesinnenministerin nicht nur in den sozialen Medien auf Widerstand. Selbst in der verbreitetsten und damit jedem Juristen bekannten Fachzeitschrift NJW (Neue Juristische Wochenschrift) findet sich in Heft 52/2022 ein Artikel des bekannten Strafverteidigers RA Dr. Gerhard Strate, in dem diese Absichten der Frau Faeser harsch kritisiert werden. Wörtlich: „Zurück bleibt der Eindruck des verantwortungslosen Zündelns an den Grundlagen des Rechtsstaats. Wer derart bedenkenlos die Lunte durch die Talkshows trägt, sollte zunächst die eigene Verfassungstreue auf einen strengen Prüfstand stellen.“


Der treue Diener seiner Herrin

Auf Thomas Haldenwang ist Verlaß. Wie seine Ministerin, so versteht auch er sein Amt nicht so sehr dahingehend, daß der Beamte dem ganzen Volk zu dienen hat, und eine politische Treuepflicht dahingehend besteht, daß er loyal zur Verfassung steht (§ 33 Abs. 1 des Gesetzes über den Status der Beamten), sondern daß diese politische Treuepflicht gegenüber der Politik der Bundesregierung besteht.

Der Büttel der Politik

Deswegen nimmt seine Behörde, das Bundesamt für Verfassungsschutz, nicht nur die wirklichen Feinde der Verfassung ins Visier, sondern mit erkennbarem Verfolgungseifer auch solche Gruppierungen und Organisationen, die der Politik dieser Bundesregierung und der sie tragenden Parteien ablehnend gegenüberstehen. Dabei ist er durchaus kreativ. Über den gesetzlichen Auftrag des Verfassungsschutzes hinaus hat er deswegen das Rechtskonstrukt der „verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“ erfunden. Damit hat er den Aufgabenbereich seiner Behörde am Gesetz vorbei auf die Beobachtung und gegebenenfalls als verfassungsfeindlich einstufende Bewertung von ansonsten durch das Raster des Bundesverfassungsschutzgesetzes fallenden Organisationen und Parteien erweitert. Darüber hinaus wird die Einstufung als verfassungsfeindlich im Sinne des Gesetzes, Unterfall der menschenwürdewidrigen „völkischen“ Ideologie, mehr als kreativ gehandhabt. Auch da, wo Parteiprogramme, Satzungen und offizielle Erklärungen das nicht hergeben, wird jede dümmliche Äußerung von politischen Hinterbänklern, angesäuselten Stammtischbrüdern und intellektuell unterbelichteten Krawallmachern der jeweiligen Gruppierung als Ausdruck ihres wirklichen Willens zugerechnet und damit ihre öffentliche Anprangerung als Verfassungsfeind und Kryptonazi gerechtfertigt.

Der Verteidiger linksextremer Straftäter

Es ist offenbar dieser Unterwürfigkeit gegenüber der Bundesregierung und speziell der amtierenden Innenministerin, deren Sympathien für die Antifa in diesem Zusammenhang nicht außer acht gelassen werden dürfen, geschuldet, daß der wackere Knecht nun öffentlich die kriminelle Vereinigung „Letzte Generation“, auch bekannt als Klima-Kleber, gelobt hat. Er könne nicht erkennen, daß sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richte und insofern sei das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz. Zwar begehe die Gruppe Straftaten, aber das mache diese Gruppierung nicht extremistisch. Sie stelle doch die Demokratie nicht infrage. Extremistisch seien Gruppen immer dann, wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage gestellt werde. Und genau das täten diese Leute ja eigentlich nicht.

