Von Kriegstreibern und Putin-Verstehern

Der Krieg in der Ukraine währt nun schon mehr als eineinhalb Jahre. Schon in Vergessenheit geraten sind die damaligen Prognosen über die voraussichtliche Dauer des Krieges. Ausgehend vom Kriegsbild, das die Planungen im Kalten Krieg von 1947 (Truman Doktrin) bis 1991 (Ende der Sowjet-Union) bestimmt hatte, dachte man allgemein, der Krieg werde schon nach höchstens drei bis vier Wochen zu Ende sein. Sowohl die personellen als noch mehr die materiellen Ressourcen der Kriegsparteien wären dann erschöpft. Es werde dann schlicht und einfach die Munition ausgegangen sein. Heute wissen wir, daß diese Annahme falsch war, denn das Kriegsbild auch in einem Konflikt zwischen hochgerüsteten Industriestaaten ist nun ein völlig anderes.

Wir wissen zu wenig

Das ist aber wohl das einzige, was wir über diesen Krieg wirklich wissen. Je weniger man weiß, umso trefflicher läßt es sich über die Dinge streiten. Das gilt nicht nur für den Kriegsverlauf im engeren Sinne, also den Verlauf der Gefechte und Kämpfe entlang der Frontlinien und die Luftangriffe auf militärische und zivile Ziele weitab vom Kampfgeschehen auf dem Boden, sowohl in der Ukraine als auch gelegentlich in Russland. Auch das Thema Kriegsverbrechen entzieht sich derzeit noch einer realistischen Bewertung. Eindeutig sind die Luftangriffe auf zivile Ziele Kriegsverbrechen. Eindeutig ist die Hinrichtung von Kriegsgefangenen jeweils ein Kriegsverbrechen. Eindeutig ist die Entführung ukrainischer Kinder nach Russland ein Kriegsverbrechen, dazu noch mit genozidalem Charakter. Allerdings wissen wir über diese Fälle viel zu wenig, insbesondere auch seitens ukrainischer Truppen, die es natürlich gibt und aller Erfahrung nach auch geben muß, ebenso wie das auf russischer Seite offensichtlich der Fall ist. Das gilt vermehrt für die Kriegsziele beider Seiten und in noch stärkerem Maße für die Auswirkungen auf die internationale Politik. Sogar die Rechtslage scheint jedenfalls in der öffentlichen Diskussion nicht unumstritten zu sein. Wir haben es also mit einer recht unübersichtlichen Gemengelage aus geopolitischen Gegebenheiten, machtpolitischen Motiven, militärischen Möglichkeiten und juristischen Fragen zu tun. Gemessen daran ist indessen die öffentliche Debatte häufig unterkomplex.

Der Streit um die Ursachen des Krieges

Beginnen wir mit den Ursachen des Krieges. Nach wie vor herrscht jedenfalls in Teilen der öffentlichen Debatte Uneinigkeit auch in diesem Punkt.

Die russische Auffassung, wie sie insbesondere in den Reden Putins vom 21. und 24. Februar 2022 zum Ausdruck kommt, aber auch seither immer wieder neu formuliert wird ist die, daß Russland gewissermaßen die Notbremse ziehen mußte, um das weitere Heranrücken der NATO an seine Grenzen aufzuhalten. Ungeachtet der einschlägigen Verträge zwischen Russland und der Ukraine sowie Russland und der NATO sei darin ein massiver Wortbruch zu sehen, denn im Zusammenhang mit der Auflösung der Sowjetunion habe der Westen doch Russland garantiert, sich nicht auf das Gebiet des ehemaligen Warschauer Pakts auszudehnen. Zwar habe man dann später einschlägige Verträge unterschrieben, doch, so Putin wörtlich: man hat uns reingelegt. Darüber hinaus sei in der Ukraine ein Nazi-Regime an die Macht gekommen, das den russischstämmigen Teil der Bevölkerung unterdrücke. Somit habe man reagieren und eine „militärische Spezialoperation“ beginnen müssen.

Diametral dazu steht die ukrainische Auffassung. Man sei unter Bruch bestehenden Völkerrechts angegriffen worden. Die Beschuldigungen, ein Nazi-Regime errichtet zu haben und die russischstämmige Bevölkerung zu unterdrücken, seien haltlos. Die eigenen Bemühungen, Teil der westlichen Völkergemeinschaft zu werden seien legitim, die russische Vorstellung hingegen, die Ukraine sei mehr oder weniger ein historisch gewachsener Bestandteil der russischen Welt, beginnend mit den Kiewer Rus im frühen Mittelalter, sei historisch nicht haltbar und im übrigen mit dem Recht eines jeden souveränen Staates, sich Bündnissen und Gemeinschaften seiner Wahl anschließen zu können, unvereinbar. In dieser Auffassung wird die Ukraine auch von einem wesentlichen Teil der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen, vor allem der NATO und der EU unterstützt. Die Haltung anderer Länder, insbesondere der BRICS-Staaten, dazu ist ersichtlich eher abwartend bis ablehnend.

Soweit in Kürze die Skizzierung der unterschiedlichen Standpunkte. Treten wir nun in die Sachprüfung ein.

Die Rechtslage:

„Nimm das Recht weg, was ist der Staat dann anderes als eine Räuberbande?“. Dieser berühmte Satz des Kirchenlehrers Augustinus beschreibt in lakonischer Kürze unser Staatsverständnis, vor allem die Legitimierung staatlicher Gewalt. Beginnend mit der klassischen Antike in Athen und Rom ist bei uns – in anderen Regionen dieser Erde ist das durchaus anders – ein Gesellschafts- und Staatsverständnis gewachsen, in dem das Recht eine entscheidende Rolle spielt. Das gilt sowohl für das innere Gefüge der Staaten, Stichwort demokratischer Rechtsstaat, als auch die Beziehungen der zivilisierten Staaten untereinander, Stichwort Völkerrecht. Somit zieht unbeschadet aller übrigen Gesichtspunkte einschließlich der von der geographischen Lage der Länder bestimmten geostrategischen Interessen das Völkerrecht die Grenzen der außen- und machtpolitischen Spielräume ihrer Regierungen. Das ist, soweit ersichtlich, auch allgemeiner Konsens mit Ausnahme natürlich der russischen Staatsführung. Selbst die Unterstützer Russlands, die sein Vorgehen als legitime Selbstverteidigung gegen die Expansionsbestrebungen des Westens sehen, räumen ein, daß der Angriff vom 24. Februar 2022 gegen geltendes Völkerrecht verstoßen hat.

Jenseits des Völkerrechts

Unbeschadet dessen, daß die völkerrechtliche Lage insoweit klar ist, findet die Debatte zu den Ursachen des Krieges und vor allem über die Möglichkeiten einer Konfliktlösung nicht im luftleeren Raum statt. Indessen beschränkt sie sich im allgemeinen auf die Wiedergabe des eigenen Standpunktes, was denknotwendig mit dem Ansinnen an die jeweilige Gegenseite verbunden ist, ihre gegenteilige Auffassung eben aufzugeben. Je nach Standpunkt hat dann die Ukraine aufzuhören, als unabhängiger Staat zu existieren, oder aber Russland sich vollständig aus der Ukraine einschließlich der seit 2014 okkupierten Gebiete zurückzuziehen. Es sollte unstrittig sein, daß man auf diese Weise keine Lösung finden kann, es sei denn, eine Seite würde militärisch vollständig unterliegen. Derzeit deutet darauf aber nichts hin.

Die militärische Lage

Beginnen wir also mit der militärischen Lage. Zwar sind Zeitungen und Fernsehkanäle voll von Berichten über den Kriegsverlauf. Indessen ist die Faktenbasis jeweils sehr dünn, insbesondere gibt es keine neutralen Beobachter im Kriegsgebiet, die zuverlässig über die tatsächliche Entwicklung der Gefechte, Geländegewinne und Personal- und Materialsituation der jeweiligen Streitkräfte berichten könnten. Wir können lediglich die große Lage sehen, also ob sich die Frontlinien wesentlich verschieben oder nicht. Auf dieser unklaren Faktenbasis sind alle Prognosen über den weiteren Kriegsverlauf unsicher.

Was spricht für Verhandlungen?

Dennoch spricht alles dafür, nach Friedensverhandlungen der Parteien zu rufen. Vor allem das Schicksal der vom Krieg betroffenen Zivilbevölkerung, aber auch der Blutzoll, den die Streitkräfte beider Seiten entrichten müssen, rechtfertigen alle Anstrengungen, endlich zu einem Frieden zu kommen. Indessen muß es sich dabei um einen Verständigungsfrieden handeln. Und ein solcher Verständigungsfrieden kann nur zustande kommen, wenn die Kriegsparteien auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Wesentlich zu kurz greift, wer einfach meint, wenn die Ukraine nicht mehr mit Waffen und Munition beliefert werde, wäre ein Friedensvertrag nicht mehr weit. Denn in einem solchen Falle käme es natürlich nur zu einem Diktatfrieden nach dem Muster von Versailles oder einer Kapitulation nach dem Muster von Berlin-Karlshorst. Gerade wir Deutschen wissen aus unserer Geschichte, was das zu bedeuten hat. Eine solche Unterwerfung unter das Diktat des Siegers ist der Ukraine schlicht und einfach nicht zumutbar. Es zeugt daher nicht etwa von mangelndem Friedenswillen, wenn aktuell ein Friedensangebot der Ukraine von Russland zurückgewiesen wird. Denn ganz unabhängig davon, welche konkreten Vorschläge jeweils gemacht werden, ist es Verhandlungen aller Art wesenseigen, daß am Beginn der Vorschlag einer Partei steht, der von der anderen Partei zurückgewiesen wird und umgekehrt, bis die dann in der Folge immer weiter veränderten Vorschläge der Parteien nahe genug beieinanderliegen, daß eine Einigung möglich erscheint. Wer das anders sieht, und das lediglich als Beleg für die Verhandlungsunwilligkeit einer Seite ansieht, hat offensichtlich noch niemals Verhandlungen geführt, und sei es über die umstrittene Höhe einer geschuldeten Kaufpreiszahlung.

Atomkriegsgefahr?

Wenig überzeugend ist auch das Argument, Deutschland begebe sich durch seine Unterstützungsleistungen in die Gefahr, selbst Kriegspartei zu werden mit der Folge, eventuell sogar einem russischen Atomschlag ausgesetzt zu sein. Nicht nur, daß das Völkerrecht zweifellos die Unterstützung eines zu unrecht angegriffenen Staates zulässt, sogar im Wege der Unterstützung mit eigenen Streitkräften, sondern auch die geschichtliche Erfahrung, daß die bloße Lieferung von Waffen bisher noch nie von einem kriegführenden Staat als militärische Einmischung angesehen worden ist, und weiter, daß die Sowjetunion wie alle anderen Atommächte auch nur für den Fall des Angriffs auf eigenes Staatsgebiet oder als ultima ratio in einem konventionellen Krieg den Einsatz von Atomwaffen für möglich erklärt haben, lassen es ausgeschlossen erscheinen, daß Russland Deutschland wegen seiner Unterstützung der Ukraine atomar bedrohen könnte.

Wann wird verhandelt?

Ob, wann und unter welchen Umständen Friedensverhandlungen geführt werden, ist natürlich in erster Linie Sache der beiden Kriegsparteien. Natürlich spielen dabei geopolitische Interessen Dritter eine große Rolle, insbesondere der USA auf Seiten der Ukraine. Dies in Abrede zu stellen, wäre naiv. Entsprechend groß ist auch die Verantwortung der USA (und ihrer Verbündeten in der NATO) für eine Verhandlungsführung mit Augenmaß, auch wenn man selbst nicht physisch am Verhandlungstisch präsent ist. Und es ist ganz offensichtlich so, daß die Lage an der Front die Verhandlungsmöglichkeiten der Kriegsparteien bestimmt. Noch niemals ist ein Krieg am Verhandlungstisch entschieden worden, vielmehrhat jeweils die Entscheidung auf dem Schlachtfeld, vor allem dann, wenn sie für beide Beteiligte jeweils nur ein Teilerfolg war, die Grundlage für anschließende Friedensverhandlungen erzeugt.

Erst einmal verbal abrüsten!

Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang die Art und Weise, in der die öffentliche Debatte zu diesem Thema geführt wird. Schon der Sprachgebrauch auf Stammtischniveau entwertet die jeweiligen Debattenbeiträge aus den beiderseitigen Unterstützungslagern. Es ist einfach nicht hilfreich, aber auch intellektuell defizitär, etwa die Befürworter von Waffenlieferungen an die Ukraine hysterisch als Kriegstreiber zu beschimpfen. Denn ein Krieg wird grundsätzlich auf beiden Seiten befeuert. Im vorliegenden Falle kommt hinzu, daß die Ukraine ohne Hilfe des Westens in Gestalt von Waffenlieferungen und damit einhergehender Ausbildung von Soldaten an eben diesen Waffen alsbald kapitulieren müsste. Danach gäbe es eben keinen Friedensvertrag, sondern nur eine Unterwerfung. Das kann niemand ernsthaft wünschen. ebenso wenig trägt es zur Versachlichung bei.

Der Sache nicht dienlich sind auch hämische Bemerkungen über die persönliche Integrität der handelnden Personen. Sowohl Russland als auch die Ukraine gehören zu den korruptesten Ländern in Europa. Nicht von ungefähr hat sich der Begriff des Oligarchen sowohl für die russische als auch die ukrainische Machtelite eingebürgert. Die jeweiligen mehr oder weniger demokratisch an die Macht gelangten und gebliebenen Staatsführer können davon nicht ausgenommen sein. Unabhängig davon muß man jedoch mit Bismarck konstatieren, daß man mit den Leuten reden muß, die man eben vor sich hat.

