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Den Deutschen fehlt es am Selbstbewußtsein – warum eigentlich?

Das nationale Selbstbewußtsein ist in Deutschland, vorsichtig gesagt, nur wenig ausgeprägt. Von Stolz auf das eigene Land kann bei den meisten Deutschen nicht die Rede sein. In flapsiger Jugendsprache formuliert: Deutsch ist irgendwie uncool. Da nimmt es nicht Wunder, daß Zuwanderer lieber in ihrer mitgebrachten Kultur verharren, statt die Kultur einer Nation zu übernehmen, die sich ihrer selbst offenbar nicht sicher ist. Symptomatisch dafür sind ja Diskussionen darüber, ob es Nationen überhaupt gibt. Solche Diskussionen sind wohl nur in Deutschland denkbar.

Doch woher rührt dieses  neurotische Verhältnis der Deutschen zu ihrer Nation und damit doch zu sich selbst? Eine Antwort findet man vielleicht dann, wenn man die historische Bildung der Deutschen näher betrachtet. Denn das Verhältnis zur eigenen Nation ist untrennbar mit dem Wissen über ihre Vergangenheit verbunden, sei es objektiv oder nur auf Legenden gestützt.  Anders gesagt: Wenn Elternhaus, Schule und gegebenenfalls auch Universität ein Bild der eigenen Geschichte vermittelt haben, das Leistungen und Erfolge der voraufgegangenen Generationen in den Vordergrund stellt, die weniger glänzenden Seiten jedoch marginalisiert oder gar verschweigt – was auch nicht geschehen sollte -, dann ist natürlich zu erwarten, daß dies ein positives Bild der eigenen Nation verursacht, ja Stolz darauf hervorrufen kann. Werden hingegen die Ereignisse der Vergangenheit, soweit sie das eigene Volk betreffen,  vorwiegend negativ geschildert, tritt natürlich das genaue Gegenteil ein. Aber auch dann, wenn positiv zu wertende Ereignisse der Vergangenheit einfach nicht berichtet werden, entsteht ein unzutreffendes Bild der  Geschichte, das sich  auf  die Wertschätzung der eigenen Nation ungünstig auswirkt. Tatsächlich ist in Deutschland ein verbreitetes Unwissen über die eigene Geschichte festzustellen. Hinzu tritt  eine ungleichgewichtige Wissensvermittlung,  die  unbestreitbar negativ zu bewertende Ereignisse wie den Holocaust in den Vordergrund stellt, positiv zu bewertende Entwicklungen, wie etwa das Bildungswesen ausspart. Wer weiß denn in Deutschland schon, daß im Jahre 1900 das Verhältnis von Analphabeten zur Gesamtbevölkerung im Vergleich zu großen anderen Nationen folgendermaßen aussah:

Deutschland 0,9 %

Großbritannien 9,6 %

Frankreich 10 %

USA 12 %

Es lohnt sich daher, einen Blick auf  den Geschichtsunterricht in unseren Schulen zu werfen. Dabei liegt es nahe, sich auf die Gymnasien zu konzentrieren, denn zum einen werden in unserer Zeit nahezu 50 % der Schüler zum Abitur geführt, und zum anderen  ist dieser Teil der Bevölkerung natürlich für die Meinungsbildung  in der Gesamtbevölkerung maßgeblich. Dabei wird man zunächst einmal prüfen, mit welcher Zielsetzung die Schulbehörden den Geschichtsunterricht  ausgestalten. Bekanntlich liegt in Deutschland die Kulturhoheit und damit die Ausgestaltung des Schulwesens in der Verantwortung der Bundesländer. Somit werden hier unterschiedliche Erkenntnisse zu gewinnen sein. Wir beschränken uns dabei auf die Bundesländer Freistaat Bayern, Land Niedersachsen und Bremen.

Der aktuell genehmigte Lehrplan für das Fach Geschichte in Bayern legt eingangs das Ziel des Unterrichts fest. Es heißt dort: Die Schüler erlangen durch den Unterricht im Fach Geschichte am Gymnasium vertiefte Erkenntnisse über Strukturen, Entwicklungen, Ereignisse und Persönlichkeiten, welche die Vergangenheit geprägt haben und damit auch das Leben in der Gegenwart beeinflussen… Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit fördert die Bereitschaft, sich mit  dem zeitlich und räumlich Fernen sowie dem Fremden und Ungewohnten auseinanderzusetzen und ihm mit Offenheit zu begegnen. Gleichzeitig erleichtert die Beschäftigung mit Zusammenhängen zwischen Vergangenheit und Gegenwart die Orientierung der Schüler in ihrer eigenen Lebenswelt. Um die Zukunft mit zu gestalten, bedarf es der Erkenntnis, dass die Gegenwart historisch bedingt ist.

