Jahreszahlen sind Wegemarken

Wir schreiben nun das Jahr 2018. Es ist durchaus reizvoll, gerade zu Beginn eines Jahres in die Geschichte zurück zu blicken. Denn das beginnende Jahr wird im allgemeinen noch nicht von einem historischen Ereignis geprägt, wohl aber stehen bisweilen die vergangenen Jahre mit gleicher Endziffer für Ereignisse von besonderer Bedeutung, man könnte auch sagen mit Fernwirkung. Sicher ist da jedem in Deutschland und auch in Europa das Jahr 1918 vor Augen. Doch die früheren Jahrhunderte haben auch noch andere Ereignisse dieser Qualität aufzuweisen.

Beginnen wir mit dem Jahr 718 n.Chr. Am 15. August jenes Jahres endete die Belagerung von Konstantinopel durch das Kalifat der Omajaden. Nachdem die Araber bereits in den Jahren 676-678 vergeblich versucht hatten, Konstantinopel zu erobern, schickte der Kalif Sulaiman im Jahre 717 erneut ein Heer vor die Stadt. Doch die Byzantiner, mit tatkräftiger Unterstützung eines bulgarischen Heeres, hielten stand. Der arabische Feldherr Maslama scheiterte und zog sich an eben diesem 15. August 718 zurück. Nachdem die islamische Expansion nach Europa auch im Westen gescheitert war, als Karl Martell im Oktober 732 in der Schlacht von Tours und Poitiers ein arabisches Heer besiegte, hatte Europa jahrhundertelang Ruhe vor den islamischen Heeren. Die Kalifen wandten sich anderen Regionen zu. Wie sich die Geschichte weiter entwickelt hätte, wenn es den Omajaden damals doch gelungen wäre, Konstantinopel zu erobern oder Karl Martell zu schlagen, wissen wir nicht, aber wir können es ahnen. Die europäischen Völker standen gerade in einem Umbruch. Das untergegangene Römische Reich war noch nicht durch ähnlich kraftvolle Staatsgebilde ersetzt worden. Einem entschlossenen Eroberer hätte sich eine gute Chance geboten, die noch schlecht organisierten und daher militärisch schwachen Völker der Reihe nach zu unterwerfen.

Erst im 15. Jahrhundert nahmen die Nachfolger der arabischen Kalifen, die osmanischen Sultane, erneut die Eroberung Europas in Angriff. Nachdem sie 1422 noch zurückgeschlagen worden waren, eroberten sie am 29. Mai 1453 Konstantinopel. Das brachte dem Sultan Mehmet II. den Beinamen Fatih, das heißt der Eroberer, ein. Ein in der Türkei und bei den in Europa lebenden Türken sehr beliebter Vorname für Knaben und eine verbreitete Bezeichnung für Moscheen. Man sollte sich das vor Augen halten, wenn vom Islam die Rede ist. Die Eroberung Konstantinopels war dann der Auftakt für einen fast 300 Jahre währenden Ansturm der Osmanen auf Südosteuropa, die sogenannten Türkenkriege. Unter dem Begriff „die Türken vor Wien“ ist im kollektiven Gedächtnis der Europäer geblieben, daß die islamische Expansion 1683 mit der erfolglosen Belagerung der Hauptstadt des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation ihr Ende gefunden hat. Indessen ist das so nicht ganz richtig. Es gab bereits 1529 eine erfolglose Belagerung von Wien. In der Tat war der Sieg über die Türken 1683 vor Wien ein Markstein in der Geschichte. Der Ruhm des endgültigen Sieges über die Türken gebührt indessen dem genialen Feldherrn Prinz Eugen von Savoyen. Am 5. August 1716 besiegte er ein türkisches Heer in der Schlacht bei Peterwardein im nördlichen Serbien, um dann am 18. August 1717 Belgrad zurückzuerobern. Damit war der Versuch, Europa mit militärischen Mitteln für den Islam zu gewinnen, endgültig gescheitert.

1000 Jahre lang hatten also islamische Heere versucht, Europa zu unterwerfen. Zwischen der erfolglosen Belagerung Konstantinopels 718 und der Rückeroberung Belgrads 1717 gelang es den christlichen Fürsten und Feldherren immer wieder, nicht selten zahlenmäßig überlegene Heere der islamischen Eroberer zurückzuschlagen. Trotz aller nationalen Gegensätze einigte doch die Furcht vor dem islamischen Joch die europäischen Völker jedenfalls in Zeiten höchster Bedrohung. Auch daran sollten wir uns erinnern, auch wenn wir es nicht mehr mit einer militärischen Bedrohung durch den Islam zu tun haben. Denn das Ziel der Unterwerfung Europas wird heute mit nicht weniger gefährlichen Methoden betrieben. Die größte Gefahr für die Völker Europas geht dabei von der unglaublichen Dummheit ihrer Politiker aus, die offensichtlich den Charakter des Islam und die geschichtliche Dimension seiner Expansion nicht begreifen, oder schlimmer noch, nicht begreifen wollen.

