Die Aktionen der selbsternannten „letzten Generation“, im Volksmund „Klimakleber“ genannt, zeigen sehr deutlich auf, wie gespalten unsere Gesellschaft tatsächlich ist. Auf der einen Seite die von der unumstößlichen Gewissheit, die Welt werde in Kürze untergehen, wenn nicht sofort und mit drastischen Maßnahmen der Ausstoß von CO2 verhindert werde, beseelten zumeist jungen, akademisch (ver-)bildeten „Aktivisten“, auf der anderen Seite die große Mehrheit der Bevölkerung, die deren Treiben verständnislos gegenüber steht.
Klimawandel – woher und wohin
An dieser Stelle soll nicht grundsätzlich auf die Problematik des Klimawandels, insbesondere die Frage, ob und in welchem Umfang er „menschengemacht“ ist, eingegangen werden. Lediglich die grundlegende und von diesen Zeitgenossen zur Begründung ihrer drastischen Aktionen angeführte Behauptung, die Welt stünde vor dem baldigen Untergang, wenn nicht sofort die Maßnahmen ergriffen würden, die sie fordern, soll kurz angesprochen werden. Tatsächlich haben sich diese Weltuntergangsszenarien, wie sie seit 1990 vom Weltklimarat vorhergesagt worden sind, allesamt nicht bestätigt. Diese – demokratisch im übrigen nicht legitimierte – Organisation hatte ja in ihrem ersten Report von 1990 prognostiziert, daß bis zum Jahr 2010 weltweit mindestens 50 Millionen Menschen zu Klimaflüchtlingen würden. Das hat sich eben nicht bestätigt. Der Weltklimarat ist dann auch 2014 zurückgerudert und hat davon abgesehen, derartig präzise Vorhersagen, auch bezüglich der Häufigkeit von Wirbelstürmen und Dürren, zu machen. Im Report 2007 war zu lesen, daß die Gletscher im Himalaja bis 2035 verschwinden würden, vielleicht schon früher, wenn die Erde sich weiterhin mit der aktuellen Geschwindigkeit erwärmte. Auch diese Aussage hat sich als falsch herausgestellt. Einige Gletscher im Himalaya wachsen sogar. Auch macht ein Blick in die Erdgeschichte nachdenklich. In der Kreidezeit vor etwa 65 bis 140 Millionen Jahren war das Erdklima tropisch warm. In der mittelalterlichen Warmzeit zwischen 1000 und 1300 n.Chr. war es 1,5-2° wärmer als im langjährigen Mittel von 1000-1800 n. Chr., nämlich zwischen 15,5 und 17,5°. Der Durchschnittswert im 20. Jahrhundert hingegen liegt bei 15,5°. Nun lebten die Menschen in der mittelalterlichen Warmzeit in Europa gut, Wälder und Wiesen waren grün, die Äcker fruchtbar. Daß also eine Erwärmung der Erde um rund 2° deren Untergang, oder mindestens katastrophale Naturereignisse einschließlich Hungersnöten nach sich ziehen könnte, muß doch sehr in Zweifel gezogen werden.
Die Einpeitscher der Klimakleber
Man muß allerdings auch fragen, woher diese geradezu hysterische Angst nicht nur der Klimakleber, sondern auch der Schulkinder kommt, die als Bewegung „fridays for future“ nicht nur die Schule schwänzen, sondern allenthalben Aufsehen erregen. Es sind doch verantwortungslose Wissenschaftler wie etwa die Professoren des Potsdamer Klimainstituts, die durch ständige Alarmmeldungen, vor allem die Behauptung, künftige Naturkatastrophen könnten nur verhindert werden, wenn auf der Stelle der Ausstoß von CO2 durch menschliche Aktivitäten aller Art drastisch eingeschränkt werde, diese hysterische Angst erst erzeugen. Daß auch unter ihnen Leute sind, die über das Vehikel des Klimaschutzes eine andere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung herbeiführen wollen, ist ja nun auch bekannt. Leider wird es rechtlich nicht möglich sein, diese Scharlatane als Anstifter im strafrechtlichen Sinne zur Verantwortung zu ziehen. Die moralische Verantwortung haben sie allemal.
Wo bleibt das Recht?
Doch wollen wir uns auf die Rechtslage konzentrieren. Denn die Aktionen der Klimakleber werden derzeit vor den Gerichten verhandelt. In aller Regel werden sie auch verurteilt, ungeachtet dessen, daß sie für sich in Anspruch nehmen, gewissermaßen in Notwehr das Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes auszuüben. Das sei deswegen gerechtfertigt, weil Parlament und Regierung einfach nicht ihrer Verantwortung für die Menschen, vor allem mit Blick auf die Zukunft, gerecht würden. Damit stoßen sie – merkwürdigerweise, muß ich sagen – in Politik und Medien auf sehr viel Sympathie, teilweise sogar Zustimmung. Sogar ein Amtsrichter in Berlin hat sich ja dazu verstiegen, dieser Argumentation zu folgen und in einem Strafverfahren gegen einen dieser „Aktivisten“ auf Freispruch erkannt. Indessen hat das Landgericht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft dieses Urteil aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an einen anderen Richter desselben Gerichts zurückverwiesen.
