Pressemeldungen ist zu entnehmen, daß die Regierungskoalition sich auf eine Entschädigung früherer sowjetischer Kriegsgefangener verständigt haben soll. Damit folgt sie einem Vorschlag von Linkspartei und Grünen, ehemaligen Soldaten der Roten Armee eine Entschädigung für ihre Kriegsgefangenschaft zu bezahlen. Dem Vernehmen nach werden hierfür 10 Millionen € bereitgestellt. Damit könnten 4000 ehemalige Kriegsgefangene eine Entschädigung von je 2.500,00 € erhalten. Angesichts dieser Meldung ist man versucht, sich mit einem Blick auf den Kalender zu vergewissern, daß das Datum dieser Meldung nicht der 1. April ist.
Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode, läßt Shakespeare den Polonius im zweiten Aufzug des zweiten Aktes seines Hamlet sagen, nachdem er dessen wirres Reden angehört hat. Ist es auch Wahnsinn, so hat es auch Methode, muß man auch angesichts dieser Meldung konstatieren. Denn dieser Vorgang ist nicht nur historisch einmalig. Es ist noch niemals in der Geschichte vorgekommen, daß Kriegsgefangene für ihre Gefangenschaft, nicht einmal für dabei völkerrechtswidrig erlittene Leiden, entschädigt worden sind. Kriegsgefangene gibt es, seitdem es Kriege gibt. Kriegsgefangene hatten leider in aller Regel ein schlimmes Schicksal. Daran haben auch die internationalen Abkommen von 1929 und 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen wenig geändert. Insbesondere der Zweite Weltkrieg, der zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion ausdrücklich als Weltanschauungskrieg geführt worden ist, in dem die üblichen Kriegsregeln keine Geltung hatten, auch nicht völkerrechtlich verbindliche Abkommen, hat für die Kriegsgefangenen, namentlich die deutschen und die sowjetischen, unermeßliche Leiden mit sich gebracht. Aber auch das Los der Kriegsgefangenen anderer Parteien dieses Krieges war häufig nicht besser, insbesondere, wenn man an den asiatischen Kriegsschauplatz denkt. Wenn man in diesem Zusammenhange alleine die Japaner für Völkerrechtsverstöße und Kriegsverbrechen verantwortlich machen wollte, so wäre das schlicht unhistorisch.
Betrachtet man die Art und Weise, in der gegenwärtig im Nahen Osten Krieg geführt wird, fragt man sich, wozu es überhaupt eine internationale Rechtsordnung und ein Kriegsvölkerrecht gibt.
In keinem einzigen Falle sind jedoch nach einem Kriege, sei es unmittelbar danach oder Jahre und Jahrzehnte später, Kriegsgefangene für ihre Gefangenschaft als solche und/oder für die dabei erlittenen Leiden entschädigt worden. Es bleibt wohl den deutschen Politikern und ihren Stichwortgebern vorbehalten, eine solche Neuerung in das Völkerrecht einzuführen. Denn es wäre mehr als naiv anzunehmen, daß eine solche Entschädigung nicht als völkerrechtlicher Präzedenzfall gewertet werden würde. Aber auch insoweit bleibt es offenbar deutschen Politikern und Völkerrechtlern vorbehalten, auf der internationalen Bühne den Candide zu geben. Insofern bleibt es abzuwarten, wie sich andere Nationen zu diesem in der Tat einmaligen Vorgang stellen werden. Ob wir ausgesprochene Ablehnung oder auch gar nichts hören werden: selbst das Schweigen der übrigen Welt auf diesen Vorgang wäre ein dröhnendes Schweigen. Denn es ist schlechterdings nicht vorstellbar, daß irgend ein anderer Staat auf dieser Erde sich auch nur rechtsgrundsätzlich zu einer derartigen Entschädigung von Kriegsgefangenen herbeilassen würde. Denn das würde ja voraussetzen, daß er davon ausgehen würde, selbst das Völkerrecht gebrochen zu haben. Ein solches „mea culpa!“ ist für alle anderen Staaten dieser Erde kein politisches Handlungsmuster, sondern bleibt den Bundesdeutschen und dem Stufengebet im katholischen Meßritus vorbehalten.
Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Methode insoweit, als sich die vorgeblichen deutschen Eliten mit der Erbsünde des nationalsozialistischen Deutschland behaftet sehen, und sich in ihrer Bußfertigkeit darob immer heftiger geißeln. Uns Bürgern bleibt angesichts kollektiven Wahns unserer Politiker nichts anderes, als dem Zug der Flagellanten kopfschüttelnd zuzusehen.