Das „Kerncurriculum Geschichte“ des Landes Niedersachsen enthält einen Hinweis darauf, wie man dort Geschichtswissenschaft und gymnasialen Geschichtsunterricht versteht. Es heißt dort unter anderem: Geschichtswissenschaft und Geschichtsschreibung waren in Deutschland vielfältigen Wandlungen ausgesetzt, die sich auch auf den seit rund 200 Jahren bestehenden Geschichtsunterricht auswirkten. Das methodische Objektivitätsideal sowie der Anspruch auf Ideenerkenntnis hoben zunächst das Handeln berühmter Einzelpersönlichkeiten und den Begriff des Staates ins Zentrum des historischen Lernens, das im wesentlichen das Ziel einer affirmierenden Aneignung und Identitätsstiftung verfolgte. Erst ab den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts erweiterte vor allem die historische Sozialwissenschaft in der kritischen Auseinandersetzung mit der Höhenkammwanderung der traditionellen, ereigniszentrierten Politik Geschichte den Gegenstandsbereich des Faches um die Bereiche Wirtschaft und Gesellschaft sowie die Strukturgeschichte. Zugleich legte sie das gesellschaftskritische Potenzial des Faches frei und führte es einem Modernisierungsdiskurs zu, der vor allem die 1970er Jahre prägte. Seit dem Ende des letzten Jahrhunderts ist in der Geschichtswissenschaft mit der historischen Kulturwissenschaft eine abermalige Wendung eingetreten,  die zugleich einen entscheidenden Pluralisierungsschub bewirkt hat. An die Stelle der schulbildenden  Zuspitzung charakteristischer Gegenstandsbereiche und Erkenntnisinteressen ist eine bunte Vielfalt an perspektivischen Zugriffen in der Rekonstruktion der Vergangenheit getreten. Damit rücken – erneut, aber anders – die Rolle des handelnden und leidenden Subjekts, seine Vorstellungen und Deutungsmuster sowie die von ihm verwendeten Symbole und Praktiken ins Zentrum. Dazu wurde die Theorie der historischen Erkenntnis auf eine neue, konstruktivistische Grundlage gestellt. Und schließlich hat dies zu einer breiteren Kenntnisnahme der historischen Forschungstraditionen anderer Länder geführt.

Es ist nicht zu übersehen, daß der Schwerpunkt weniger auf der  Vermittlung von Faktenwissen, als vielmehr auf der Interpretation unter soziologischen Gesichtspunkten liegt. Nun muß das nicht von vornherein negativ zu bewerten sein, zumal wenn das Faktenwissen erst einmal vermittelt und dann die Interpretation geleistet wird. So läßt sich an den Lehrplänen für die Sekundarstufe 1 in Bayern durchaus ablesen, daß Faktenwissen vermittelt wird. Allerdings ist doch interessant, was offensichtlich nicht Unterrichts- und Prüfungsstoff ist. Deswegen wollen wir einen Blick auf die Themen richten, die Gegenstand der Abiturprüfungen in den Ländern sind.

In Bremen zum Beispiel müssen die Abiturienten mit Prüfungsfragen aus folgenden Themenbereichen rechnen: Die Industrialisierung, Restauration und Revolution im 19. Jahrhundert; Das deutsche Kaiserreich, Imperialismus und erster Weltkrieg; Weimarer Republik und Nationalsozialismus; Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, der kalte Krieg, Umbruch in der DDR und Wiedervereinigung; Die europäische Einigung; Wendepunkte des 20. Jahrhunderts. Die deutsche Geschichte vor 1870 müssen Bremer Abiturienten offenbar nicht kennen.  In diesem Zusammenhang fällt auf, daß die Bildungssenatoren in diesem Bundesland seit dem 6.6.1945 durchgehend der SPD angehört haben bzw. angehören.