Die Anmaßung der „Erleuchteten„
Nun ist durchaus bemerkenswert, mit welchem moralischen Anspruch und mit welcher geradezu manichäischer Glaubensgewissheit diese Leute argumentieren. In einem Schreiben an die Bundesregierung führt die sogenannte letzte Generation unter anderem aus: „Wir erachten es als unsere Pflicht, alles Gewaltfreie zu tun, was in unserer Macht steht, um dieses Unrecht zu beseitigen. Sollten wir bis zum 7.10.2022 keine Antwort erhalten,…. sehen wir keine andere Möglichkeit, als gegen Ihren aktuellen Kurs Widerstand zu leisten. Wir werden in diesem Fall ab 10.10.2022 erneut für eine maximale Störung der öffentlichen Ruhe sorgen..“ Abgesehen davon, daß von gewaltfreiem Widerstand nicht die Rede sein kann, was noch auszuführen sein wird, erstaunt die Überheblichkeit, mit der hier eine Gruppe von Menschen, die keinerlei demokratische Legitimation hat, – niemand hat sie gewählt – einem Verfassungsorgan vorschreiben will, was es zu tun hat, und ihm ein Ultimatum setzt.
Demokratie braucht Regeln – Besserwisser offenbar nicht
Entgegen der Einstufung solcher Aktionen als „fortgeschrittene Form der Demonstration“ (Jo Leinen) oder „Element einer reifen politischen Kultur“ (Jürgen Habermas) durch linke Denker muß man die Gesetzwidrigkeit der jeweiligen Aktion, die in aller Regel auch noch verharmlosend als „Regelverstoß“ bezeichnet wird, als das bestimmende Merkmal dieses zivilen Ungehorsams einstufen. Man stellt sich ja bewusst einer demokratisch und rechtsstaatlich zustande gekommenen Entscheidung entgegen, und zwar nicht auf dem dafür vorgesehenen Weg der demokratischen Meinungsbildung und Entscheidung oder durch Beschreitung des Rechtswegs zu den zuständigen Gerichten, sondern man setzt den Willen seiner Gruppe, die offensichtlich eine kleine Minderheit in der Gesellschaft ist, über Recht und Gesetz. Indessen ist es geradezu Wesensmerkmal des zivilisatorischen Fortschritts, der zur demokratischen Organisation der Macht geführt hat, daß die Bürger auf die Ausübung von Gewalt zur Durchsetzung ihrer Interessen zugunsten der demokratischen Willensbildung verzichtet haben. Bestandteil dieses Gesellschaftsvertrages ist das staatliche Gewaltmonopol zur Einhegung individueller Machtausübung. Daraus folgt die Verpflichtung zum Rechtsgehorsam, wenn das Recht in den dafür vorgesehenen Kategorien herausgebildet wird. Ist Recht rechtsförmlich entstanden, so ist es zu befolgen; mag man dies hinterfragen, so stehen einem jeden Rechtsunterworfenen die entsprechenden verwaltungs- und verfassungsgerichtlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung. Dies bedeutet dann aber auch, daß zivler Ungehorsam nicht zur eigenhändigen Durchsetzung bestimmter Ziele mit außergesetzlichen Mitteln instrumentalisiert werden kann, wenn mit gesetzlichen Mitteln der gewünschte Erfolg nicht erreicht werden kann, so der Würzburger Verfassungsrechtler Kyrill A. Schwarz.
Widerstandsrecht?
Abwegig ist in diesem Zusammenhang die Berufung auf das Widerstandsrecht nach Art. 20 Abs. 4 GG. Schon der Wortlaut dieser Verfassungsbestimmung zeigt auf, daß es hier um einen ganz anderen Regelungsbereich geht. „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung (Demokratie und Rechtsstaat nach den Regeln dieses Grundgesetzes, Anmerkung des Verfassers) zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Historisch nimmt dieser Satz unausgesprochen auf den Widerstand Stauffenbergs und seiner Mitstreiter gegen die nationalsozialistische Diktatur Bezug. Und damit ist auch klar, was gemeint ist. Nicht gegen den demokratischen Staat, sondern gegen Umstürzler, die wie weiland Hitler und die Seinen sich des Staates bemächtigen wollen, um seine demokratische Ordnung zu beseitigen, ist dieses Recht in die Verfassung geschrieben worden. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer seiner grundlegenden Entscheidungen, nämlich dem KPD-Verbotsurteil vom 17.8.1956, dieses Widerstandsrecht als ein Notrecht zur Bewahrung und Wiederherstellung der Rechtsordnung qualifiziert, das nur in einem konservierenden Sinne ausgeübt werden dürfe. Dieses Widerstandsrecht zielt also auf die Bewahrung der Verfassungsordnung, nicht aber auf Veränderung und Verbesserung; Widerstand ist nicht Revolution. Und dies ist ausdrücklich beschränkt auf die Verfassungsordnung als solche, nicht aber berechtigt das Widerstandsrecht zur Verweigerung des Rechtsgehorsams aus Gewissensgründen oder berechtigt etwa allgemein zu zivilem Ungehorsam – was nichts anderes als schlichter Rechtsbruch wäre – gegenüber vorgeblich unmoralischen oder gefährlichen Emanationen der Staatsgewalt oder, wie im Fall des Klimaschutzes, angeblich pflichtwidrigen Unterlassungen der öffentlichen Gewalt, um erneut Schwarz zu zitieren.