Ebenso wenig ist es hilfreich, aber auch intellektuell defizitär, denjenigen, die auf geostrategische Interessen Russlands hinweisen, einfach das Etikett Putinversteher anzuheften. So ist es unbeschadet der völkerrechtlichen Lage, wonach mangels von den Vereinten Nationen anerkannter Volksabstimmungen in offensichtlich vorwiegend von russischstämmiger Bevölkerung bewohnten Gebieten wie der Halbinsel Krim der Rechtsanspruch der Ukraine auf diesen Teil ihres Staatsgebiets unangefochten ist, doch im Sinne einer nachhaltigen Befriedung der Situation zu prüfen, ob insoweit nicht eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann. Diese einvernehmliche Lösung kann auch nicht ohne Beteiligung der jeweils betroffenen Bevölkerung gefunden werden. Daß man damit in ein Wespennest sticht, ist klar. Die UNO meidet daher auch Volksabstimmungen in ähnlichen Konstellationen wie der Teufel das sprichwörtliche Weihwasser, denken wir nur an Konfliktregionen wie Katalonien und das Baskenland in Spanien, aber auch die nach wie vor ungelösten ethnischen Konflikte entlang der willkürlich gezogenen kolonialen Grenzen heute souveräner Staaten in Afrika oder den schon klassisch gewordenen Konflikt zwischen Indien und Pakistan um Kaschmir. Verhandlungen indessen, die diese Bezeichnung verdienen, müssen auch das scheinbar Unmögliche angehen. Leider stehen imperiale Bestrebungen und wirtschaftliche Interessen, vor allem der beteiligten Großmächte, dem berechtigten Friedenswunsch der betroffenen Bevölkerungen im Wege. Wirkliche Verhandlungskunst und ehrlicher Wille auf beiden Seiten zeigen sich daran, inwieweit man willens und in der Lage ist, auch solche Probleme zu lösen und dabei jeweils über den eigenen Schatten zu springen. Am Beginn steht die verbale Abrüstung. Vokabeln aus dem Wörterbuch der Boulevardpresse wie Kriegstreiber und Putin-Versteher müssen dann dem Vergessen anheimfallen.

Zweierlei Maß

Wir erleben derzeit ein Schauspiel auf der politischen Bühne, von dem wir noch nicht ganz genau wissen, ob man es als Posse oder Skandal einordnen muß. Die Rede ist von der sogenannten Flugblattaffäre um den bayerischen Politiker Hubert Aiwanger.

Der Sachverhalt

Zunächst einmal ist es immer hilfreich, die Fakten zur Kenntnis zu nehmen. Und das können immer nur die wirklich feststehenden Tatsachen sein, insbesondere das, was der jeweils Beschuldigte bzw. an den Pranger gestellte einräumt, jedenfalls wenn nicht das Gegenteil mit gerichtsfesten Beweisen vorgetragen wird. Demnach hat der ältere Bruder des Politikers vor 35 Jahren ein Flugblatt verfasst und vervielfältigt, dessen Inhalt vor widerwärtigen antisemitischen Phrasen nur so strotzt. Der Text ist weithin öffentlich bekannt, sodaß er hier nicht wiederholt werden muß. Der Vorgang ist nun von einer oder mehreren anonym gebliebenen Personen über die Süddeutsche Zeitung an die Öffentlichkeit getragen worden. Zufällig wird in Bayern am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt und jetzt, sechs Wochen vorher, beginnt eben die heiße Phase des Wahlkampfs. Honi soit qui mal y pense. Natürlich haben sich sowohl der Politiker als auch sein Bruder entschieden von diesen Text distanziert.

Somit muß von einem Sachverhalt ausgegangen werden, wonach eine aktive Beteiligung des Politikers an dem Vorgang ausscheidet. Er hat allenfalls, soweit man das nach 35 Jahren überhaupt noch seinem Gedächtnis zuverlässig entnehmen kann, eine oder mehrere Kopien dieses Pamphlets in seiner Schultasche gehabt. Wie und aus welchem Grunde sie dort hinein gelangt sind, kann man heute nicht mehr feststellen. Spekulationen darüber werden indessen phantasievoll angestellt, wenig überraschend vom politischen Gegner und seiner Journaille, zu der natürlich die Süddeutsche Zeitung gehört. Vor allem muß man es auch beiden Herren abnehmen, daß sie sich wie hoffentlich jeder von uns auch persönlich weiter entwickelt haben und nicht auf der Stufe des unreifen Jugendlichen stehen geblieben sind. Auch das muß man wohl gewissen Politikern und Medienschaffenden in Erinnerung rufen. Zumal sie das in anderem Zusammenhang Politikern aus dem eigenen Lager gerne zubilligen, wie wir noch sehen werden.

Von Rechts wegen…

Natürlich muß bei einem solchen Sachverhalt auch die rechtliche Prüfung erfolgen. Nicht behandelt werden muß an dieser Stelle, daß die Verdachtsberichterstattung der Süddeutschen Zeitung angesichts der Substanzlosigkeit des Vorwurfs glatt rechtswidrig ist. Damit werden sich hoffentlich die Gerichte befassen müssen. Der Text dieses Flugblattes erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 StGB. Täter im Sinne dieser Vorschrift ist allerdings nur, wer einen solchen Text verfasst und/oder verbreitet. Beides trifft auf den Politiker Aiwanger nicht zu. Somit müssen wir auf der Grundlage des bekannten Sachverhalts als Zwischenergebnis festhalten, daß sich Herr Aiwanger nicht strafbar gemacht hat. Zur rechtlichen Einordnung ist indessen weiter hilfreich, gewissermaßen hilfsweise zu prüfen, was denn hätte geschehen müssen, wenn damals der 16-jährige Hubert Aiwanger wegen dieser Tat angeklagt worden wäre. Natürlich wäre Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen. Der bis dahin offensichtlich strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Jugendliche hätte vielleicht Jugendarrest bzw. eine Auflage, gemeinnützige Arbeit zu leisten, bekommen. Letztere hätte aus erzieherischen Gründen etwa darin bestehen können, Hilfsdienste bei der Instandhaltung und Pflege einer der KZ-Gedenkstätten zu leisten, um dem ausweislich seiner Tat offensichtlich unreifen Jugendlichen vor Augen zu führen, mit welchem Entsetzen er Scherz getrieben hat. Zu bemerken ist ferner, daß eine solche Straftat auch nach fünf Jahren verjährt. Wer auch immer der Täter war, seine Tat ist seit Ablauf des Jahres 1993, also seit 30 Jahren, verjährt.

Der Blick nach links

Wenn wir uns schon mit politischen Jugendsünden von Politikern befassen, dann müssen wir in alle Richtungen der politischen Landschaft schauen. Hubert Aiwanger und seine Freien Wähler werden grob dem konservativen Lager, also politikwissenschaftlich mitte/rechts eingeordnet. Blicken wir also nach links. Beginnen wir mit dem seinerzeit äußerst populären Außenminister Joschka Fischer von den Grünen. Vor seiner Laufbahn als Politiker hat er allerdings eine Laufbahn als politischer Straftäter hinter sich gebracht. Unbestritten war er in der Zeit von 1971-1976 Anführer einer gewalttätigen linksextremen Vereinigung, die sich selbst stolz „Putztruppe“ nannte. Man machte eben ordentlich Putz. Auf einem Foto aus dem April 1973 ist Fischer zusammen mit dem Terroristen Hans-Joachim Klein zu sehen, wie beide auf einen am Boden liegenden Polizisten einschlagen. 1975 ist Fischer am Angriff der Putztruppe auf das spanische Generalkonsulat beteiligt, bei dem Steine und Molotowcocktails geworfen werden. Am 10. Mai 1976 werden während einer von Fischer und seinen Mitstreitern geplanten Demonstration zugunsten der Terroristin Ulrike Meinhof unter dem Motto „Rache für Ulrike Meinhof“ schwere Gewalttaten begangen, unter anderem wird – um auch einmal den Namen eines unschuldigen Opfers zu nennen – der Polizist Jürgen Weber von Putztruppen-Aktivisten lebensgefährlich verletzt. Fischer selbst hat 2001 öffentlich zugegeben: „Ja, ich war militant, … wir haben Steine geworfen“. Nun ist Fischer am 12. April 1948 geboren, war also während der Begehung der geschilderten Taten zwischen 25 und 28 Jahre alt. Also erwachsen und strafrechtlich voll verantwortlich. Verurteilt wurde er deswegen nie. Offenbar war jedenfalls in unverjährter Zeit die Beweislage so schlecht, daß der Tatnachweis nicht in der zur Anklageerhebung erforderlichen Gewissheit geführt werden konnte. Die inmitten stehenden Straftaten indessen, Mitglied in einer kriminellen Vereinigung, schwere Körperverletzung, Landfriedensbruch etc. haben auch entsprechend lange Verjährungsfristen, hier bis zu 10 Jahren.

Die kommunistische Vergangenheit, gern vergessen

Nicht nur die kriminelle Vergangenheit von Politikern ist interessant, auch sollte für den Wähler von Interesse sein, ob ein Politiker in seiner Jugend bereits fest auf dem Boden der freiheitlichen demokratischen Grundordnung stand, oder sich in extremistischen, verfassungsfeindlichen Kreisen bewegt hat. Da ist auf der linken Seite des politischen Spektrums in Deutschland doch einiges zu finden. Beginnen wir mit dem Herrn Bundespräsidenten. Frank-Walter Steinmeier war als Student Redakteur der linken Zeitschrift „Demokratie und Recht“, die im Pahl-Rugenstein Verlag – seinerzeit auch spöttisch „Pahl-Rubelschein Verlag“ genannt – erschien und zumindest geraume Zeit als Mitteilungsblatt der Vereinigung der Juristen in der DDR fungierte. Das Blatt wurde demgemäß auch vom Verfassungsschutz beobachtet. Vielleicht deswegen forderte der Jurist Steinmeier schon damals eine Diskussion über eine linke Verfassungsinterpretation.

Betrachtet man unter diesem Aspekt die Vergangenheit einer Vielzahl von Politikern der Grünen, dann muß man zu dem Ergebnis kommen, daß starke Wurzeln dieser Partei die linksextremen kommunistischen Gruppen „Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW)“ und „Kommunistischer Bund (KB)“ sind. Diese jeweils maoistisch orientierten, teils straff organisierten und auch mit beträchtlichen finanziellen Mitteln ausgestatteten Organisationen spielten innerhalb der Linken in Deutschland vor allem in den siebziger Jahren eine große Rolle. Maßgebliche Funktionäre des KBW waren seinerzeit unter anderem die Grünen-Politiker Reinhard Bütikofer, Ralf Fücks, Wilfried Kretschmann – ja, der volkstümlich schwäbelnde baden-württembergische Landesvater -, Joscha Schmierer, Freund und Günstling von Joschka Fischer und die frühere Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, allerdings nicht von den Grünen, sondern von der SPD. Funktionäre des KB waren unter anderem Angelika Beer, 2002-2004 Bundesvorsitzende der Grünen und der langjährige Parteivorsitzende und Bundesminister Jürgen Trittin. Aber auch „Die Linke“ ist prominent vertreten mit ihrer Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpcke.

Scheinheilig ist nun mal das Gegenteil von heilig

Es ist geradezu peinlich, wie nun vor allem das linke politische Lager in Deutschland von SPD bis Die Linke mit den Fingern auf Hubert Aiwanger zeigt. Die Bedeutung des Sprichworts, daß wer mit dem Finger auf andere zeigt, gleichzeitig mit drei Fingern auf sich selbst zeigt, kann kaum augenfälliger demonstriert werden, als an diesem Falle. Wenn etwa die bislang allerdings weder durch brillante intellektuelle Leistungen noch beruflichen Erfolg aufgefallene SPD-Vorsitzende Saskia Esken nun in dieser Geschichte herumwühlt, damit wenigstens irgendwelche Verdächtigungen die Nachrichtensendungen und Zeitungsartikel beherrschen, dann genügt natürlich ein Blick auf die derzeitigen Meinungsumfragen zur Landtagswahl in Bayern am 8. Oktober. Da liegen die Freien Wähler bei 12,5 %, die SPD bei 10,2 %. Und, nebenbei bemerkt, die scheinheiligen Ermahnungen des CSU-Chefs Markus Söder, die Sache müsse sorgfältig aufgeklärt werden, obgleich alles aufgeklärt ist, lassen sich leicht mit dem Umfragewert seiner Partei erklären. Der liegt bei für CSU-Verhältnisse mageren 37,8 %.

Politisch‘ Lied

Es wird eben mit zweierlei Maß gemessen. Ein im linken Spektrum, das nun einmal seit der unseligen Ära Angela Merkel bereits bei den Unionsparteien beginnt und bei der Antifa endet, reichlich unbeliebter konservativer Politiker muß niedergemacht werden, egal wie, und egal was man gegen ihn anführen kann. Semper aliquid haeret wussten schon die alten Römer. Mit anderen Worten: es ist völlig gleichgültig, was wirklich passiert ist, maßgeblich ist allein, was in der Öffentlichkeit gesagt und geschrieben wird. „Ein garstig Lied! Pfui! Ein politisch Lied!“ läßt Goethe in der Szene Auerbachs Keller im Faust I den Brandner sprechen. Betrachten wir die politischen Sitten zur Zeit Goethes und vergleichen wir sie mit Vorgängen wie der Affäre Aiwanger, überhaupt mit dem Verhalten von Politikern und Journalisten unserer Tage, dann fragen wir uns schon, welche Worte Goethe dafür fände, kehrte er auch nur für wenige Stunden auf die Erde zurück.

Der größte Lump im ganzen Land…

das ist und bleibt der Denunziant. Dieses Zitat wird dem Dichter unserer Nationalhymne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleben zugeschrieben. Es paßt auch gut zu ihm. Indessen dürfte es im sozialdemokratischen Milieu der 1880er Jahre entstanden sein. In diesem prägnanten jambischen Versmaß wurde der Satz erstmals in der Zeitschrift Der Sozialdemokrat Nr. 24 vom 10.6.1886 veröffentlicht, so Gerald Krieghofer auf falschzitate blogspot.com. Wie dem auch sei, der Spruch ist nun rund 150 Jahre später aktueller denn je.

Das Verpetzer-Gesetz

Denn die Ampelkoalition, die ja sonst wirklich nichts auf die Reihe kriegt, hat uns nun mit einem Gesetz, selbstverständlich mit entsprechender Ausführungsverordnung, beglückt, das zum Schutz unseres Staates so notwendig ist, wie seinerzeit die Staatssicherheit der DDR gegen staatsfeindliche Umtriebe. Es handelt sich um das Hinweisgeberschutzgesetz. Dieses Gesetz regelt nicht mehr und nicht weniger als die Behandlung von Hinweisen auf wirkliche oder auch nur eingebildete Missstände, Rechtsverstöße etc. Dazu muß natürlich eine gesetzliche Regelung getroffen werden, die nicht nur die sogenannten Whistleblower vor Repressalien schützt, was ja sicherlich in dem einen oder anderen Falle sinnvoll sein kann, denken wir etwa an Edward Snowden. Wenig überraschend beruht das Ganze auch auf einer europäischen Richtlinie, die indessen wohl nirgends sonst in Europa so umgesetzt worden ist, wie in Deutschland. Nur ganz böse Zungen werden dann gleich sagen, daß dies deswegen nicht weiter verwundert, weil wir in unserer Vergangenheit doch schon die Gestapo und die Stasi hatten, und deswegen wissen, wie man so etwas macht. Doch leider ist gerade dieser Gedanke nicht abwegig.

