So beginnen die Geschichten, die man sich von alters her über die gute alte Zeit erzählt. Und so beginnen heute die Geschichten von unvergesslichen Fernsehabenden in Bayern, als auf dem Nockherberg noch fröhlich-gutmütig derbleckt wurde. Unvergessen die Salvatorreden aus der Feder des vortrefflichen Hannes Burger, von wem auch immer vorgetragen. Unvergesslich das Singspiel, in dem die bayerische wie auch die bundesdeutsche Politik trefflich persifliert wurde, zum Beispiel mit den Volksschauspielern Gerd und Walter Fitz in den Rollen von Franz Josef Strauß und Hans-Dietrich Genscher. Hier wurden geistreich mit feinem Humor, auch wenn dieser bisweilen krachledern daherkam, die bayerischen Politiker insbesondere, die übrigen bundesdeutschen am Rande, durch den sprichwörtlichen Kakao gezogen. Niemals indessen landeten die Schläge der Nockherberg-Kabarettisten unter der Gürtellinie der derbleckten Politiker an den Biertischen zu ihren Füßen. Man pflegte eben einen feinen, launigen Humor. Und niemals hatte man vor dem Bildschirm den Eindruck, die Zielscheiben stünden nur in einer politischen Himmelsrichtung und man befinde sich auf einer verkappten Wahlveranstaltung der SPD respektive der Grünen.
Diese Zeiten sind vorbei.
Wer am vergangenen Mittwochabend im Bayerischen Fernsehen die Veranstaltung auf dem Nockherberg angesehen hat, der sah sich im Verhältnis zu den oben geschilderten seligen Zeiten in eine andere Welt versetzt. Die Salvator-Rede der als „Mama Bavaria“ auftretenden Kabarettistin Luise Kinseher hätte man – zugegebenermaßen mit deutlich weniger rhetorischem Schliff – auch im bayerischen Landtag anhören können, wenn die Opposition die Regierungsmehrheit grundsätzlich angeht. Allerdings sollte man künftig davon Abstand nehmen, diese in einem demokratischen Rechtsstaat ganz sicher juristisch zulässigen Beschimpfungen aus dem Munde einer symbolischen Mutter über die betroffenen Politiker tönen zu lassen. Derart ätzende und persönlich herabwürdigende Invektiven, wie sie Frau Kinseher glaubte als strenge Mama über ihre Opfer ausgießen zu müssen, würde eine wirkliche Mutter ihren leiblichen Kindern niemals um die Ohren schlagen. Vielleicht steht dieser Erkenntnis nicht nur der offen zutage getretene politische Eifer von Frau Kinseher entgegen, sondern auch der Umstand, daß ihr die Gefühlswelt einer leiblichen Mutter jedenfalls bisher nicht eigen ist.
Auch über das anschließende Singspiel kann nichts Besseres gesagt werden. Nicht nur die inhaltsarmen Längen der Inszenierung und ihre vielfachen Anleihen beim modernen sogenannten Regietheater, das der unvergessene Loriot einmal so schön mit der Bemerkung gekennzeichnet hat: „…und man nimmt auf einer Stehleiter Platz“, sondern vor allem die auch hier penetrant einseitige Verteilung der politischen Zensuren ließen das schale Gefühl aufkommen, der Vorstellung einer grün-roten Laienspieltruppe beizuwohnen, deren Darbietung dramaturgisch allenfalls solchen Menschen gefallen konnte, die beim Frühstück in der Süddeutschen Zeitung („Seien Sie anspruchsvoll!“) erst das Feuilleton und dann den Leitartikel von Herrn Prantl mit nach Selbsteinschätzung kritischer Sympathie zu lesen pflegen.
Versucht man Ursachenforschung zu betreiben, so wird man sehr schnell darauf stoßen, daß bei unseren lieben und beliebten Kulturschaffenden eben nahezu durchgängig das Herz nicht nur medizinisch betrachtet links schlägt, sondern vor allem im übertragenen Sinne. Nun muß man Kulturschaffenden, Regisseuren und Schauspielern zumal, durchweg ein ausgeprägt emotionales Wesen zubilligen. Der kalte Verstandesmensch mit einer Vorliebe für Zahlen oder gar für das Organisieren und Anordnen ist im allgemeinen zum Künstler nicht begabt und hat auch keine Neigung dazu. Künstler indessen leben geradezu von der Emotion. Gefühl, Mitgefühl, ein großes Herz, der Wunsch die Welt zu umarmen, das alles sind Eigenschaften, die den Künstler zu seinen Leistungen befähigen. Und so nimmt es nicht Wunder, daß solche Menschen in der Flüchtlingskrise eben nur Menschen sehen, nicht aber verantwortungsbewußt zu lösende Probleme. Und so siegt bei ihnen regelmäßig das Herz über das Hirn. Natürlich rührt der Anblick eines Flüchtlingskindes am Stacheldrahtzaun das Herz, meines im übrigen auch. Wer sich allerdings Gedanken darüber macht, wie man verantwortungsvoll mit dem zig-millionenfachen Elend auf dieser Erde umgehen und dabei die berechtigten Interessen unserer eigenen Bürger wahren kann, dem stehen Gefühle nur im Wege. Als denkender Mensch muß man wohl damit leben, daß fühlende Menschen dies als herzlos tadeln, ja geißeln. Wer indessen seinen Acker nicht ordentlich bestellt, der wird dort alsbald nur noch wenig bis gar nichts ernten. Weder wird er dann für sich selbst genug zu essen haben, noch gar für andere sorgen können. Linke haben das noch nie begriffen. Die Geschichte des Sozialismus ist deswegen auch eine Geschichte des Scheiterns.
Sehr geehrter Herr Thesen,
seit Wochen verfolgen wir mit großem Interesse und ständig wachsender Zustimmung die Veröffentlichung Ihrer „Thesen“. Meine Frau und ich sind begeistert von dem eleganten Gebrauch der deutschen Sprache, dem Verzicht auf jegliche Anglizismen, der Kraft Ihrer Argumente und Ihrem durch nichts zu erschütternden Kampf gegen Dummheit, Verlogenheit, zum Teil auch Böswilligkeit. Sie haben ja so recht mit Ihren Äußerungen.
Vielleicht können Sie ja als humanistisch gebildeter Mensch auch einmal, vielleicht auch regelmäßig, folgende Zitate verwenden: „Quo usque tandem…..“ und/oder „Ceterum censeo…“ Sicher gibt es auch Gründe, darauf zu verzichten. Es ist nur eine Anregung.