Die Wahrheit ist ein kleinliches bürgerliches Vorurteil

sagte einst Lenin, der wohl erfolgreichste politische Agitator in der Geschichte der Menschheit, und fuhr fort: „Recht ist, was der politischen Klasse nützt. In der Politik gibt es keine Moral, nur Zweckmäßigkeit.“ In einer Zeit, in der sich die Medien der Aufgabe verschrieben haben, das Volk, pardon, die Bevölkerung, zu moralisch hochwertigem Verhalten zu erziehen, statt einfach zu berichten, was so alles auf dieser Welt passiert, in dieser Zeit müssen Recht und Wahrheit natürlich so geformt werden, daß sie dem hehren Ziel dienlich sein können. Weil aber alles unabhängige, zumal bürgerlich-konservative Denken dem im Wege steht, ist es mit allen Mitteln zu bekämpfen, selbstverständlich auch mit den Instrumenten der Manipulation, der Wahrheitsunterdrückung, der gezielt verbreiteten Unwahrheit und der Diskreditierung als rechtsextrem, was ja nichts anderes als eine Spielart der Verfassungsfeindlichkeit ist. Das geschieht unter dem Motto „Kampf gegen Rechts“, wobei in diesem Satz bereits der semantische Betrug enthalten ist, der darin besteht, daß zweifelsfrei demokratisches Gedankengut politisch rechts von linksgrüner Denkungsart als rechtsextrem diffamiert wird. Ein rhetorisches Stilmittel dazu ist der Sprachgebrauch in den Medien, der mit dem Begriff „rechts“ stets auch „rechtsradikal“ und „rechtsextrem“ meint. Allerdings wird in geeignet erscheinenden Fällen auch schon einmal zum Rechtsextremisten ernannt, wer es gar nicht ist, und einer Nähe zum Rechtsextremismus beschuldigt, wer sich dazu nicht einmal inhaltlich geäußert hat. Ob es dann am Ende stimmt, ist egal, denn insoweit gilt die alte lateinische Regel: audacter calumniare, semper aliquid haeret (nur wacker verleumden, es bleibt immer etwas hängen).

Qualitätsmedien als unheilige Inquisition

Ein Beispiel aus jüngster Zeit. Panorama, das ARD-Magazin, dem man schon in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts spöttisch die Zuständigkeit für die Rotlicht-Bestrahlung der Bevölkerung zugesprochen hat, berichtete am 23. Juli dieses Jahres über den Oberstleutnant iG Marcel Bohnert. Man hielt ihm vor, in den sozialen Medien Beiträge rechtsextremer Autoren mit einem „gefällt mir“ Symbol versehen zu haben. Es wurde der Eindruck erweckt, bei dem Offizier handele es sich um einen Soldaten von rechtsextremer Gesinnung, mindestens aber mangelnder Distanz zu dieser Ideologie. Obgleich der Offizier dies weit von sich wies, legte Panorama am nächsten Tag noch nach und präsentierte dem Fernsehpublikum seine Erkenntnisse darüber, wo der Offizier in der Vergangenheit schon Vorträge gehalten hat. Das sicherlich sehr konservative Studienzentrum Weikersheim ebenso wie eine Münchener Burschenschaft wurden genannt, allerdings im Zusammenhang des Rechtsextremismus. Nun liegt in keinem der beiden Fälle auch nur eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz vor. Und die bloße Tatsache, daß man einen Meinungsbeitrag in den sozialen Medien mit einem „gefällt mir“ Symbol – bei Facebook „liken“ – versieht, ist jedenfalls von Rechts wegen nicht zu beanstanden. So hat erst jüngst der bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 28.02.2020 erklärt: „Likes“ für Facebook-Seiten sind bloße Sympathiekundgebungen für die Inhalte dieser Seiten. Dadurch wird nicht in irgendeiner Weise dazu aufgefordert, sich den Urhebern dieser Seiten anzuschließen oder für deren Ziele oder Meinungen einzutreten.“ Solche rechtlichen Betrachtungen sind indessen für Haltungsjournalisten irrelevant. Sie halten sich lieber an die Empfehlung des Altmeisters der Manipulation, wie eingangs zitiert.