Was ist nun Gesetz?

Schauen wir uns also dieses Hinweisgeberschutzgesetz vom 31.Mai 2023 näher an. Wir finden dort unter anderem diese Regelung des Anwendungsbereichs der Vorschrift:

§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Äußerungen von Beamten und Beamtinnen, die einen Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue darstellen.

Es geht also nicht allein um den Schutz solcher Hinweisgeber, die über Geheimnisverrat im sicherheitsrelevanten Bereich etwa der Streitkräfte oder auch sicherheitsempfindlicher Teile der Industrie ihre Vorgesetzten oder die zuständigen Behörden informieren, sondern es geht eben auch um das Denunziantentum im klassischen Sinne, nämlich die Gesinnung des politisch Andersdenkenden. Denn um nichts anderes geht es vielfach im verfassungsschutzrelevanten Bereich. In den letzten Jahren hat sich der Verfassungsschutz ja leider immer mehr zu einem Kampfinstrument der politischen Mehrheit gegen die oppositionelle Minderheit entwickelt. § 60 des Bundesbeamtengesetzes ebenso wie § 8 des Soldatengesetzes, um die einschlägigen Rechtsvorschriften zu benennen, verlangen nun einmal von Beamten und Soldaten, daß sie in ihrem Verhalten jederzeit die Gewähr dafür bieten, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Über §§ 46 und 71 des Deutschen Richtergesetzes gilt diese Vorschrift auch für unsere Richter. Der Anwendungsbereich des Gesetzes ist auch nicht auf den öffentlichen Dienst beschränkt. Auch der missgünstige Angestellte, der seinem Kollegen in der Firma ein Bein stellen will, fällt unter dieses Gesetz. Wie wir wissen, geht es dabei heute nicht mehr allein um die im Gesetz über den Verfassungsschutz geregelten Tatbestände. Nicht nur die Bekämpfung der demokratischen Grundordnung und Bestrebungen gegen den unbedingten Schutz der Menschenwürde, sondern auch die sogenannte verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, was nach der Praxis des Verfassungsschutzes nahezu jede Kritik an den Inhabern politischer Ämter und ihrem Handeln einschließt, rufen den Verfassungsschutz auf den Plan. Ferner wird die Definition dessen, was als verfassungsfeindliche Bestrebungen gewertet werden kann, immer weiter zulasten der Meinungsfreiheit ausgeweitet. Das führt derzeit dazu, daß es etwa als Bestrebung gegen den Schutz der Menschenwürde gewertet wird, wenn man die Förderung der eigenen Kultur und Traditionen in Deutschland verlangt und darauf hinweist, daß es ja nun einmal jenseits der juristischen Definition des Staatsvolkes ein deutsches Volk gibt, wie im Übrigen auch ein polnisches, französisches, kurdisches und jüdisches Volk jenseits der staatsrechtlichen Gegebenheiten. Und daß dies nicht im geringsten eine gewissermaßen inzidente Herabwürdigung der nicht ethnisch Deutschen bedeutet. Indessen stellt der Haldenwang’sche Verfassungsschutz genau diese hirnrissige Behauptung auf. Man kann also darauf warten, daß der Hinweis auf die biologische Tatsache, daß es nur zwei Geschlechter gibt, als Angriff auf die Menschenwürde gewertet wird.

Des Pudels Kern

Ich erinnere daran, daß die Antifa-Freundin auf dem Sessel des Bundesinnenministers im Dezember vergangenen Jahres angeregt hat, die Beweislast für die Verfassungstreue im Sinne der Beamtengesetze umzukehren. Nicht mehr der Staat müsse beweisen, daß Beamte, Soldaten und Richter nicht die Gewähr dafür bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Vielmehr müsse der betreffende Staatsdiener beweisen, daß er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintritt mit der Folge, daß der Staat nicht mehr das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Verdächtigen durchzuführen habe, sondern einfach durch Disziplinarverfügung den Betroffenen aus dem Dienst entfernen könne. Das habe den Vorzug, daß das schnell gehe, und nicht die Entlassung des enttarnten Verfassungsfeindes erst nach jahrelangem gerichtlichen Verfahren möglich sei. Zu Recht kam die Ministerin damit nicht durch. Indessen hat man ja nun einen Ausweg gefunden, die Beweislage des Staates insoweit wesentlich zu verbessern. Denn wenn erst einmal das gesetzlich geförderte Denunziantentum Fahrt aufgenommen haben wird, werden auch die gerichtlichen Disziplinarverfahren gegen die echten und noch viel mehr die behaupteten Verfassungsfeinde im öffentlichen Dienst zügig über die Bühne gehen. Material hat man ja nun dank der Erschließung neuer Erkenntnisquellen in Hülle und Fülle.

Ein weites Feld für Schnüffler, Spitzel und Sykophanten

Somit kann jede kritische Äußerung im Kollegenkreis erst die Prüfung, dann die Beobachtung des Verfassungsschutzes und damit verbunden den öffentlichen Pranger nach sich ziehen. Mußte man bisher vor allem als Beamter oder Soldat mit Äußerungen in der Öffentlichkeit, zum Beispiel in Leserbriefen oder im Rahmen öffentlicher Diskussionen vorsichtig sein, so gilt dies ab sofort auch für das Gespräch in der Kantine und den Plausch auf dem Flur, auf dem Betriebsausflug in geselliger Runde, an der Hotelbar oder in der Kneipe, ja auch beim Grillen auf derTerrasse im Kreis der Freunde und, ja sogar der Familie. Dabei müssen dann die Leute, die ihre Freunde, Kollegen und Verwandten beim Verfassungsschutz anschwärzen, keinesfalls mit irgendwelchen Nachteilen für sich selbst rechnen, nicht einmal dann, wenn die Anschuldigungen gegen ihre Opfer sich als haltlos erweisen. Denn insoweit regelt das Gesetz:

§ 33 Voraussetzungen für den Schutz hinweisgebender Personen

(1) Die §§ 35 bis 37 sind auf hinweisgebende Personen anwendbar, sofern

  1. diese intern gemäß § 17 oder extern gemäß § 28 Meldung erstattet haben oder eine Offenlegung gemäß § 32 vorgenommen haben,
  2. die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihr gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und
  3. die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich dieses Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei.

Die Regelung erinnert nun doch zu sehr an die Stasi unseliger Zeiten. Jedenfalls legt das der nachfolgende Gesetzestext nahe:

Statut des Ministeriums für Staatssicherheit vom 30. Juli 1969:

(1)
Das MfS führt den Kampf gegen die Feinde in enger Zusammenarbeit mit den Werktätigen und mit Unterstützung aufrechter Patrioten. Auf der Grundlage des Vertrauens und der bewussten Verantwortung der Bürger ist die revolutionäre Massenwachsamkeit in der Deutschen Demokratischen Republik weiter zu erhöhen. Das MfS stützt sich dabei auf eine breite gesellschaftliche Basis, um die Sicherheit der Staats- und Gesellschaftsordnung in noch größerem Umfang zu gewährleisten und zu einer weitgehenden Reduzierung und Ausschließung störender und hemmender Faktoren der Entwicklung in allen gesellschaftlichen Bereichen beizutragen.
(2)
Das MfS erfüllt die Abwehr- und Aufklärungsaufgaben unter Anwendung spezifischer Mittel und Methoden.

Mielke redivivus?

Die Ausführungsverordnung ist unterzeichnet von Justizminister Dr. Marco Buschmann. Der Mann gehört der FDP an. Das F in FDP steht für frei. Man ist versucht, an den Neusprech bei George Orwell zu denken. Frei bedeutet eben nicht mehr frei, sondern unfrei. Die höchste Form der Freiheit ist eben die Unterwerfung.

Zugegeben. Das Hinweisgeberschutzgesetz und seine Ausführungsverordnung sind besser formuliert, also perfekter, als die Gesetze der DDR. Einen kleinen Mangel hat das Gesetz noch. Es fehlt die Regelung der Entlohnung für die Verpetzer. Indessen ist das kein Trost. „Horch und Guck“ feiert fröhliche Urständ im besten Deutschland, das wir je hatten. ARD und ZDF senden aus dem Denunziantenstadl. Beachtet ihr nicht den Haltungszwang, dann holt euch bald der Haldenwang!


Der Ukraine-Konflikt – wer kann ihn wie lösen?

Seit nahezu eineinhalb Jahren tobt der Krieg in der Ukraine. Ein Ende erscheint nicht absehbar. Genauso lange währt die Debatte über, über ja was eigentlich? Die Ursache oder vielleicht die Ursachen? Wer hat Schuld? Wer ist im Recht? Kann sich der Konflikt ausweiten? Besteht die Gefahr des Atomkrieges? Kann Deutschland Kriegspartei werden oder ist es das bereits? Darf, soll oder muss Deutschland Waffen liefern? Soll die Ukraine Mitglied von NATO und/oder EU werden?

Was man dazu lesen kann, sei es in den großen Medien, sei es in den alternativen und sogenannten sozialen Medien, ist in aller Regel von unterkomplexer Problemerfassung und damit zwangsläufig intellektuell unzureichender Gedankenführung geprägt, was naturgemäß nicht zu brauchbaren Analysen oder gar Lösungsvorschlägen führen kann.

Ordnen wir also unsere Gedanken. Ein Konflikt wie dieser hat in aller Regel mehrere Dimensionen. Die geopolitische, die juristische, die militärische.

Die Rechtslage

Beginnen will ich mit der juristischen Dimension des Konflikts. Sie ist vergleichsweise einfach zu beurteilen. Hierzu verweise ich auf mein Buch „Tatort Ukraine“. Dort habe ich die völkerrechtliche Lage kurz erläutert. Davon habe ich jetzt nach einem Jahr seit Erscheinen nichts zurückzunehmen. Russland hat mit dem Angriff auf die Ukraine gegen Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen verstoßen. Dort ist ein unbedingtes Gewaltverbot festgelegt, das nur auf der Grundlage der Ausnahmetatbestände eben dieser Charta durchbrochen werden kann, insbesondere im Wege des Selbstverteidigungsrechts, des Rechts der Hilfe zur Selbstverteidigung und auf der Grundlage von Kapitel VII der Charta, wo die kollektive Gewaltanwendung durch die Vereinten Nationen geregelt ist. Hinzu kommt die Verletzung mehrerer weiterer völkerrechtlicher Verträge und zwischenstaatlicher Verträge zwischen Russland und der Ukraine. Soweit ersichtlich, wird außer von Russland selbst und seinen Unterstützern nirgends die Auffassung vertreten, der Angriff sei juristisch gerechtfertigt gewesen. Hinzu tritt im vorliegenden Falle die Art und Weise der Kriegführung Russlands, die sich ganz offensichtlich auch gegen die Zivilbevölkerung richtet und damit gegen die einschlägigen Vorschriften des Kriegsvölkerrechts, vor allem in der nach wie vor geltenden Haaager Landkriegsordnung, verstößt. Es ist offensichtlich nur in wenigen Fällen so, daß die angegriffenen zivilen Ziele militärische Stellungen tarnen, was selbstverständlich deren Beschuss rechtlich zulässig macht. Und es ist offensichtlich auch nur in seltenen Fällen so, daß man von sogenannten Kollateralschäden sprechen kann. Insoweit bin ich auch der Auffassung, daß der Einsatz von Fernwaffen, die konstruktiv schon gar nicht dazu geeignet sind, Ziele präzise zu treffen, sondern bei deren Abschuss bereits als wahrscheinlich angenommen werden muß, daß sie weit abgelegene zivile Ziele treffen, selbstverständlich genauso zu beurteilen ist, wie der gezielte Angriff auf zivile Ziele. Was Kriegsverbrechen angeht, so dürften diese kaum auf die russische Seite beschränkt sein. Unbeschadet dessen, daß man bereits vereinzelt Bilder und Filme gesehen hat, die tatsächlich oder auch nur angeblich Kriegsverbrechen ukrainischer Soldaten zeigen, ist es nach aller Erfahrung ausgeschlossen, daß Kriegsverbrechen nur von einer Kriegspartei begangen werden. Insoweit wird sich – hoffentlich – nach der Durchführung von Verfahren vor unabhängigen Gerichten nach dem Kriege ein Erkenntnisgewinn ergeben.

Die Rechtslage ist auch letztendlich entscheidend. Denn keine geopolitische und keine militärische Überlegung kann Platz greifen, wenn sie dem Völkerrecht entgegensteht. Deswegen ist es völlig abwegig, etwa die Waffenlieferungen an die Ukraine mit dem Argument einstellen zu wollen, dann werde damit der Weg zu Friedensverhandlungen eröffnet. Denn dann könnte allenfalls ein Diktatfriede nach dem Muster von Versailles sei zulasten der Ukraine herauskommen. Und das wäre mit der Rechtslage unvereinbar.

Die geopolitische Bedeutung

Zumindest umstritten ist die geopolitische Beurteilung des Konflikts. Der Standpunkt Russlands ist, daß die Ausweitung der NATO bis an seine südwestlichen Grenzen durch Aufnahme der Ukraine in das westliche Bündnis die russischen Sicherheitsinteressen schwerwiegend berührt und nicht hingenommen werden kann. Die USA hätten seit 2004 daran gearbeitet, die Ukraine in das westliche Bündnis hinüber zu ziehen. Dieser Zeitpunkt habe nun kurz bevorgestanden. Man habe eben nicht anders gekonnt, als dem zuvorzukommen und das zu verhindern. Ein gewissermaßen präemptiver Angriff auf die Ukraine sei damit unausweichlich geworden. Der Standpunkt der USA und ihrer Verbündeten lässt sich dahingehend zusammenfassen, der Ukraine stehe wie jedem anderen Staat das Selbstbestimmungsrecht zu, was natürlich auch die Freiheit einschließe, sich um die Aufnahme in internationaler Organisationen und Bündnisse zu bemühen. Hinter dieser völkerrechtlichen Argumentation steht natürlich die geopolitische Erwägung, den Einflussbereich der USA zu erweitern, sowohl in politischer, als auch wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht. Tatsächlich ist es auch unstrittig, dass die USA seit 2004 erhebliche Anstrengungen unternommen haben, um die Bevölkerung der Ukraine, vor allem ihre politische Klasse, davon zu überzeugen, daß ihre Zukunft im westlichen Bündnis liege, was für die Ukrainer einen erheblichen Gewinn an Wohlstand und Sicherheit mit sich bringen werde. Mit welchen Methoden dies teilweise geschehen ist, muß hier nicht weiter ausgebreitet werden. Seit ihrem Erscheinen auf der weltpolitischen Bühne handeln die USA robust und ohne Rücksicht auf das Recht allein in ihrem nationalen Interesse. Davon lassen sie sich bekanntlich nicht einmal durch eine Verurteilung durch den Internationalen Gerichtshof abbringen. Indessen muß dazu auch gesagt werden, daß alles unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung eben erlaubt ist. Bei aller berechtigten Kritik an diesem Verhaltensmuster der USA muss jedoch bemerkt werden, daß räsonieren nicht reicht. Man muß eben realistische, tragfähige Alternativen aufweisen können.

