Der Fortschritt

„Gestern standen wir noch am Abgrund. Heute sind wir schon einen Schritt weiter.“ Diese gallige Definition des Begriffs „Fortschritt“ drängt sich dem unverbildeten Betrachter m/w (geschlechtsneutrale Bezeichnung gemäß AGG*) auf, wenn er/sie Nachrichten aus dem Bundesministerium der Verteidigung und seinen nachgeordneten Dienststellen (von Truppenteilen in diesem Zusammenhang zu schreiben, sträubt sich die Tastatur meines PC) in den Medien zur Kenntnis nimmt. Daseinszweck und Auftrag von Streitkräften ist es, militärische Gewalt möglichst effektiv anzuwenden, gleichgültig, welches politische Ziel der jeweilige Staat damit verfolgt. Der Krieg ist eben nach Clausewitz die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Diese Mittel bereitzuhalten und ggf. auf Befehl der zuständigen staatlichen Autoritäten einzusetzen ist Aufgabe der Streitkräfte. Allein darauf sind sie zu optimieren. Größtmögliche Effizienz auf diesem Gebiet muß angestrebt werden. Alles, was dem entgegensteht, muß unterbleiben. Das gilt im übrigen als Prinzip für jede Organisation, die in ihrem Umfeld bestehen will. Niemand würde es verstehen, wenn man z.B. in der Werkstoffkunde Forschungen und Experimente etwa aus politischen Rücksichten unterlassen oder in eine bestimmte Richtung lenken würde.

Die Bundeswehr leistet sich nun ein „Stabselement Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion“, angesiedelt direkt im Bundesministerium der Verteidigung. Was ein „Stabselement“ genau ist, bleibt im Dunkeln. Handelt es sich dabei um eine Abteilung, eine Unterabteilung, ein Referat? In das herkömmliche Organisationsschema deutscher Ministerien paßt das nicht. Der Begriff ist offenbar dem politisch korrekten Neusprech entnommen. Diese, sagen wir einmal Organisationseinheit, wird immerhin von einem Oberstarzt (w) geführt, was natürlich einen entsprechenden Unterbau mit sich bringt. Die Kosten hierfür dürften wohl demnächst aus dem Einzelplan 14 des Bundeshaushaltsplanes zu entnehmen sein. Man kann sich dann sicher auch leicht ausrechnen, was man mit diesem Geld bezahlen könnte, etwa im Rüstungs- oder Personalbereich. Ich gehe wohl kaum fehl in der Annahme, daß es sich um den finanziellen Gegenwert eines Zuges Panzergrenadiere handeln könnte.

Was das ganze soll, hat die Leiterin dieser Stabsstelle in einer „Keynote“ ( man lebt ja schließlich auch sprachlich auf Augenhöhe mit der internationalen Wirtschaft, der Wissenschaft sowieso) erläutert. Da heißt es zum Beispiel. „Vielfalt prägt das Bild der Gesellschaft und muß als Chance verstanden werden. Heterogene Gruppen mit unterschiedlichen Prägungen und Erfahrungshorizonten arbeiten effektiver, verfügen über mehr Innovationskraft und Kreativität. Der Umgang mit Vielfalt im Sinne von Alter, Geschlecht, ethnischer Herkunft, kulturellem Hintergrund, Religion, Behinderung sowie sexueller Orientierung und die Schaffung eines inklusiven und förderlichen Arbeitsumfeldes mit der Möglichkeit zur chancengerechten Teilhabe an Karrieren, ist eine Frage der Organisationskultur, aber insbesondere auch Führungsaufgabe. Dazu gehört die Wertschätzung verschiedener individueller Lebensmodelle sowie die Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Familienpflichten, zum Beispiel mit Angeboten zur Flexibilisierung der Arbeitszeit, zu verschiedenen Arbeitsmodellen und zum ortsunabhängigen Arbeiten. Das Stabselement Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion wurde im Bundesministerium der Verteidigung eingerichtet, um strategische Ziele für die weitere Implementierung des Diversity-Managements in die Bundeswehr zu definieren, Handlungsfelder zu identifizieren und Maßnahmen im Hinblick auf ein strategisches Veränderungsmanagement zu initiieren sowie in der Durchführung zu begleiten.“

