Ein Zwischenruf

Es gibt Dinge, die so selbstverständlich sind, daß man einfach darüber nicht reden muß. Indessen zeigen die Ereignisse der letzten Wochen, daß auch bare Selbstverständlichkeiten offensichtlich noch angemahnt werden müssen.

Es ist zweifellos Jedermanns Recht, anderer Meinung zu sein als andere Leute, auch anderer Meinung zu sein als parlamentarische Mehrheiten, ja sogar anderer Meinung zu sein, als Wissenschaftler. Denn gerade bei letzteren sind auch andere Meinungen der Normalfall. Wir können allenfalls feststellen, ob eine Aussage von größeren oder kleineren Teilen der Wissenschaftler geteilt wird, die sich öffentlich äußern. Von denen, die sich öffentlich nicht äußern, hören wir ohnehin nichts.

Eine Meinung zu haben und diese zu äußern, das ist das eine. Das ist aber auch das eine, das in einem demokratischen Rechtsstaat immer und unbedingt gelten muß, auch wenn man die eine oder andere Meinungsäußerung als Unfug, Ausfluss geistiger Umnachtung oder sonst keinesfalls seriös betrachtet. Denn gestützt auf unsere Verfassung lassen die Gerichte eben auch solche Meinungen zu. Die Meinungsfreiheit gehört zu den tragenden Säulen unserer verfassungsmäßigen Ordnung.

Etwas anderes indessen ist es, die Regeln des Anstandes zu verletzen, und noch etwas ganz anderes ist es, die Persönlichkeitsrechte Dritter zu verletzen, was im Übrigen auch das Strafgesetzbuch mit angemessenen Strafen bedroht. Es geht wirklich nicht an, den privaten Lebensbereich von Politikern oder sonstigen Persönlichkeiten zu verletzen, die sich in irgendeiner Weise anders äußern, als einem das selbst lieb ist. Auch ein noch so berechtigter Protest hat im privaten Bereich von Politikern, Wissenschaftlern oder Journalisten nichts, aber auch gar nichts zu suchen. Wie gesagt, ist das nicht nur unanständig, das ist auch strafbar.

Eine weitere Bemerkung ist allerdings auch veranlasst. Eine Reihe von AfD-Politikern wäre in den letzten Monaten sehr froh gewesen, vor ihren Häusern hätten lediglich Leute demonstriert, vielleicht auch ein wenig randaliert. Indessen flogen Pflastersteine durch ihre Fensterscheiben, klatschten Farbbeutel an die Fassaden und wurden ihre Autos vor dem Hause angezündet. Soweit ich mich erinnere, hat sich darüber kaum jemand aufgeregt, insbesondere nicht in den öffentlich-rechtlichen Medien und den führenden Tageszeitungen.

Gerade diejenigen, die mit Recht die eine oder andere Maßnahme unserer Regierungen im Rahmen der Corona-Bekämpfung kritisieren, und sei es auch nur als völlig ungeeignete Maßnahme, gerade diejenigen sollten sich durch besondere Besonnenheit auszeichnen. Damit heben sie sich ja auch von den Leuten positiv ab, die sich offenbar im Besitze der alleinigen Wahrheit wähnen und jeden, der vom regierungsamtlichen Pfad der Tugend abweicht, als Querdenker, Quatschkopf, Reichsbürger oder Rechtsextremen abgrenzen.

Schlicht und einfach: lassen wir die Kirche im Dorf.

Ein Gedanke zu „Ein Zwischenruf

  1. Heinrich Mösinger

    Dass Wissenschaftler ein und dasselbe Phänomen aus unterschiedlichen Blinkwinkeln betrachten und erst nach und nach zu einer übereinstimmenden Betrachtungsweise kommen, ist geradezu Voraussetzung für seriöse Wissenschaft. Wäre das anders, gäbe es keine Quantentheorie, keine Relativitätstheorie, die Sonne würde um die Erde kreisen und die Seefahrer würden nicht bis zum Horizont fahren weil man dort vom Rand der Scheibe in die Hölle fallen könnte.

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