In Bayern liegen die Anforderungen – wenig überraschend – höher. Die Themenbereiche umfassen die Felder: Leben in der Ständegesellschaft des 15.-18. Jahrhunderts; Leben in der entstehenden Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts; Die Weimarer Republik – Demokratie ohne Demokraten?; Hitlers „willige Volksgenossen“? – Die Deutschen und der Holocaust; Die frühe Bundesrepublik – Erfolg der Demokratie durch „Wohlstand für alle“?; Die DDR – eine deutsche Alternative?; Wurzeln europäischer Denkhaltungen und Grundlagen moderner politischer Ordnungsformen; „Volk“ und „Nation“als Identifikationsmuster;  Der Nahe Osten: historische Wurzeln eines weltpolitischen Konflikts; Die USA – von den rebellischen Kolonien zur globalen Supermacht. Daraus kann man natürlich viel machen und wird es auch manchmal tun.

Indessen lohnt es sich natürlich, hier Einzelheiten zu betrachten. So wird in dem Kapitel Die Weimarer Republik – Demokratie ohne Demokraten?  der Abiturient in der Prüfung tunlichst schreiben müssen, daß die antidemokratische Rechte unter anderem faktenwidrig die deutsche Schuld am Kriegsausbruch verleugnet habe. Der aktuelle Stand der Geschichtswissenschaft zu dem Thema der Schuld am Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wobei natürlich richtigerweise nicht von Schuld, sondern von Verursachung zu sprechen ist, wird hier immer noch ignoriert. Die längst überholte Fischer-These spukt offenbar immer noch in den Köpfen der verantwortlichen Ministerialräte herum. Nicht erst seit Veröffentlichung von Christopher Clarks „Die Schlafwandler“ herrscht Konsens darüber, daß vor allem Frankreich und Russland im ersten Halbjahr 1914 auf den Krieg hingearbeitet haben, wobei die  aktive Rolle Großbritanniens immer mehr ins Blickfeld gerät, aber auch die  ungeschickte Politik Deutschlands durchaus einen Beitrag geleistet hat. Auch die offenbar nicht tot zu kriegende Legende von der Reichswehr als „Staat im Staate“ gehört offenbar zum Faktenwissen bayerischer Abiturienten. Daß der maßgebliche Soldat der Reichswehr, Generaloberst Hans von Seeckt, das genaue Gegenteil gefordert und 1929 geschrieben hat: „Nicht zum Staat im Staat soll das Heer werden, sondern im Staat dienend aufgehen und selbst zum reinsten Abbild des Staates werden“, wissen bayerische Abiturienten nicht und werden demgemäß ihr ganzes Leben lang davon überzeugt sein, daß die Reichswehr sich als Staat im Staate verstanden hat. Daß ihr Offizierkorps vorwiegend monarchistisch gesinnt war, steht auf einem anderen Blatt, sagt aber nichts über Gehorsam und Loyalität aus.

Zur Zeit des Nationalsozialismus  sollen die Abiturienten unter anderem wissen, daß der Begriff der Volksgemeinschaft für die Nationalsozialisten ein wirksames Propagandamittel zur Ansprache der Unzufriedenen, zur Festigung ihrer Macht sowie zur Vorbereitung der Angriffskriege und der Rassepolitik gewesen sei. Das ist von den Intentionen Hitlers her sicher richtig. Verschwiegen wird indessen, daß dieses Konzept grandios gescheitert war. Man weiß aus den einschlägigen Berichten der Gestapo ebenso wie aus den Berichten der Exil-SPD, daß von einer nationalsozialistischen Volksgemeinschaft tatsächlich keine Rede sein konnte. Warum denn sonst wurde ein gut organisiertes Spitzelsystem eingerichtet, und warum denn sonst sah sich das Regime genötigt, Bürger hart zu bestrafen, die ausländische Radiosender gehört hatten? Bayerische Abiturienten sollen ferner wissen, daß die Deutschen im Dritten Reich über den Holocaust gut informiert gewesen seien, es habe sich sozusagen um ein offenes Geheimnis gehandelt. Daß dem tatsächlich so nicht gewesen ist, sondern hier zu differenzieren ist zwischen dem Wissen um die Entrechtung der Juden durch die Nürnberger Rassengesetze, was ganz offen und unter propagandistischer Begleitung geschah, und der streng geheim gehaltenen sogenannten Endlösung der Judenfrage, soll nicht zum historischen Wissen bayerischer Abiturienten gehören. Daß die Vernichtungslager, anders als die sozusagen gewöhnlichen KZ’s samt und sonders in den vorübergehend eroberten Ostgebieten und somit weitab von den deutschen Städten und Dörfern lagen, ja daß das Regime sogar zu Täuschungsmaßnahmen derart gegriffen hatte, daß man den zur Ermordung bestimmten Juden mittels amtlicher Bescheide vorgaukelte, sie würden nun in Arbeitslager verbracht, wobei sie festes Schuhwerk, warme Kleidung und Arbeitsgerät mitzubringen hätten, das ist zwar belegt, aber in Deutschland weitestgehend unbekannt. Nachdem es sich beim Holocaust in der Tat um das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte handelt, das natürlich für die Selbstwahrnehmung  der Deutschen von größter Bedeutung ist, wäre hier auch eine differenzierte Darstellung notwendig. Denn wenn praktisch zwei Generationen damals lebender Deutschen unterstellt wird, vom Holocaust gewußt zu haben (und dennoch nichts dagegen unternommen zu haben), dann ist das natürlich geeignet, diese Generationen der eigenen Vorfahren in Gänze ausschließlich negativ zu sehen.

