Der Spezialdemokrat

Der Münchner OB Dieter Reiter weiß schon, welche Stadt er regiert. Das rot-grüne politisch korrekte Milieu in seinen teuer sanierten Altbauwohnungen achtet nun einmal sehr darauf,  daß in seiner hippen Stadt kein brauner Schmutz das Bild  der weltoffenen, toleranten, Kunst und Kultur zugetanen Zivilgesellschaft  verunstaltet.  In dieses Idyll passen auf keinen Fall politische Stinkbomben  wie Björn Höcke und die Jugendorganisation der AfD. Denn  diese Jünger des Satans werden ja vom Verfassungsschutz  als Verdachtsfall eingestuft. Und weil in der Politik, anders als vor Gericht, die Unschuldsvermutung nicht gilt, genügt eben der Verdacht, und man braucht kein Urteil eines unabhängigen Gerichts, um solchen Schwefelbuben die Tür zu weisen.

Ganz nüchtern juristisch zum Sachverhalt: Die Jugendorganisation der AfD hat für Sonntag zu einem sogenannten politischen Frühschoppen geladen – ein in Bayern beliebtes Format der Selbstdarstellung politischer Parteien. Veranstaltungsort soll eine Gaststätte im Münchner Süden sein. Die liegt nun auf dem Gelände einer städtischen Sportanlage, und ist, wie das bei solchen Sportgaststätten üblich ist, an einen Wirt verpachtet. Das geht ja gar nicht, dachten sich Reiter und seine Knappen im Rathaus. Kurzerhand wiesen sie den Pächter an, Höcke und den anderen Beobachtungsobjekten des Verfassungsschutzes Hausverbot zu erteilen. Damit war der  politische Frühschoppen der Satansjünger seine Attraktion los und würde wohl abgesagt werden, so die offensichtliche Spekulation des schlauen Münchner OB. Genau das wollte er auch, wie er der Presse mit der  moralischen Attitüde des Verteidigers der Demokratie  erklärte: „Veranstaltungen, die Rassismus und Antisemitismus schüren, die Grundwerte unserer Verfassung angreifen oder den Nationalsozialismus relativieren wollen, haben in städtischen Räumen keinen Platz.“

Natürlich sind diese Auslassungen sachlich bodenlos und halten keiner gerichtlichen Überprüfung stand. Darum geht es Reiter selbstverständlich nicht, sondern es geht ihm darum, sich bei seiner rot-grünen Wählerschaft als wackerer Kämpfer „gegen Rechts“ zu profilieren.

Nun müßte Reiter eigentlich wissen, daß Städte und Gemeinden verpflichtet sind, politischen Parteien ihre Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. In frischer Erinnerung müßte ihm auch sein, daß er vom Verwaltungsgericht München in einem ähnlich gelagerten Fall vor noch nicht langer Zeit schon einmal eine Klatsche bekommen hat. Das Gericht verpflichtete die Stadt München mit Urteil vom 03.07.2018, Aktenzeichen 4 C 18.1224, der AfD tatsächlich auch Zugang zum angemieteten städtischen Veranstaltungsraum zu gewähren. Denn, so belehrte das Gericht die Stadt München, sind alle Parteien nach Art. 21 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 GG, wiederum in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Satz 1 des Parteiengesetzes, gleich zu behandeln. Dies ist ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Weil das so ist, entscheiden das in ähnlich gelagerten Fällen die Verwaltungsgerichte landauf, landab. So zum Beispiel das Verwaltungsgericht Stade mit Beschluß vom 31.05.2016, Aktenzeichen 1 B 1062/16.Wörtlich:

„Der Grundsatz der Gleichbehandlung politischer Parteien schließt es aus, daß Parteien unter Hinweis auf eine inhaltlich mißliebige oder unerwünschte Zielsetzung benachteiligt werden. Allein eine verfassungswidrige Ausrichtung, die nur durch das Bundesverfassungsgericht festgestellt werden dürfte (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG), wäre in dieser Hinsicht ein zulässiges Unterscheidungskriterium. Die Antragsgegnerin kann eine Benachteiligung des Antragstellers auch nicht erfolgreich damit rechtfertigen, daß sie oder die Beigeladene (die Saalvermieterin, d. Verf.) einen Reputationsverlust bei ausländischen Kunden erleiden würden.“

Tatsächlich hatte in jedem Fall die Stadt auch offensichtlich ins Blaue hinein argumentiert, bei Firmen aus dem Ausland könnten ihr Ruf bzw. der Ruf ihrer Tochterunternehmen leiden, wenn dort bekannt würde, daß sie ihre Räumlichkeiten der angeblich ausländerfeindlichen AfD zur Verfügung gestellt habe. In diesem Falle hatte das Gericht auch Veranlassung, der Stadtverwaltung ins Stammbuch zu schreiben, daß auch Tricksereien wie etwa die nachträgliche Vermietung der Veranstaltungsräume an Dritte oder das Vorschieben technischer Gründe nicht geeignet seien, die Vermietung der Veranstaltungsräume an unliebsame politische Parteien, im konkreten Fall der AfD, zu verweigern.