Natürlich ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang eine Westbindung der Ukraine im Interesse der Ukraine selbst, aber auch des westlichen Bündnisses ist, und ferner, welche gangbaren Alternativen dazu denkbar sind. Wie die Reaktion Russlands auf die Bestrebungen, die Ukraine in das westliche Lager zu ziehen, unübersehbar zeigt, scheint das zu einer Verschärfung der Konfliktsituation zu führen, jedenfalls im Vergleich zur Lage bis 2004. Offenbar scheint der russische Präsident auch davon überzeugt zu sein, daß die Ukraine ursprünglicher Bestandteil Russlands ist und er insoweit eine Art Befreiungsfeldzug führen muß. Es gibt ja mehrere Äußerungen von ihm, wonach es ein ukrainisches Volk weder im ethnischen noch im juristischen Sinne eigentlich gibt. Unabhängig davon, ob diese Auffassung abwegig ist oder wenigstens zum kleinen Teil zutrifft, zeigt das, wie essenziell das Thema für Russland, jedenfalls unter der Administration Putin ist. Auch dies gilt es in die Überlegungen einzustellen. Dies unabhängig von der insoweit eindeutigen Rechtslage.

Wenn der Eintritt der Ukraine in die NATO geopolitisch eher Instabilität als Stabilität auslöst – worüber man selbstverständlich auch debattieren kann – dann müssen Alternativen dazu geprüft werden. Angesichts der jahrzehntelangen Erfahrungen neutraler Staaten in Europa, auch mit kriegerischen Konflikten höchster Intensität wie die beiden Weltkriege, erscheint eine politische Neutralität unter Übernahme des westlichen Wirtschaftssystems und der parlamentarischen Demokratie westlicher Prägung durchaus eine Alternative zur Einbindung in den russischen Machtbereich oder in das westliche Bündnis zu sein. Die Beispiele der Schweiz und der bis dato neutralen skandinavischen Staaten Finnland und Schweden zeigen hier einen naheliegenden und gangbaren Weg auf. Gerade das Beispiel Finnland als unmittelbarem Nachbarn der früheren Sowjetunion und der heutigen russländischen Föderation zeigt, daß ein Land alle Vorteile eines marktwirtschaftlichen und demokratisch-rechtsstaatlichen Systems genießen kann, ohne formal Mitglied der NATO und/oder der Europäischen Union zu sein. Das ist natürlich eine souveräne Entscheidung der Ukraine. Die Frage wird allerdings auch sein, ob ihr eine solche Entscheidung von den großen Spielern dieses Konflikts, also Russland und den USA, ermöglicht wird.

Die militärische Lage

Es geht hier nun einmal leider um einen Krieg. Somit hängen alle weiteren Überlegungen und Entscheidungen von der militärischen Lage ab. Es ist für Außenstehende schlicht unmöglich, die militärische Lage überhaupt nur zutreffend erkennen zu können, sodaß die darauf fußende Lagebeurteilung nicht auf sicherer Grundlage erfolgen kann. Zwar erhalten wir eine Fülle von Nachrichten vom Kriegsschauplatz. Diese stammen entweder direkt von den Kriegsparteien, oder werden von ihnen ausgewählt und/oder zensiert. Das ist in einem Krieg auch völlig normal. Wir sollten daher alle Nachrichten vom Kriegsschauplatz mit der gebotenen Vorsicht und mit begründetem Misstrauen zur Kenntnis nehmen und bewerten. Indessen kann eines gesagt werden: dieser Krieg dauert nun schon eineinhalb Jahre an, obwohl zu Beginn nahezu einhellig die Auffassung vorherrschte, er werde in wenigen Wochen vorbei sein. Diese Einschätzung fußte natürlich auf dem Kriegsbild des Kalten Krieges, das vom Aufeinandertreffen der Massenheere und dem unbegrenzten Einsatz der verfügbaren Waffen gekennzeichnet war. Ein solcher Krieg wäre schon wegen des Munitionsverbrauchs tatsächlich in wenigen Wochen zu Ende gewesen. Indessen erleben wir nun eine völlig neuartige Kriegführung, die davon gekennzeichnet ist, daß nur in wenigen Regionen Kampfhandlungen stattfinden. Offensichtlich finden große Bewegungen nicht mehr statt, den Streitkräften der Kriegsparteien gelingen offenbar nur noch geringfügige Geländegewinne. Dennoch ist der Blutzoll auf beiden Seiten sehr hoch, der Ausfall von Waffen und Gerät sowie der Verbrauch von Munition sind ebenfalls so hoch, daß Zweifel aufkommen müssen, wie lange noch genügend Nachschub an die Front kommen kann. Die Vorstellung vor allem deutscher Politiker und Journalisten, die Ukraine könne diesen Krieg gewinnen, wobei das die Vorstellung ist, sie könne den Feind vollständig aus dem Land werfen, ist ersichtlich wirklichkeitsfremd. Ebenso wirklichkeitsfremd ist die Furcht, durch die von internationalem Recht, insbesondere dem Recht, dem angegriffenen Staat in seiner Verteidigung gegen die Aggression beizustehen, auch durch Waffenlieferungen, zur Kriegspartei zu werden und möglicherweise dann selbst unter Beschuss zu geraten.

Es spricht viel für eine Pattsituation. Man hört auch von teils hochrangigen amerikanischen Generälen, daß die Vorstellung, die Ukraine könne ihr Staatsgebiet vollständig von russischen Streitkräften befreien und die Grenzen vom 24. Februar 2022 wiederherstellen, illusorisch sei. Es bestehe eher die Gefahr, daß Russland dank seiner wesentlich größeren Ressourcen am Ende seine Kriegsziele erreichen könne. Inwieweit diese pessimistische Prognose sich als richtig erweisen wird, können wir heute nicht wissen. Natürlich wird die personelle und materielle quantitative Unterlegenheit der Ukraine laufend durch Waffenlieferungen und Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichem Gerät wenn nicht vollständig ausgeglichen, so doch gemindert. Wenig wissen wir über die Qualität der russischen Streitkräfte, insbesondere ihres Personalersatzes. Am Ende könnte durchaus ein Unentschieden stehen. Dann wären Friedensverhandlungen für beide Parteien unausweichlich.

Was tun?

Wie sollte sich Deutschland verhalten? Die Frage zu stellen, erscheint angesichts des geringen und weiter sinkenden Gewichts unseres Landes in der Weltpolitik, bedingt einerseits durch unsere schwindende Wirtschaftskraft, andererseits durch unsere weiter schwindende militärische Stärke, eigentlich frivol. In einem Konflikt, der maßgeblich durch die Großmächte, besser gesagt Weltmächte USA, Russland und auch China beeinflusst werden kann, kann ein Land wie Deutschland, boshaft formuliert, allenfalls Konferenzräume bereitstellen. Dennoch muß sich Deutschland in diesem Konflikt positionieren. Auch wenn es als Mitglied der NATO letztendlich nur im Rahmen der Einstimmigkeit des Bündnisses handeln kann, so kann es durchaus seine Gedanken in die Entscheidungsfindung einbringen. Was das geopolitische Argument angeht, so sollte Deutschland im Interesse größtmöglicher Stabilität dazu raten, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, ihr indessen alle Garantien zu geben, die sie braucht, um als neutraler Staat nach dem Muster der Schweiz und Finnlands auch in unmittelbarer Nachbarschaft mit einem wenig freundlich gesonnenen Russland leben zu können. Für die Menschen im Lande ist es offensichtlich relativ gleichgültig, gerade was die persönlichen Lebensumstände angeht, ob man in einem NATO-Land wie Deutschland oder in einem neutralen Land wie der Schweiz lebt. Davon dürften die Bürger und Wähler der Ukraine durchaus unschwer zu überzeugen sein. Was die Mitgliedschaft in der EU angeht, so gilt hier sinngemäß das gleiche. Der Wohlstand der Bevölkerung hängt nicht davon ab, ob ihr Land Mitglied der EU ist oder nicht, wie die Schweiz, Norwegen und seit dem Brexit trotz aller Probleme Großbrtannien beeindruckend zeigen. Aus unserer Sicht steht einer Mitgliedschaft der Ukraine insbesondere die ausgeprägte Korruption in diesem Lande entgegen. Insoweit sollten wir aus dem Fehler gelernt haben, so korrupte Länder wie Bulgarien und Rumänien in die EU aufzunehmen. Es wäre also gut, wenn Deutschland sich angesichts seiner nur geringen Möglichkeiten auf die Rolle beschränken würde, die es als Bauer auf dem internationalen Schachbrett alleine spielen kann. Die Vorstellung, daß etwa der Bundeskanzler zwischen dem amerikanischen und dem russischen Präsidenten vermitteln könnte, ist doch reichlich abwegig.

Akademische Freiheit war gestern

Es besteht wohl kein Zweifel daran, daß die Universitäten einen maßgeblichen Einfluss auf Kultur und Gesellschaft haben. Vor allem was die Geisteswissenschaften angeht, sind ihre Lehren prägend für das Denken eines Volkes, zumindest seiner Eliten. Die Ablösung des theokratischen mittelalterlichen Denkens durch die Gedankenwelt der Aufklärung konnte nur geschehen, weil Hochschulen entstanden, die unabhängig von den Lehren der Kirche rationale wissenschaftliche Forschung betrieben und ihre Studenten in den neben der Theologie nun zugelassenen freien Wissenschaften in diesem Sinne unterrichteten. Wir nennen hier stellvertretend die Vorkämpfer der Wissenschaftsfreiheit Immanuel Kant und Wilhelm von Humboldt. Nicht von ungefähr waren es dann zuerst die Studenten, die etwa in Deutschland Recht und Freiheit für alle Bürger einforderten. Für die Halbgebildeten unserer Tage ist dann, wenn sie sich näher mit diesem Teil der deutschen Geschichte befassen, erstaunlich bis verstörend, daß hier die Burschenschaften die Speerspitze der Freiheitsbewegung waren, angeführt auch von Professoren wie Ernst Moritz Arndt, dessen Namen heutzutage eine Universität nicht mehr führen darf, weil er für eben diese halbgebildeten Professoren und Studenten kein Demokrat gewesen ist.

Und damit sind wir beim Thema.

Die akademische Freiheit hat es schwer

Wo einst der Geist der Freiheit wehte, herrscht nun die stickige Luft der political correctness, die akademische Kultur ist der cancel culture gewichen. Der aktuelle Academic Freedom Index führt Deutschland nicht mehr auf dem ersten Platz, sondern nach Tschechien, Estland, Belgien und Italien erst auf den fünften Platz. Wenig überraschend finden sich in dem 179 Plätze umfassenden Index die USA erst auf Platz 76, was auch der dort seit Jahren um sich greifenden cancel culture geschuldet sein dürfte. Die Ukraine findet sich auf Platz 129, Russland auf Platz 149 und natürlich belegt Nordkorea Platz 179. Dieser Index wird im übrigen federführend an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen erarbeitet, was im vorliegenden Zusammenhang durchaus pikant erscheint.

Wissenschaftsfreiheit nach Erlanger Art

Am 14. Juli 2023 sollte der emeritierte Althistoriker Egon Flaig einen Vortrag zum Thema „Individuelle Freiheit gegen politische Freiheit: die Polis im europäischen Republikanismus“ einen Vortrag im Kollegienhaus der Universität halten. Der Termin war schon bekannt gemacht worden. Doch dann erhob sich Widerspruch. Nicht näher bezeichnete Angehörige des Hauses, auch am Lehrstuhl des Historikers Andreas Grüner, der seinen Kollegen Flaig eingeladen hatte, liefen Sturm. Äußerungen des Gelehrten aus früheren Jahren, insbesondere ein sicherlich sprachlich verunglückter Erklärungsversuch zur Einstufung der Geschichte des Warschauer Ghettos als singulär, aber auch nicht näher genannte weitere Texte des Historikers wurden als „rechts“ eingestuft und somit ihr Verfasser als unwürdig, an dieser Universität vortragen zu können. Man befürchtete, die Veranstaltung könne Anklang bei, so wörtlich, Burschenschaften und anderen Rechten finden. Merke: Burschenschaften haben an einer Universität, jedenfalls an der Friedrich Alexander Universität, nichts zu suchen. Rechte überhaupt nicht. Nun ist Egon Flaig ein weithin anerkannter Gelehrter, sicherlich konservativ, sicherlich auch streitbar. Als indessen die Luft in der Universität noch frisch war, ging man als Student gerne in die Vorlesungen eines derart auftretenden Professors. Doch heute erstickt man an dem Mief, den ausgerechnet diejenigen in den Universitäten erzeugt haben, die 1968 dazu angetreten sein wollen, den angeblich unter den Talaren der Professoren angesammelten Muff von 1000 Jahren wegzublasen.

Die Vorbilder

Der Vorgang steht in einer Reihe mit vielen gleichartigen. Wir wollen nur zwei davon herausgreifen, die sich in Deutschland zugetragen haben. Daß man gerade im angelsächsischen Sprachraum nur noch linksdrehende, „woke“ Dozenten an den Universitäten duldet, ist wohl hinlänglich bekannt. Dort müssen ja die Bibel und Shakespeares Werke mit Warnhinweisen versehen werden. Denken wir einfach ein Jahr zurück. Im Juli 2022 sollte die Biologin Marie-Luise Vollbrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin einen Vortrag halten, in dem es um die biologische Tatsache ging, daß es eben nur zwei und nicht 42 oder 82 Geschlechter gibt. Auf die wütenden Proteste der dominierenden linksradikalen Studenten und Dozenten (pardon: Studierenden und Lehrenden) reagierte die Universitätsleitung erwartungsgemäß feige: der Vortrag konnte natürlich nicht stattfinden. Im Sommersemester 2011 trat der weltberühmte israelische Militärhistoriker Professor Martin van Crefeld an der Universität Trier eine Gastprofessur an. Nach der ersten Vorlesung kündigte die Universitätsleitung auf den massiven Druck der linksradikalen Studenten und Dozenten (pardon: Studierenden und Lehrenden) den Vertrag mit dem Professor. Denn, so der Asta, seine Thesen seien „frauenfeindlich, militaristisch, antiisraelisch, vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv“. Diese Aufzählung richtet ihre Verfasser selbst und ist der schlagende Beweis dafür, daß wir es bei den tonangebenden Akteuren unserer Universitäten regelmäßig mit Halbgebildeten zu tun haben. Natürlich ist der Forschungsgegenstand eines Militärhistorikers das Militär und der Krieg, und es klingt geradezu bizarr, jemanden als antiisraelisch einzustufen, der an einer israelischen Universität lehrt. Und man macht sich als Student doch lächerlich, wenn man die Vorlesung eines Professors als vulgärwissenschaftlich und methodisch primitiv einstuft.

