Heimatsuche

Jahrzehntelang fanden die Deutschen in der Parteienlandschaft ihre politische Heimat ohne sie erst suchen zu müssen. Ob sozialdemokratisch, konservativ oder liberal, in der politischen Landschaft waren diese Felder abgesteckt und Parteien zugeordnet. Die Deutschen konnten zwischen Alternativen wählen und Richtungsentscheidungen treffen.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Parteienlandschaft verändert. Die Dreifelderwirtschaft ist von einer Monokultur abgelöst worden. Aus der ehemals reich gegliederten politischen Landschaft ist im Wege einer Art von Flurbereinigung eine Savanne geworden, in der sich aller Orten das gleiche Steppengras in der heißen Luft wiegt, die stetig aus dem Munde der geistig gleichgeschalteten Politiker weht. Wo einst bürgerliche Wähler an den Marktständen konservativer und liberaler Politiker christliche, patriotische, freiheitliche, fortschrittliche und soziale Angebote auswählen konnten, finden sie heute nur noch einen Eintopf vor, dessen Zusammensetzung immer gleich ist, auch wenn die Banderole um die Dose schwarz, rot oder grün ist. Das Rezept stammt von Frau Merkel. Die Zutaten sind auf den globalisierten Feldern einer im Wortsinne grenzenlosen Welt aus dem standardisierten Saatgut der supranationalen Agrarindustrie gezogen worden.

Diese politische Flurbereinigung konnte jedoch nicht die gesamte Landschaft erfassen. Weite Teile werden nicht mehr bewirtschaftet, eine ideologische Wüste dehnt sich dort nun aus. Dort, wo einst bürgerliche Wähler aus dem reichen Angebot auswählen konnten, ist nichts mehr.

Verlassen wir nun diese Metaphern und fragen: was tut not? Die Antwort liegt auf der Hand. Den heimatlos gewordenen bürgerlichen Wählern muß wieder eine politische Heimat gegeben werden. Das betrifft nicht nur die politischen Parteien selbst. Auch die Kirchen, Medien und das kulturelle Angebot gehen mit diesem Merkelismus konform. Das für die Koalition aus Grünen und CDU in Baden-Württemberg gewählte Bild der Kiwi trifft auf das herrschende Meinungsklima in Deutschland zu. Grün mit kleinen schwarzen Punkten, mit einem roten Preisschild daran, das ist die einzige Frucht, die im geistigen Klima unseres Landes noch wächst. Wo zum Beispiel früher die christlichen Kirchen noch das Bild der Familie verbreiteten, wie es in der Bibel steht, werden nunmehr allerlei Bildchen verteilt, auf denen Varianten menschlichen Zusammenlebens bis hin zur Mannesmann-Ehe zu sehen sind. Wo man früher noch für die Missionierung der Heiden und der Andersgläubigen gesammelt hat, wird nun für ein harmonisches Miteinander von Christen und Muslimen geworben. Wo früher von der Kanzel herab über das Reich Gottes gepredigt wurde, finden nun im Kirchenschiff Eine-Welt-Basare statt. Bei Verlautbarungen zu politischen Tagesfragen wird erst nach Nennung des Namens erkennbar, ob es sich bei dem Verfasser um einen Politiker der Grünen, einen Schauspieler oder doch um einen Geistlichen handelt. Nicht anders geht es dem Leser am Zeitungskiosk oder dem Fernsehzuschauer mit der Fernbedienung in der Hand. Ein Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda ist ebenso überflüssig wie Schulungsabende. Die Metapher vom politischen Mainstream trifft den Sachverhalt in der Tat. Der Hauptstrom eines Flusses reißt alles mit sich. Daneben gibt es kein Fortkommen.

Wer die politische Wüste beleben will, die sich topographisch rechts von der Einheitsbewegung ausgedehnt hat, muß wissen, was bürgerliche, konservative und im herkömmlichen Sinne liberale Wähler immer gewollt haben und auch heute immer noch wollen. Sie wollen vor allem in einer Welt leben, die ihnen vertraut ist, ohne sie zum Museum erstarren zu lassen. Sie wollen wirtschaftliche Sicherheit und technischen Fortschritt, aber keine Abenteuer. Sie wollen in ihrem Land nach ihren Regeln und unter Ihresgleichen leben. Sie wollen in Frieden mit ihren Nachbarn leben und Handel und Wandel mit der Welt zu ihrem Nutzen treiben. Sie sind weltoffen, aber nicht offen für alles auf der Welt. Sie lieben ihre reiche Kultur, zu der die Weimarer Klassik ebenso gehört wie die italienische Oper. Sie wollen nicht in der Enge eines europäischen Hauses, sondern in der lichten Weite eines europäischen Dorfes, jeder in seinem Hause, leben. Ganz im Sinne der humanistischen europäischen Kultur haben sie das „meden agan“ (Nichts im Übermaß) der Inschrift über dem Eingang des delphischen Orakels verinnerlicht und sind jeder Übertreibung abhold.

Wer dauerhaft den so beschriebenen politischen Platz besetzen will, der hüte sich vor jeder Übertreibung. In keiner Beziehung soll das sprichwörtliche Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden. So ist es sicherlich verfehlt, einem Isolationismus das Wort zu reden, in dem man laut darüber nachdenkt, etwa aus der NATO auszutreten. So ist es mehr als ungeschickt, einer rechten Esoterik Raum zu geben und etwa über das Reproduktionsverhalten verschiedener Menschenrassen zu brabbeln. Wer dergleichen Flachsinn absondert, muß sich nicht wundern, wenn darob das Nazometer in den Medien heftig ausschlägt.

Es geht eben darum, die große Mehrheit der politisch heimatlos gewordenen Wähler dauerhaft an sich zu binden. Es geht nicht darum, kurzlebigen Protest zu befeuern. Und es geht erst recht nicht darum, einem politischen Absolutheitsanspruch zu frönen. Ein modernes Jakobinertum mit der Stringenz eines Robespierre schreckt bürgerliche Wähler nur ab. Nur der rechtschaffene Ackerbau wird die verödeten Flächen rechts von der Merkel’schen Monokultur wieder zu fruchtbaren Ländereien machen. Das Ausbringen von scharfen Pflanzengiften hingegen würde dieses Land bis ins Grundwasser hinein verderben.

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