Die Umkehrung der Rechtsordnung

Das ist nicht nur erstaunlich. Das ist auch juristisch jenseits von gut und böse. Natürlich verneint diese Gruppierung entschieden die freiheitlich-demokratische Grundordnung, insbesondere den Rechtsstaat. Ja, sie arbeitet aktiv dagegen. Das ist im übrigen mehr, als die bloßen Bestrebungen, die tragenden Grundsätze des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates abzuschaffen. Denn wer es ganz offen ablehnt, seine politischen Forderungen auf dem dafür vom Grundgesetz vorgesehenen Weg der demokratischen Willensbildung und deren Umsetzung in Gesetze auf parlamentarischen Wege zu verfolgen, und stattdessen seinen politischen Willen mit Gewalt, auch ganz bewusst mittels Straftaten durchsetzen will, der stellt diesen Staat mit seiner freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht nur infrage, der bekämpft ihn aktiv. An und für sich müsste Haldenwang bei dieser Sachlage umgehend jene Gruppierung zum Beobachtungsobjekt seiner Behörde machen und sie im nächsten Verfassungsschutzbericht als verfassungsfeindliche Organisation beschreiben, gleichgültig, in welcher Rubrik, ob verfassungsfeindlich links, rechts oder sonstwie.

Die journalistischen Komplizen

Erstaunlich ist auch, daß ein promovierter Jurist und Präsident einer oberen Bundesbehörde das massenhafte Begehen von Straftaten derartig schönredet und erklärt, das sei eben nicht  extremistisch. Vielmehr mache das doch deutlich, wie sehr man dieses System eigentlich respektiere. Das ist ja gerade die Umkehrung der Wirklichkeit. Wer also die Gesetze dieses Landes bewusst bricht, um die Verfassungsorgane Bundesregierung und Bundestag zu zwingen, Gesetze und Verordnungen nach seinem Gusto zu beschließen, der bekundet damit nach Auffassung dieses famosen Volljuristen seinen Respekt vor dem System unserer Verfassung. Die Journalisten des SWR, auf deren Veranstaltung Herr Haldenwang diese Sottisen abgesondert hat, hätten ihn eigentlich fragen müssen, was er getrunken oder geraucht habe. Indessen handelt es sich natürlich bei den Schreiberlingen und Mikrofonhaltern der öffentlich-rechtlichen Medien nicht mehr um Journalisten im klassischen Sinne, sondern um Bedienstete des virtuellen Bundesministeriums für Volksaufklärung und Propaganda in der ebenso virtuellen Berliner Goebbelsallee.

Treue zum Grundgesetz durch Begehung von Straftaten

Die nahezu täglich von den ebenso halbgebildeten wie hysterischen meist jugendlichen Anhängern der Klima-Religion, die sich melodramatisch „Letzte Generation“ nennen, verwirklichten Straftatbestände reichen von dem öffentlichen Aufruf zu Straftaten (§ 111 StGB) über den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) über den Landfriedensbruch (§ 125 StGB) die diversen Körperverletzungsdelikte einschließlich derjenigen mit Todesfolge (§ 227 StGB) über die Freiheitsberaubung (§ 239 StGB), die Nötigung (§ 240 StGB), den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (§ 315 b StGB), die Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) bis hin zur Sachbeschädigung (§ 303) StGB. Diese Aufzählung muß nicht vollständig sein. Der Strafrahmen für diese Delikte reicht bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Die tägliche Verwirklichung derartiger Straftatbestände soll also dokumentieren, wie sehr diese Straftäter das System unseres Grundgesetzes eigentlich respektieren, wenn man Herrn Haldenwang glaubt. Nach der gleichen Logik begründet der Vergewaltiger seinen Respekt gegenüber dem weiblichen Geschlecht durch seine Tat.

Der folgerichtige Aufstieg des treuen Knechts

Hat sich Herr Haldenwang schon bislang mit der beflissenen Umsetzung des politischen Willens seiner Antifa-affinen Ministerin durchaus seine Fleißkärtchen verdient, so hat er sich nun wohl endgültig für höhere Weihen qualifiziert. Was bei seinem Vorgänger Maaßen, den sein Minister Seehofer noch in das Amt eines Staatssekretärs befördern wollte, zu einem Proteststurm in der politischen Landschaft geführt hatte, sollte bei Herrn Haldenwang nun die logische Fortsetzung seiner Karriere sein. Wer als Jurist eine so spezielle Auffassung von Recht und Gesetz, insbesondere vom Wesen unseres Grundgesetzes hat, dem muß einfach Gelegenheit gegeben werden, über den begrenzten Bereich des Verfassungsschutzes hinaus den antifaschistischen Umbau der Bundesrepublik Deutschland voranzutreiben. Der Marsch unseres Landes in den Abgrund ist wohl nicht mehr aufzuhalten.