Spiegeleien

Da durfte dann auch der Spiegel nicht fehlen. Flugs veröffentlichte er am 25. Juli ein Interview mit dem Offizier, das nicht nur der Zweitverwertung der vorgeblichen Sensation eines rechtsextremen Stabsoffiziers dienen, sondern das investigative Leistungsvermögen des von seinem Gründer Rudolf Augstein mit dem Prädikat „Sturmgeschütz der Demokratie“ selbst geadelten Blattes wieder einmal demonstrieren sollte. Inwieweit das mit Demokratie zu tun hat, wollen wir hier einmal dahinstehen lassen. Was die Demokratie wirklich ist, dürfte heute cum grano salis ebenso unbekannt sein wie der Begriff des Sturmgeschützes. Letzteres stand in der Nachkriegszeit nahezu ikonographisch für die Effizienz der Wehrmacht, in der Augstein noch als Offiziersanwärter gedient hatte. In die Redaktion des Spiegel zog es damals ehemalige Offiziere wie Conrad Ahlers, aber auch ehemalige Angehörige von Himmlers SD wie die seinerzeitigen SS-Hauptsturmführer Horst Mahnke und Georg Wolff, wie man liest. Das generierte dann wohl auch eine intensive Hassliebe zur Bundeswehr, die sich in einer seltsamen Melange von Besserwisserei und negativer Berichterstattung niederschlug. Somit paßt die Story von rechtsextremen Tendenzen in der Bundeswehr, festgemacht an jenem Stabsoffizier, in die traditionelle Linie „dieses Blattes“, um einen Ausdruck Herbert Wehners zu zitieren.

Kontaktschuld und „falsche“ Autoren

Zu den angeblichen rechtsextremen Aktivitäten des durch die Mangel gedrehten Stabsoffiziers gehörte dann nach Meinung seiner Inquisitoren auch, daß er als Mitautor eines Sammelwerks mit dem Titel „Soldatentum“ fungiert hat, das 2013 erschienen ist. Vorgehalten wurde ihm, diesen Sammelband habe ein bekennendes Mitglied der „Identitären“ herausgegeben. Und weil man so schön in der Spur war, nannte man auch gleich den Namen dieses Herausgebers, zwar mit abgekürztem Nachnamen, doch leicht identifizierbar, wenn man den Titel des Buches googelt. Nun ist jener Felix Springer keineswegs Mitglied der Identitären. Die Identitäre Bewegung, die in der Tat Beobachtungsobjekt des Bundesverfassungsschutzes ist, ist ein eingetragener Verein. Mitglied eines eingetragenen Vereins ist bekanntlich nur, wer dort förmlich aufgenommen worden ist. Der genannte Felix Springer ist diesem Verein nicht beigetreten. Das interessiert Spiegel-Investigationskriminalisten indessen nicht, auch nicht, daß das Jahr der Erscheinung dieses Buches (2013) zeitlich vor dem Auftreten der Identitären Bewegung in Deutschland liegt. Die Bezeichnung von Herrn Springer als rechtsextremistisch ist auch aus der Luft gegriffen, sachlich falsch und diffamierend. Jedenfalls hat bisher kein Gericht eine solche Feststellung getroffen. Noch sind in Deutschland zu einer solchen Feststellung nur die Gerichte befugt.

Der Spiegel und die Justiz

Der Spiegel müßte also seine Behauptungen auch beweisen, was ihn aber nicht interessieren dürfte, denn man vertraut an der Hamburger Relotiusspitze auf die jahrzehntelange Gerichtserfahrung in Unterlassungsprozessen. Für jeden, der sich zu Unrecht durch einen Spiegel-Bericht diffamiert fühlt, ist der Blick auf die Wirklichkeit des gerichtlichen Verfahrens ernüchternd. Ein Beispiel: Rudolf Augstein schrieb im Spiegel vom 1.4.1964 unter dem Pseudonym Moritz Pfeil über Franz Josef Strauß einen diffamierenden Artikel, in welchem er ihn der Korruption bezichtigte. Dagegen klagte Strauß und bekam beim Landgericht München I am 15.7.1965 recht. Dagegen legte der Spiegel Berufung ein, über die das Oberlandesgericht München mit Urteil vom 28.7.1966 wiederum zugunsten von Strauß entschied. Unverdrossen legte der Spiegel dagegen Revision ein, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 29.10.1968 zurückwies. Damit nicht genug, erhob der Spiegel dagegen Verfassungsbeschwerde, die das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 28.1.1970 verwarf. Das heißt, die Auseinandersetzung über diese von den Gerichten als Diffamierung bewertete Berichterstattung dauerte fünfeinhalb Jahre. Das Kostenrisiko eines solchen juristischen Marathons liegt im hoch fünfstelligen Eurobereich. Kann man unter diesen Umständen Herrn Bohnert oder Herrn Springer empfehlen, sein gutes Recht bei den Gerichten zu suchen und voraussichtlich auch zu finden?