Bemerkenswert ist auch die Darstellung der Geistesgeschichte. Zur Aufklärung wird zwar auf die Definition Immanuel Kants zurückgegriffen, wonach der aufgeklärte Mensch in der Lage sein soll, selbst zu denken und Dinge zu hinterfragen. Als wichtige Theoretiker der Aufklärung werden jedoch keine Deutschen genannt, sondern John Locke, Charles Montesquieu und Jean-Jacques Rousseau. Die Erkenntnistheorie Immanuel Kants, die Kritik der reinen Vernunft, fehlt in diesem Zusammenhang ebenso wie der Hinweis auf Aufklärer wie Christian Thomasius, der als Rechtslehrer in Halle ab 1687 erstmals Recht und Religion voneinander trennte, wonach die Rechtsnormen eben nicht mehr auf religiösen Geboten, sondern auf einem ethisch fundierten Tugendkanon gründeten, der sich weltlich und aus den Notwendigkeiten menschlichen Zusammenlebens verstehe. Zu nennen wären auch Christian Wolff (1679-1754), der mit Fug und Recht als Vater der Aufklärung bezeichnet werden kann, ebenso wie der Bildungsreformer August Hermann Francke (1663-1727), der unter anderem dafür gesorgt hatte, daß auch Mädchen schulisch und beruflich gefördert wurden.

Der Begriff des Volkes erscheint als Konstrukt eines Geschichtsbildes, was dann am Beispiel des Aminius und der Schlacht im Teutoburger Wald, die hier natürlich Varusschlacht heißt, dargestellt wird. Daß tatsächlich die Völker Abstammungs-, Erlebnis- und Kulturgemeinschaften – dabei offen für die Integration und Assimilierung Fremder – sind, deren Selbstwahrnehmung natürlich unter anderem auch von der Rezeption ihrer Geschichte durch die Nachfahren  der historischen Akteure bestimmt wird, wird nicht thematisiert. Wenn das schon in Bayern so ist, welche Mängel enthalten dann die Curricula anderer Bundesländer? Pars pro toto haben wir Bremen schon erwähnt, ob es anderen Orts viel besser ist, muß mit einem großen Fragezeichen versehen werden.

Vor allem aber fällt auf, was alles offenbar aus der Sicht von Kultusbürokraten, die nun einmal für die Inhalte des Geschichtsunterrichts verantwortlich sind, offenbar so unwichtig ist, daß es nicht in die Curricula aufgenommen wird. Programmatisch ist in diesem Zusammenhang die oben zitierte Stelle aus dem Kerncurriculum Geschichte des niedersächsischen Kultusministeriums, das „als offenbar überwundene Zielsetzung herkömmlichen Geschichtsunterrichts die affirmierende Aneignung und Identitätsstiftung“ betrachtet. Die großen Ereignisse der deutschen Geschichte und die herausragenden Leistungen deutscher Akteure auf der historischen Bühne sind natürlich geeignet, bei jungen Menschen die Identifikation mit der Geschichte des eigenen Volkes zu bewirken. Nichts anderes bedeutet ja die affirmierende Aneignung und Identitätsstiftung, die man jedoch „überwunden“ haben will.

