Eines der beherrschenden Themen in der politischen Debatte dieser Tage ist die angebliche Islamophobie, die sich nach Meinung politisch korrekter Kommentatoren und islamischer Funktionäre insbesondere in den Anträgen zum bevorstehenden Programmparteitag der AfD hemmungslos Bahn bricht, aber auch in dem Entwurf eines Islamgesetzes der CSU. Zur Versachlichung der Debatte ist es hilfreich, die Vereinbarkeit von Islam und Grundgesetz einer näheren Betrachtung zu unterziehen. Nun hört man vielfach, den Islam gebe es eigentlich nicht. Daran ist richtig, daß es im Islam keinen Papst gibt, der wie in der katholischen Kirche ex cathedra Glaubenssätze mit allgemein verbindlicher Wirkung verkünden kann. Schon in den übrigen christlichen Kirchen fehlt es an einer zentralen Glaubensautorität, wenn auch eine gewisse Einheitlichkeit durch die Bibel vorgegeben ist. Anders ist es in der Tat im Islam. Zwar sollte man meinen, der Koran als in Schriftform gegossenes Gesetz Allahs lasse keine Interpretationen zu. Wir wissen, daß dem nicht so ist. Abgesehen von den großen Strömungen Sunna und Schia, kleineren wie der alevitischen Glaubensrichtung und der Ahmadiyya Sekte gibt es selbst innerhalb der quantitativ bei weitem bedeutendsten Richtung der Sunna eine Reihe so genannter Rechtsschulen. In Saudi-Arabien ist der Wahabismus bekanntlich die von Staats wegen allein gültige Auslegung des Islam. Hinzu kommt die Scharia, gewissermaßen eine Konkretisierung des Islam. Dennoch darf man festhalten, daß Koran und Scharia das Wesen des Islam ausmachen, und somit für alle Gläubigen verbindlich sind, gleichgültig, in welchem Ausmaß sie sich wirklich daran halten.
Das Bundesverwaltungsgericht steht nicht in dem Verdacht, sich am politischen Meinungsstreit zu beteiligen, insbesondere nicht etwa dem sogenannten Rechtspopulismus zu frönen. Es hat jedoch mit seinem Urteil vom 14.05.2014, Aktenzeichen 6 A 3/13, eine salafistische Vereinigung verboten. Der Salafismus ist eine besonders strenge und nach eigenem Verständnis allein am ursprünglichen Islam ausgerichtete Glaubensrichtung. Sie beruft sich auf den Wortlaut des Korans ebenso wie die allgemein verbindlichen Regelungen der Scharia. Das Bundesverwaltungsgericht stellt dazu fest:
Den von der Vereinigung…… vertretenen und verbreiteten Lehren liegt nach den Feststellungen des Gerichts eine Werteordnung zu Grunde, die im Widerspruch zu derjenigen des Grundgesetzes steht. Von besonderem Gewicht sei dabei die Nichtanerkennung des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG durch die Propagierung von in der Scharia vorgesehenen grausamen Strafen. Die Bestrafung der Handamputation bei qualifiziertem Diebstahl, des Kreuzigens und Tötens bei raubähnlichen Delikten, des Auspeitschens bei religiösen Verfehlungen und bei unzüchtigem Verhalten sowie des Steinigens bei Ehebruch würden nach dieser Lehre als gerecht, praktikabel, logisch und im eigenen Interesse der Delinquenten liegend geschildert. Hinzu komme die Befürwortung von gleichfalls aus Vorgaben der Scharia abgeleiteten Verhaltensweisen, die dem Verfassungsgebot der Gleichberechtigung von Frauen und Männern aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG zuwiderlaufen. Das Verständnis der Scharia als eines von Gott gesetzten und deshalb allen staatlichen Gesetzen übergeordneten Rechts stehe im Widerspruch zu den grundgesetzlichen Prinzipien des Rechtsstaats bzw. der Demokratie.
Das Bundesverwaltungsgericht hat zusätzlich den Verbotsgrund des Zuwiderhandelns gegen den Gedanken der Völkerverständigung bejaht (§ 3 Abs. 1 Alt. 3 VereinsG). Es hat dies in tatsächlicher Hinsicht aus Reden, Bittgebeten und Liedern abgeleitet, in denen unter anderem haßerfüllte Vernichtungswünsche gegen Amerika, Juden, Christen und Schiiten ausgestoßen werden, teilweise verbunden mit dem ausdrücklichen Appell, sich dem gewaltsamen Dschihad anzuschließen und auch vor dem Märtyrertod nicht zurückzuschrecken.
Es mag zuzugeben sein, daß Salafisten und andere Islamisten einen besonders radikalen (radikal heißt nun einmal von der Wurzel her) Islam vertreten. Niemand jedoch wird bestreiten, daß alle genannten Vorschriften nun einmal im Koran und in der Scharia enthalten sind. Und ein Blick auf Länder, in denen der Islam sein Ziel erreicht hat und Staatsreligion geworden ist (Iran, Saudi-Arabien) zeigt mit nicht zu überbietender Klarheit, was sein Wesen ist. Mit unserer demokratischen, liberalen und rechtsstaatlichen Verfassung ist das alles nicht vereinbar, wie das Bundesverwaltungsgericht zutreffend feststellt. Politisch korrekte Zeitgenossen und Islamfunktionäre mögen daher die Richter der Islamophobie zeihen. Zu wünschen ist jedoch, daß die übergroße Mehrheit der Entscheidungsträger in diesem Lande mit dem Vorwurf der Islamophobie gut leben können, wenn sie den Islam hierzulande allenfalls in homöopathischer Verdünnung zulassen.