Die neue Ausgewogenheit

Zurück nach Erlangen. Offenbar war man sich im Kreis der Protagonisten dieser Ausladung seiner Sache nicht ganz sicher und holte sich deswegen Verstärkung in Gestalt der früheren Sozialbürgermeisterin der Stadt, die natürlich eine akademische Qualifikation aufweist, indessen als Naturwissenschaftlerin. Doch vertritt sie das sogenannte Erlanger Demokratie-Bündnis „Aktion Courage“ im Koordinierungsgremium der „Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg“. Wer ein solches Amt ausübt, ist natürlich qualifiziert und berufen, über die Einhaltung demokratischer Standards zu wachen und darüber zu befinden, was an einer Universität gesagt werden darf. Sie gibt also die Richtung vor, wie mit solchen rechten Volksverderbern wie Professor Flaig umzugehen ist. Ihres Erachtens sind Debatten mit „Personen, die eine andere, womöglich sehr rechte Meinung“ vertreten, durchaus möglich, solange auch Gegenpositionen am Tisch zu hören sind. Wenn aber niemand gefunden wird, der Gegenargumente bringt, steht sie dazu, eine solche Person wieder auszuladen, denn was zum Beispiel Professor Flaig vertritt, „das sind Thesen, die demokratiefeindlich sind“. Damit sei eben eine rote Linie überschritten, und eine Ausladung gerechtfertigt. Man ist versucht diese demokratische Lichtgestalt zu fragen, ob das auch in der Gegenrichtung so geahandhabt werden muß. Muß dann, wenn ein dezidiert linker Dozent vorträgt, gleich ein Diskutant mit entgegengesetzter Auffassung, also so ein böser Rechter, mit auf dem Podium sitzen, um dem Publikum die Gegenposition zugänglich zu machen? Die Antwort auf diese Frage mag sich jeder selbst geben.

Akademische Freiheit war gestern. Demokratie auch. Und das Grundgesetz brauchen wir auch nicht mehr.

Verfassungsfeind Verfassungsschutz

Ich stelle diesem Artikel ein Zitat aus einer grundlegenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts voran:

Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung ist als unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt (un des droits les plus précieux de l“homme nach Artikel 11 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789). Für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung ist es schlechthin konstituierend, denn es ermöglicht erst die ständige geistige Auseinandersetzung, den Kampf der Meinungen, der ihr Lebenselement ist (BVerfGE 5, 85 [205]). Es ist in gewissem Sinn die Grundlage jeder Freiheit überhaupt, „the matrix, the indispensable condition of nearly every other form of freedom“ (Cardozo).

Der Angriff auf die Verfassung

Das Juristeninformationsportal LTO meldete dazu vor einigen Tagen: Die Jugendorganisation der AfD wird vom Verfassungsschutz inzwischen als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ beobachtet. Wie das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Mittwoch mitteilte, werden neben der Jungen Alternative (JA) nunmehr auch zwei weitere Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten – das Institut für Staatspolitik (IfS) und der Verein „Ein Prozent“ – von der Behörde entsprechend eingestuft. Alle drei Vereinigungen waren bislang als rechtsextremistische Verdachtsfälle vom Inlandsnachrichtendienst bearbeitet worden. „Es bestehen keine Zweifel mehr, daß diese drei Personenzusammenschlüsse verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen“, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang. „Sie werden deshalb vom BfV als gesichert rechtsextremistische Bestrebungen eingeordnet und bearbeitet.“

Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt, dort würden menschenwürdewidrige und demokratiefeindliche Ideologien und Konzepte verbreitet. Man ziele auf die Ausgrenzung vermeintlich „Fremder“ und versuche diese Positionen gesellschaftlich anschlussfähig zu machen. Das gezielte Propagieren von Feindbildern und das Schüren von Ressentiments in der Bevölkerung seien zudem generell geeignet, den Boden für unfriedliche Verhaltensweisen gegenüber den Betroffenen zu bereiten. Deutlich werde dies insbesondere bei zahlreichen Äußerungen, die sich gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes) richteten. So verträten die Führungspersonen des IfS ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis und strebten ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk an. Die propagierte Vorstellung, daß es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziere eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse. Diese Vorstellung werde durch das IfS nicht ausschließlich, aber insbesondere über das Ideologem des Ethnopluralismus transportiert. Darüber hinaus behaupteten die handelnden Akteure in einer die Menschenwürde verletzenden Weise eine drohende Auflösung des deutschen Volkes und einen angeblich stattfindenden „Bevölkerungsaustausch“, auch „Großer Austausch“, „Umvolkung“ oder „Ersetzungsmigration“ genannt.

Des weiteren lastet der Verfassungsschutz der nun so eingestuften, besser gesagt diskriminierten Jugendorganisation einer in nahezu allen deutschen Parlamenten vertretenen Partei an, sich „immer wieder demokratiefeindlich zu äußern“. Die Vielzahl von Verunglimpfungen politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten an sich zeige, daß es der Jungen Alternative nicht um den demokratischen Diskurs, „sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland“ gehe. Das ist letztendlich die Ausfüllung der vom Verfassungsschutz am Gesetz vorbei entwickelten Formel von der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates, was er sich als weiteres Aufgabengebiet selbst gestellt hat.

Wir wollen im folgenden zunächst einmal untersuchen, inwieweit diese Einstufung der genannten Organisationen nach geltendem Recht überhaupt zutreffend ist, und in einem weiteren Schritt herausarbeiten, um was es eigentlich geht.

Was schützt die Verfassung?

Unsere Verfassung wird gerade im Hinblick auf die Notwendigkeit, sie zu schützen, als freiheitliche demokratische Grundordnung bezeichnet. Die Grundrechte des Bürgers stehen in dieser Verfassung, anders als in ihren Vorläufern, prominent am Beginn des Textes. Sie sind ganz offensichtlich Freiheitsrechte, wie das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, der freien Meinungsäußerung, des Recht der Glaubens- und Gewissensfreiheit, das Recht, Vereinigungen zu bilden oder sich friedlich und ohne Waffen unter freiem Himmel zu Kundgebungen zu versammeln, um nur einige zu nennen. Sie sind Ausprägungen der in Artikel 1 umfassend formulierten Menschenwürde, die zu achten und zu schützen Aufgabe aller staatlichen Gewalt ist. Und daher nehmen sie allesamt jedenfalls in ihrem Kernbestand an der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG teil, die es nicht einmal der verfassungsändernden parlamentarischen Mehrheit ermöglicht, diese Grundrechte abzuschaffen, ebenso wenig wie die Grundzüge der demokratischen Ordnung als da sind freie Wahlen, Gewaltenteilung und eine unabhängige Justiz.

Der Verfassungsschutz und seine Aufgaben sind im Grundgesetz nicht beschrieben. Er ist von Verfassungs wegen nicht zwingend notwendig. Die dem Grundgesetz innewohnende Konzeption der wehrhaften Demokratie, wie sie sich aus der Möglichkeit des Verbots von Vereinigungen nach Art. 18 GG und dem Verbot von politischen Parteien nach Art. 21 GG für den Fall, daß diese eben jene Grundrechte, die nicht einmal der parlamentarische verfassungsändernde Gesetzgeber abschaffen darf, beseitigen wollen, setzt nicht zwingend die Existenz einer Behörde voraus, die solche Umtriebe nicht nur beobachtet und registriert, um sie dann der Bundesregierung zu melden. Noch weniger verlangt das Grundgesetz nach einer Behörde, die ihre Beobachtungen und Einschätzungen veröffentlichen darf, und so die betreffenden Beobachtungsobjekte an den Pranger stellt. In demokratischen Staaten ist eine solche Behörde auch im allgemeinen nicht existent. Deutschland und Österreich stellen hierAusnahmen von der Regel dar. In Diktaturen ist das naturgemäß anders.

Erwähnung im Verfassungsschutzbericht

Die Erwähnung einer Person oder Personenmehrheit in einem Verfassungsschutzbericht hat eine Prangerwirkung, und diese Prangerwirkung ist auch beabsichtigt. Denn aus der Sicht des Verfassungsschutzes ist es notwendig, die Bevölkerung vor solchen Personen bzw. Organisationen zu warnen, die er als Verfassungsfeinde einstuft. Der gewünschte Effekt ist, daß der Betroffene ausgegrenzt wird. Der Verfassungsschutz verhält sich wie die Eltern in dem bekannten Lied des seinerzeitigen Rechtsanwalts, Schriftstellers und Liedermachers Franz Josef Degenhardt „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!“ aus dem Jahr 1965. Indessen hat es damit nicht sein Bewenden. Der Verfassungsrechtslehrer Dietrich Murswiek stellt dazu fest: „Staatsbürgerliche Bewusstseinsbildung ist aber nicht die einzige Funktion des Verfassungsschutzberichts. Er ist zugleich ein äußerst wirksames Kampfinstrument. Er dient der Bekämpfung der von der Verfassungsschutzbehörde als Verfassungsfeinde identifizierten Organisationen, über die er berichtet. Indem die im Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen und Personen als „Extremisten“ ausgewiesen werden, werden sie von Amts wegen zu Verfassungsfeinden erklärt. Das ist mehr als die Information der Öffentlichkeit darüber, daß die betreffenden Organisationen nach den Feststellungen und Wertungen der Verfassungsschutzbehörde verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Es ist eine Kampfansage des Staates: Der Staat betrachtet die von ihm als Extremisten eingestuften Organisationen als seine Feinde. Soweit sie gegen Gesetze verstoßen, werden sie mit den Mitteln des Strafrechts und des Polizeirechts bekämpft. Soweit sie sich legal verhalten, werden sie ebenfalls nicht in Ruhe gelassen, sondern politisch bekämpft. Die Feinderklärung im Verfassungsschutzbericht durch Einstufung als „extremistisch“ ist der erste und entscheidende Schritt dieses Kampfes“.

Verfassungsgerechte Arbeit des Verfassungsschutzes

Somit hat der Verfassungsschutz bei seiner Arbeit in erster Linie die Verfassung zu beachten, und hier zuvörderst die Grund- und Freiheitsrechte der Bürger. Die Bewertung von Meinungsäußerungen und politischen Bestrebungen hat sich deswegen am Freiheitsgrundrecht des Art. 5 GG zu orientieren. Aus diesem Grund habe ich an den Anfang meiner Ausführungen die zitierte Passage aus dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Meinungsfreiheit, dem, hier ist der Ausdruck angebracht, berühmten Lüth-Urteil vom 15.01.1958 vorangestellt. Die Meinungsfreiheit ist eben für eine Demokratie schlechthin konstituierend, ohne Meinungsfreiheit kann es eine Demokratie nicht geben. Die überragende Bedeutung dieses Freiheitsgrundrechts in den Augen der damaligen Verfassungsrichter zeigt sich an ihrer Bezugnahme auf die allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1789 ebenso wie die Tatsache, daß die Verfassungsrichter hier zweimal aus einem fremdsprachigen Text im Original zitieren, einmal Französisch und einmal Englisch. Das hat das Bundesverfassungsgericht vorher und nachher nicht mehr getan. Weil das so ist, hat das Bundesverfassungsgericht dann auch immer wieder verlangt, daß Meinungsäußerungen grundsätzlich so auszulegen sind, daß ihnen der rechtlich unverfängliche Sinn beigemessen wird und nicht etwa ein rechtswidriger oder gar gegen die Rechtsordnung gerichteter Sinn hineininterpretiert wird. So findet sich in einem einschlägigen Verfassungsschutzbericht die Bewertung des Begriffs „Passdeutscher“ in einem inkriminierten Text als Beleg für eine völkisch/rassistische Haltung der Verfasserin. Indessen ist die naheliegende Interpretation des Begriffs doch die, daß sie Leute kritisiert, die nach Deutschland einwandern und sich nicht integrieren, auch nicht integrieren wollen, sondern nur die mit der deutschen Staatsbürgerschaft verbundenen wirtschaftlichen Vorteile, insbesondere die Segnungen des Sozialstaates, genießen. Die Unterstellung indessen, damit werde der betreffende Zuwanderer zu einem Deutschen zweiter Klasse herabgewürdigt, ist nur möglich, wenn man diesen Text böswillig interpretiert, um zum gewünschten Ergebnis der Verfassungsfeindlichkeit zu gelangen.

Auslegungsgrundsätze des Bundesverfassungsgerichts

Somit unterfällt alles, was über den Begriff des Volkes hier geschrieben wird, erst recht Art. 5 Abs. 1 GG. Bei der überragenden Bedeutung der Meinungsfreiheit, wie aus dem Lüth-Urteil ersichtlich, und im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, daß ihr Sinn zutreffend erfasst worden ist, wobei stets von dem Wortlaut der Äußerung auszugehen ist, muß schon die Auslegung des Wortlauts verfassungskonform erfolgen. Der Wortlaut allein legt ihren Sinn aber nicht abschließend fest. Er wird vielmehr auch von dem sprachlichen Kontext, in dem die umstrittene Äußerung steht, und ihren Begleitumständen bestimmt, soweit diese für den Rezipienten erkennbar sind. Bei der Überprüfung zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Sanktionen geht das Bundesverfassungsgericht von dem Grundsatz aus, daß die Meinungsfreiheit verletzt wird, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher andere mögliche Deutungen, die nicht völlig fern liegen, mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (vergl. Bundesverfassungsgericht, Beschluß vom 25.03.2008, Az. 1 BvR 1753/03, RNrn. 32, 33 mwN, ferner Urteil vom 15.12.2004, NJW 2005, 1341 ff. [1343 l.Sp.], BVerfGE 94, 1 ff; BVerfGE 93, 266 ff; BVerfGE 86, 122 ff.; std. Rspr.). Allerdings fällt auf, daß diese Erkenntnis weder in der Verwaltungspraxis noch bei den Fachgerichten hinreichend internalisiert ist. Denn wie wäre es sonst erklärlich, daß das Bundesverfassungsgericht immer wieder daran erinnern muß, daß die Gewährleistung der Meinungsfreiheit nur dann gesichert ist, wenn bereits bei der Auslegung von Äußerungen ihre überragende Bedeutung für Demokratie und Rechtsstaat berücksichtigt wird. Die Auslegungsgrundsätze des Verfassungsschutzes hingegen nehmen sich bisweilen aus wie Verschwörungstheorien. Das Wesensmerkmal von Verschwörungstheorien indessen ist, daß nicht die offenkundigen
Tatsachen, sondern für gewöhnliche Menschen nicht erkennbare geheime Vorgänge dahinter in Wahrheit die Welt bewegen. Eine solche Argumentation entfernt sich weit von den klassischen Regeln des Textverständnisses. Es können wohl nur die Adepten des Meisters der Arkanwissenschaften Armin Pfahl-Traughber, der als Hochschullehrer den Nachwuchs der Verfassungsschützer ausbildet, in einem obskuren Labor um Mitternacht bei Mondschein jene Tinktur herstellen, die man über den inkriminierten Text streicht, um dann die darunter versteckte okkulte Botschaft ans Licht zu bringen. Derartige Wortverdrehung ist aber auch von Rechts wegen unzulässig, weil auch hier der allgemeine Rechtssatz Geltung beansprucht, der schon im römischen Recht gegolten hat: cum in verbis nulla ambiguitas est, non debet admitti voluntatis quaestio (wenn in den Worten keine Zweideutigkeit ist, kann die Frage nach dem Gemeinten nicht zugelassen werden). Indessen ist unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darauf hinzuweisen, daß zugunsten der betroffenen Vereinigungen im Falle ihrer Auslegungsbedürftigkeit eine Auslegung ihrer Texte vorzunehmen ist, die jeweils die rechtlich unbedenkliche Bedeutung ergibt. Der Verfassungsschutz indessen wählt durchgehend die böswillige Interpretation der zitierten Texte zum Nachteil des jeweiligen Autors bzw. Redners.