Schon die Aufzählung weniger Beispiele zeigt, worum es eigentlich geht. Der Beginn deutscher Staatlichkeit wird allgemein mit der Könung Heinrich I. zum deutschen König 919 datiert. Das wird auch zumindestens in Bayern auch als Wissen eines Abiturienten vorausgesetzt. Indessen gehört es maßgeblich zur Identitätsstiftung der deutschen Nation, daß es Otto dem Großen gelang, in der Schlacht auf dem Lechfeld am 10. August 955 die Ungarn zu schlagen, die zuvor vier Jahre lang das südliche Bayern drangsaliert und verwüstet hatten. Schüler sollten eigentlich auch wissen, daß die deutschen Könige seither mit der bewußten Anknüpfung an das römische Kaisertum – beginnend mit der Krönung Otto des Großen 963 zum Kaiser – in Gestalt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation den Geist der Antike, die Universalität des Christentums und die deutschen Stämme zu einem Staatswesen ganz eigener Art verbunden hatten, das über viele Jahrhunderte das Gesicht Europas maßgeblich bestimmen sollte. Wir wollen einmal annehmen, daß wenigstens die kulturellen Leistungen der Deutschen seit dem Mittelalter den Schülern im Kunstunterricht nahe gebracht werden.

Eine Besonderheit wie die Hanse indessen gehört ganz sicherlich in den gymnasialen Geschichtsunterricht. Gerade wenn Europa und die Europäische Union Gegenstand sowohl des Geschichtsunterrichts als auch der Sozialkunde sind, dann wäre es doch reizvoll, eine solch frühe Form der Handelsorganisation über Staatsgrenzen hinweg kennen zu lernen und zu untersuchen. Ein Ereignis von veritabler Weltbedeutung wie die Reformation kann nicht zutreffend dargestellt werden, wenn nicht Martin Luther und Philipp Melanchthon als typische Vertreter des deutschen Geisteslebens im 16. Jahrhundert vorgestellt werden. Daß die Reformation dann auch ausgehend von Deutschland Europa verändert hat, zeigt ebenfalls die Bedeutung Deutschlands für die Entwicklung hin zur aufgeklärten Gesellschaft unserer Tage auf. Sowohl als Beispiel für die Verteidigung der christlich-abendländischen Identität als auch im Hinblick auf das heute wieder zu beobachtende Vordringen des Islam in Europa wären die jahrhundertelangen Abwehrkämpfe der Europäer gegen den Islam unter deutscher Führung – Seeschlacht bei Lepanto 1571 und die erfolgreiche Abwehr der Türken vor Wien 1683 und dann endgültig bei Peterwardein 1716 – sowohl als Ereignisgeschichte als auch im historischen Kontext bis in unsere Tage darzustellen. 

Im 30-jährigen Krieg verlor Deutschland ca. 30 % seiner Bevölkerung. Dennoch konnte es sich von dieser Katastrophe relativ rasch erholen, was für eine beachtliche Moral und Stabilität seiner Bevölkerung spricht. Hier können Parallelen etwa zur Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg gezogen werden.  Anzumerken ist, daß der 30-jährige Krieg keineswegs eine allein innerdeutsche Angelegenheit, und noch weniger ein bloßer Religionskrieg war, vielmehr ausländische Mächte (Frankreich und Schweden) ihre machtpolitischen Interessen zu Lasten Deutschlands durchzusetzen suchten, wobei sie  auf beiden Seiten deutsche Fürsten als Bundesgenossen gewinnen konnten. Das gehört zwar zu den Schattenseiten der deutschen Geschichte, prägt jedoch das kollektive Bewußtsein der Deutschen bis heute.