In diesem ganzen verschwurbelten Neusprech findet sich nicht ein einziges Mal das Wort Soldat. Dafür aber solches Kirchentagsvokabular wie „Teilhabe“ und das von den Gender-Lehrstühlen propagierte „Diversity Management“, bei dem es im Grunde genommen darum geht, gesellschaftlichen Mikro-Gruppen, vorwiegend solchen, die mit einer absurden Selbstwahrnehmung ihrer Sexualität geschlagen sind, eine weit überproportionale Bedeutung beizumessen. Die Bedeutung dieser Einrichtung wird aktuell dadurch unterstrichen, daß sie offensichtlich außerhalb des Dienstweges angesiedelt ist. So können Disziplinarermittlungen nicht durchgeführt werden, wenn sich Beschwerdeführer an dieses Stabselement wenden. Disziplinarvergehen können dann eben nicht verfolgt werden. Doch der gesellschaftliche Fortschritt kann doch nicht durch irgendwelche kleinlichen Rechtsvorschriften aufgehalten werden!

Vielleicht sollte die Ministerin ihre so definierten strategischen Ziele dadurch fördern, daß ihr famoses Stabselement nun künftig mit einem bunten Motivwagen am „Christopher Street Day“ teilnimmt. Gewährleistet wäre damit auf jeden Fall eine nachhaltige Abkehr von unerwünschter Traditionspflege. Ein größerer Gegensatz zu sogenannten Wehrmachtsdevotionalien in Kasernen ist schlechterdings kaum denkbar. Die „Bunte Republik Deutschland“ braucht eben auch eine zeitgemäße Militärkultur. Mit der Verfremdung des Eisernen Kreuzes hat die Ministerin ja schon die Richtung gewiesen. Über diesen Zwischenschritt werden wir sicherlich in absehbarer Zeit zur Umwandlung der Streitkräfte in eine staatliche Hilfsorganisation kommen. Der deutsche Militarismus wird dann endgültig auf den Müllhaufen der Geschichte entsorgt.

  • AGG: Allgemeines Gleichbehandlungs Gesetz

Ein Gedanke zu „Der Fortschritt

  1. Hartmut Wilhelm

    Bezüglich der Stellung unserer Streitktäfte in der Gesellschaft und ihrer derzeitigen Führung vernachlässigen wir völiig, dass wir seit 1945, als seit mehreren Generationen keinen Krieg, nicht einmal größerer militärische Auseinandersetzungen haben. Die ist begleitet von einem historisch einmaligen wirtschaftlichen Wohlstand und großer innenpolitischer Freiheit, die eben politisches Denken nicht fördert, weil nicht zum Leben notwendig. Unser Pass und unser Eur öffnen uns zahllose Grenzen etc. Da nach Marx das Sein das Bewusstsein formt, ist unser militärisches Bewusstsein weit entfernt von kriegerischen Ereignissen. Wenn irgendwo ein Feuerwerkskörper hochgeht, kommt da schon der Kriegsvergleich. Das betrifft uns alle, auch das Militär. Eine Karriere und Erfahrung bei der Armee entspricht etwa, bitte um Entschuldigung, dem schülerfreien Unterricht oder patientenfreien Krankenhaus. Insofern könnte eine Politikerin nicht punkten, wenn sie, nehmen wir ein historisches Beispiel, die Armee in einen Zustand versetzt, wie die Wehrmacht und Waffen SS im Sommer 1943 während der Angriffsvorbereitungen des Unternehmens „Zitadelle“. wo, so eine Aussage, jeder (dt) Soldat jede Waffe, jedes Gerät beherschte. Dafür haben wir heute keinen Bedarf.
    Also muss ein(e) Politiker(in) sich an der aktuellen Gesellschaft ausrichten, und die hat eben Lieschen Müller und Dr. Lieserich Maier zum Maßstab und muss sich darin wiederfinden oder einrichten. Im Grunde wollen wir alle nicht viel anderes. Dass gute polit. Führung natürlich auch Führung bedeutet, steht außer Frage.
    Uschi ist ein Kind ihrer Zeit, der Zeit, eine Person für bestimmte Situationen, und diese scheinen heute im Bereich von IBUK nicht gegeben zu sein. Warten wir es ab.

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