Diese Grundsätze sind zu beachten, wenn man nun die zitierten Begründungen des Verfassungsschutzes für die Anprangerung der genannten Gruppierungen als verfassungsfeindliche Organisationen untersucht.

Liest man Verfassungsschutzberichte, in denen Vereinigungen rechtsextreme Bestrebungen im Sinne eines menschenrechtswidrigen völkischen Rassismus unterstellt werden, so findet man als Begründung regelmäßig zwar Texte der betreffenden Organisationen, in denen vom deutschen Volk ohne Beschränkung auf die Staatsbürgerschaft die Rede ist, und in denen die Verteidigung seiner spezifischen kulturellen Identität propagiert wird. Der Verfassungsschutz legt diese Texte dann aber stets in dem Sinne aus, der zur verfassungsfeindlichen Negierung der Menschenrechte führt, und nicht in dem Sinne, daß man durchaus verfassungskonform die Identität des eigenen Volkes fördern will.

Volk und Staatsvolk

Der Verfassungsschutz unterstellt den genannten Organisationen eine sogenannte völkische Einstellung dahingehend, daß sie deutschen Staatsbürgern, die keine ethnischen Deutschen, also über Generationen in Deutschland ansässigen Menschen sind, absprechen wollen, „richtige“ Deutsche zu sein. Dazu muß zunächst einmal offenbar unterstellt werden, daß es außer dem deutschen Staatsvolk kein deutsches Volk im ethnischen Sinne gibt. Die Vorstellung, daß es nur ein Staatsvolk und nicht etwa ein davon verschiedenes oder losgelöstes Volk an sich gebe, ist natürlich abwegig und findet sich ersichtlich nur in Deutschland. Etwa einem Kurden zu erklären, ein kurdisches Volk gebe es nicht, weil es keinen kurdischen Staat und damit kein kurdisches Staatsvolk gebe, würde bei ihm wohl mindestens die nonverbale Reaktion hervorrufen, den ausgestreckten Zeigefinger an seine Schläfe zu führen. Ebenso wenig würde es kein Jude akzeptieren können, die Existenz des jüdischen Volkes außerhalb der israelischen Staatsangehörigkeit zu verneinen. In konsequenter Fortführung des wirren Gedankenkonstrukts des Verfassungsschutzes hätte demgemäß auch ein polnisches Volk zwischen 1795 und 1918 nicht existiert, weil es in jener Zeit einen polnischen Staat nicht gab. Wie absurd das auch nach deutschem Recht und deutscher Staatspraxis ist, will ich nachfolgend an einigen Beispielen darstellen.

Volk in der Verfassung

Nun gibt schon unsere Verfassung in Art. 116 GG einen Hinweis darauf, daß es nicht nur deutsche Staatsbürger, sondern wohl auch sonstige Deutsche geben muß, denn es heißt dort: „Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“ Also gibt es nach dem Grundgesetz eine deutsche Volkszugehörigkeit außerhalb der deutschen Staatsangehörigkeit. Das mag hinsichtlich der genannten Flüchtlinge und Vertriebenen heute nur noch von marginaler Bedeutung sein, zeigt aber, daß die Konzeption des Grundgesetzes bereits von einem Dualismus Volk/Staatsvolk ausgeht, mithin die Existenz eines deutschen Volkes über die Gesamtheit der Staatsangehörigen hinaus voraussetzt.

Doch auch die Verfassungen der Bundesländer sind insoweit aufschlussreich, als sie die Rechte nationaler Minderheiten schützen. Dies wiederum setzt denknotwendig voraus, daß es jenseits der Staatsangehörigkeit ethnische Zugehörigkeit gibt. Etwa Art. 37 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt:

(1) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung ethnischer Minderheiten stehen unter dem Schutz des Landes und der Kommunen.

Oder Art. 6 der Verfassung des Landes Schleswig Holstein:

Nationale Minderheiten und Volksgruppen

(1) Das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit ist frei; es entbindet nicht von den allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten.
(2) Die kulturelle Eigenständigkeit und die politische Mitwirkung nationaler Minderheiten und Volksgruppen stehen unter
dem Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die nationale dänische Minderheit, die Minderheit der
deutschen Sinti und Roma und die friesische Volksgruppe haben
Anspruch auf Schutz und Förderung.

Ebenso Art 5 der Verfassung des Freistaates Sachsen:

(1) Dem Volk des Freistaates Sachsen gehören Bürger deutscher, sorbischer und anderer Volkszugehörigkeit an. Das Land erkennt das Recht auf Heimat an.

(2) Das Land gewährleistet und schützt das Recht nationaler und ethnischer Minderheiten deutscher Staatsangehörigkeit auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung.

(3) Das Land achtet die Interessen ausländischer Minderheiten, deren Angehörige sich rechtmäßig im Land aufhalten.

Art. 6 [Das sorbische Volk]

(1) Die im Land lebenden Bürger sorbischer Volkszugehörigkeit sind gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes. Das Land gewährleistet und schützt das Recht auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung, insbesondere durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen.
(2) In der Landes- und Kommunalplanung sind die Lebensbedürfnisse des sorbischen Volkes zu berücksichtigen. Der deutsch-sorbische Charakter des Siedlungsgebietes der sorbischen Volksgruppe ist zu erhalten.
(3) Die landesübergreifende Zusammenarbeit der Sorben, insbesondere in der Ober- und Niederlausitz, liegt im Interesse des Landes.

Die ethnisch-kulturelle Identität gegen ihre Auflösung durch Einwanderung aus anderen Kulturen zu schützen, wird – wenn es um andere Völker geht – auch von Bundesregierung und Bundestag
anerkannt. So hat der Bundestag die Massenansiedlung von Chinesen in Tibet als Zerstörung der tibetischen Identität und Kultur kritisiert. (BT-Drucks. 13/4445; BT-Prot. 13/10086, 10107). Die Verfassungen der Bundesländer schützen, wie oben ausgeführt, die kulturelle Eigenständigkeit und politische Mitwirkung ethnischer Minderheiten. Dem trägt der Staat ja auch durch Fördermaßnahmen Rechnung, allerdings auch im Hinblick auf deutsche Minderheiten in anderen Ländern.

Das ist auch internationales Recht. Art. 1 Abs. 1 der UN-Deklaration über Minderheitenrechte vom 18.12.1992, A/RES/47/135 legt fest: „Die Staaten schützen die Existenz und die nationale oder ethnische, kulturelle, religiöse und sprachliche Identität der Minderheiten in ihrem Hoheitsgebiet und begünstigen die Schaffung von Bedingungen für die Förderung dieser Identität.“ Wenn es aber sowohl völkerrechtlich als auch verfassungsrechtlich festgeschrieben ist, daß ethnische Minderheiten einen Anspruch auf Wahrung und Förderung ihrer Identität haben, und dies auch in Deutschland traditionelle staatliche Praxis ist, wie Schutz und Förderung der Rechte alteingesessener ethnischer Minderheiten wie der Dänen, Sorben, Friesen, Sinti und Roma zeigen, dann ist die Förderung von Kultur und Traditionen der ethnischen Mehrheit zweifellos ebenso legitim. Soweit also diese Förderung von Kultur und Traditionen der ethnisch Deutschen eingefordert wird, kann dies nicht als Propagierung eines „völkischen“ Verständnisses der Nation gewertet werden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Maastricht-Urteil die relative Homogenität eines Volkes jedenfalls in kultureller Hinsicht als Voraussetzung für demokratische Legitimation bezeichnet.

Der hochangesehene ehemalige Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde hat das Thema so umschrieben:
„Der spezifische Charakter der demokratischen Gleichheit… zielt – über die formelle rechtliche Zugehörigkeit, die die Staatsangehörigkeit vermittelt, hinausweisend – auf ein bestimmtes inhaltliches Substrat, zuweilen substantielle Gleichheit genannt, auf dem die Staatsangehörigkeit aufruht. Hier meint Gleichheit eine vor-rechtliche Gemeinsamkeit. Diese begründet die relative Homogenität, auf deren Grundlage allererst eine auf der strikten Gleichheit der politischen Mitwirkungsrechte aufbauende demokratische Staatsorganisation möglich wird; die Bürger wissen sich in den Grundsatzfragen politischer Ordnung ,gleich‘ und einig, erfahren und erleben Mitbürger nicht als existenziell anders oder fremd und sind – auf dieser Grundlage – zu Kompromissen und loyaler Hinnahme der Mehrheitsentscheidungen bereit“. (Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, HStR II, 3. Aufl.2004, RNr. 47).
Demgemäß weist der Verfassungsrechtler Rupert Scholz auch auf die Notwendigkeit einer gewissen Identitätswahrung hin: „Sollte die Einwanderung solche Ausmaße annehmen, daß dessen (des
Staatsvolkes) Identität sich verändert, dann ist das mit dem Grundgesetz wohl nicht mehr zu vereinbaren.“ (Rupert Scholz, „Das schwächt die Verfassung“, Interview mit Moritz Schwarz, Junge
Freiheit 21.06.2019, S.3). Martin Wagener („Kulturkampf um das Volk“) zitiert den Verfassungsrechtslehrer und ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof, der seines Erachtens klarstellt, daß es im Rahmen der freiheitlichen Ordnung des Grundgesetzes natür-
lich zur Entfaltung unterschiedlicher Kulturen kommen könne. Kirchhof sieht allerdings auch eine Grenze, die zu beachten die Aufgabe des Staates sei: „Würde das Stichwort der Multikulturalität
hingegen als ein Wettbewerb gegenläufiger Kulturen gedeutet, dessen Ergebnis sich der nur beobachtende Staat zu eigen machte, so wäre die Freiheitlichkeit gelegen und missverstanden…. Zu der rechtlich vorgefundenen Wirklichkeit, die der Staat zu achten und auszugestalten hat, gehört das Staatsvolk, die Nation, die den konkreten Verfassungsstaat rechtfertigt, seine Aufgaben und
Maßstäbe bestimmt.“ (Paul Kirchhof, Der Staat als Organisationsform politischer Herrschaft und rechtlicher Bindung, DVBl 99, 642). Wagener leitet daraus ab, daß es im vorrechtlichen Raum
nicht nur eine kulturelle Identität gibt, sondern auch einen Ursouverän, der diese kreiert hat. Das deutsche Volk hat sich somit als Kulturnation nach den Einigungskriegen einen eigenen Staat ge-
geben. (Martin Wagener, Kulturkampf um das Volk, Lau Verlag, 2021, S. 114 ff.) Zu Recht zitiert er insoweit aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 31.07.1973 zum Grundlagenver-
trag: „Mit der Errichtung der BRD wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert. Die BRD ist also nicht ,Rechtsnachfolger‘ des Deutschen
Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat ,Deutsches Reich‘, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings ,teilidentisch‘. Das historische deutsche Volk – der Ursouverän – von 1871 ist folglich mit jenem von 1949 kulturell und damit identitär verbunden (BVerfGE, 36, 1 ff.). Wagener weiter: „Zur Politik des Ursouveräns gehörte – abgesehen von den Jahren 1933-1945 – nie die Absicht, das friedliche Zusammenleben mit Menschen anderer Kulturen auszuschließen;
deutsche Staatsbürger konnten und können natürlich auch Menschen ohne deutsche Volkszugehörigkeit werden. Nicht vorgesehen waren dagegen eine sich ausbreitende Islamisierung in einem
christlich-abendländisch geprägten Land und die Entstehung ganzer Parallelgesellschaften.“
Eine gültige Definition hat seinerzeit Richard von Weizsäcker in einer Rede vom 24. Februar 1972 im Deutschen Bundestag gegeben: „Ich meine, Nation ist ein Inbegriff von gemeinsamer Vergangenheit und Zukunft, von Sprache und Kultur, von Bewusstsein und Wille, von Staat und Gebiet. Mit allen Fehlern, mit allen Irrtümern des Zeitgeistes und doch mit dem gemeinsamen Willen und Bewusstsein hat diesen unseren Nationbegriff das Jahr 1871 geprägt. Von daher – und nur von daher – wissen wir, daß wir uns als Deutsche fühlen. Das ist bisher durch nichts anderes ersetzt.“ (Deutscher Bundestag, 6. Wahlperiode, 172. Sitzung, Bonn 24.02.1972, S. 9838).

Art. 21-24 des französischen Code Civil schreibt vor:
„Niemand kann eingebürgert werden, wenn er nicht seine Assimilation in die französische Gemeinschaft nachweist, insbesondere durch eine, je nach seinen Voraussetzungen, zureichende Kenntnis der französischen Sprache, Geschichte, Kultur und Gesellschaft, deren Niveau und Bewertungsmethoden per Dekret im Staatsrat festgelegt werden, sowie der Rechte und Pflichten, welche mit der französischen Staatsangehörigkeit verbunden sind, sowie durch die Einhaltung der Grundsätze und der wesentlichen Werte der Republik.“ Dieses Gesetz des Landes, dem die Welt die Erklärung der Menschenrechte von 1789 zu verdanken hat, tritt also in konsequenter Fortführung der Gedankenkonstrukte des Verfassungsschutzes die Menschenrechte mit Füßen.