Die Universität der Bundeswehr im „Kampf gegen Rechts“

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß jenes Buch, dessen Herausgeber ein angeblicher Rechtsextremist ist, tatsächlich von drei jungen Offizieren der Universität der Bundeswehr herausgegeben worden ist. In diesem Sammelband haben angesehene Wissenschaftler wie die Professoren Michael Wolffsohn und Carlo Masala Beiträge veröffentlicht, worauf Herr Bohnert seine Inquisitoren auch hingewiesen hat. Doch wenn es um sogenannte rechte Zusammenhänge geht, dann gilt der Satz des Patriarchen aus Lessings Nathan der Weise: „Tut nichts, der Jude wird verbrannt!“ Denn die Herausgeber des Sammelbandes hatten sich schon zuvor mit ihren Artikeln in der Studentenzeitschrift der Uni BW München das Missfallen der Präsidentin Prof. Dr. Merith Niehuss zugezogen. Ihr war das alles zu rechts. Als politisch korrekte Aufseherin der Soldaten- Universität, als die sie nun einmal von dem damaligen Minister Struck installiert worden war, erfüllte sie damit vorbildlich ihre Aufgabe. Denn das effiziente Management einer Universität sollte es wohl weniger sein. Die Dame war bis dahin noch nicht als Managerin oder gar Wissenschaftsmanagerin in Erscheinung getreten. Daß sie wegen ihrer fachlichen Qualifikation als Historikerin berufen worden wäre, muß eher bezweifelt werden. Ihr wissenschaftliches Oeuvre ist außerordentlich schmal und umfaßt außer ihrer Dissertation und ihrer Habilitation nur sehr wenige Herausgeberschaften und ein zusammen mit ihrem Doktorvater Gerhard A. Ritter verfasstes Werk über die Wahlen in Deutschland, sowie ausweislich der Veröffentlichungsliste im Internet noch ein Buch mit dem Titel „Zwischen Seifenkiste und Playmobil – Illustrierte Kindheitsgeschichte des 20. Jahrhunderts.“

Falsch oder nicht – es funktioniert allemal

Der Erfolg von Panorama und Spiegel indessen wird nicht ausbleiben. Der sicherlich hervorragend qualifizierte Generalstabsoffizier Marcel Bohnert wird wohl keine große Karriere mehr vor sich haben. Das Eichenlaub und die Sterne auf seinen Schulterstücken dürften silbern bleiben. Die Vergangenheit lehrt, daß politisches Engagement außerhalb des Mainstreams regelmäßig das Karriereende für Offiziere bedeutet hat, sei es für die Republikaner oder den Bund freier Bürger oder wie die konservativen Parteigründungen rechts von der Union auch alle hießen. Verschärft hat sich dies seit der Amtszeit der Großinquisitorin Ursula von der Leyen. Ihre Nachfolgerin verfolgt diese Linie unbeirrt weiter, wie ihr skandalöser Umgang mit dem KSK zeigt. Der Kampf gegen Rechts kennt keine Gnade. Er wird so unnachsichtig geführt wie ein Flächenbombardement. Kollateralschäden werden nicht nur toleriert, sondern sind Teil der Strategie. Und diese Strategie heißt Abschreckung. In der Tat führt die Bundeswehr Krieg, allerdings einen Krieg gegen sich selbst. Ihre Hilfstruppen findet sie in Medien wie Panorama und Spiegel, aber auch alle anderen, die sich dem Haltungsjournalismus verpflichtet fühlen, stehen hier in Reserve. Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG). Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat (Art. 20 Abs. 1 GG)“. Doch die Schöpfer dieser wunderbaren Sätze sind schon lange tot.

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