und das muß auch so sein. Wir erinnern uns. Die ersten Auftritte von Pegida waren durchaus ein Novum. Die sogenannte schweigende Mehrheit ging in Dresden – ausgerechnet in Dresden – auf die Straße. Die angestaute Wut über die Verhältnisse in Deutschland brach sich auf teilweise sehr rustikale Art Bahn. Rustikal allerdings nicht in dem Sinne, daß die Demonstranten gewalttätig geworden wären. Nein, ganz im Gegenteil. Wenn es zu Gewalttaten kam, dann gegen die zumeist schweigend marschierenden und am Ziel angekommen den Rednern aufmerksam lauschenden Bürgern. Bürger offensichtlich aus der Mitte der Gesellschaft, wie eine beliebte Floskel lautet. Was sie sagen wollten, trugen sie in Schlagworten auf Plakaten vor sich her. Nachdem sie von den Medien und der Politik pauschal als Rechtsradikale diffamiert worden waren, schlugen sie verbal zurück, allerdings wie bei Leuten zu erwarten war, die eben nicht professionell die Zeitungsspalten füllen und die Rednerpulte in den Parlamenten besetzen, teils unbeholfen, teils geschmacklos.
Besonders hohe Wellen schlug ein Miniaturgalgen, der symbolisch für Angela Merkel und Sigmar Gabriel bestimmt war. Natürlich zog das diverse Strafanzeigen nach sich. Denn gerade das sich selbst für alleine staatstragend haltende Juste Milieu reagiert sehr empfindlich, wenn es aus dem Walde schallt, wie man hineingerufen hat. Von Volksverhetzung, mindestens Beleidigung war die Rede. Nicht nur das, in Form von Strafanzeigen wurde das auch zu Papier gebracht.
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Dresden hat diese Vorgänge pflichtgemäß und umfassend zwei Jahre lang geprüft und ist nun zu dem Ergebnis gekommen, daß daran nichts strafwürdiges zu entdecken ist. Natürlich nicht, muß man als Jurist sagen. Das für unsere Demokratie grundlegende Recht, überall und jederzeit in Wort und Schrift seine Meinung sagen zu dürfen, läßt selbstverständlich auch drastische, unsinnige oder auch nur geschmacklose, ungehörige Meinungsäußerungen zu. Denn es würde zu einer unerträglichen Zensur führen, wenn die Gerichte Derartiges verbieten müßten. Damit die Meinungsfreiheit auch nicht im Ansatz gefährdet wird, hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ihm folgend der ordentlichen Gerichte festgeschrieben, daß in Zweifelsfällen für die Meinungsfreiheit und gegen die Zensur zu entscheiden ist. Die jeweils beanstandete Äußerung ist auf ihren Sinngehalt zu untersuchen und in den Sachzusammenhang zu stellen, in dem sie gefallen ist. Wenn eine Äußerung mehrdeutig ist und damit interpretationsfähig, dann ist zu Gunsten des Beschuldigten diejenige Interpretation seiner Äußerung der rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen, die keinen Straftatbestand erfüllt. Die Staatsanwaltschaft kam denn auch in diesem Falle zu dem Ergebnis, dem Beschuldigten sei nicht nachzuweisen, daß er mit diesem Galgen Dritte animieren wollte, die Kanzlerin oder den Außenminister zu töten. Denn bei der gebotenen objektiven Betrachtung könne das Verhalten auch dahingehend verstanden werden, den genannten Politikern symbolisch den politischen Tod zu wünschen. Darüber hinaus sei der Galgen auch nicht als Androhung einer Straftat zu sehen, weil der Beschuldigte weder die Tötung der Politiker in Aussicht gestellt noch vorgegeben habe, daß diese in seinem Einflußbereich liege. Dazu mußte die Staatsanwaltschaft das ganze nicht einmal als Kunst einstufen, wo ja noch wesentlich nachsichtiger zu urteilen ist, wie der Fall des sogenannten Kaberettisten Böhmermann in der Causa Erdogan zeigt.
Zwei Bemerkungen zu diesem für Juristen keineswegs überraschenden Ergebnis:
Der sogenannte Pegida-Galgen ist zweifellos von der Qualität, die politisch korrekt als „Hate-Speech“ eingeordnet wird. Meinungsäußerungen dieses Kalibers möchte unser Zensurministerlein nur zu gerne mit seinem sogenannten Netzwerkdurchsetzungsgesetz – richtig: Meinungsfreiheitsbeschränkungsgesetz – an den Gerichten vorbei unterbinden. Anbieter von sozialen Netzwerken wie Facebook stellen deswegen jetzt schon Hunderte von Mitarbeitern ein, die selbstverständlich bar jeglicher Rechtskenntnis unerwünschte Meinungsäußerungen unterbinden sollen, indem sie erst gar nicht auf dem Bildschirm erscheinen. Ich gehe davon aus, daß unser Zensurministerlein die Entscheidung der Staatsanwaltschaft weder intellektuell noch juristisch zutreffend bewerten kann, wohl aber politisch den Vorgang als angeblichen Beleg dafür anführen wird, daß es einer Internetzensur nach seinen Vorstellungen durchaus bedarf. Es wird also wiederum einer rechtsstaatlichen Entscheidung, diesmal des Bundesverfassungsgerichts, bedürfen, um diesen Bonsai-Metternich in seine Schranken zu weisen.
Zum anderen kann man dem deutschen Wutbürger unserer Tage nur empfehlen, entweder sachlich zu argumentieren oder, um sich auf das Sprachniveau zu begeben, das jeder auch außerhalb der akademischen Welt versteht, einfach die Klappe zu halten. Zwischenzeitlich werden die berechtigten Anliegen der Montags-Spaziergänger qualifiziert sogar in den Parlamenten vertreten, von den zum Leidwesen des Juste Milieu immer mehr und immer schneller verbreiteten alternativen Medien, zum Beispiel auch diesem ganz unbedeutenden Blog, ganz abgesehen. Schlechter Geschmack, unangemessene Formulierungen und schlicht flegelhaftes Benehmen waren einer guten Sache noch nie förderlich.