Das Jahr 1218 war insbesondere für die Kultur Europas von großer Bedeutung. Der Stauffer Friedrich II. wurde in Rom zum Kaiser gekrönt. Er gehört zu den glänzendsten Herrschergestalten unserer Geschichte. Stupor mundi, das Staunen der Welt, nannten ihn schon seine Zeitgenossen. Somit steht die Jahreszahl 1218 für eine Periode unserer Geschichte, die unser kollektives (nationales) Bewußtsein stärker prägen sollte, als dies heute der Fall ist. Der Geschichtsunterricht in den Schulen wie der Umgang von Politik und Medien mit der deutschen Geschichte haben bewirkt, daß die Deutschen unserer Tage über die dunklen Jahre unserer Geschichte zwar fast alles, über eine so glänzende Periode indessen nahezu nichts wissen. Wir sind verpflichtet, unseren Kindern und Enkeln diese Seiten aus dem Buch der Geschichte wieder zurückzugeben.

Am 23. Mai 1618 stürmten böhmische Adlige die Prager Burg und warfen drei Beamte aus dem Fenster. Das Ereignis ist als zweiter Prager Fenstersturz (der erste war zu Beginn der Hussitenkriege am 30. Juli 1419) bekannt geworden und markiert den Beginn des 30-jährigen Krieges. Diese europäische Urkatastrophe muß wohl als eine der wichtigsten Wendemarken gerade in der deutschen Geschichte betrachtet werden. Nicht nur, daß ihm ca. 6 Millionen Menschen, das war ein Drittel der deutschen Bevölkerung, zum Opfer gefallen waren. Vielmehr stand am Ende des Krieges eine neue Völkerrechtsordnung. Sie brachte den am Kriege beteiligten ausländischen Mächten Frankreich und Schweden erhebliche Landgewinne zum Nachteil Deutschlands. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, das in diesen Krieg noch als europäische Großmacht eingetreten war, war als staatliche Organisation de facto untergegangen. Denn die Souveränität der deutschen Landesfürsten wurde durch den Frieden von Münster und Osnabrück (15. Mai/24. Oktober 1648), auch Westfälischer Friede genannt, zu Lasten des Reiches festgeschrieben. Das so fraktionierte Deutschland war dann auch mehr als 200 Jahre lang ein Spielball der europäischen Mächte, insbesondere Englands, Frankreichs und Russlands.

Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen ist das Jahr 1918 heute präsent. Nicht nur, daß die Gedenkveranstaltungen vor vier Jahren an den Beginn des Ersten Weltkrieges diese Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts in das öffentliche Bewusstsein gerückt haben. Dieser Krieg wird nicht zu Unrecht als Auftakt zur Umgestaltung der Welt in der Folge des Zweiten Weltkrieges gesehen. Deutschland, das infolge einer Kombination von prekärer geostrategischer Lage einerseits und katastrophalen Fehlern seiner politischen Führer andererseits als Machtfaktor der internationalen Politik nicht mehr existiert, mag sich damit trösten, daß auch Großbritannien und Frankreich ungeachtet ihres ständigen Sitzes im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen den Status einer Weltmacht verloren haben. Mit dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917, der Expansion des sowjetischen Reiches am Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Aufstieg Chinas ist die Weltpolitik im 20. Jahrhundert neu geordnet worden. Und so markieren der 11. November 1918, an dem zwischen den Kriegsparteien England, Frankreich und Deutschland der Waffenstillstand geschlossen wurde, und der 28. November 1918, als der letzte deutsche Kaiser, Wilhelm II, abdankte und ins holländische Exil ging, das Ende der eurozentrischen Weltordnung und den Anfang einer Weltordnung, die in der Tat global genannt werden kann. Ob ein nachrangiges Land wie Deutschland sich darin behaupten kann, hängt zunächst einmal davon ab, ob es das auch will. Betrachtet man sich unsere Politiker und ihre Zuarbeiter in Wissenschaft und Medien, kommen daran Zweifel auf.

 

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