Der Krieg in der Ukraine geht nun in den zweiten Kriegswinter. Grund genug, erneut in die Beurteilung der Lage einzutreten. Nicht in erster Linie hinsichtlich der Lage im Kriegsgebiet. Sondern in erster Linie hinsichtlich der Folgen dieses Krieges für Deutschland, seiner Handlungsoptionen und nicht zuletzt der Frage: was ist zu tun?
Das Bild des Krieges im Frühjahr 2022
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24.2.2022 war die politische wie auch die militärische Bewertung recht eindeutig. Es ließ sich auch ein weit überwiegender Konsens in Deutschland feststellen. Natürlich war und ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine ein klarer Verstoß gegen das Völkerrecht. Natürlich ist es auch völkerrechtliche Verpflichtung unseres Landes wie aller anderen Staaten, Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine vorübergehend aufzunehmen. Im vorliegenden Falle kam der allgemeine Konsens hinzu, daß die ausgebombten, vor Krieg und Zerstörung geflohenen Menschen aus der Ukraine auch unser Mitgefühl verdienten. Man sah es als selbstverständlich an, daß sie nicht den rechtlichen Beschränkungen unterliegen sollten, die für alle anderen Kriegsflüchtlinge und Asylsuchenden bei uns gelten, auch wenn diese Beschränkungen im internationalen Vergleich kaum spürbar sind. Die kulturelle Nähe der Ukrainer zu Mitteleuropa ganz im Gegensatz zur Kulturferne der Zuwanderer aus Schwarzafrika und dem muslimischen vorderen Orient und Nordafrika tat ein übriges. Man konnte davon ausgehen, daß sich diese neuen Bewohner unseres Landes sehr rasch integrieren würden.
Die Lage hat sich geändert
Nun, ein dreiviertel Jahr später, stellen wir ernüchtert fest, daß die kulturelle Integration der ukrainischen Flüchtlinge durchaus gelingt, die Integration in den Arbeitsmarkt indessen sehr zu wünschen übrig lässt. Lediglich knapp 20 % der zugewanderten arbeitsfähigen Ukrainer gehen einer Erwerbstätigkeit nach, gut 80 % beziehen Bürgergeld in gleicher Höhe wie deutsche Staatsbürger. Unter den nun hier vorübergehend (?) lebenden Ukrainern sind allem Anschein nach erstaunlich viele Männer im wehrfähigen Alter. Das verwundert jedenfalls auf den ersten Blick deswegen, weil man zu Beginn des Krieges hörte, daß Ukrainer im wehrfähigen Alter überhaupt nicht ausreisen dürfen, sondern in die ukrainischen Streitkräfte eingezogen werden. Dies scheint durchaus nicht der Fall zu sein. Das sollte uns jedenfalls nach der ersten Phase des Mitgefühls nicht weiter überraschen. Handelt es sich doch bei der Ukraine um eines der korruptesten Länder der Welt. Warum sollte nicht gerade in Kriegszeiten die Korruption bei den dortigen Wehrersatzbehörden blühen? ist es sehr überraschend, wenn Flüchtlinge aus diesem Land ihre Kultur des Abzockens mitbringen? Kann man sich dann noch darüber wundern, daß ein Großteil dieser Leute lieber die üppigen deutschen Sozialleistungen, die unter dem Strich ein Einkommen nahe am Erwerbseinkommen ermöglichen, für sich in Anspruch nehmen, als sich eine Arbeit zu suchen? Muß man dann nicht den Rechtsstatus dieser Kriegsflüchtlinge überdenken?
Die Kosten der Solidarität
Deutschland hat sich sehr rasch dazu entschieden, die Ukraine auch durch Waffenlieferungen und Ausbildung von Soldaten an modernen westlichen Waffen zu unterstützen. Diese Militärhilfe in Gestalt von Waffen, Gefechtsfahrzeugen und Munition beläuft sich im laufenden Jahr auf rund 5,4 Milliarden €. Für 2024 ist ein Betrag von rund 8 Milliarden € vorgesehen. Die Lieferung von militärischer Ausrüstung an die Ukraine hat Vorrang vor der Beschaffung für die Bundeswehr. Ähnlich engagieren sich die übrigen NATO-Länder, allen voran natürlich die USA. Daß letztere nota bene auch ein erhebliches Eigeninteresse daran haben, Russland an der Eroberung dieses Landes zu hindern und es in den eigenen Bündnisbereich und Wirtschaftsraum zu integrieren, liegt auf der Hand, ist jedoch weltpolitisch durchaus normal. Ebenso normal ist es, daß wir Deutschen als Verbündete in der NATO den USA in den Grundlinien der Politik folgen. Vernünftige Alternativen sind weit und breit nicht zu sehen.