Die zitierten Äußerungen des ehemaligen Verfassungsrichters Ernst Wolfgang Böckenförde, des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof und der übrigen zitierten Juristen sind zweifelsfrei
verfassungskonform. Ihnen „völkischen“ Rassismus zu unterstellen, wäre absurd.

Die Diskussion um die Begriffe Staatsvolk (Demos) und Volk (Ethnos) ist an und für sich überflüssig. Staatsvolk ist ein allein verfassungs- und einfachgesetzlicher Begriff. Das Bundesverfassungsgericht befasst sich im zweiten NPD-Urteil vom 17.01.2017 deswegen auch ausschließlich mit dem Begriff des Staatsvolkes. Das Grundgesetz regelt als Gesetz im materiellen Sinn auch nur rechtliche Sachverhalte. Der Begriff des Volkes indessen ist ein rein soziologischer Begriff und entzieht sich daher der rechtlichen Beurteilung. Es ist daher ein Kategoriefehler, bei der Prüfung, ob die JA, das IfS oder wer auch immer verfassungsfeindlich agiert oder nicht, über den Begriff des Volkes überhaupt zu sprechen.

Der Begriff des Volkes im Sinne von Ethnos und nicht im Sinne von Demos, also auch im Zusammenhang mit Abstammung und angestammten Siedlungsgebiet findet sich jedoch auch durchgängig in Publikationen der Bundesregierung. So zum Beispiel in der Broschüre des Bundesinnenministeriums: „Deutsche Minderheiten stellen sich vor“. Sie stammt aus dem Jahr 2018, ist allerdings derzeit nur noch als Datei auf der Internetseite des Ministeriums verfügbar. Das Bundesinnenministerium legt in dieser Broschüre durchgängig einen ethnisch-kulturellen Begriff des Volkes, und gerade des deutschen Volkes zu Grunde. Sämtlichen dort vorgestellten
deutschen Minderheiten in Staaten wie Belgien oder Usbekistan wird als Unterscheidungsmerkmal von der umgebenden Mehrheitsbevölkerung ihre Abstammung, ihre spezifisch deutsche kulturelle Prägung und ihr angestammtes Siedlungsgebiet zugeschrieben. Die Bundesregierung misst dem Schutz und der Förderung dieser deutschen Minderheiten auch einen entsprechenden Stellenwert bei. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) förderte deutsche Minderheiten in Europa in den Jahren 2017-2020 mit 91,45 Millionen €; im Jahr 2021 war eine Förderung in Höhe von 25,21 Millionen € vorgesehen. Ziele der Förderung sind die Stärkung der deutschen Gemeinschaften, die Verbesserung der Lebensperspektiven sowie der Erhalt der ethnokulturellen Identität durch insbesondere Sprach- und
Jugendförderung (Bundestagsdrucksache 19/32556, S. 22 Nr. 28). Damit kommt sie dem Auftrag nach, den die Vereinten Nationen in ihrer Entschließung vom 18.12.1992 formuliert haben. Art. 1 Abs. 1 der UN-Deklaration über Minderheitenrechte vom 18.12.1992, A/RES/47/135 legt fest: „Die Staaten schützen die Existenz und die nationale oder ethnische, kulturelle, religiöse und sprachliche Identität der Minderheiten in ihrem Hoheitsgebiet und begünstigen die Schaffung von Bedingungen für die Förderung dieser Identität.“

Aus dem gleichen Grunde unterstützt sie indigene Völker auf der ganzen Welt beim Kampf um ihre Rechte. In diesem Zusammenhang ist beispielhaft auf die vom Auswärtigen Amt herausgegebene Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen,
Heft 4/2021 zu verweisen. Dort findet sich die Definition indigener Völker im Beitrag von Theodor Rathgeber. Es lohnt sich daraus zu zitieren: „Der Begriffsteil >indigen< beansprucht erstens, daß Menschen und Gemeinschaften die aus ihrer Herkunft stammenden (Kultur)güter nach eigenem Ermessen für ihre Lebensentwürfe verfügbar machen und selbstbestimmt weiterentwickeln wollen. Bei Sprache, Religion oder Musik gilt das für ethnische
und religiöse Minderheiten auch…. Zum anderen drückt >indigen< den Anspruch aus, über ein historisch verbürgtes Siedlungsgebiet und dort befindliche Ressourcen ein Eigentumsrecht ausüben zu können… Der Begriff fußt zweitens außerdem, neben anthropologischen und historischen Kriterien, auf dem Merkmal der – plausiblen – Selbstidentifikation…. Das Element der Selbstidentifikation enthält ebenso den Aspekt der offenen Entwicklung. Angehörige indigener Völker reklamieren für sich keine museale, anthropologisch-
historisch fixierte Existenz, sondern beanspruchen eine Weiterentwicklung nach eigenem Ermessen…. Drittens enthält der Begriff >indigene Völker< den Anspruch auf die Selbstbestimmung der Völker entsprechend dem Völkerrecht.“

Angebliche Demokratiefeindlichkeit

Der Verfassungsschutz unterstellt der Jungen Alternative (JA) Demokratiefeindlichkeit. Denn die Parteijugend der AfD äußere sich immer wieder demokratiefeindlich. Die Vielzahl von Verunglimpfungen politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten an sich zeige, daß es der jungen Alternative nicht um demokratischen Diskurs, sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland gehe. Nun gibt es im Strafgesetzbuch bei uns keinen Straftatbestand, wie er sich im Strafgesetzbuch der DDR von 1984 fand. Diese Strafvorschrift hieß „öffentliche Herabwürdigung“ und war definiert wie folgt: „Wer in der Öffentlichkeit die staatliche Ordnung oder staatliche Organe, Einrichtungen oder gesellschaftliche Organisationen oder deren Tätigkeit oder Maßnahmen herabwürdigt“ wird…. bestraft“. Es geht eben hier um den im Verfassungsschutzgesetz überhaupt nicht beschriebenen Tatbestand der sogenannten verfassungsrelevanten Delegitimierung des Staates. Diese Aufgabe hat sich Herr Haldenwang zur Freude oder gar auf Befehl der Antifa-Freundin auf dem Stuhl des Bundesinnenministers selbst gegeben. Danach gerät in das Visier des Verfassungsschutzes, wer politische Amtsträger und ihre Arbeit kritisiert, weil darin angeblich die Delegitimierung, also der Wunsch nach Abschaffung des betreffenden Amtes in seiner verfassungsmäßigen Funktion und nicht eben die legitime Kritik an der Amtsführung liege. Von der intellektuellen Qualität einer solchen Argumentation her ist das so, als sei derjenige, der die Entfernung eines pädophilen Priesters aus der katholischen Kirche verlangt, ein Gegner der katholischen Kirche schlechthin. In Wahrheit will er aber seine Kirche davor schützen, wegen solcher krimineller Amtsträger in Verruf zu geraten. Wer die miserable Amtsführung und die staunenswerte Inkompetenz vieler Bundesminister kritisiert, ruft in den Augen der Verfassungsschützer nicht nach Besserung der politischen Verhältnisse, sondern will das demokratische System zugunsten einer mindestens autoritären, wenn nicht gar diktatorischen Staatsform abschaffen. Diese Gedankenführung ist so bizarr, grotesk, ja geradezu krank, daß sie nur damit erklärbar ist, daß es hier nicht um den Schutz des demokratischen Rechtsstaates vor einem Umsturz geht, sondern um die Ersetzung des politischen Diskurses durch Repression, mit anderen Worten, die Fortsetzung der Politik mit juristischen Mitteln. Die sog. Neue Rechte um Götz Kubischek versuche „den Bereich des Sagbaren“ nach rechts zu verschieben. Das gelte es zu unterbinden. Tatsächlich haben wir es hier mit dem Versuch der derzeitigen politischen Mehrheit zu tun, den Bereich des Sagbaren rechts zu beschneiden und somit insgesamt nach links zu verschieben.

Verfassungsschutz und Medien

Leider findet sich in den Mainstream-Medien nicht der Hauch einer Kritik am Vorgehen des Verfassungsschutzes, das Geist und Buchstaben der Verfassung krass zuwiderläuft. Im Gegenteil. Frau Faeser und ihr „Horch und Guck“ 2.0 werden über den Schellenkönig gelobt. Indessen ist gerade dieses Vorgehen gegen Bürger und Parteien, deren politische Einstellung den meisten Politikern und Journalisten nicht paßt, dazu geeignet, das Vertrauen der Bürger in die politische Klasse zu beschädigen. Das führt zur Spaltung der Bevölkerung und auf längere Sicht zur tatsächlichen Delegitimierung des Staates. Wer sich so verhält, verdient auch nicht das Vertrauen der Bürger, sondern ihre Verachtung.

Wer und was in Deutschland wirklich wichtig ist

Wir haben in Deutschland offenbar kaum wirkliche Probleme, dafür aber Geld ohne Ende. Deswegen baut man Gendertoiletten, zum Beispiel ausdrücklich mit Blick auf Menschen, die sich weder männlich noch weiblich fühlen, bzw. soweit sie studiert haben, definieren, oder noch akademischer: lesen. Ein Beispiel kann man ja seit wenigen Monaten in Berlin am Kottbusser Tor bewundern. Es soll sage und schreibe 56.000,00 € gekostet haben. Die fortschrittlichste Hauptstadt der Welt will natürlich dabei nicht stehen bleiben, sondern weitere solche offenbar dringend notwendigen dreiteiligen öffentlichen Toiletten aufstellen. Keine Überraschung ist, daß die zuständige Bezirksbürgermeisterin der Partei „Die Grünen“ angehört. Wer wählt die eigentlich noch?

Mal ein bißchen rechnen

Umgerechnet kostet also dieToilette für Damen 18.666,00 €, die für Herren 18.666,00 € und die für das sogenannte dritte Geschlecht „divers“ ebenfalls 18.666,00 €. Rechnen wir das einmal auf die Einwohnerzahl um. Soeben konnte man lesen, daß sich im Freistaat Sachsen (4,078 Millionen Einwohner) im vergangenen Jahr gerade einmal 17 Personen in den Personenstandsregistern finden, die sich als divers bezeichnen, wobei genau genommen die Zahl 14 richtig ist, denn bei drei Personen handelt es sich um neugeborene Kinder, deren Eltern warum auch immer, schon bei der Geburt wussten, daß ihr Kind weder Junge noch Mädchen ist. Das sind also 0,0004 % der Bevölkerung in Sachsen. bzw. 10 hoch -4, womit wir im Bereich der homöopathischen Verdünnung der Potenz D6 sind. Die Zahl für Deutschland insgesamt ist ähnlich.

Diese Größenordnung gilt auch für die sogenannten Transpersonen. Laut einem Bericht in der „Welt“ vom Februar 2021 gab es bis zum 30.09.2020, also ein und ein dreiviertel Jahr nach Inkrafttreten des einschlägigen Gesetzes insgesamt 1191 Anträge auf Geschlechtsänderung, was 0,00014 % der Bevölkerung betrifft. Das Gesetz geht ja bekanntlich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurück. In jenem Verfahren ist es der „queeren“ Lobby ja gelungen dem Gericht weiszumachen, von ihrem Begehr seien ca. 160.000 Menschen in Deutschland betroffen. Tatsächlich waren es offenbar nur 0,7 % der genannten Zahl. Die Funktionäre der Viel- und Wahlgeschlechtlichkeit fordern jetzt aber so absurde Dinge wie die Bestückung von Herrentoiletten mit Tamponpackungen, vielleicht auch demnächst Damentoiletten mit Präservativpackungen. Kostet ja alles Nix.

Gehen wir zurück zur Dreigeschlechtertoilette M/W/D. Soweit die gleiche Anzahl von Toilettenhäuschen für Männlein und Weiblein errichtet wird, teilen sich die Kosten natürlich entsprechend dem Anteil der Geschlechter an der Bevölkerung auf. Die dritte Toilette für 0,0004 % der Bevölkerung kostet genauso viel wie die Toilette für 50 % der Bevölkerung. Anders gewendet: hätte man für 56.000,00 € Häuschen je eins für Männlein und Weiblein gebaut, hätte das jeweils 28.000 € gekostet. Wie errechnet, ist es bei dreien pro Stück billiger, nämlich 18.666 €. Nehmen wir bei der Größe Berlins eine Besucherzahl von vielleicht 10.000 Menschen pro Jahr und Toilette an, dann hat man für 5000 Menschen 18.666 € ausgegeben, für 0,0004 % von 10.000 Menschen, also nicht einmal einen Menschen,ebenso viel. Genau genommen müsste man statistisch viele Jahre warten, bis überhaupt ein Mensch diese Toilette benutzt, also hat man dann 18.666 € für die ungewisse Erwartung ausgegeben, daß irgendwann in den nächsten Jahren überhaupt jemand dorthin kommt, der sich keinem Geschlecht zuordnet und sich deswegen auf einem mit „divers“ beschrifteten Toilettenhäuschen wohler fühlt, als das der Fall wäre, wenn draußen ein Symbol für Männlein oder Weiblein angebracht wäre. Daß auch diverse Menschen ihre Verdauungsendprodukte mittels derselben Körperteile absondern, wie solche, die nicht nur aussehen wie Männer und Frauen sondern sich auch so fühlen, steht auf einem anderen Blatt. Jedenfalls zur Wahrung der persönlichen Intimität ist es offensichtlich nicht erforderlich, eine Toilette aufzusuchen, die ausdrücklich für solche Menschen reserviert ist. Diese Menschen haben viele Jahrtausende lang ja auch die gleichen Toiletten aufgesucht, wie alle anderen Menschen auch. Der Bedarf für spezielle stille Örtchen, die von Mikrominderheiten im Häufigkeitsbereich von millionsten Bruchteilen benutzt werden sollen, konnte wohl nur in unserer Zeit entstehen, die man wohl in späteren Jahrhunderten nach Vorzeit, Antike, Mittelalter und Neuzeit das Wahnzeitalter nennen wird.

Wir haben’s ja!

Für derartige Narreteien ist in Deutschland eben immer Geld genug da. Ein Beispiel, das ich jeden Morgen auf dem Weg in die Kanzlei sehen muss: die Stadt Nürnberg hat im Zuge der Sanierung eines historischen Gebäudes im Bereich der alten Stadtmauer für 90.000,00 € ein hässliches Stück Plastik aufgestellt, in Form einer Flagge im Wind, komplett in rosa. Ausdrücklich soll damit Solidarität mit der „queeren community“ bekundet werden. Als ob im Deutschland des 21. Jahrhunderts noch irgendwo irgendwer wegen seiner sexuellen Veranlagung diskriminiert wird, geschweige denn unter Verfolgung zu leiden hat. Im Gegenteil. Diese Leute werden in Politik und Medien in einer Weise hofiert, daß man meinen könnte, nur ihre Lebensweise bringe unser Land voran.