Das Klimaschutzurteil aus Karlsruhe ist kein Ermächtigungsgesetz
Die selbsternannten Klimaschützer berufen sich somit auch zu Unrecht auf das sogenannte Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24.3.2021. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar mit diesem Urteil beanstandet, daß die vom Gesetzgeber beschlossenen Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes nicht ausreichend weit in die Zukunft gerichtet seien und damit die Rechte der jungen Generation auf ein Leben ohne die schädlichen Folgen des Klimawandels missachteten. Deswegen wurde dem Gesetzgeber aufgegeben, hier nachzubessern. Unbeschadet dessen, daß nach Meinung vieler Verfassungsrechtler das Gericht damit über seine Kompetenzen hinausgegangen ist, auch wenn Art. 20 a GG dem Staat die Aufgabe zuweist, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung“. Bei der Verwirklichung dieses Staatsziels hat ja sowohl die Legislative als auch die Exekutive einen Beurteilungs-, eigentlich auch einen Ermessensspielraum und es geht wohl nicht an, heute dem Gesetzgeber aufzugeben, Dinge zu regeln, die erst in Jahrzehnten Auswirkungen haben bzw. Regelungsbedarf hervorrufen. Indessen ist es aber klar, daß auch die Umsetzung dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf demokratischem und rechtsstaatlichem Wege zu erfolgen hat, und es nicht angeht, daß eine kleine Gruppe von Klimazeloten die demokratisch verfassten Staatsorgane zum Handeln nötigt.
Die Absicht hinter dem Klimaschutz
Hinzu kommt, daß es diesen Missionaren der Klimareligion ersichtlich nur vordergründig um den Naturschutz und die Lebensgrundlagen der Menschen geht. Vielmehr kommt hier erneut der Marxismus unter einer Maske daher, diesmal unter der Maske des Klimaschutzes. Die ursprüngliche Intention, über die Mobilisierung der sogenannten Arbeiterklasse den Sozialismus mit dem Endziel des Kommunismus aufzubauen, ist ja bekanntlich grandios gescheitert. Nun versucht man es heute einerseits über die Veränderung der überkommenen gesellschaftlichen Kultur (Stichwort gender and diversity) und andererseits über den Klimaschutz. Dankenswerterweise hat eine der Gallionsfiguren dieser Bewegung, und zwar eine der verzogenen Gören aus einem Hamburger Multimillionärsclan, neulich in einer Talkshow klipp und klar erklärt, daß man mit der Demokratie hier nicht weiter komme, vielmehr müssten da diejenigen das Sagen haben, die eben wissen, worum es geht. Es soll also wohl ihre kleine Gruppe von Erleuchteten in der Art des Politbüros einer kommunistischen Partei bestimmen, wie Staat und Wirtschaft zu funktionieren haben. Bei einer solchen Grundüberzeugung nimmt es natürlich nicht Wunder, wenn man solche Kleinigkeiten wie das Grundgesetz und das Strafgesetzbuch beiseite lässt.
Der Vorrang des Rechts
Natürlich machen sich die Klimakleber wegen Nötigung strafbar. Darauf hat der große Verfassungsrechtslehrer Rupert Scholz erst vor kurzem hingewiesen, und die Gerichte verurteilen ja auch die Klimakleber nach § 240 StGB, auch wenn vielfach beim Strafmaß zugunsten der Angeklagten keine verwerflichen Gründe, vielmehr beachtenswerte Motive unterstellt werden. Indessen rechtfertigen auch diese Motive keine Straftaten, können allenfalls als mildernde Umstände, wie das im Volksmund heißt, berücksichtigt werden. Nach Sachlage ist aber auch dies meines Erachtens verfehlt. Es gibt überhaupt keine achtenswerten Gründe, die den Frontalangriff auf Demokratie und Rechtsstaat entschuldigen könnten, den diese Klimazeloten führen. Denn wenn erst einmal zweierlei Recht gilt, dann dauert es nicht mehr lange, bis gar kein Recht mehr gilt.