Das Kriegsziel Russlands ist wohl nicht mehr das gleiche wie zu Beginn
Zu Beginn des Krieges schien es durchaus so, daß Russland sich eine blutige Nase holen würde. Das lag vor allem daran, daß die von Putin großsprecherisch als militärische Spezialoperation bezeichnete Besetzung und Unterwerfung der Ukraine sich sehr bald als stümperhaft durchgeführte Invasion einer Armee von Tölpeln herausstellte. Wir haben noch die Bilder von der endlosen Schlange der Kampfpanzer, Artilleriegeschütze und sonstigen Gefechtsfahrzeuge von der russischen Grenze bis kurz vor Kiew vor Augen, die allenthalben von ukrainischen Panzern zusammengeschossen wurden. Bei dieser Sachlage schien es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Angriff völlig zusammenbrechen und anschließend von den ukrainischen Verteidigern über die Landesgrenze zurückgeworfen würde.
Der Stellungskrieg nach dem Muster des I. Weltkrieges
Inzwischen sehen wir ein anderes Bild. Aus dem verlustreich vorgetragenen Angriff einer Armee aus dem Kalten Krieg ist nun ein Stellungskrieg an den Grenzen der schon seit 2014 von nur schlecht aus solchen getarnten russischen Truppen besetzten östlichen Randgebiete der Ukraine mit russischstämmiger Bevölkerung geworden. Hier kommt man seit Monaten beiderseits nicht von der Stelle. Vielmehr bietet sich das Bild eines Stellungskrieges nach dem Muster des Ersten Weltkrieges in Frankreich. Keine der beiden Seiten kann mehr als bescheidene Frontkorrekturen im Bereich von wenigen Kilometern Tiefe, und das auch offenbar nur vorübergehend, erzielen. Russland ist von der Eroberung der Ukraine genauso weit entfernt wie die Ukraine von der Wiedergewinnung der besetzten Gebiete einschließlich der Halbinsel Krim. Offensichtlich ist Putin auch unter dem Zwang der Verhältnisse von der Vorstellung abgerückt, die Ukraine unterwerfen zu können. Vielmehr scheint das neue Kriegsziel darin zu bestehen, das seit Jahren besetzte Gelände nun endgültig in das russische Staatsgebiet einzuverleiben und das auch am Ende des Krieges in einem völkerrechtlichen Vertrag festschreiben zu können.
Bemerkenswert sind auch die Lagebeurteilungen westlicher Militärs, die von dem ursprünglichen Optimismus nur noch wenig übrig lassen, vielmehr davon ausgehen, daß auch die Ukraine ihre Kriegsziele nicht mehr erreichen kann. Noch bemerkenswerter ist nun ein Aufsatz des ukrainischen Oberkommandierenden, General Zaluzhnyi. Er beschreibt ausführlich die militärische Lage in diesem Stellungskrieg und zeigt dabei die Mängel an Waffen und Ausrüstung auf, die es unmöglich machen, vom Stellungskrieg zum Bewegungskrieg überzugehen, der allein ja zur Rückeroberung der russisch besetzten Gebiete führen könnte. Was nach wohl zutreffender Auffassung des Generals erforderlich wäre, wird die NATO wohl kaum liefern können, wohl auch nicht wollen.
Die personellen und militärischen Ressourcen
Hinzu kommt die Ungleichheit der Ressourcen auf beiden Seiten. Das beginnt bei der Einwohnerzahl der kriegführenden Parteien. Russland hat derzeit 143.556.000 Einwohner, die Ukraine 41.400.000. Der Angreifer kann also seine personelle Ergänzung aus einem mehr als dreimal so großen Bevölkerungsreservoir gewinnen, wie der Verteidiger. Das militärische Personal beider Seiten bietet ein ähnliches Bild. 1.330.900 Angehörigen der Streitkräfte einschließlich der Reserven in Russland stehen in der Ukraine ca. 500.000 gegenüber. Das ist deswegen so wichtig, weil natürlich die immensen Verluste in diesem Krieg einen erheblichen Ergänzungsbedarf im Personalbereich mit sich bringen. Es liegt auf der Hand, daß dies einem etwa dreieinhalb mal so viel Einwohner zählenden Lande wesentlich weniger Probleme bereiten wird, als dem so viel kleineren Gegner. Zu berücksichtigen ist dabei natürlich auch, daß für jeden gefallenen oder schwer verwundeten Soldaten ein gleichwertig ausgebildeter Soldat nicht sofort verfügbar ist, sondern eine Ausbildung schon als Mannschaftsdienstgrad mehrere Monate in Anspruch nimmt, bei Unteroffizieren und den unteren Offiziersrängen schon wenigstens eineinhalb Jahre, über die höheren Offiziersränge wollen wir gar nicht erst reden.