Die Entwicklung zum aufgeklärten Staat ist nun einmal in Deutschland früher und schneller erfolgt, als das heute im Bewußtsein des Volkes verankert ist. Preußen,  – ja gerade Preußen! – hatte bereits im 18. Jahrhundert  eine unabhängige Justiz, was zum Beispiel Friedrich der Große persönlich erfahren mußte, der bereits bei seinem Regierungsantritt 1740 die Folter abgeschafft hat. Baden folgte 1767, Mecklenburg 1769, Sachsen (und Dänemark) 1770, Österreich 1776. Frankreich war erst mit der französischen Revolution 1789 so weit wie Preußen ein halbes Jahrhundert zuvor, Italien folgte erst 1859. Wurde in der preußischen Armee die Prügelstrafe bereits 1807 nahezu vollständig abgeschafft, so behielten diese Barbarei die Streitkräfte ihrer Majestät der Königin von Großbritannien bis 1907 bei.

Ob  das deutsche Kaiserreich von 1871 wirklich militaristisch, nationalistisch und obrigkeitsstaatlich geprägt war, wie bayerische Schüler in der Sekundarstufe 1 lernen müssen, sollten sie anhand geschichtlicher Fakten selbst beurteilen können. So waren in der Zeit von 1701-1933 an Kriegen beteiligt: Frankreich mit 28 %, England mit 23 %, Russland mit 21 %, Österreich mit 19 %, Türkei mit 15 %, Polen mit 11 %, Preußen/Deutschland mit gerade einmal 8 %. Der Stellenwert des Militärs war in allen Staaten sehr hoch, was angesichts dessen, daß sie sich nahezu ständig in kriegerischen Auseinandersetzungen befanden, doch nur natürlich ist. Die Porträts der Könige und Fürsten zeigen sie über die Jahrhunderte hinweg regelmäßig in den Uniformen ihrer Armeen. Zumeist führten sie diese auch auf dem Schlachtfeld persönlich.  Gerade am Beispiel des „Lernbereichs“ Das Deutsche Kaiserreich wird deutlich, daß die Betrachtung der Geschichte nach heutigen Maßstäben erfolgen soll, was zwangsläufig zu einer Abwertung der Gesellschaftsordnung und Überzeugungen unserer Vorfahren führen muß. Daß man Handlungen und Überzeugungen von Menschen aus ihrer Zeit hraus verstehen muß, um ihnen gerecht zu werden, scheint gerade nicht das Ziel des heutigen Geschichtsunterrichts zu sein. Um den Deutschen jener Zeit gerecht zu werden, ist ferner eine vergleichende Betrachtung notwendig. Sie zeigt zum Beispiel, daß Großbritannien und Frankreich bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges praktisch die halbe Welt erobert hatten, Deutschland hingegen außerhalb seiner traditionellen, mit dem deutschen Sprachgebiet im wesentlichen identischen Grenzen so gut wie keine Gebietseroberungen aufzuweisen hatte. Unter einem nationalistisch und militaristisch geprägten Volkscharakter stellt man sich etwas anderes vor.

Die vollständige Darstellung der deutschen Geschichte bedingt auch die Vermittlung der Technikgeschichte. Bergbau und Handwerk waren bereits im Mittelalter weit entwickelt. Der Buchdruck und das Schießpulver sind in Deutschland erfunden  worden. Beide haben die Welt verändert. Die Vielzahl von deutschen Erfindern im Industriezeitalter hier aufzuzählen, würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Die Erfindung des Automobils durch Gottlieb Daimler und Carl Benz – unabhängig voneinander – gehören in diese Reihe ebenso wie die Entdeckungen der Röntgenstrahlen, der Schutzimpfung und der Kernspaltung. Es nimmt daher nicht Wunder, daß Deutschland nach Stiftung des Nobelpreises erst einmal die  mit Abstand führende Nation war, wie die nachstehende Aufstellung für die Jahre 1901-1930 zeigt:

Zahl der Nobelpreisträger             Physik          Chemie      Medizin

Deutschland                                     10                  12                5

Großbritannien                                  7                    5                 3

Frankreich                                           6                    4                 4