Ein Blick in die Anstalt, die Irrenanstalt natürlich

Dass Deutschland inzwischen gaga ist, konnte man neulich im Deutschen Bundestag sehen. Ein Transvestit mit blonder Perücke und im engen rosa Kleidchen wackelt zum Rednerpult um dort mit sonorer Männerstimme seine Phrasendreschmaschine anzuwerfen, die dann fertig abgepackt und verschnürt die üblichen grünen Sottisen auswirft. Das Groteske daran ist, daß dieser Mann selbstverständlich als solcher im Personenstandsregister eingetragen ist, indessen für sich beansprucht, von aller Welt als Frau behandelt zu werden, und in dieser Erwartung nicht enttäuscht wird. Politik und Medien huldigen servil dem Götzen „gender and diversity“. Man könnte auch sagen, fast ganz Deutschland macht sich zum Affen.

Dazu paßt es, daß im ZDF ganz offiziell Familien, die sich für eine Arbeitsteilung entscheiden, wonach die Frau sich um Kinder und Haushalt kümmert, der Mann um das Familieneinkommen, als ewig gestrig und natürlich „rechts“ bewertet werden, was in dieser politisch korrekten Welt der Verfemung gleichkommt. Da wundert es nicht, wenn in Kindersendungen alle möglichen sexuellen Verirrungen als Normalität dargestellt werden und man nicht davor zurückgeschreckt, schrille Transvestiten in Kindergärten und Klassenzimmer zu schicken. Welche giftigen Blüten das Ganze inzwischen treibt, konnte man ja gestern in den USA sehen. Der Fanatismus der Mikro-Minderheiten ermöglicht inzwischen offenbar, daß ein solcher Mensch in eine Schule eindringt, um dort Kinder und Lehrer zu erschießen und dies als gerechte Strafe für die Verfechter eines christlichen Menschenbildes deklariert. Natürlich unter dem Beifall der einschlägigen linksradikalen Szene. Mag sein, daß die schweigende und politisch uninteressierte Mehrheit solche Signale aus der Hölle braucht, um zu begreifen, was da vorgeht und daß man das schleunigst beenden muß. Wen man nicht mehr wählen kann, sollte man nach der Tagesschau eigentlich täglich wissen.

Die Herrschaft der Dummschwätzer

Besser, als es Alexander Wendt in diesem https://www.publicomag.com/2023/03/die-scharlatane-des-grossen-versprechens-ueber-eine-zeitfigur/?utm_source=mailpoet&utm_medium=email&utm_campaign=neues-bei-publico_1 Artikel sagt, kann man den Zustand der westlichen Welt nicht beschreiben. Die Unfähigkeit ist eben der Schlüssel zu den Regierungszentralen und Chefredaktionen. Kein Trost ist es, daß das Leben in China oder Russland noch weniger erstrebenswert ist.

Was ist zu tun? Man muß der Dummheit entgegentreten, wo immer sie dominiert.

Frieden um jeden Preis?

Es ist an der Zeit, die Debatte um Krieg und Frieden, um Panzerlieferungen und Verhandlungsangebote, um Kriegstreiber und Friedenstauben zu beenden.

Die Lage

Es stehen sich unversöhnlich die Befürworter der Politik des Westens, der die Ukraine mit der Lieferung von Waffen und der Ausbildung ihrer Soldaten daran unterstützt einerseits, und die Befürworter einer Verhandlungslösung, die von den Regierungen der Ukraine und der NATO-Staaten jedoch nicht angestrebt werde, gegenüber. Dabei gewinnt diese Debatte an Schärfe dadurch, daß hier, wie in Deutschland leider inzwischen üblich, die Sachargumente moralisch vergiftet werden. Die jeweilige Gegenseite liegt halt nicht nur falsch, nein, sie steht im Solde der Mächte der Finsternis. Befürworter von Friedensverhandlungen betreiben die Propaganda Russlands, Befürworter von Rüstungslieferungen an die Ukraine betreiben das Geschäft der amerikanischen Wirtschaft, deren Vasallen die Regierungschefs von Washington bis Berlin sind.

Was ist zu tun?

So kommen wir nicht weiter. Wir müssen nüchtern die Fakten betrachten. Fangen wir meinetwegen mit der Rolle des Westens, angeführt von der amerikanischen Administration an. Die USA haben ein massives Interesse daran, die Ukraine und nicht nur sie in den westlichen Wirtschaftsraum und auch in die NATO aufzunehmen. Es ist das natürliche Bestreben jeder Großmacht schon immer gewesen, ihren Einflussbereich immer mehr auszuweiten. Dazu ist historisch wie auch gegenwärtig jedes Mittel recht. Im Falle der Ukraine ist es in der Tat so, daß die USA seit 2004 auch mit unlauteren Mitteln, Intrigen, Bestechungen und vielleicht sogar Manipulationen an der Herauslösung dieses Landes aus dem Einflussbereich Russlands gearbeitet haben. Was von den Kritikern der US-amerikanischen Kritik hierzu vorgetragen wird, ist in der Sache im allgemeinen auch zutreffend. Doch kann man dabei nicht stehen bleiben. Die rote Linie der Politik ist die Gewaltanwendung. Unterhalb dieser Schwelle ist eben alles erlaubt, und soweit hier juristische Grauzonen, auch Verbotszonen, betreten werden, kann dem nur mit juristischen Mitteln begegnet werden. Eine manipulierte Wahl kann eben auf dem dafür eingerichteten Rechtsweg angefochten werden, Bestechung wird von den zuständigen Gerichten abgeurteilt, wenn denn auch Anklage erhoben wird. Eine auf zweifelhaftem Wege zustande gekommene politische Entscheidung kann nur auf demokratischem Wege korrigiert werden, indem sie rückgängig gemacht wird bzw. eine andere Entscheidung an ihre Stelle gesetzt wird. So und nicht anders sind nun einmal die Spielregeln seit der Aufklärung. Das ist der parlamentarische Rechtsstaat. Er kann Gewalt nur zur Durchsetzung des Rechts im Inneren nach den dafür aufgestellten Regeln ausüben, und zur Verteidigung gegen den Angriff von außen, der ja immer Rechtsbruch ist.

Die Souveränität der Staaten

Es ist daher völlig gleichgültig, ob die Ukraine ausschließlich aus eigenem Antrieb ihrer Bevölkerung ohne Einflussnahme von außen, oder unter dem massiven Einfluss von außen sich dazu entschieden hat, sich politisch und wirtschaftlich ins westliche Lager zu begeben und die Mitgliedschaft in EU und NATO anzustreben. Es ist einfach das gute Recht eines jeden Volkes, über sein Schicksal, seine Gesellschaftsordnung, seine Bündnisse selbst zu bestimmen. Niemand, insbesondere nicht frühere Verbündete oder gar Kolonialherren, hat das Recht, eine solche Entscheidung mit Gewalt zu korrigieren und dieses Land dann militärisch zu unterwerfen.

Berechtigte und vorgeschobene Interessen

Es ist demnach auch völlig gleichgültig, ob diese Entwicklung die Sicherheitsinteressen Russlands, seien sie legitim oder übergriffig, beeinträchtigt. Es mag sein, daß diese Entwicklung in der Tat die Sicherheitsinteressen Russlands berührt. Indessen kann dies weder rechtlich noch politisch einen tragfähigen Grund dafür abgeben, in die Ukraine einzumarschieren und sie unterwerfen zu wollen. Daran ändern auch einschlägige Rechtsverstöße der USA in der Vergangenheit nichts. Wer Unrecht tut, kann sich zu seiner Verteidigung nicht darauf berufen, andere täten das ja auch. In rechtlicher Hinsicht genügt der Hinweis auf die UN-Charta und die Verträge zwischen beiden Staaten, die einen solchen Angriff schlicht verbieten. In politischer Hinsicht ist es nun einmal so, daß Russland die Osterweiterung der NATO nicht nur hingenommen, sondern sich sogar vertraglich insoweit gebunden hat, etwa in der NATO-Russland Grundakte, die es am 27.5.1997 unterzeichnet hat. Auf dieser Grundlage wurde am 28.5.2002 der NATO-Russland Rat ins Leben gerufen. Der russische Präsident hieß damals bereits Vladimir Putin. Polen, Ungarn und Tschechien waren bereits am 12.3.1999 der NATO beigetreten. Noch 2001 zeigte sich Putin indifferent gegenüber dem Beitritt der baltischen Staaten zur NATO. 2004 widersprach Russland dem Beitritt Bulgariens, Rumäniens, der Slowakei und Sloweniens sowie der baltischen Staaten zur NATO nicht. Wenn also heute der Angriff auf die Ukraine mit dem Argument gerechtfertigt wird, man könne der Ausweitung des westlichen Einflussgebiets auf dieses Land aus Sicherheitsgründen nicht mehr untätig zusehen, so ist das nicht glaubhaft. Tatsächlich hat Russland historisch schon immer ein erhebliches Interesse an der Ukraine gehabt. Schon nach dem Sieg Russlands in der Schlacht von Poltawa 1709 begann die nachhaltige Russifizierung des Landes. Sie setzte sich fort in den Zentralisierungsmaßnahmen Katharinas der Großen und der kulturellen Assimilierung der Ukraine an Russland unter Alexander II. Die mehrfachen Äußerungen Putins, die russische Erde wieder einsammeln zu wollen, sprechen eine deutliche Sprache. Nicht die zweifellos legitimen Sicherheitsinteressen, sondern die traditionell großrussische Politik bestimmten Putins Entschluss zum Angriff.

Verlängern wir nur den Krieg?

Auf den ersten Blick einleuchtend sein mag das Argument Sahra Wagenknechts, die Lieferung von Waffen an die Ukraine verlängere nur den Krieg. Besonders perfide sei es, der Ukraine jeweils nur so viel an Waffen und Munition zu liefern, daß sie sich der russischen Angriffe erwehren könne. Das verlängere den Krieg auf unabsehbare Zeit und koste täglich Hunderte von Menschen das Leben. Frau Wagenknecht und ihre Anhänger müssen sich indessen fragen lassen, was die Alternative wäre. Auch Frau Wagenknecht und ihre Anhänger bestreiten nicht, daß Russland völkerrechtswidrig diesen Krieg führt. Die Konsequenz muß ja sein, daß dem Opfer dieses völkerrechtswidrigen Angriffs Beistand geleistet werden darf, nach richtiger Ansicht sogar geleistet werden muß. Die Alternative wäre also, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen und der Eroberung des Landes durch die russischen Streitkräfte tatenlos zuzusehen. Der Friede wäre dann da. Allerdings wohl auch der Friede des Friedhofs. Will man das?

Eher berechtigt scheint die Kritik zu sein, daß nur so viel Unterstützung geleistet wird, daß die Ukraine sich weiterer Angriffe erwehren kann, nicht jedoch so viel, daß sie den Angreifer aus dem Lande werfen und auf diese Weise einen gerechten Frieden erreichen kann. Indessen ist letzteres unrealistisch. Die personelle und materielle Überlegenheit Russlands gegenüber der Ukraine ist so groß, daß die Umkehr dieser Verhältnisse ausgeschlossen ist. Es ist leider in der Tat nur möglich, die Ukraine militärisch in einem Maße zu unterstützen, durch Lieferung von Waffen, Ausrüstung und Munition sowie Ausbildung ihrer Soldaten an westlichen Waffensystemen, daß sie in den Stand gesetzt wird, der russischen Übermacht standzuhalten. Das ist militärisch selbstverständlich auch aus der Unterzahl möglich, wie die Militärgeschichte immer wieder bewiesen hat. Ausgeschlossen indessen ist in aller Regel der militärische Sieg über den Gegner aus der Unterzahl. Allenfalls einzelne Schlachten können einmal mit viel Können und noch mehr Kriegsglück aus der Unterzahl gewonnen werden, niemals jedoch ein Krieg. Und somit bleibt die bittere Erkenntnis, daß dieser Krieg wohl noch geraume Zeit dauern wird, nämlich so lange, bis auch Russland trotz seiner gewaltigen personellen und materiellen Ressourcen nicht mehr weiterkämpfen kann, jedenfalls nicht mehr weiter mit dem Ziel, das Land zu erobern.

Wann kommt der Tag, an dem die Waffen schweigen?

Das wird dann die Stunde der Friedensverhandlungen sein. Denn zu Verhandlungen ist nur bereit, wer einsehen musste, daß er auf anderem Wege sein Ziel nicht mehr erreichen kann. Wer dann welche Kompromisse eingehen wird, können wir heute nicht wissen. Vor allem aber ist es nicht unsere Sache, in der Art eines Kindermädchens den Ukrainern erklären zu wollen, wann und mit welchem Ziel sie in Verhandlungen mit Russland eintreten sollen. Und es ist auch nicht unsere Sache, Russland etwa bedeuten zu wollen, welche Teile der Ukraine es behalten kann oder überhaupt unter welchen Bedingungen Russland Frieden schließen soll.

Was ist eigentlich unser Interesse?

Und schlussendlich sei an den klassischen Satz von Charles de Gaulle erinnert. Staaten haben keine Freunde, Staaten haben Interessen. Weder Russland noch die Ukraine noch die USA oder Frankreich sind Freunde Deutschlands wie das in zwischenmenschlichen Beziehungen erstrebenswert ist. Mit Staaten hat man gute oder schlechte Beziehungen, man verfolgt seine Interessen, jedenfalls wenn man seine Gedanken beisammen hat. Unser Interesse kann es nach Sachlage nur sein, gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zu der Weltmacht zu haben, die unser Leben in Freiheit und Wohlstand wenn nicht garantiert, so doch am wenigsten gefährdet. Das ist in absehbarer Zukunft nur mit guten Beziehungen zu den USA und den übrigen westlichen Demokratien möglich. Selbstverständlich sind entsprechend gute Beziehungen auch zu anderen großen Spielern auf der politischen Bühne wie China, Indien, Brasilien etc. wünschenswert. Selbstverständlich sind auch Handel und Wandel mit Russland in Zukunft wieder aufzunehmen, wohlwissend, daß eine Anlehnung an ein autokratisches System weder im Falle Russlands noch im Falle Chinas erstrebenswert sein kann.

Vor allem aber ist es notwendig, die Debatte nüchtern, sachlich und ohne Schaum vor dem Mund zu führen.