Lehren aus der Kriegsgeschichte
Das ist deswegen so wichtig, weil es ja nun offenbar darum geht, daß die Ukraine in der Position des Angreifers ist, der einen Feind, der sich hinter einem System von riesigen Minensperren und Feuerräumen seiner Artillerie verschanzt hat, angreifen und werfen will. Allgemein bedarf es dazu einer personellen Überlegenheit von wenigstens drei zu eins, wenn nicht mehr. Natürlich ist die Kriegsgeschichte voll von Beispielen, die es auf den ersten Blick auch möglich erscheinen lassen, daß der personell unterlegene Angreifer siegt. Denken wir etwa an Alexander den Großen, der die Schlachten von Gaugamela und Issos jeweils aus der Unterzahl beeindruckend gewonnen hat. Oder an Hannibal, der die berühmte Schlacht bei Cannae aus der Unterzahl ebenso wie seinen beeindruckenden Sieg am Trasimenischen See gewonnen hat. Auch der historische Sieg Friedrichs des Großen in der Schlacht bei Leuthen ist ein Beispiel dafür. Napoleon tat es ihm mehrfach gleich. Aus jüngerer Zeit wären der Frankreichfeldzug und die Eroberung Kretas zu nennen. Deutschland war in beiden Fällen personell nicht klar überlegen. Im Frankreichfeldzug war der Gegner bei der Artillerie im Verhältnis zwei zu eins, bei den Panzern im Verhältnis drei zu zwei und auch bei der Luftwaffe im Verhältnis 4,5 zu 3,5 überlegen. Natürlich war es in diesen Fällen regelmäßig dem militärischen Genie der jeweiligen Feldherren, aber auch der besseren Ausbildung und Disziplin der siegreichen Truppe geschuldet, daß dies gelingen konnte. Indessen zeigt der Blick auf den jeweiligen Krieg im ganzen, daß einzelne grandiose Siege letztendlich den Krieg nicht entschieden haben. Vielmehr setzte sich am Ende zumeist durch, wer über die deutlich größere Armee verfügte. Die Punier unterlagen deswegen letztendlich den Römern, Napoleon der Übermacht seiner verbündeten Feinde. Friedrich der Große obsiegte im Siebenjährigen Krieg allein deswegen, weil nach dem Tod der russischen Zarin Elisabeth am 5. Januar 1762 ihr Nachfolger Peter III. das Bündnis mit Österreich aufkündigte und von nun an Preußen unterstützte („Das Mirakel des Hauses Brandenburg“). Auch die deutsche Wehrmacht mußte letztendlich der zahlenmäßiegen Überlegenheit des zumeist schlechter kämpfenden Feindes unterliegen. Die Lehren aus der Kriegsgeschichte stehen der Erwartung eines ukrainischen Erfolges somit doch klar entgegen.
Eine neue Lage erfordert einen neuen Entschluß
Somit erhebt sich für die Unterstützer der Ukraine, auch Deutschland, die Frage, ob dieser Beurteilung der Lage nicht zwingend eine neue Bewertung des Verhältnisses zur Ukraine folgen muß und man nolens volens darauf dringen muß, das militärische Ergebnis des Krieges zu akzeptieren und die Grenzen neu zu ziehen. Zwar hätte sich damit der Aggressor letztendlich, wenn auch nur zum geringen Teil, durchgesetzt und das Völkerrecht wäre zum wiederholten Male der Gewalt gewichen. Indessen ist dies historisch der Normalfall. Gerade wir Deutschen wissen das doch nur zu gut.
Es erhebt sich aber auch schon jetzt die Frage, ob man nicht die Unterstützung der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine auf eine neue, der Wirklichkeit angepasste Basis stellen muß. Es geht hier im laufenden Jahr um rund 2,75 Milliarden € nach rund 2 Milliarden € im vergangenen Jahr. Es geht aber auch darum, daß ein Großteil dieser Flüchtlinge durchaus beruflich qualifiziert ist und auf dem deutschen Arbeitsmarkt problemlos eingegliedert werden kann. Nettoausgaben in Milliardenhöhe könnten umgewandelt werden in Wertschöpfung durch diese Arbeitskräfte in mindestens gleichem Umfang.
Ändert sich die Lage, muß sich auch der Entschluß ändern, so lernt es der Offizier in seiner Ausbildung. Sollten unsere Politiker imstande sein, nüchtern und sachlich zu denken, müssten sie sich genauso verhalten.