USA                                                      3                     1                 0            

Es nimmt nicht wunder, daß nicht Englisch, sondern Deutsch bis zum Zweiten Weltkrieg die Sprache der Wissenschaft war. Weil die grundlegenden Lehrbücher der Chemie in deutscher Sprache verfaßt waren, wurde noch 1950 in den USA die Kenntnis der deutschen Sprache für die Zulassung zum Chemiestudium gefordert. Die führende Stellung Deutschlands gerade in dieser Disziplin zeigt die vorstehende Tabelle recht deutlich. Damit hing auch der Aufstieg Deutschlands zur führenden Industrienation zusammen. Mit synthetischen Farben und Fasern, mit Kunststoffen, mit Arznei und Düngemitteln aus Kohle, Wasser, Kalk und Luft stießen die deutschen Wissenschaftler die Tür zu einem neuen Zeitalter auf, dem Zeitalter der Chemie. Begriffe wie Perlon und Dralon, Plexiglas, Styropor, Buna und Moltopren, Indanthren und Agfa Color, Aspirin, Salvarsan und Bayer 205 wurden weltweit geläufige Begriffe. In diesen Zusammenhang gehört natürlich der Grad der Alphabetisierung in den genannten Ländern, wie eingangs dargestellt. Dies wiederum kann zwanglos auf die Einführung der allgemeinen Schulpflicht zurückgeführt worden, die etwa in Preußen 1717 datiert,in England erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Dazu gehört auch eine Darstellung der Gesellschaftsentwicklung, gerade auch mit Blick auf die Lage der unteren Bevölkerungsschichten. Hier wäre die im internationalen Vergleich beispiellose Sozialgesetzgebung Bismarcks zu nennen ebenso wie etwa die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Aussagekräftig ist immer der internationale Vergleich. Das gilt sowohl für Zeiten allgemeiner wirtschaftlicher Prosperität wie auch für die Auswirkungen kriegerischer oder sonst grundstürzender Ereignisse auf eine Volkswirtschaft.

Dazu nachstehende Tabelle der Arbeitslosenquoten:

Jahr        Deutschland    USA          Großbritannien

1898      0,4 %                  12,4 %        ?

1900      2,0 %                  5,0 %        3,0 %

1905      1,6 %                  4,3 %         5,0 %

1919      3,7 %                  1,4 %          ?              

Anmerkung: 1919, das Jahr 1 nach dem Ersten Weltkrieg!

War 1933 nach der Weltwirtschaftskrise in Deutschland noch 7,4 % der Bevölkerung ohne Arbeit, so waren das 1939, allerdings unter ganz speziellen Umständen, nur noch 0,15 %. In den USA hingegen waren es 1933 9,9 %, 1933 immerhin noch 7,24 %. 

Das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Frauen wurde in Deutschland 1919, in Großbritannien 1928 und in Frankreich gar erst 1945 eingeführt. Soviel zur gesellschaftlichen Rückständigkeit Deutschlands.

Wer die deutsche Geschichte kennt, und zwar mit allen Höhen und Tiefen, der hat keinen Grund, beschämt zu sein, ganz im Gegenteil. Über gut 1000 Jahre verlief sie im wesentlichen erfolgreich. Mitten in Europa, im Westen und im Osten ohne natürliche Grenzen und die längste Zeit ohne wirkliche zentrale Staatsgewalt, entwickelte sich dieses Land politisch, wirtschaftlich und kulturell zu einem Staatswesen, das seinen Bürgern zunehmend Sicherheit und Wohlstand gewährleisten konnte. Der Beitrag seiner Naturwissenschaftler und Philosophen zur europäischen Entwicklung war bedeutend. Humanismus und Aufklärung in Europa sind ohne ihre deutschen Protagonisten schlechthin nicht denkbar. Alles das muß  zum präsenten Wissen wenn nicht aller Bürger, so doch der gebildeten Schichten des Volkes gehören. Nur dann kann auch die dunkle Stunde des Nationalsozialismus zutreffend in die Geschichte dieses Landes eingeordnet und bewertet werden.  Die Gesamtbetrachtung der deutschen Geschichte kann nur zu einem natürlichen nationalen Selbstbewusstsein führen. Angesichts der Lehrpläne unserer Gymnasien muß jedoch die Frage erlaubt sein, ob die politische Klasse unseres Landes daran überhaupt interessiert ist.






Unterwerfung

Wer sich heute Abend die Tagesschau angesehen, besser: zugemutet hat, dem sollte klar sein, daß der Islam in Europa nicht nur angekommen ist, sondern tatsächlich das Denken und Handeln seiner führenden Repräsentanten bestimmt. Islam heißt nun einmal wörtlich übersetzt Unterwerfung. Europa hat sich unterworfen.

Gleich zweimal konnte man in der Tagesschau die Zeichen der Unterwerfung betrachten.