Deswegen kamen Reiters juristische Knappen auch wohl auf die „brillante“ Idee, nicht etwa die Veranstaltung als solche zu verbieten, oder aber den  Pächter anzuweisen, seine Räume den politischen Dreckspatzen nicht zur Verfügung zu stellen, sondern ganz einfach die  Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte dadurch zu umgehen, daß man nicht die Veranstaltung verbietet, sondern den vorgesehenen Rednern Hausverbot erteilt. Das ist nun mal so durchsichtig wie eine blankgeputzte Fensterscheibe. Es ist nicht vorstellbar, daß Richter auf einen derart plumpen Taschenspielertrick hereinfallen könnten. Denn eine Gerichtsverhandlung ist kein Kindergeburtstag, auf dem Papa schon mal mit den simpelsten Zaubertricks vor Staunen offene Münder der lieben Kleinen verursachen kann. Wahrscheinlich werden sie wie ihre Kollegen vom Verwaltungsgericht Stade den wackeren Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat in gesetzten Worten  darauf hinweisen, daß die Umgehung von Gesetzen ebenso verboten ist, wie der direkte  Verstoß dagegen.

Nun ist Reiter kein Jurist, was für sich allein ja keine Schande ist. Dafür hat er ja nicht schlecht bezahlte juristische Beamte  in seinem Rathaus. Die müßten ihm eigentlich erklärt haben, daß nach unserer Verfassung und dem Parteiengesetz politische Parteien gleich zu behandeln sind, solange sie nicht verboten sind. Verbieten kann eine politische Partei grundsätzlich jedoch nur das Bundesverfassungsgericht. Wenn der Verfassungsschutz eine Partei oder Teile davon oder auch nur einzelne Personen einer Partei beobachtet, um dem Verdacht nachzugehen, sie arbeiteten an der Abschaffung  unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dann ist das eben nicht das Parteiverbot nach Art. 21 GG. Anders gewendet:  wenn  die Polizei  gegen irgendjemanden ermittelt, weil eine Anzeige vorliegt, dann ist das juristisch noch gar nichts. Nicht einmal eine Anklage, ja nicht einmal ein nicht rechtskräftiges Urteil einer unteren Instanz beseitigen die von der Verfassung  festgeschriebene Unschuldsvermutung. Also ist auch die AfD, ist ihre Jugendorganisation, ist auch Herr Höcke, und seien sie allesamt für die rot-grünen Gutmenschen in ihren luxussanierten Schwabinger Altbauwohnungen igitigitt wie was man hier nicht schreiben kann, von Verfassungs wegen vom politischen Leben nicht auszuschließen. So ist das nun mal, werter Herr Reiter.

Der Jurist Johann Wolfgang von Goethe, der sowohl als Anwalt wie auch als  leitender Verwaltungsbeamter seines fürstlichen Freundes Recht und Politik scharf beobachtete, dürfte die Summe seiner  diesbezüglichen Erfahrungen formuliert haben, als er schrieb: „Politika, ein garstig Lied“.

Dieter Reiter wird das alles wissen. Er wird mit fliegenden Fahnen vor dem Verwaltungsgericht untergehen. Seiner rot-grünen Gemeinde  wird er dann etwas von politisch unbedarften Paragraphenreitern erzählen und  dann natürlich beteuern,  daß man sich als Demokrat selbstverständlich einer gerichtlichen Entscheidung beugen wird. Ein Spezialdemokrat eben.

Nachtrag

Das Verwaltungsgericht München hat heute, am 04.05.2019, auf Antrag des Veranstalters das Hausverbot der Stadt München gegen Herrn Höcke, Frau Ebner-Steiner u.a. aufgehoben. Herr Reiter hat erklärt, das Urteil respektieren zu wollen. Wenn’s halt net anders geht…

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Ein Gedanke zu „Der Spezialdemokrat

  1. Dieter Farwick

    Lieber Herr Thesen !
    Wiederum Dank und Anerkennung für Ihren Kommentar.
    Reiter ist ein politischer Hütchenspieler. Meistens gewinnt er, aber dieses Mal hat er verloren. Es lebe die Justiz.

    Mit besten Grüßen

    Ihr

    Dieter Farwick

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