Die mangels völkerrechtlich vollständiger Staatlichkeit der Europäischen Union nicht Außenministerin, sondern Außenbeauftragte genannte Federica Mogherini trat in Teheran zusammen mit einem der dort regierenden Geistlichen auf. Passend zu seinem geistlichen Gewand trug sie ein das Haupthaar im wesentlichen und die Halspartie völlig verhüllendes Tuch. Diese amtlich als „Islamische Republik Iran“ firmierende religiöse Diktatur, die hierzulande gern verniedlichend als Theokratie (Gottesstaat) bezeichnet wird, duldet nun einmal nicht, daß Frauen in der Öffentlichkeit in sogenannter unislamischer Kleidung, also ohne wenigstens Haar und Hals verhüllendes Tuch auftreten. Das Gebot der Ganzkörperverhüllung mit dem sogenannten Tschador läßt sich inzwischen wohl nicht mehr allgemein durchsetzen. Europäische Politikerinnen fügen sich offensichtlich ohne weiteres in dieses religiöse Gebot. Anstatt selbstbewußt als Vertreterinnen des aufgeklärten Teils dieser Welt aufzutreten und es höflich, aber bestimmt abzulehnen, sich derartigen Kleidungsvorschriften zu unterwerfen, übt man sich in nicht verstandener diplomatischer Höflichkeit. Abgesehen davon, daß die Diplomatie ohnehin als die Kunst der höflichen Lüge bezeichnet werden kann, ist diese Haltung für unser Ansehen in der Welt schlicht katastrophal. Natürlich ist Höflichkeit gegenüber dem Gastgeber selbstverständlich. Der Höflichkeit wird aber durch das Tragen in Europa als formell empfundener Kleidung voll und ganz Rechnung getragen. Gleichzeitig wird jedoch signalisiert, daß die eigenen Grundüberzeugungen auch nicht im Ansatz verhandelbar sind. Bayerisch heißt das schlicht: mia san mia.

Der Papst besuchte die griechische Insel Lesbos, die wegen ihrer Nähe zur Türkei ständig von Migranten mit Schlauchbooten angesteuert wird. Davon sind ein Teil, aber wirklich nur ein Teil, Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien. Nach vielen barmherzigen Worten und dem medienwirksamen Kranzwurf in das in der Tat für viele zum nassen Grab gewordene Mittelmeer nahm er dann drei solcher syrischer Familien mit nach Hause in den Vatikan. Wer allerdings nach dem ersten Satz dieser Nachricht erwartet hatte, es handele sich dabei um drei christliche Familien, die ja nun in nicht geringer Zahl aus Syrien nach Europa kommen, der sah sich enttäuscht. Nein, es handelt sich um drei muslimische Familien. Man reibt sich die Augen und prüft, ob seine Gehörgänge nicht doch mit Ohrenschmalz verstopft sind. Nachdem aber weder die Augen noch die Ohren getrogen haben, beginnt man nachzudenken. Natürlich wäre es nichts anderes als normal gewesen, hätte das Oberhaupt der mit großem Abstand größten christlichen Kirche solchen Familien in seinem Lande Asyl gewährt – der Vatikan ist nota bene ein Staat -, die zu seinen Gläubigen, mindestens aber zu seinen christlichen Brüdern und Schwestern gehören. Daß er sich der unter europäischen Politikern offenbar immer mehr in Mode kommenden Anbiederung an den Islam anschließt, evoziert ein Nachdenken über die Ursachen. Ausgerechnet der Papst, der seine Kirche behutsam für die Duldung, wenn nicht gar Anerkennung der liberalen Lebenswirklichkeit ihrer Gläubigen öffnet, biedert sich bei der antiliberalsten und rückständigsten der großen Religionen an. Das ist logisch inkonsistent. Das ist auch nicht das intellektuelle Format, das dieses Amt erfordert. Die Schuhe seines Vorgängers sind ihm offenbar zu groß. Daß er gleich zu Beginn seiner Amtszeit es abgelehnt hat, in die unbequemen zeremoniellen Schuhe zu schlüpfen, die sein Vorgänger ohne Murren ganz selbstverständlich als eine der vielen Bürden dieses Amtes getragen hat, gewinnt von daher eine damals noch nicht erkennbare symbolische Bedeutung.

Wer schützt eigentlich die Völker Europas vor ihren Repräsentanten?